Anonym (Frankreich)
Die hundert neuen Novellen
Anonym (Frankreich)

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44. Novelle
Der Pfarrer als Heiratsvermittler

Wie es heutzutage viele Priester und Pfarrer gibt, die so lustige Gesellen sind, daß sie alle Torheiten und Streiche gleich weltlichen Leuten mitmachen und üben, gab es jüngst in einem guten Dorf der Pikardie einen Herrn Pfarrer, der der Liebe sehr ergeben war. Und unter den Frauen und schönen Mädchen seines Kirchspiels erwählte und eräugelte er ein schönes, schmuckes und mannbares Mädchen und war keck genug, ihm ausführlich zu erzählen, wie es um ihn stand.

Wirklich brachten es seine schönen und überzeugenden Worte, hunderttausend Versprechungen und ebenso viele Lügen dahin, daß es so gut wie bereit war, in den Wunsch des Pfarrers zu willigen, was recht schade gewesen wäre, so schön, schmuck und gutgesittet war es; und es hatte nur den einen Fehler, daß es nicht zu den klügsten Mädchen in der Welt gehörte.

Gleichwohl - ich weiß nicht, woher ihr diese Einsicht und Antwort kam - sagte sie eines Tages zu ihrem Pfarrer, der sein Unternehmen eifrig verfolgte, sie sei nicht gesonnen, in sein Begehren zu willigen, ehe sie verheiratet sei. Denn bekäme sie, wie es jeden Tag bei Mädchen vorkomme, ein Kind, so wäre sie für immer und ewig entehrt und würde von ihrem Vater, ihrer Mutter, ihren Brüdern und ihrer ganzen Verwandtschaft geschmäht werden. Das könnte sie nicht ertragen und sie hätte nicht das Herz, das Leid und den Kummer, die ihr daraus entspringen würden, zu erdulden: »Doch gleichwohl könnt Ihr ruhig, wenn ich eines Tags verheiratet bin, davon zu mir sprechen, und ich will, was in meinen Kräften steht, für Euch tun. Ich sage Euch das ein für allemal, damit Ihr jetzt nicht darauf rechnet, und Ihr könnt mir's glauben.«

Der Herr Pfarrer war von dieser entschlossenen Antwort nicht sehr entzückt und konnte sich nicht denken, woher sie den Mut und die Einsicht nahm, so zu ihm zu sprechen. Doch da er in die Bande der Liebe verstrickt und von den Pfeilen Amors wohl getroffen war, wollte er von seinem Unterfangen nicht abstehen und sagte zu seiner Dame: »Nun wohl, meine Freundin, seid Ihr fest entschlossen und gewillt, für mich nichts vor Eurer Heirat zu tun?«

»Ganz gewiß«, erklärte sie.

»Und wenn Ihr verheiratet wäret«, fragte er, »und ich hätte es vermittelt und Euch dazu verholfen, würdet Ihr Euch dann erkenntlich zeigen und mir treulich und ohne Falsch Euer Versprechen halten?«

»Wahrhaftig, ja«, versetzte sie, »und ich verspreche es Euch nochmals.«

»Dann habt schönen Dank«, rief er. »Seid guten Muts, denn ich verspreche Euch wahr und gewiß, es soll nicht an meinem Eifer und meinen Kräften fehlen, wenn Ihr nicht in Kürze verheiratet seid. Ich bin sicher, Ihr sehnt Euch ebensosehr danach wie ich, und damit Ihr seht, daß ich der Mann bin, der Euch zuliebe Leib und Gut dransetzen will, sollt Ihr bald erkennen, wie ich mich dieser Sache annehmen werde.«

»Nun wohl, Herr Pfarrer«, erwiderte sie, »man wird sehen, wie Ihr es anfangen werdet.«

Darauf trennten sie sich, und der gute Pfarrer, den das Liebesfeuer brannte, ruhte nicht eher, als bis er den Vater seiner Dame gefunden hatte und sich in ein Gespräch mit ihm über viele verschiedene Dinge einließ; und zum Schluß kam er auf seine Tochter zu sprechen, und es sagte ihm der gute Pfarrer: »Lieber Nachbar, ich wundere mich sehr und so auch viele Eurer Nachbarn und Freunde, daß Ihr Eure Tochter nicht verheiratet und sie so lange bei Euch behaltet, wo Ihr doch wißt, daß die Hut schwer ist. Gott soll mich davor bewahren, daß ich sage oder sagen wollte, sie wäre nicht ein treffliches Mädchen. Aber Ihr könnt jeden Tag sehen, daß es übel ausläuft, wenn man sie über die richtige Zeit zu Haus behält. Verzeiht mir, daß ich so vertraulich Euch mein Herz und meine Gedanken entdecke, doch meine Liebe und meine Zuneigung zu Euch - ich bin ja doch Euer unwürdiger Seelsorger - ermuntern und zwingen mich dazu.«

»Bei Gott, Herr Pfarrer«, sagte der Biedermann, »Ihr sprecht mir nur von Dingen, die ich für sehr richtig halte, und ich danke Euch dafür von ganzem Herzen. Glaubt nicht, daß es mir recht ist, daß ich sie so lange bei mir behalte. Wenn sich eine gute Gelegenheit darbieten wird, will ich wahrhaftig für sie alles tun, wie es meine Pflicht ist. Ihr sagt, ich bemühe mich nicht um einen Mann für sie, aber wenn ein anständiger Mensch kommt, werde ich mich der Sache annehmen, wie ein guter Vater es tun muß.«

»Ihr sprecht vortrefflich«, versetzte der Pfarrer, »und könnt wirklich nichts Besseres tun, als Euch damit zu beeilen, denn es ist doch sehr viel wert, seine Kinder bei Lebzeiten verheiratet zu sehen. Was würdet Ihr zu dem und dem sagen, dem Sohn Eures Nachbarn? Mir scheint er, bei meiner Seele, ein anständiger Mensch, guter Wirt und tüchtiger Arbeiter zu sein.«

»Sankt Johann«, rief der Biedermann, »ich sage nur, daß mir's wohlgefällt. Ich kenne ihn auch als einen anständigen Menschen und guten Arbeiter. Sein Vater, seine Mutter und alle seine Verwandten sind anständige Leute. Und wenn sie meiner Tochter diese Ehre, sie zur Frau für ihn zu bitten, erzeigten, würde ich ihnen so antworten, daß sie wohl zufrieden sein sollten.«

»Helfe mir Gott«, sagte der Pfarrer, »nie hat ein Mensch vernünftiger gesprochen, und wolle Gott, daß die Sache nun so gut, wie ich es wünsche, zu Ende gebracht werde. Und da ich gewiß weiß, daß diese Heirat zum Besten beider Teile dienen wird, werde ich mich der Sache annehmen. Und nun sage ich Euch Lebewohl.«

Wenn der Herr Pfarrer sein Bestes beim Vater seiner Dame getan hatte, so tat er es nicht minder beim Vater des jungen Mannes, dem er bei seinem zukünftigen Schwiegervater den Weg geebnet hatte, und hielt ihm eine große Einleitungsrede, sein Sohn stehe im heiratsfähigen Alter und hätte schon längst vermählt sein sollen. Er führte ihm hunderttausend Gründe an, aus denen er ihm bewies und den Schluß zog, daß die Welt verloren sei, wenn sein Sohn nicht alsbald sich verheirate.

»Herr Pfarrer«, entgegnete dieser zweite Biedermann, »ich weiß, Ihr sprecht die lautere Wahrheit, und Ihr könnt mir's glauben, wäre ich so reich wie vor vielen Jahren mit Glücksgütern gesegnet, so wäre er schon längst verheiratet, denn das ist mein sehnlichster Wunsch. Doch da es an Geld fehlt, hat es sich so verzögert, und er muß sich noch so lange in Geduld fassen, bis unser Herr uns mehr Güter, als wir gegenwärtig haben, beschert.«

»Ah, Teufel«, rief der Pfarrer, »ich verstehe Euch wohl, Ihr müßt Geld haben.«

»Wahrhaftig, so ist's«, entgegnete er, »hätte ich so viel, wie ich einst gehabt habe, so würde ich ihm alsbald eine Frau suchen.«

»Ich habe mich«, sagte der Pfarrer, »da ich um das Wohlergehen und Fortkommen Eures Sohnes besorgt bin, umgetan und glaube, daß die Tochter des und des« (das heißt seine Dame) »sehr wohl zu ihm passen würde. Sie ist schön und gut, und ihr Vater ist vermögend, und soweit ich weiß, will er ihr eine gute Mitgift geben, und, was nicht wenig besagen will, er ist ein kluger, einsichtsvoller Mann, mit dem sich gut leben läßt und an dem Ihr und Euer Sohn einen guten Rückhalt und trefflichen Beistand hättet. Was meint Ihr dazu?«

»Wollte doch Gott«, entgegnete der Biedermann, »daß mein Sohn so glücklich wäre und in ein so gutes Haus hineinheiratete! Ganz gewiß, wenn ich dächte, es könnte ihm gelingen, und wenn ich mit Geld so, wie ich es nicht bin, gesegnet wäre, würde ich alle meine Freunde um ihre Vermittlung in dieser Sache angehen, denn ich weiß ganz gewiß, etwas Besseres könnte man nicht finden.«

»Ich habe also nicht schlecht gewählt«, meinte der Pfarrer, »und was würdet Ihr dazu sagen, wenn ich über diese Angelegenheit mit dem Vater spräche und sie zum glücklichen Ende brächte und wenn ich noch außerdem Euch die Freude machte und zwanzig Franken bis zu einem Termin, über den wir sprechen können, liehe?«

»Wahrhaftig«, sagte der Biedermann, »Ihr erweist mir mehr Güte, Herr Pfarrer, als ich verdiene und Euch jemals vergelten kann. Doch wenn Ihr so tut, werdet Ihr für immer und ewig mich Euch verpflichten.«

»Wahrhaftig«, sagte der Pfarrer, »ich habe Euch nur von etwas gesprochen, was ich ausführen kann. Seid guten Muts, denn ich hoffe, diese Angelegenheit zu Ende zu führen.«

Um es kurz zu machen: der Herr Pfarrer nahm in der Hoffnung, seine Dame nach ihrer Heirat genießen zu können, sich der Angelegenheit mit solchem Eifer an, daß die Ehe, zumal er die zwanzig Franken auch lieh, geschlossen und bald der Hochzeitstag gekommen war.

Nun ist es Sitte, daß Mann und Frau an diesem Tage beichten. Und so kam der Mann zuerst und beichtete bei dem Pfarrer. Und als er das getan, zieht er sich ein paar Schritte von ihm zurück, um seine Gebete und Paternoster zu sagen. Und nun seht! da kniet die junge Frau vor dem Pfarrer und beichtet. Als sie alles gesagt hatte, sprach er so laut, daß der Mann, der unfern stand, alles genau hörte: »Liebe Freundin, ich bitte Euch, wollt Euch jetzt, denn die Stunde ist gekommen, Eures mir vor kurzem gegebenen Versprechens erinnern. Ihr verspracht mir, wenn Ihr verheiratet wäret, könnte ich Euch reiten. Nun seid Ihr es, Gott sei Dank, durch meine Vermittlung und auf mein Betreiben und infolge des Gelds, das ich geliehen habe.«

»Was ich Euch versprochen habe, Herr Pfarrer«, erklärte sie, »werde ich halten, so Gott will. Zweifelt nicht daran.«

»Ich danke Euch dafür«, sagte er, dann gab er ihr die Absolution und ließ sie nach dieser frommen Beichte ziehn.

Der Mann aber, der diese Worte gehört hatte, freute sich nicht sehr darüber, doch war es jetzt nicht an der Zeit, den Erzürnten zu spielen. Nachdem die kirchlichen Felerlichkeiten vorüber waren, jeder ins Haus zurückgekehrt und die Schlafensstunde gekommen war, ging der junge Ehemann zu einem vertrauten Freund und bat ihn, er möchte ihm eine tüchtige Handvoll Ruten besorgen und sie heimlich unter das Kopfkissen seines Betts legen, was der andere auch tat.

Als es Zeit war, legte sich die junge Frau, wie es Sitte ist, zu Bett und, ohne ein Wort zu sagen, auf die eine Seite. Der Mann kam bald danach und legte sich, ohne sich ihr zu nähern und ein Wort zu sagen, auf die andere Seite des Betts. Und am Morgen steht er auf, ohne irgend etwas gemacht zu haben, und verbirgt seine Ruten unter dem Bett.

Als er das Zimmer verlassen hatte, seht, da kommen alte gute Frauen, finden die Neuvermählte im Bett und fragen sie natürlich, wie sie die Nacht verbracht habe und was sie von ihrem Mann halte.

»Meiner Treu«, sagte sie, »seht da«, und sie zeigte auf den Bettrand, »so weit hat er gelegen, und hier ich. Die ganze Nacht ist er mir nicht näher gekommen und ich ihm auch nicht.«

Sie waren sehr erstaunt und dachten sich vielerlei dabei, die einen dies, die andern das; doch kamen sie darin überein, er habe sie wegen eines Gelübdes nicht berührt, und für diesmal ward nicht mehr davon gesprochen.

Die zweite Nacht kam, und die junge Frau legte sich an ihren Platz wie tags zuvor und der Mann hinter ihr an den seinen, mit seinen Ruten bewehrt. Und wieder geschah ihr nichts, was ihr gar nicht recht war, und sie verfehlte nicht, es am Morgen den Frauen zu sagen, die nicht wußten, was sie davon denken sollten. Die einen erklärten: »Vielleicht ist er gar kein Mann, man muß ihn auf die Probe stellen, wenn er es bis zur vierten Nacht auf diese Weise getrieben hat. Man muß ihm tüchtig die Meinung sagen. Wenn er in der nächsten Nacht mit Euch nicht anders verfährt«, sagten sie zu der jungen Frau, »dann zieht ihn zu Euch, halst und küßt ihn und fragt, ob man in der Ehe sonst nichts macht. Und fragt er Euch, was er Euch machen soll, so sagt ihm, Ihr wollt von ihm geritten werden, und Ihr werdet hören, was er darauf antwortet.«

»Ich will es tun«, versetzte sie.

So geschah es auch, denn als sie sich an ihren Platz wie sonst gelegt hatte, nahm der Mann abermals seine Stelle ein und näherte sich ihr ebensowenig wie in den vergangenen Nächten. Daher wandte sie sich zu ihm und umfaßte ihn und sagte zu ihm: »Kommt doch hierher, lieber Mann! Wollt Ihr mich so liebkosen? Seht, nun bin ich schon die fünfte Nacht mit Euch zusammen, und noch seid Ihr nicht so freundlich gewesen und mir nahe gekommen. Hätte ich gewußt, daß man nichts anderes in der Ehe macht, so hätte ich mich wahrhaftig nicht zur Heirat entschlossen.«

»Und was soll man denn in der Ehe machen?« fragte er nun.

»Man hat mir gesagt«, versetzte sie, »daß dabei einer den andern reitet. Daher bitte ich Euch, reitet mich auch!«

»Reiten!« versetzte er, »das möchte ich Euch nicht machen, so garstig bin ich nicht.«

»Ach, macht es doch, bitte, man tut es doch in der Ehe.«

»Wollt Ihr es wirklich?« fragte er.

»Ich bitte Euch darum«, entgegnete sie, und damit küßte sie ihn zärtlich.

»Ich tue es wahrhaftig sehr ungern«, sagte er, »doch da Ihr es wollt, will ich es machen, aber ich weiß genau, Ihr werdet darüber nicht sehr erfreut sein.«

Nun nimmt er, ohne ein Wort weiter zu sagen, seine Ruten, deckt Mademoiselle auf und schlägt sie so kräftig auf Bauch und Rücken, Beine und Schenkel, daß ihr das Blut herabspringt. Sie schreit, weint, tobt. Wer sie sah, mußte tiefes Mitleid empfinden. Sie verwünschte den, der ihr je den Rat gegeben, ums Reiten zu bitten.

»Ich sagte es Euch ja«, erklärte nun ihr Mann; danach nahm er sie in seine Arme und versorgte sie trefflich, so daß sie die Schmerzen der Prügel ganz vergaß.

»Und wie heißt das«, fragte sie, »das Ihr mir jetzt gemacht habt?«

»Das heißt«, entgegnete er, »blase in den Hintern.«

»Blase in den Hintern!« entgegnete sie. »Das klingt nicht so gut wie Reiten, doch die Art und Weise gefällt mir besser, und nun ich es kenne, werde ich in Zukunft wohl wissen, worum ich bitten muß.«

Nun müßt ihr wissen, daß der Herr Pfarrer fortwährend aufpaßte, wann seine Neuvermählte zur Kirche käme, um ihr seine Mühen ins Gedächtnis zurückzurufen und sie an ihr Versprechen zu erinnern. An dem Tag, an dem sie dorthin ging, kam er herbei und trat neben das Weihwasserbecken, und als sie in der Nähe war, bot er ihr das Weihwasser und sagte ihr leise: »Liebe Freundin, Ihr habt mir versprochen, ich könnte Euch reiten, wenn Ihr verheiratet wäret. Nun seid Ihr es, Gott sei Dank, und es wäre Zeit, daran zu denken, wann das geschehen könnte.«

»Reiten!« rief sie, »bei Gott, ich wünschte lieber, Ihr wäret ertrunken oder erhängt. Sprecht mir nicht vom Reiten, doch bin ich's zufrieden, daß Ihr mir in den Hintern blast, wenn Ihr wollt.«

»Das viertägige Fieber soll Euch packen, schmutzige Person, die Ihr so garstig, unsauber und unanständig seid! Habe ich so viel getan, daß ihr mich mit In-den-Hintern-Blasen lohnen wollt?«

So schied der Herr Pfarrer unzufrieden von der Neuvermählten, die sich auf ihren Platz setzt, um die fromme Messe, die der gute Pfarrer halten wird, zu hören. So wie ihr es oben gehört habt, kam der Herr um den Genuß seiner Dame, und aus keinem andern Grunde, als weil er zu ihr am Tag, da sie beichtete, allzu laut gesprochen hatte, denn ihr Mann kam ihm in die Quer, wie vorher berichtet, indem er seiner Frau einredete, daß man den Liebesgenuß »Blasen in den Hintern« nennt.

 


 


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