Friedrich der Große
Briefe
Friedrich der Große

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An Marquis d'Argens

Kemberg, 28. Oktober 1760.

Geben Sie meiner Denkweise welchen Namen Sie wollen, lieber Marquis. Ich sehe, wir begegnen uns in unseren Anschauungen nicht und gehen von ganz verschiedenen Voraussetzungen aus. Sie legen auf das Leben Wert als Sybarit; ich für mein Teil betrachte den Tod als Stoiker. Nie wird der Tag kommen, der mich zwingen soll, einen nachteiligen Frieden zu schließen. Kein Zureden, keine Beredsamkeit können mich dahin bringen, meine Schande zu unterzeichnen. Entweder lasse ich mich unter den Trümmern meines Vaterlandes begraben oder, wenn dieser Trost dem mich verfolgenden Schicksal noch zu süß erscheint, werde ich meinem Unglück ein Ziel setzen, wenn ich es nicht mehr zu ertragen vermag. Ich habe gehandelt und werde zu handeln fortfahren nach dieser inneren Stimme und dem Ehrgefühl, die alle meine Schritte leiten. Mein Verhalten wird jederzeit mit diesen Grundsätzen übereinstimmen. Meine Jugend habe ich meinem Vater und meine reiferen Jahre dem Staat geopfert; damit glaube ich das Recht erworben zu haben, über mein Alter frei zu bestimmen. Ich habe es Ihnen gesagt und wiederhole es: nie wird meine Hand einen demütigenden Frieden unterzeichnen. Und so will ich diesen Feldzug beenden, entschlossen, alles zu wagen und die verzweifeltsten Dinge zu versuchen, um zu siegen oder ein Ende mit Ruhm zu finden.

Ein siegreicher, ermüdeter Gladiator (Friedrich) empfängt den Zuspruch eines greisen Zuschauers (d'Argens).

Ich habe zwar Betrachtungen über die militärischen Talente Karls XII. angestellt, aber nicht untersucht, ob er den Tod hätte suchen sollen oder nicht. Nach der Einnahme von Stralsund hätte er, glaube ich, klug daran getan, sich aus der Welt zu schaffen; aber was er auch getan oder unterlassen hat, sein Beispiel ist für mich nicht maßgebend. Es gibt Menschen, die sich dem Schicksal fügen. Das widerstrebt meiner Natur, und wenn ich für die anderen gelebt habe, will ich wenigstens nach meinem Sinn sterben. Was die Welt darüber sagt, ist mir höchst gleichgültig. Ludwig XIV. war ein mächtiger König mit großen Hilfsquellen; er überstand alles Unglück. Ich für mein Teil habe nicht seine Kräfte, aber die Ehre liegt mir mehr am Herzen als ihm, und wie gesagt, ich richte mich nach niemandem. Wir rechnen, soviel ich weiß, fünftausend Jahre seit Erschaffung der Welt; ich glaube allerdings, die Welt ist viel älter. Brandenburg hat in der ganzen Zeit vor meiner Geburt bestanden; es wird auch nach meinem Tode weiterbestehen. Die Staaten erhalten sich durch die Fortpflanzung der Art, und solange die Menschen an ihrer Vermehrung Vergnügen finden, wird die große Masse durch Minister oder Fürsten beherrscht werden. Das kommt ungefähr auf das Gleiche heraus. Etwas mehr Torheit oder Weisheit – das sind so geringe Unterschiede, daß die Gesamtheit des Volkes es kaum verspürt. Kommen Sie mir also nicht, lieber Marquis, mit Redensarten, wie sie der Höfling gebraucht, und glauben Sie nicht, daß solche Vorurteile, wie Eigenliebe und Eitelkeit, mir imponieren oder mich im geringsten von meiner Meinung abbringen können. Einem unglücklichen Leben ein Ende zu machen, ist keine Schwäche, sondern vernünftige Politik, die uns zu Gemüte führt, daß der glücklichste Zustand für uns der ist, wo niemand uns schaden oder unsere Ruhe stören kann. Wieviel Gründe, das Leben zu verachten, hat man doch mit fünfzig Jahren! Mir bleibt nur noch die Aussicht auf ein Alter voller Krankheit und Schmerzen, voller Kummer, Reue, Schande und Beleidigungen. Wahrhaftig, wenn Sie sich recht in meine Lage versetzen, werden Sie mein Vorhaben weniger verurteilen als jetzt! Ich habe alle meine Freunde und meine teuersten Angehörigen verloren; ich bin so unglücklich, wie es ein Mensch nur sein kann, und habe nichts mehr zu hoffen; ich sehe, wie ich zum Gespött meiner Feinde werde, wie sie sich in ihrem Dünkel anschicken, mich mit Füßen zu treten. Ja, lieber Marquis,

Verlor man alles, lischt der Hoffnung Licht,
So ist das Leben Schmach und Tod ist Pflicht!

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