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Der Tischwalzer.
Novelle von Walter Bloem

»Nun, Thilde, freust du dich?«

Schwerfällig rumpelte der Mietwagen über das fragwürdige Pflaster der alten Musenstadt. Von den wenigen Straßenlaternen, welche mit mattem Scheine phantastische Linien um die altersgrauen, verschnörkelten Fassaden und Erker der ehrwürdigen Häuserfronten der Hauptstraße zeichneten, fiel ab und an ein Strählchen in das Innere des Wagens, flimmerte dann auf Vaters breiter Ordensreihe, auf Mutters funkelnagelneuem violettem Seidenkleid, auf Klothildens pelzbesetztem hellem Abendmantel und den schlanken, weißbehandschuhten Händen, die immerfort, hastig spielend, jetzt mit Fächer und Ballbukett, jetzt mit dem knisternden Spitzenumhang sich zu schaffen machten ...

»Ob ich mich freue? Aber, Mutter ... der erste Ball seit meines Vaters Magnifizenz Rector magnificus unserer lieben Alma mater ist ... und dazu die noch viel größere Freude – entschuldigen Eurer Magnifizenz! – daß mein süßes Muttchen wieder mit dabei ist, statt, wie vorigen Winter, nervenkrank im Sanatorium zu stecken« ...

»Ja,« schmunzelte Seine Magnifizenz, »daß wir unsre Alte wieder mit dabei haben – das ist doch das Beste!«

Er legte den Arm um die zarte Gestalt seiner Lebensgesellin und schaute ihr durch die goldgefaßten Brillengläser liebevoll ins feine, welke Gesichtchen.

Die Frau Geheimrat nickte dem Gatten zärtlichen Gegengruß ... ach ja, es war doch schön, wieder daheim zu sein ...

»Das verdanke ich, nächst Gott, meinem guten Doktor Borges ... wenn der nicht mit seiner Elektrizität gekommen wäre, dann ginget ihr zwei nicht auf den Ball – und ich läge oben auf dem Schloßkirchhof.« ...

Der Rektor stieß die Gattin leise lächelnd an ... als die Mutter des Arztes Namen genannt, hatte sich des Mädchens Köpfchen jählings gesenkt, und eine rasche, dunkle Röte war gekommen, so tief, daß es selbst im flüchtig hineinhuschenden Licht der vorübergleitenden Gaslaternen zu erkennen war.

Ach ... wenn das nur auf Gegenseitigkeit beruhen möchte!

Der Leiter und Hauseigentümer des großen Sanatoriums Berghausen ...

Zwar genau doppelt so alt wie das Kind ... aber was für ein Mann! –

Als Arzt und Charakter gleich ausgezeichnet –

Und ... Geld, so viel Geld wäre doch auch nicht zu verachten ... wenn man sich lebenslang mit dem Gehalt und den bescheidenen Kollegiengeldern eines Professors der klassischen Philologie an einer kleinen Hochschule durchgeschlagen hatte. ...

Ach – das würde schon nichts werden ... es war zu schön – so schöne Träume bleiben immer Träume. ...

Nur dem Kinde nichts in den Kopf setzen! Mochte sie ihre Jugend genießen ...

»Na, Thilde,« sagte der Rektor, »dir hat's ja bisher im Museum niemals an Tänzern gemangelt ... und nun, als Tochter des derzeitigen Rector magnificus, wirst du wohl gar nicht mehr zur Ruhe kommen – was?!«

»Wollen's hoffen, Vater!« lächelte Klothilde und legte die Hand auf ihr Mieder ... dort knisterte unter dem weißen Tüll ein Brief, den sie frühmorgens empfangen und den Eltern geheimgehalten hatte. ... Doktor Borges erlaubte sich, dem gnädigen Fräulein mitzuteilen, daß er am Abend den Museumsball besuchen werde, und gab sich die Ehre, um Reservierung eines Tanzes zu bitten. ...

Himmel!

Ob sie's wagte, ihm den Tischwalzer aufzuheben?

War das nicht vielleicht ein bißchen viel Entgegenkommen?

Nun, am Ende kam er früh genug, um die Auswahl zu haben ... wenn er dann wirklich ihr Tischnachbar zu sein wünschte, konnte er sich ja melden!

Nun bog der Wagen in die Lange Straße ein. Rechts und links auf dem Bürgersteig strömten schon die Gäste zum Ball der Universität. Wagen gab's nicht viele im Nest, und übrigens war ein trockner, windstiller, nebliger Oktoberabend.

Damen huschten vorbei, in hellen Ballmänteln, unter denen die weißen Schuhchen schnippisch trippelnd vorlugten, und mit klappernden Stöcken, die Paletotkragen hochgeklappt über Frack und weißer Binde, schritten die Musensöhne heran, die meisten in bunten Mützen, manche auch im feierlichen Zylinder. Das vertraute Bild des Corpus academicum, wie es zu festlicher Geselligkeit sich sammelte.

»Ob der Prinz wohl kommen wird?« fragte die Frau Rektorin.

»Selbstverständlich kommt er!« erklärte Magnifizenz.

Prinz Günter von Hessen-Dillingen, derzeit Studiosus juris et cameralium, kannte seine gesellschaftlichen Pflichten und nahm es sehr strenge mit ihrer Erfüllung.

»Erinnere dich, Kindchen, was ich dir gesagt habe!« mahnte Mama. »Der Prinz wird selbstverständlich mit dir tanzen. Er engagiert aber nach dem Hofzeremoniell nicht selbst, sondern schickt seinen Adjutanten, den Herrn Major von Giersdorff. Der bittet sich auch nicht etwa deine Tanzkarte aus und sieht nach, was du noch frei hast, sondern erklärt einfach: Königliche Hoheit lassen um den und den Tanz bitten. Du verneigst dich, und die Sache ist abgemacht.«

»Und – wenn ich nun für den Tanz bereits engagiert bin?« fragte Klothilde unbehaglich.

»Dann hat der betreffende Herr Pechvogel zurückzutreten.«

»Ja ... wenn der Herr nun aber ... auf seinem Recht besteht?«

»Ja, das gibt's nicht ... wenn der Prinz dich engagiert, das ist Force majeure – du bist frei.«

»Das ist aber doch eigentlich toll. Wenn ich ein Herr wäre – ich ließe mir das nicht gefallen!« erklärte Klothilde.

»Aber, Thilde!« staunte Mama. »Wenn ein Prinz befiehlt! Da hat doch ein gewöhnlicher Sterblicher zu verzichten – das versteht sich doch einfach von selbst!«

Klothilde antwortete nicht ... also es verstand sich von selbst. ...

Sie konnte sich vorstellen, daß ein gewisser Jemand anderer Ansicht sein möchte. ...

Ach – der war ein Mann – der würde sich besinnen, in Ehrfurcht ersterbend dem neunzehnjährigen, schmächtigen Prinzlein mit dem harmlos unbedeutenden Knabengesichtchen das Feld zu räumen. ...

Doch ... die rumpelnde Kalesche hielt. Wurzinger, der Universitätsoberpedell, heute in der nicht mehr ganz frischen Gala eines hochherrschaftlichen Lakaien, riß den Wagenschlag auf, machte einen tiefen, steifen Bückling. ... Und durch die gaffenden Reihen der Philister, der Kinder, der Friseurgehilfen und Dienstmädchen schritt das geheimrätliche Paar, würdevoll und amtsbewußt. Alle Hüte flogen von den Köpfen. Der Rektor war die größte Respektsperson im Städtle. Und hinterdrein Klothilde, strahlend im frischen Jugendschmelz, umleuchtet von der Gloriole ihrer zwanzigjährigen Mädchenlieblichkeit, ganz Hoffnung, ganz Frühling.

Und kaum hatte sie den Saal betreten, da umschwirrte sie ein Schwarm jugendlicher Frackträger. Die Chargierten sämtlicher Korporationen rissen sich um die Ehre, das Rektortöchterlein zum Tanze zu führen. Aber auch die Privatdozenten, wie manch junger Extraordinarius, legten Wert darauf, heute die Tochter des erwählten Oberhauptes eines hohen akademischen Senats am Arm zu führen, im Arm zu halten. Und manch junger, blühender Bursch drängte sich heran, dem es weniger um das Rektortöchterlein als um das liebreizende, plauderfrohe Mädchen, um die flotte Walzertänzerin zu tun war.

»Darf ich um die Ehre des Tischwalzers bitten, mein gnädiges Fräulein?«

Der patente Senior des ältesten Korps, der Guestphalia, das Monokel im Auge, das bartlose Gesicht von kaum verheilter frischer Tiefquart durchquert, hatte sich überlegt, daß es ungemein dekorativ wirken würde, wenn er als Vertreter eines hohen S. C. die Filia praesidialis zu Tische führen würde.

Aber: »Bedaure unendlich ... den Tischwalzer habe ich bereits vergeben!« sagte Klothilde errötend. Sie fühlte das starre Kärtchen in ihrem Mieder ... ja, er sollte doch den Tischwalzer haben, auch wenn er noch so spät käme. ...

Er hatte ja der Mutter das Leben gerettet. ...

Darum! Nur darum!

»Gnädiges Fräulein, Sie haben den Tischwalzer noch frei – darf ich darum bitten?« Es war der reckenhafte Herr Candidatus medicinae Hartcog, der Senior der Burschenschaft Germania, ein ewiger Student und gefürchteter Säbelfechter.

»Bedaure unendlich – der ist bereits vergeben!«

»Aber hier steht doch kein Name auf der Karte?«

»Das ist allerdings richtig ... ich habe versprochen, den Tanz zu reservieren!«

»Ah ... vermutlich für Seine Königliche Hoheit ... natürlich, da kann unsereiner nicht konkurrieren – und ganz gewöhnlicher Bürgerlicher!«

»Sie irren, Herr Hartcog, es ist ... jemand anders.«

»Dann sagen Sie mir bitte, seinen Namen! Den Kerl koramier ich!«

»Aber, Herr Hartcog!«

»Pardon ... pardon, gnädiges Fräulein – ich vergaß ganz ... kann ich denn den zweiten Konter bekommen?«

Er bekam ihn.

Dann aber nahm Klothilde ihr Kärtchen zurück, bat Herrn Hartcog um seinen zierlichen Bleistift, den seine stählernen, groben Finger schier zerknickten, und schrieb mit zitternden Händen neben das Wort »Tischwalzer« kunstreich und zierlich »Dr. Borges«.

Unruhig flatterten ihre Augen über den Schwall der Gäste ... überall ein Kommen und Begrüßen, ein tollwirbelndes Durcheinander heller Ballfähnchen, blonder und brauner Wuschelköpfe, schwarzer Fracks, weißer Faltenhemdausschnitte, über die sich farbengleißend die seidenen Couleurbänder zogen. ...

Endlich ... da kam er. ...

Wunderlich nahm sich die mächtige Gestalt des Vierzigers, sein gebräuntes, scharfgeprägtes, ausgearbeitetes Gesicht mit der schon gelichteten Stirn und dem langen Försterbart zwischen all den konventionellen, noch so unpersönlichen Bubengesichtern aus.

Er warf die hellen, falkenschnellen Augen rasch prüfend durch den weiten, kerzenstrahlenden Museumssaal, in dem eben über dem Stimmenschwall die quäkernden, schnarrenden, dudelnden Töne des Orchesters aufquollen, das seine Instrumente stimmte ...

Nun steuerte er mit raschem, festem Schritt mitten durch den Saal auf die Gruppe der Studenten zu, die immer noch Klothilden umdrängten und um einen Tanz baten, obwohl ihr Kärtchen längst besetzt war ... sie hatte zwischen jedem offiziellen Tanz mindestens zwei »Eingeschobene« bewilligen müssen, weil all die jungen Herren sich wenigstens eine entfernte Hoffnung und Anwartschaft auf einen Tanz – mit dem hübschesten Mädel im ganzen Saale sichern wollten ...

Doktor Borges wartete geduldig, bis er an die Reihe kam. Inzwischen grüßte er, dessen Riesengestalt die wohlgescheitelte Jugend um ihn her um ein Erkleckliches überragte, mit lächelndem Gruß das tieferglühte Mädchen:

»Natürlich – das Rektortöchterlein!«

Beim Klang seiner sonoren, markigen Stimme schauten zwei, drei der jungen Herrchen sich überrascht nach ihm um und machten dem »alten Herrn« unwillkürlich und wohlerzogen Platz.

»Na, ich komme natürlich zu spät, nicht wahr, mein gnädiges Fräulein?«

»O nein!« sagte Klothilde eifrig. »Sie haben sich ja doch als allererster gemeldet!«

Sie hielt ihm ihr Kärtchen hin – enttäuscht fragte er, nach einem kurzen Blick auf das Gewimmel der Namen:

»Ist ja nichts mehr frei!«

»Doch,« sagte Klothilde leise, gesenkten Blickes, »sehen Sie nur mal genauer zu!«

»Ah – das ist aber lieb von Ihnen!«

Er kannte ihre Schrift von den zahllosen Briefchen her, die sie an ihre Mutter geschrieben hatte während der langen Monate, die jene im Sanatorium Berghausen hatte zubringen müssen – von diesen liebewarmen, hoffnungspendenden, trostaushauchenden Briefen her, deren so manchen die stolze Mutter, seine Patientin, ihm zu lesen gegeben ...

Er machte eine Notiz auf seinem eigenen Tanzkärtchen – lächelte ... schien einen Augenblick zu zögern ... hielt dann das Kärtchen dem Mädchen hin ...

In seiner ausgeschriebenen, ganz persönlichen Handschrift stand da gekritzelt ein einziges Wort:

»Klothilde.« ...

»Unverschämt, wie?« schmunzelte er, keck und doch ein wenig befangen. »Ist aber ja nur für mich bestimmt.« ...

Und dann wieder ganz förmlich und korrekt:

»Darf ich mich verabschieden ... um Ihre Eltern zu begrüßen ... und mich nach dem Befinden Ihrer verehrten Frau Mama zu erkundigen?«

Da schritt er hin durch den Schwarm ...

»Klothilde« hatte er geschrieben ... »Klothilde« – –

Am Eingang des Saales war eine Bewegung entstanden. Alle Köpfe fuhren herum, überall verstummte das Stimmengeschwirr ...

Ein schmächtiges, befangen lächelndes Herrchen war eingetreten, tadellos gescheitelt und gekleidet; auf der linken Seite des Fracks blinkte ein einziger silberner Ordensstern.

Prinz Günter ...

Neben ihm ein geschmeidig-schlanker, soignierter Offizier im hellblauen Waffenrock der Olga-Dragoner, mit den Fangschnüren des Flügeladjutanten, die Brust von Orden übersät ... Major von Giersdorff, der Erzieher und persönliche Begleiter Seiner Königlichen Hoheit.

Himmel, der Prinz!

Wie eine unheimliche Ahnung durchschoß es Klothildens eben noch hell aufjauchzendes Herz. Der Prinz! Den hatte sie ganz vergessen.

Jetzt fehlte bloß, daß er den Tischwalzer haben wollte ...

Also ... sich klein machen – sich ducken ... verschwinden ...

Ein rettender Einfall ... sie schlich an der Säulengalerie des Saales entlang zum Ausgang, huschte in die Garderobe, verlangte von einer Aufwärterin Nadel und Faden: sie habe sich ihr Kleid zerrissen. Die Dienerin bot ihr Hilfe an – Klothilde dankte, ließ sich einen Stuhl zwischen die langen Reihen der Mäntel und Schals stellen und stichelte eifrig an ihrem Kleide herum.

Himmel – ob's denn noch immer nicht anfing da drinnen?

Natürlich ... erst würde Herr von Giersdorff die Tanzkarte des Prinzen füllen ... dann erst, wenn er das Zeichen gäbe, konnte begonnen werden ...

Nun ... das Rektortöchterlein würde der Herr Major jedenfalls vergeblich suchen.

So eine dumme, fade Sitte ... ein junger Bursch, und mußte seinen Adjutanten zum Engagieren schicken ... und dann gab's kein Nein, gab's keine Entschuldigung, daß der befohlene Tanz bereits vergeben sei ...

Und all die jungen, trotzigen Gesellen, die jeden, der sie auf der Straße schief ansah, vor die Klinge forderten – die ließen sich's gefallen, so ohne weiteres beiseite geschoben zu werden, wenn Seine Königliche Hoheit befahl ...

Zu dumm ...

Ob Doktor Borges wohl auch ... so ohne weiteres ...

»Ach nein – der nicht! – Der würde auf seinem Rechte bestehen! –

Jedenfalls war's am besten, man sorgte dafür, daß er gar nicht vor diese Frage gestellt würde ...

Denn gesetzt den Fall, der Major käme wirklich zu ihr und forderte den Tischwalzer für seinen jungen Herrn ... das war am Ende gar nicht so unwahrscheinlich, denn war nicht sie, das Rektortöchterlein, unter den jungen Mädchen heute die Erste?

Und – wenn das geschah – durfte sie nein sagen? Durfte sie wagen, was keine gewagt haben würde, und erklären, der Tanz sei bereits vergeben?

Nein – das war ja ausgeschlossen ...

Und dann? –

Dann mußte sie sich bei Doktor Borges entschuldigen ... der doch gewiß eigens um dieses Tanzes willen mit ihr aus seinem Bergfrieden droben taleinwärts heute abend zur Stadt heruntergekommen war, um sich in das Lämmerhüpfen der Universitätsjugend zu mischen ...

Und was dann kommen würde ... das war ja gar nicht auszudenken ...

Und er ... er hatte auf seine Karte »Klothilde« geschrieben ... hatte ihr das Geschriebene gezeigt ...

Das konnte doch nur eines ... nur das eine bedeuten –

Das war – bei dem ruhigen, festen, korrekten Manne doch gleichbedeutend mit ...

Nein – sie durfte sich nicht finden lassen. ...

Sie kicherte leise über ihrer erheuchelten Flickerei. ...

Nein, sie würde sich nicht finden lassen.

»Fräulein,« rief sie der Garderobiere zu, »wenn jemand nach mir fragen sollte – Sie haben keine Ahnung, wo ich stecke – verstanden?«

»Ach so ... ich soll ... gut, gnädiges Fräulein!«

Die Vorsicht war sehr angebracht gewesen.

Kaum waren diese Worte gesprochen, da raschelte vorn am Ausgabetisch ein seidenes Kleid, trippelten hastige Schritte heran.

»Haben Sie meine Tochter nicht gesehen? Ist sie vielleicht hier?«

Mutters Stimme ... so aufgeregt – – selbstverständlich war's so gekommen, wie es hatte kommen müssen ...

Der Adjutant des Prinzen wollte einen Tanz für seinen Herrn ... vielleicht gar den bewußten Tischwalzer ...

Ach, die begnadete Idee, noch rechtzeitig auszureißen ... es stand doch wahrhaftig zuviel auf dem Spiele ...

»Nein, gnädige Frau, hier ist Ihr Fräulein Tochter nicht gewesen!« lächelte geschmeidig die Aufwärterin.

Mit angehaltenem Atem saß Klothilde in ihrem Versteck. Bravo, Fräulein Meta.

»Das ist ja schrecklich!« stöhnte die Mutter. »Mein Mann und ich suchen sie im ganzen Saal und finden sie nirgends ... und Königliche Hoheit will doch mit ihr tanzen!«

»Ah, das ist aber bedauerlich!« meinte die Aufwärterin.

»Also jedenfalls ihre Garderobe ist vorhanden – na, dann muß sie ja im Saale sein!«

»Zweifellos, gnädige Frau!«

Die Aufwärterin bekam ihr wohlverdientes Zweimarkstück. Aber vorsichtshalber wartete Klothilde, bis die Musik begann. Ja, selbst die ganze Polonäse ließ sie vorübergehen – der Privatdozent Doktor Hellermann sprach ja doch nur über assyrische Ausgrabungen und Keilschrifturkunden ...

Endlich, als der erste Walzer schon begonnen, traute sie sich in den Saal zurück.

O weh – schon näherte sich ihr der glückliche Inhaber des ersten Walzers, der lange Vierhaus von den Märkern, da schoß die hellblaue Dragoneruniform auf sie zu:

»Mein gnädigstes Fräulein ... war untröstlich, Sie vor Beginn des Tanzes vergeblich suchen zu müssen ... Königliche Hoheit bitten um die Ehre, den Tischwalzer« – –

Der elegante Adjutant erschrak plötzlich, verstummte ... Auf dem Gesicht des Rektortöchterleins malte sich nicht das schämig-süße Erschrecken, das seine Befehlsvermittlung sonst ständig hervorzauberte ... Ein jähes, tödliches Erschrecken.

Nun ein kurzer, schwer aufatmender Kampf auf den Zügen des jungen Mädchens, deren holdselige Weichheit Verstellung und Haltung noch nicht gelernt hatten ...

Hilfesuchend flogen die Augen des blonden Kindes durch den Saal ... nun schienen sie einen Anhalt gefunden zu haben ... ein Ruck ging durch die schlanke, kräftige Gestalt.

»Ich bedaure unendlich, Herr Major ... jeden andern Tanz ... den Tischwalzer ... kann ich nicht vergeben.« ...

Das Antlitz des Generaladjutanten erstarrte in rasch gefrierenden Falten ...

»Soll ich das ... Seiner Königlichen Hoheit mitteilen?«

»Ich ... muß darum bitten.«

Der Offizier ahnte einen Skandal. So etwas war noch niemals vorgekommen – ein unerhörter – ein – ganz unmöglicher Fall ...

Der Prinz erhielt einen Korb ... von einem jungen Mädchen, das gar die Tochter des Rektors der Universität war, die nach dem Willen des Landesherrn die unfaßbare Ehre genoß, einen Prinzen des regierenden Hauses zu ihren akademischen Bürgern zu zählen!! –

Das mußte unter allen Umständen vermieden werden ... Wenn ihm das nicht gelang ... der Vorwurf würde auf ihm hängen bleiben ...

»Ich bitte um Verzeihung, mein gnädiges Fräulein, wenn ich mir die Freiheit nehme, diese Ihre Erklärung ... noch nicht als endgültig zu betrachten. Vielleicht ist es Ihnen noch nicht bekannt, daß ... äh ... daß es nicht üblich ist, die Ehre eines Tanzes mit Seiner Königlichen Hoheit abzulehnen« ...

»Aber ... ich habe doch den Tanz ... bereits einem anderen Herrn« ...

»Pardon! Die schuldige Rücksicht auf ein Mitglied des Großherzoglichen Hauses ... und eine feststehende Sitte ... ... legt es jedem Herrn, der die Ehre hat, in der Gesellschaft des hohen Herrn sich zu bewegen, als selbstverständliche Pflicht auf ... in einem solchen Falle freudigst zurückzutreten.«

»Ja, Verzeihung, Herr Major ... erstens weiß ich nicht, ob der Herr ... der betreffende Herr ... auch so denkt« ...

»Das dürfen Sie von einem Kavalier ohne weiteres annehmen, meine Gnädigste. Übrigens darf ich der Vollständigkeit halber wohl daran erinnern, daß ich ... Sie vor Beginn des Tanzes ... andauernd vergeblich gesucht habe ... und ... daß auf der Tanzkarte Seiner Königlichen Hoheit nur dieser eine Tischwalzer ... noch frei ist.«

»Ja ... das mag alles sein ... aber ... ich selber ... ich möchte diesen ... gerade diesen Tanz« ...

Sie errötete tief. Der Hofherr mußte sie durchschauen ...

Aber was tat's? Sie konnte nicht mehr zurück ... und geschah es nicht für ihn, das alles? Für Willi Borges?! –

»Unverschämtheit ohne Maßen!« fluchte der Adjutant grimmig in sich hinein. Solch ein Nichts von einem Mädel hält ihre Herzensaffären für wichtiger als Zeremoniell und Repräsentationspflicht und die Ehre, von einem Prinzen zu Tisch geführt zu werden!

Was war zu machen? Noch länger mit diesem dreisten Backfisch zu parlamentieren?!

Aber ... es mußte sein – er durfte nicht abziehen unverrichteter Sache ... selbstverständlich beobachtete bereits der ganze Saal seine Unterhaltung mit Fräulein Klothilde Prätorius ... er mußte den Tanz für seinen jungen Herrn bekommen, sonst würde am Schluß des Abends die ganze Ballgesellschaft wissen, daß das Unerhörte geschehen sei – daß Königliche Hoheit einen Korb bekommen habe ...

Und der ganze Skandal würde auf ihn zurückfallen ...

»Mein gnädiges Fräulein ... ich habe alle Ehrerbietung vor den Befehlen einer Dame ... aber in diesem außergewöhnlichen Falle werden Sie mir doch erlauben müssen, die Entscheidung Ihres Herrn Vaters einzuholen.«

Gott ... der Vater ... an den hatte sie noch gar nicht gedacht ... Der Rektor ... der Rektor des Prinzensemesters ... sie würde ihm furchtbar schaden ... seine Karriere, seine Stellung untergraben ... sie, seine Einzige – sein ganzer Stolz ...

Aber da kam zugleich eine angstvolle Entschlossenheit, ein jäher Mädchentrotz über sie.

»Tun Sie das, bitte, nicht, Herr Major ... es würde nur schlimmer werden dadurch ... ich habe einmal nein gesagt ... und kann nicht zurück ... ich bin untröstlich ... aber ... es geht nicht anders ... ich könnte meinem Vater keine andere Antwort geben als Ihnen.«

Der Offizier biß sich auf die Lippen. Seine Fassung verließ ihn. Drohend fast klang's, als er sich verabschiedete:

»Ich will hoffen, daß Sie diesen Entschluß nicht zu bereuen haben werden, meine Gnädigste.«

Er verbeugte sich kurz, schritt hastig von dannen. Seine Tanzsporen klingelten.

»Bereuen?!« dachte Klothilde. »Bereuen? ... Ich hab's ja für ihn getan ... wie sollt' ich's bereuen?!«

Da sah sie die Eltern, die offenbar den Vorgang beobachtet hatten, erregt heranschießen.

Nur jetzt nicht Rede stehen müssen – nicht in diesem Augenblick! –

Da kam ja ihr Tänzer, der lange Märkersenior Vierhaus, der ehrerbietig gewartet hatte ...

»Darf ich nunmehr um meinen Tanz bitten, mein gnädiges Fräulein?«

»Ja – kommen Sie, Herr Vierhaus – tanzen wir gleich los, mir zuckt's schon die ganze Zeit in den Füßen!«

Und, wild herumwirbelnd, stob sie im Arm des reckenhaften Studenten hinein in den Schwarm.

Was blieb dem unglücklichen Generaladjutanten übrig, als seinem jungen Herrn das Unglaubliche zu rapportieren?

Das Prinzlein drehte eben im Schweiße seines Angesichts die majestätische Gestalt der Frau Oberstleutnant Ronge, der Gattin des Kommandeurs des Jägerbataillons, zum Klange des Geishawalzers durch den Saal. Endlich schwiegen die Geigen, und erschöpft führte der Prinz seine selig triefende Tänzerin dem stramm sich verneigenden Gatten zu ... mit holdseligem Lächeln sank die runde Dame in tiefem Hofknicks zusammen ...

Und fassungslos berichtete der Major. Des Prinzen zartes Jungengesicht überzog befangene Röte.

»Hm ... das ist allerdings ... sehr ... merkwürdig« ...

» Es ist unerhört, Königliche Hoheit ... Königliche Hoheit können versichert sein, daß ich alles aufgeboten habe.«

»Aber Herr von Giersdorff ... Sie werden doch nicht ... wie?! Sie haben versucht, die junge Dame ... hm ... umzustimmen?«

»Das ... habe ich allerdings für meine Pflicht ... angesehen.«

»Nehmen Sie mir's nicht übel, lieber Herr von Giersdorff ... aber ... das ... hätten Sie das lieber nicht getan ... das ... ist mir jedenfalls unangenehm ... sehr unangenehm.«

Der schlanke junge Mensch sann eine Weile nach. Wie ein geprügelter Hund stand der elegante Offizier neben ihm.

»Sagen Sie, mein Lieber ... zeigen Sie mir doch mal das ... die junge Dame.«

»Die ist es, die dort im weißen Kleide ... die mit dem langen Studenten tanzt ... der die vielen Narben hat.«

»Sieh da!«

Des Prinzen matte graue Augen belebten sich ... verfolgten die biegsame Figur, das glühende Köpfchen der Tänzerin durch das Gewühl des Rheinländers, der eben angehoben ...

»Alle Wetter ... ich muß ja tanzen ... wo steht denn das nächste Opferlamm?«

Der Adjutant wies auf eine sehr spinöse, aufgetakelte Dame.

»Dort, die Frau Oberbürgermeisterin.« ...

»Tätä!« machte der Prinz. »Mit so was muß man nun tanzen, und von den hübschen Mädchen kriegt man Körbe ... also in Gottes Namen los! Wenn ich aber fertig bin ... dann werden Sie mich mit dem Fräulein – mit der Tochter des Herrn Rector magnificus bekannt machen.«

Sprachlos blieb der Prinzenerzieher zurück.

Da trat der Rektor an ihn heran ...

»Verzeihung, Herr Major,« stammelte der alte Herr, glühend vor Verlegenheit, »ich höre soeben von meiner Tochter, welch ein unglaubliches Verhalten ... ich bin außer mir, Herr Major ... wär's nicht möglich, die Sache noch ins Gleis ... wie, wenn ich mit dem betreffenden Herrn spräche ... ihn veranlaßte, zurückzutreten?«

»Das ist sehr gut, Herr Geheimrat!« sagte der Major. »Tun Sie das 'mal auf alle Fälle!«

»Ist ... sind Seine Königliche Hoheit sehr böse?«

»Ja, ich ... ich weiß nicht recht, Herr Geheimrat ... Königliche Hoheit haben den ... Wunsch ausgesprochen, Ihr Fräulein Tochter nach diesem Tanz persönlich kennen zu lernen ... meiner Ansicht wäre es sehr, sehr dringend im Interesse – sehr freudig zu begrüßen, wenn bis dahin der ... andere Herr ... seinen Rücktritt erklärt hätte ... damit die Sache, hm, formell in Ordnung kommt ... es ist doch einfach ... hm – einfach unmöglich, daß es dabei bleibt ... ... Seine Königliche Hoheit muß Ihr Fräulein Tochter zu Tisch führen ... es geht doch einfach nicht anders, nicht wahr?«

»Aber selbstverständlich, mein hochverehrter Herr Major, selbstverständlich ... ich eile, um die Sache einzurenken.«

Der alte Herr hastete von dannen. Die Orden auf seiner Brust klingelten und blinkten ... er tupfte sich mit seinem seidenen Taschentuch die kahle Stirn ...

Bald hatte er den Gesuchten gefunden. Doktor Willi Borges stand ruhig und mit leisem Lächeln um den Mund an einer Säule und sah ins Gewühl des Tanzes hinein. Seine steten Blicke hatten ein festes Ziel; das verfolgte er durch den ganzen Saal ... das eine Ziel ...

Hocherregt vor Eifer und Befangenheit berichtete der Rektor, was geschehen sei, und stammelte seine Bitte: der Herr Doktor möge doch gütigst zurücktreten und mithelfen, das Unglaubliche gutzumachen ... In der Hitze des Gefechts vergaß er dabei ganz, daß seines Töchterleins Hartnäckigkeit in diesem Falle doch eigentlich nur eine Erklärung zuließ ...

Desto besser hatte Doktor Borges diesen geheimen Sinn in Klothildens Handeln erkannt.

»Also Sie meinen, Herr Geheimrat ... Pardon, Eure Magnifizenz meinen« ...

»Aber bitte, bitte, Verehrtester« ...

... »meinen, ich soll ... soll Ihrem Fräulein Tochter zureden, daß ... daß sie den Tischwalzer mir wegnimmt und dem Prinzen gibt?!«

»Das ... darum wollte ich Sie allerdings ... ganz höflichst gebeten haben ... Sie haben mich schon einmal so tief zu Dank verpflichtet – haben mir Leben und Gesundheit meiner Frau gerettet« ...

Der Arzt schmunzelte.

»Retten Sie mir nun meinen Orden zum Halse raus, meine Karriere, meine Stellung in Stadt und Senat ... das war natürlich die Meinung, alter Herr, nicht wahr?« so vollendete er innerlich.

Nun, wenn der alte Herr auch kein Heros war ... er war Klothildens Vater, und Klothilde war immerhin eine ganze süße kleine Heldin ...

»Gut, Magnifizenz ... was an mir liegt, um Fräulein Klothilde umzustimmen, soll geschehen ... aber – unter einer Bedingung« ...

»Was Sie wollen, liebster Doktor ... nur schnell – schnell –, ehe der Tanz zu Ende ist, muß die Sache all right sein« ...

»Also unter der Bedingung, daß Sie als Vater mir gestatten, mich um Fräulein Klothildens Hand zu bewerben.«

Das war zuviel für Papa Magnifizenz.

Er machte ein Gesicht, das ihn bei seinen Hörern um jeden Respekt gebracht haben würde.

»Ist das – Ihr Ernst – Herr Doktor?«

»Natürlich – aber Sie dürfen sich nicht so lange besinnen, der Tanz kann jeden Augenblick aus sein ... und übrigens kommt Ihr Fräulein Tochter da soeben mit ihrem Herrn ... also einverstanden?!«

»In Gottes Namen – ja!« stöhnte der Rektor.

Eben verklangen die letzten Takte des Rheinländers. Klothilde verabschiedete sich von ihrem Tänzer und kam, da sie den Vater und Doktor Borges zusammen stehen sah, tiefbefangen auf die beiden Männer zu.

»Gnädiges Fräulein,« sagte der Arzt, »Ihr Herr Papa hat mir soeben erzählt, welch welterschütternde Etikettewidrigkeit Sie sich haben zuschulden kommen lassen.«

»Aber Papa!«

»Sie werden einsehen, daß dies Unheil rückgängig gemacht werden muß ... sonst geht unsere ganze Alma mater aus dem Leim. Ich mache Ihnen einen Vorschlag zur Güte: Nehmen Sie den Prinzen als Tischherrn und mich als ... als Eheherrn an.«

O Klothilde ... hat so viele Wonne Raum in einem armen, zappelnden Mädchenherzen?! –

In diesem Augenblick traten der Prinz und sein Erzieher zu der Gruppe.

»Wenn Herr Geheimrat selbst die Vorstellung übernehmen wollen« – sagte geschmeidig der Major.

Der Rektor hatte einen tiefen, untertänigen Bückling vor dem jungen Fürstensohn exekutiert.

»Wenn Königliche Hoheit gnädigst gestatten ... meine Tochter Klothilde ... Herr Doktor Wilhelm Bor...«

Der Doktor war verschwunden – hatte sich diskret einige Schritte zurückgezogen ...

.

»Mein gnädiges Fräulein« – sagte der Prinz.

Er konnte auf einmal nicht mehr weiter. Die Befangenheit seiner unberührten neunzehn Jahre war stärker in ihm, dem blühenden, tapferen Mädchen gegenüber, als das Bewußtsein seiner Geburt.

Der Rektor fühlte sich verpflichtet, einzugreifen:

»Darf ich Eure Königliche Hoheit untertänigst bitten, meiner Tochter gnädigst verzeihen zu wollen, daß sie in Unkenntnis der höfischen Etikette sich nicht berechtigt glaubte« ...

»Oh« ... sagte der Prinz. »Lieber Herr von Giersdorff, ich meine, Sie hätten mir erzählt, Sie hätten mit dem gnädigen Fräulein längere Zeit verhandelt – wie?«

»In der Tat, Königliche Hoheit!« stotterte der Generaladjutant.

»Nun, und deshalb ... gnädiges Fräulein – wollte ich Sie eben ... um Entschuldigung bitten. Es ist nämlich gar nicht in meinem Sinn ..., daß man noch für mich bittet ... oder fordert – wenn eine Dame einmal nein gesagt hat.«

»Aber verzeihen, Königliche Hoheit« – warf der Rektor fieberhaft erregt ein – »nur ein Mißverständnis ... wirklich nur ein Mißverständnis« ...

»Wirklich, gnädiges Fräulein?« sagte der Prinz.

»Nein,« sagte Klothilde mutig. »Ich wußte ganz genau, daß es wider die Sitte war, was ich tat. Aber« ...

»Sehen Sie, das freut mich!« lachte der Prinz über sein ganzes, geistvoll zartes Gesicht. »Das war nämlich gerade das Hübsche dran. Jetzt weiß ich doch auch, wie es tut, wenn man 'mal ... einen Korb kriegt ... das war das erstemal in meinem Leben ... und vielleicht das einzige.«

»Also – Königliche Hoheit ... sind mir nicht böse?« –

»Aber ... ganz im Gegenteil ... nun freilich ... jetzt ... seit ich Sie kenne ... bin ich ein wenig traurig, daß ich auf die Ehre verzichten muß« ...

»Oh ... wenn Königliche Hoheit gestatten« ... wagte der Rektor einzuwerfen, »meine Tochter hat sich inzwischen überzeugt, daß es ihre Pflicht ist« ...

»Nein, verehrter Herr Rektor – danke!« sagte der Prinz. »Es gibt ja noch mehr Bälle in diesem Winter ... wenn ich gleich jetzt um den Tischwalzer für den nächsten bitten darf?«

Klothilde errötete tief.

Dann sah sie einen Augenblick offen in das liebenswürdige, feine Gesicht des Prinzen.

»Ich muß aufs tiefste bedauern, Königliche Hoheit ... aber ich habe soeben zwar den heutigen Tischwalzer freibekommen – aber alle künftigen dafür vergeben müssen.«

»Das wird ja immer besser!« staunte der Prinz. »Gleich ein halbes Dutzend Körbe auf einmal – darf man fragen, wer der Glückliche ist?!«

»Mein Bräutigam, Königliche Hoheit – dort steht er – Herr Doktor Willi Borges.«

»Ah« ... sagte der Prinz – verbindlich lächelnd, doch mit einer leisen, tiefen Enttäuschung im Ton. »Jetzt verstehe ich ... hm ... dann freilich« ...

Langsam strich seine Hand, die feine, nervöse Aristokratenhand, an seiner linken Frackseite herunter, berührte das kalte Metall des Ordenssternes, der dort erglänzte.

»Hm ... und auf den heutigen Tischwalzer, Herr Doktor, mit Ihrem Fräulein Braut – wollen Sie also ... mir zuliebe – großmütig verzichten?«

»Es wird mir – jetzt – eine Ehre sein, Königliche Hoheit!« sagte mit leichter Verneigung der bärtige Riese.

»Gut,« sagte der Prinz. »Man muß lernen, zufrieden zu sein. Darf ich um Ihre Tanzkarte bitten, mein gnädiges Fräulein?«

Mit wehmütigem Glanz tauchten des Jünglings Augen in des Mädchens Blick ...

Er nahm das Kärtchen, strich mit einem raschen Zuge bei dem Tischwalzer des Doktors Namen aus, den Klothilde mit eigener Hand hingeschrieben, und schrieb darüber:

»Günter.«


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