Moritz Hartmann
Reimchronik des Pfaffen Maurizius
Moritz Hartmann

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Caput V.
Apostel und Apostaten.

        Und wieder komm' ich mit meinem Sang,
Doch ist's nicht mehr der alte Klang
Und ist's nicht mehr die Kappe mit Schellen:
Die Todtenglock ist's mit dem gellen
Und schaurigen, traurigen Geisterton.
Die lustige Zeit ist weinend entflohn,
Und aus ist's mit allem Spaß und Scherz –
Ein Reimchronist hat auch ein Herz!

Und ich bin, leider, begabt mit einem.
Und Zeiten gibt's, da muß ein Herz
Zerbrechen oder werden zu Erz –
Weiß selber nicht, was geworden aus meinem. 184
Das Eine weiß ich: es liegt mir im Busen,
Als hätt' ich gesehen den Kopf von Medusen,
Den blutigen, weinenden, schlangenbekränzten;
Und als ob aus den Augen, die thränend glänzten,
Mit allen seinen gräßlichen Wehn
Mich ganz Europa angesehn;
Als wär' ich gewesen am Hochzeitsfeste
Des wilden Lapithen, wo plötzlich die Gäste
In rasendes Wüthen sind ausgebrochen
Und Becher zertrümmert und Herzen durchstochen,
Das Gastrecht besudelt ohne Scham,
Die Braut gewürgt und den Bräutigam,
Das Salzfaß gestürzt, die Kränze zerrissen,
Die Götter des Hauses in Staub geschmissen,
Daß sich zu Haufen die Trümmer ballten
Von Vasen und Menschen und Göttergestalten
Am Abend, wo Morgens die Lieder schallten.

Wie soll ich, wenn ich an Trützschler denke
Und wenn ich um Batthyanyi mich kränke,
Und wenn ich seh' im Lande Baden
Die preußische Wirthschaft von Gottes Gnaden,
Wie Bastard Haynau und Paskiewitsch,
Sophie, die Holde, und Jellacic 185
Am Fuße von hundert heiligen Galgen
Ums Hemd sich des Gekreuzigten balgen,
Wie wieder in Rom unter Rafaels Stanzen
Drei Kardinäle den Kankan tanzen,
Und wenn ich seh', wie vom Wüthen erschreckt
Europa heult, und wie es bedeckt,
So weit es sich dehnt, mit blutigen Lachen –
Mein Gott, wie soll ich Witze machen?!

Das aber ist die Apostelgeschichte.
Als in der stubenrauchigen Stadt,
Wo man keinen freien Athem hat,
Der Römer mit dem spitzen Gesichte
Des Ehrenmanns und guten Bürgers
Die Rolle des letzten Freiheitswürgers
Für Gott und König übernahm
Und ohne Scham und ohne Gram
Der Freiheit letzte und ärmliche Saat
Mit Elephantenfüßen zertrat:
Da sah man die Letzten der Getreuen,
Die ausgeharrt beim Heiland, zerstreuen
Sich, wandernd nach allen Seiten und Winden,
Das Wort des Heiles zu verkünden,
Wohl wissend, daß ein langes Exil 186
Und Armuth, Noth und Dulden ihr Ziel,
Und Qual und Tod und Kerkermauern.
»Das Wort des Heils wird sie überdauern.«
Das merkt euch, ihr Knechte und blutigen Horden:
Das Wort ist Fleisch und ist Gott geworden,
Und siegen wird doch endlich jener
Gekreuzigte, junge Nazarener,
Der Sohn des Volks, der Sanskülott,
Der Revolution allmächtiger Gott,
Der Kronen trägt von Dornen und Spott,
Und stürzen werden eure Penaten
Trotz allen romantischen Apostaten.

Du bibelfester König, du,
Du wirst mich verstehn, dir ruf' ich's zu:

    Dunkt dich, dieweil sich die Wasser verloffen,
    —     —     —     —     —     —     —
    Dunkt dich, viel edel Herr aus alter Zit,
    Dasz durch die Straß ein scheckig Ritt
    Mit punt-teutsch Panner is was nütz,
    Darzu ein abgenummen Mütz?
    Vnd weil du Redt haltst alzumal
    Zu Prinzen, hauptlewt, General,
    Dunkt dich alles gar weislich than?
187
    Vnd weil du wiederumb freyen Mann
    Willt machen zu ein Vntertan
    Vnd machen wiederumb Ritter vnd Knecht
    Nach alt Gesetz vnd faul Recht?
    Vnd Ritterspiel vnd Kriegens pflegen
    Vnd nur von Gottesgnaden wegen?
    Darmit will ich hab geseyt: Nit wit
    Ist alßbald die Gerichtes Zit – – –
    Vnd bist gewiß ein untrew Knecht:
    Damit will ichs gesatzt han zu recht:
    Sollst weiter han kein Huld,
    Geurtailt werden nach dein Schuld! –

Denk an die alten Prophetien,
Denk an den Pfaffen – von Lehnin!

Denn dieses Jahr war nur die Schule,
Fegfeuer nur. – Zum Höllenpfuhle
Seid ihr verdammt, da ihr indessen
Nichts habt gelernt und nichts vergessen.
Auch uns nur eine Schule war
Das große, blutige, heilige Jahr,
Und schülerhaft genug und ärmlich
Und stümperhaft und ganz erbärmlich
Hat sich das Schülervolk benommen – 188
Doch soll's uns für die Zukunft frommen.
Wir lernten hassen wie Schierlingssaft
Das Vertrauen, unsre Leidenschaft;
Wir lernten, daß jedes »erlauchte« Wort
Nur Lug und Trug verbirgt und Mord;
Wir lernten, daß wir müssen das Halbe
Zerschmettern gleich dem goldnen Kalbe;
Wir lernten, daß die Satten und Reichen
Verräther sind und uns umschleichen;
Und daß die Schreiber und Schriftgelehrten
Die Freiheit für Geld und Stellen verwerthen;
Wir lernten, daß jede weiche Verzeihung
Verbrechen wäre und Rechtsentweihung;
Wir lernten: es gibt keinen Friedensschluß,
Daß Einer von Beiden fallen muß –
Wir wissen, wie's eure Knechte machten,
Und haben von euch gelernt das Schlachten.
In Frühling und Sommer und allen vieren
Jahreszeiten wird man septembrisiren –
Wir waren blasse Girondisten,
Wir sind, was ihr uns gelehrt – Terroristen.

Es sagt schon der alte Tacitus,
Daß seiner Großmuth Ueberfluß 189
Von je das Volk gerichtet zu Grunde –
Das alte Wort ist wahr zur Stunde.
Die armen Magyaren habens auch erfahren:
Sie büßen heut, daß vor hundert Jahren
Sie ihr »moriamur pro rege« riefen
Und froh in Tod und Verderben liefen,
Zu retten eine fürstige Frau.
So wäre schon längst der edle Bau,
Der Oestreich heißt, zerrissen worden,
Und endete nicht unter Gräul und Morden
Ein edles Volk, gleich dem Hirsch, den zerreißen
Die wüthigen Hunde, die Haynau heißen; –
Das Oestreich, das giftige Spinngewebe
(Das mit dem Hintern die Weltgeschichte
Gesponnen, mit abgewandtem Gesichte),
Darin die Spinne, daß sie nur lebe,
Muß um sich schaun mit gierigen Augen,
Die Beute zu finden und Blut zu saugen; –
Das Oestreich, jene Völkerbastille,
In deren Mauern herrscht die Stille
Des Grabes, gestört nur von den Ketten,
Die schaurig durchhallen die Oublietten,
Und deren erblicher Kerkermeister
Gemüthlich ist. Ein Kaiser heißt er; – 190
Das Oestreich, dessen Recht' und Gesetze
Fallthüren sind und Schlingen und Netze,
Und dessen Scepter eine Ruthe
Und manchmal eine geborgte Knute;
Volksthränen sind Perlen seiner Krone, –
Sein Purpur: Blut der Nationen –
Seine Kronenwächter sind Städteverheerer,
Sein Wappen ein doppelter Aasverzehrer,
Sein Thron ist der Kreißstuhl der Grausamkeit,
Der Großvaterstuhl der modernden Zeit,
Gepeitschte Weiber sind sein Gericht,
Und Städtebrand sein einziges Licht,
Und Liguorianer sind seine Priester,
Und Bach und Schmerling seine Minister.

Und wer ist Kaiser? – Viel Sagen sind
Verbreitet darüber. Ist's Ludwig das Kind?
Der letzte Sproß vom entkräfteten Stamme?
Ist's eine einflußreiche Amme?
Ist's eine Isabeau von Bayern,
So eines von den Mutterungeheuern? –
Ist's eine Mediceerin,
Die ihres Knaben armen Sinn
Ganz klug mit – – und Frommheit umschließt, 191
Daß er auf das Volk aus dem Louvre schießt? –
Man weiß es nicht, man fühlt es nur
Und sieht überall die blutige Spur
An Völkern, die ihr Leben verhaucht,
An Gräueln, die aus der Nacht getaucht,
An jungem Blut, das zum Himmel raucht,
An edlen Frauen, die man mit Ruthen
Gepeitscht und deren Männer verbluten,
An Müttern, denen die Kinder geraubt,
Und an Batthyany's schönem Haupt.
Dieß Eine nur hat man erfahren:
Oestreich »liegt zu Füßen dem Russenczaren.«
Wir haben's gelesen schwarz auf weiß
Und danken dem Himmel brünstig und heiß,
Daß unser Leiden endlich am End
Und daß wir ein russisches Gouvernement.
Denn mild und hold ist der Czar im Vergleich
Mit unsrem Gemüth von Oesterreich.
Und ihr auch, stolze Söhne von Preußen,
Mögt wünschen euch den Kaiser der Reussen:
Denn niemals hat der Autokrat,
Selbst als er Polen gnädig zertrat,
Gewüthet wie unsre Gottesgnaden
Im Lande Ungarn und Lande Baden. 192
Denn weich wie ein Lämmlein lassen den Tiger
Erscheinen Ungarns und Badens Besieger.

 


 


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