Eduard Trautner
Tagebücher der Henker von Paris - Zweiter Band
Eduard Trautner

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Die Generäle gegen Napoleon

Pichegru, Moreau; Cadoudal, Querette, Vouvet de Lozier.

Nicht allein gegen die feindlichen Parteien hatte Bonaparte zu kämpfen; der wunderbare Aufschwung seiner Größe verfeindete ihm die ehemaligen Nebenbuhler seines Ruhmes; nicht ohne Zorn sahen die Generäle die nahe Thronbesteigung ihres Kollegen in der italienischen Armee.

Unter diesen Generälen war einer, der schon unter dem Direktorium die Vorschläge des Prätendenten nicht zurückgewiesen, sondern sich bereit gezeigt hatte, ihm zur Wiedererwerbung der Krone seiner Väter behilflich zu sein; dieser General war Pichegru.

Im Monat April 1795 befehligte er die Rheinarmee; der Graf von Entraigues, ein Agent des Prinzen von Condé, hatte eine Unterredung mit dem republikanischen General gehabt; infolge dieser Unterredung war ein Briefwechsel zwischen diesem letzteren und dem Prinzen von Condé entstanden.

Man hatte Pichegru angeboten, ihn zum Marschall von Frankreich und Gouverneur des Elsaß zu ernennen, ihm das rote Band, Schloß und Park Chambord, zwölf den Österreichern genommene Geschütze, eine Million baren Silbers und zweihunderttausend Livres Rente zu geben; er hatte diese Anerbieten nicht zurückgewiesen, sondern geschrieben:

»Ich will nichts Unvollständiges tun,: ich will nicht dem Beispiele eines Lafayette und Dumouriez folgen; ich kenne meine Mittel und weiß, daß sie ebenso sicher wie weitgreifend sind; sie fußen nicht nur in meinem Heere, sondern auch in Paris, im Konvent, in den Departements, in den Armeen der Generäle, meiner Kollegen, welche ebenso wie ich denken. Ich will nichts teilweise tun, sondern die Sache zu Ende führen. Frankreich kann nicht als Republik bestehen, sondern es muß einen König, es muß Ludwig XVIII. haben; aber man darf die Konterrevolution erst beginnen, wenn man sicher ist, sie bestimmt ins Werk zu setzen.«

Nach diesem Beitritt erbot er sich, über den Rhein zu gehen, die weiße Fahne zu entfalten, sich mit dem Heere des Kaisers und mit dem Korps Condés zu vereinigen, um auf Paris zu marschieren.

Aber der Prinz von Condé war nicht willens, mit anderen als Franzosen die Ehre der Restauration zu teilen. Pichegru seinerseits glaubte der Hilfe Fremder nicht entbehren zu können. Während der Unterhandlung, welche diese Meinungsverschiedenheit notwendig machte, wurde er dem Direktorium angezeigt, nach Paris zurückgerufen und infolgedessen bei der Armee vertreten.

Der Mittel beraubt, welche seine Beihilfe erfolgreich machen sollten, setzte Pichegru seine Unterhandlung mit dem verbannten Fürsten nichtsdestoweniger fort; er hatte sich in sein Departement zurückgezogen. Bald darauf schickten ihn die Wähler des Jura in die gesetzgebende Versammlung, die ihn zum Präsidenten wählte. Auf einen anderen Schauplatz versetzt, führte er seine Anschläge weiter aus. Das Direktorium, welches, nachdem man das Reisegerät des Generals Kinglin in Beschlag genommen hatte, in Besitz handschriftlicher Beweise von Pichegrus Verrat gekommen war, konnte sich über die Absicht des Besiegers von Holland keine falsche Vorstellung machen. Durch den Staatsstreich vom 17. Februar schaffte es sich ihn vom Halse, und am 1. Vendemiaire schickte es ihn nach Synamori, einem Orte, der für die Deportation der neuen Geächteten bestimmt war. Seit sechs Monaten befand er sich in Cayenne, als er den Plan zur Flucht faßte. Mit mehreren seiner Unglücksgefährten verbunden, verließ er die Kasematten mitten in der Nacht; Pichegru, Aubry und Ramel warfen sich auf die Schildwache, welche auf der Bastion des Wachthauses stand, entwaffneten und knebelten sie, stiegen in den Graben hinab, erreichten das Ufer, bemächtigten sich einer Pirogue und wagten sich, ohne andere Hilfsmittel als einige in aller Eile gesammelte Lebensmittel, ohne einen anderen Führer als einen Taschenkompaß, auf die hohe See.

Zehn Tage später schifften sie sich beim Fort Monte-Krich aus, von wo sie nach England gelangten. Zu London wurde das Einvernehmen Pichegrus mit der entthronten Familie immer vertrauter. In diesen geheimen Beratungen erforschte man eifrig die öffentliche Meinung in Frankreich; die Anschläge der Generäle waren zu auffällig, als daß man sie nicht hätte bemerken sollen. Zu gleicher Zeit sah man ein, daß Pichegru, nachdem sein Verrat öffentlich kundgeworden, seinen Einfluß auf die Soldaten verloren hatte; man fühlte die Notwendigkeit, Napoleon einen anderen von den großen militärischen Häuptern entgegenzustellen, dessen Name inmitten der Bürgerkriege geachtet und unbefleckt geblieben wäre.

Sowohl Moreaus Ruf wie auch seine ziemlich offenkundige Feindschaft gegen den ersten Konsul bezeichnete ihn für die Wahl der Feinde des letzteren, und verschiedene Kommissarien gingen von London ab, um ihn zu gewinnen. Welches aber auch die Absicht Moreaus sein mochte, so hatte man doch eine zu hohe Vorstellung von seinem Charakter, als daß man hoffen konnte, er würde jemals auf eine Verschwörung eingehen, welche sich des Mordes als Hilfsmittel bediente.

Georges Cadoudal befand sich in London; er war einer jener außerordentlichen Männer, welche die Revolutionen und die Bürgerkriege hervorbringen. Als kühner Parteigänger und unbeugsamer Sektierer war er gleich bereit, für die Gegenstände seines Fanatismus zu töten oder sich töten zu lassen. Er war zu Brech in Morbihan geboren; als Sohn eines wohlhabenden Pächters hatte er seine Studien auf der Schule von Vannes gemacht. Er war kaum zwanzig Jahre alt, als die Länder jenseits der Loire die Waffen ergriffen; er gesellte sich zu den Vendéern und nahm teil an allen ihren Kämpfen. Nach der Niederlage von Mans ging er wieder in seine Bretagne zurück und diente dem Grafen von Siltz, welcher eine Truppe befehligte, als Leutnant. Als dieser im Kampfe von Grandchamp getötet worden war, erwählten die Chouans Georges Cadoudal zu ihrem Häuptling; er führte diese Männer in der Affäre von Quiberon; er verrichtete Wunder der Tapferkeit und entging dem Tode nur durch ein Wunder.

In seine Wälder zurückgekehrt, fuhr er ohne Aufhören fort, mit den Republikanern zu scharmützeln. Nach dem Rückzug von Puysaye war er zum Oberbefehl aller Truppen gelangt, und in dieser neuen Stellung zeigte er die außerordentlichen Eigenschaften eines Kriegsmannes. Er schlug die Blauen zu wiederholten Malen. In unaufhörlicher Bewegung, hielt er eine beträchtliche Zahl Truppen in Schach, warf sich auf sie, sobald er die Gelegenheit für günstig hielt, zog sich zurück, zerstreute seine Leute nach einer Niederlage und verlangte einen Waffenstillstand, um Zeit zu gewinnen, seine Leute aufs neue zu verproviantieren oder neue Banden auf die Beine zu bringen.

Während eines solchen Waffenstillstandes und in der Absicht, von der englischen Regierung Waffen und Munition zu erhalten, ging er nach London und wurde den Prinzen vorgestellt, die ihn zum Generalleutnant ernannten und ihm das Ludwigskreuz und das rote Band verliehen. Endlich zwang ihn der General Brune, die Waffen zu strecken, konnte ihn aber nicht bewegen, sich der Regierung zu unterwerfen; er hielt noch ferner den Faden zu allen geheimen Schlichen, welche den Westen bewegten, in Händen; seine ehemaligen Soldaten zollten ihm eine Ergebenheit, welche frommer Verehrung glich; diese Gewalt über die Gemüter unterhielt er durch seinen Briefwechsel und durch sein persönliches Erscheinen in der Bretagne, wo die alten Chouans, indem sie ihre so lange Zeit brachgelegenen Felder bebauten, noch immer auf neuen Kampf sannen.

In seinem unversöhnlichen Hasse gegen den, der den Thron der Bourbons beanspruchte, schreckte Georges Cadoudal vor keinem Mittel zurück, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Es ist nicht erwiesen, aber wahrscheinlich, daß er von dem entsetzlichen Unternehmen vom 3. Nivôse Kenntnis gehabt und es gebilligt habe. Das Mißlingen und die Bestrafung seiner Mitschuldigen konnte diesen eisenfesten Charakter nicht erschüttern; aber der Schrei der Mißbilligung, der von allen Seiten erscholl, machte ihn angesichts der Wahl der Mittel bedenklicher. Er entwarf einen Angriffsplan, welcher eine so ritterliche Seite hatte, daß der gehässige Charakter des Mordes dadurch abgeschwächt werden konnte.

Jeden Tag begab sich der Erste Konsul nach Malmaison; ein Geleite von dreißig Reitern umgab seine Kutsche. In der Gegend der Schenke Chant du Coq, eine halbe Meile von Neuilly, war die Straße verödet; Georges nahm sich vor, sich in einer verlassenen Steingrube in der Umgegend mit einem Trupp Chouans, welcher der Zahl der Soldaten der Eskorte gleich wäre, zu verbergen; man wollte Vorkehrungen treffen, um die Straße zu versperren; er selbst wollte die Begleitung mit dem Säbel und der Pistole in der Hand angreifen und Bonaparte im Kampfe töten.

War der Erste Konsul tot, so konnte Moreau nicht zaudern, seinen Einfluß auf die Armee geltend zu machen, um eine Restauration zu bewirken; es handelte sich also um nichts weiter, als Moreau zu gewinnen, wie man Pichegru gewonnen hatte. Aber der Sieger von Hohenlinden konnte nicht erbötig sein, seine republikanische Gesinnung ebenso billig zu verkaufen.

Man hatte ihn ohne Erfolg durch den früheren General Lajolais, einen Freund Moreaus, und einen der Geächteten vom Fructidor, ausforschen lassen. Pichegru glaubte, er würde mehr Einfluß auf seinen ehemaligen Kollegen haben; er beschloß, nach Frankreich zu gehen, wohin Georges vor ihm abgereist war.

Die Regierung war auf der Hut. Der Erste Konsul hatte geheimnisvolle Meldungen bekommen, die ihm Vorsicht anempfahlen. Einer dieser Briefe lautete:

»Es schweben Dolche in der Luft; hüten Sie sich!«

Die Küste war sorgfältig bewacht und eine Landung schwierig; sie wurde jedoch mit einer Kühnheit vollzogen, welche alle getroffenen Vorsichtsmaßregeln vereitelte.

Einige Meilen von Tréport befindet sich das steile Gestade von Bréville, dessen Fuß mit Felsenriffen bedeckt ist, an welchen das an sich ruhige Meer sich mit Heftigkeit bricht, und erhebt sich zweihundertfünfzig Fuß senkrecht über das Meer; es schien unmöglich, daß ein Mensch, wenn er nicht Flügel hätte, einen Versuch unternehmen sollte, auf den Gipfel zu gelangen. Und doch drang Georges mit seinen Leuten auf diesem Wege der Reihe nach auf das französische Gebiet. Der englische Kutter, welcher sie trug, lavierte, solange die Sonne am Horizont stand; bei Nacht näherte er sich der Küste, auf die Gefahr hin, an den Klippen zu scheitern; eine Schaluppe brachte die Verschworenen auf die Felsenriffe; ein ins Vertrauen gezogener Fischer, der auf dem Gipfel des Gestades wohnte, wickelte ein ungeheuer langes Tau ab, band es an Ankerpfähle und ließ es in den Abgrund hinunter; mit Hilfe desselben erklommen die, kühnen Abenteurer das Gestade, zwischen Himmel und Meer, zwischen Leben und Tod schwebend, in Gefahr, nicht nur beim geringsten Schwindel in den Abgrund zu stürzen, sondern auch an den Felsen zu zerschellen, sobald der Wind die gebrechliche Leiter in Schwanken setzte. Als sie erst den Boden Frankreichs betreten hatten, erreichten sie Paris auf verschiedenen Straßen, auf deren jeder die Etappenplätze und die Nachtherbergen schon vorher bestimmt und vorbereitet waren.

Inzwischen waren zwei Chouans, Picot und Lebourgeois, von den Polizeiagenten, welche Frankreich in London unterhielt, signalisiert und in Pont-Audemer verhaftet worden; sie wurden einer Militärkommission überliefert, vor welcher sie erklärten, daß sie wieder nach Frankreich gekommen seien, um Bonaparte nach dem Leben zu trachten. Man hoffte von ihnen Aufklärung über die mutmaßliche Verschwörung zu erhalten; sie ließen aber kein Wort laut werden, wodurch ihre Mitschuldigen bloßgestellt worden wären. Sie wurden erschossen; vor dem Tode erklärten sie jedoch, daß sie unfehlbar gerächt werden würden, daß Bonaparte springen müßte. Diese Drohung bestärkte die Regierung in ihren Befürchtungen. Einige Tage nach der Hinrichtung von Picot und Lebourgeois war ein ehemaliger Offizier Georges Cadoudals, ein gewisser Querelle, aus der Niederbretagne gebürtig, auf die Anzeige eines seiner Gläubiger verhaftet worden. In Rücksicht auf seine Vergangenheit wurde er ebenfalls vor ein Militärgericht gestellt und zum Tode verurteilt. Er war weit entfernt, dem Tode mit gleicher Festigkeit ins Auge zu sehen wie seine Genossen, und um einige Stunden seines Lebens zu gewinnen, erklärte er, daß er Enthüllungen zu machen beabsichtige. Diese Enthüllungen waren viel wichtiger, als man erwartet hatte. Querelle erklärte, daß Georges Cadoudal sich in Paris befände; er überlieferte das Geheimnis der Landung auf dem Felsengestade bei Béville und meldete, daß einer der französischen Prinzen auf demselben Wege in Frankreich eindringen und sich an die Spitze der Verschwörung stellen würde.

Durch die Verhaftung des ehemaligen Abbé David, welcher vor Lajolais als Mittelsperson zwischen Pichegru und Moreau gedient hatte, war der letztere dieser Generäle verdächtig geworden; der Bericht eines Londoner Agenten, wonach Pichegru und die Adjutanten des Grafen von Artois, von Polignac und von Rivière, sich ebenso wie Cadoudal in Paris befinden sollten, ließ vermuten, daß eine Annäherung zwischen beiden Seiten vollzogen sei, daß Republikaner und Royalisten sich verständigt hätten. Die Gefahr nahm also einen solchen Umfang an, daß man keine Minute verlieren durfte, ihr mit aller Kraft entgegenzutreten.

Der Oberlichter, der Justizminister, stattete der Regierung einen Bericht ab, und diese teilte denselben dem Senat, dem gesetzgebenden Körper und dem Tribunal mit; die erstere dieser Versammlungen erließ einen Senatsbeschluß, wodurch die Amtsverrichtungen der Geschworenen in allen Departements der Republik betreffs aller Verbrechen des Mordes und des Verrats aufgehoben und die Untersuchung den durch das Gesetz vom Floreal des Jahres X eingerichteten Kriminalgerichten überwiesen wurde; gleichzeitig mit diesem Senatsbeschluß wurde ein Gesetz gegen die Verheimlichung der Verschworenen erlassen, welches lautete:

Art. 1. Die Verheimlichung von Georges Cadoudal und sechzig Räubern, welche sich gegenwärtig in Paris und der Umgegend verborgen halten und von England besoldet sind, um dem Ersten Konsul nach dem Leben zu trachten und die Sicherheit der Republik in Gefahr zu setzen, soll als Hauptverbrechen erachtet und bestraft werden.

Art. 2. Als Verschwörer werden angesehen diejenigen, welche, vom Erlaß des gegenwärtigen Gesetzes an gerechnet, einen oder mehrere der im vorhergehenden Artikel besagten Personen aufgenommen oder behütet haben, wofern sie nicht binnen vierundzwanzig Stunden nach der Aufnahme der Polizei Anzeige machen, es mögen diese Personen noch bei ihnen wohnen oder sich an einem anderen Orte befinden.

Art. 3. Diejenigen, welche vor der Verkündigung dieses Gesetzes Pichegru oder die vorerwähnten Personen aufgenommen haben, sind gehalten, der Polizei binnen acht Tagen davon Anzeige zu machen, widrigenfalls sie zu sechs Jahren Kettenstrafe verurteilt werden.

Diese außerordentlichen Maßregeln zeigten, welche gerechte Besorgnis die Regierung hegte.

Durch ein unerwartetes Ereignis wurden Querelles Enthüllungen bestätigt und das Geheimnis der Verschwörung in allen Einzelheiten enthüllt.

Ein Adjutant von Georges Cadoudal, Bouvet de Lozier, war verhaftet und in engen Gewahrsam ins Templegefängnis gebracht worden. Er mochte sich vielleicht zu schwach fühlen, lange Zeit den Tod zu erwarten, und versuchte es, sich mittels seiner Halsbinde zu erhängen; ein eintretender Gefängnisschließer zerschnitt den verhängnisvollen Knoten; Bouvet, der durch ein Wunder ins Leben zurückgerufen war, klammerte sich mit leidenschaftlichem Eifer daran fest; er zeigte an, daß er Geständnisse ablegen wolle. Man führte ihn zu dem Justizminister, welchem er den Anteil, den Moreau an der Verschwörung genommen hatten um so unverhohlener eingestand, als er das jüngste Mißgeschick seiner Partei der Abtrünnigkeit dieses Generals zuschrieb.

In der Tat hatte Moreau, nachdem er die Abgesandten Pichegrus empfangen und Lajolais mit unbestimmten Versprechungen seiner Mithilfe nach London zurückgeschickt, seinen persönlichen Ehrgeiz verraten. In seinen Unterredungen mit Pichegru hatte er die Idee verworfen, einen Prinzen aus dem Hause Bourbon nach Paris zu berufen, indem er erklärte, die Wiedereinsetzung eines Königs sei ein unausführbares Hirngespinst, und indem er nicht weniger verlangte, als Napoleon zu stürzen, um seine eigene Diktatur an die Stelle des Konsulats zu setzen.

Dieser Widerstand hatte Pichegru nicht wenig in Verlegenheit gesetzt. Georges Cadoudal, welcher einer dieser Unterhaltungen unerkannt beigewohnt hatte, äußerte sich in seiner bretonischen Freimütigkeit über den General.

»Ein Usurpator für einen Usurpator!« sagte er. »Mir ist der, welcher den Platz innehat, lieber als dieser Gänserich, welcher denselben einnehmen möchte.«

Der Prozeß

Polignac.

Infolge dieser Aussage des Bouvet de Lozier wurde Moreau ebenso wie Lajolais und Rolland, Generalagent der Militärtransporte, verhaftet; alle drei wurden in das Templegefängnis gebracht.

Am 8. Ventôse kam ein ehemaliger Offizier vom Generalstabe namens Leblanc, welcher Pichegru eine Zufluchtsstätte angeboten hatte, zu Murat, dem Gouverneur von Paris, und erbot sich, ihm Pichegru, den die Polizei nicht aufzufinden vermochte, auszuliefern. Der Elende forderte für seinen Verrat einen Preis von hunderttausend Franken. Man nahm das Anerbieten an, und in der folgenden Nacht öffnete Leblanc mit Hilfe eines Nachschlüssels, den er im voraus hatte machen lassen, Pichegrus Zimmer und führte einen Polizeikommissarius und mehrere Gendarmen ein, welchen es nach einem Kampfe von einer Viertelstunde gelang, sich des Geächteten zu bemächtigen.

An demselben Tage veröffentlichte die Polizei das Signalement von Georges Cadoudal und seinen Gefährten in Paris und der Bannmeile.

Ungeachtet des schrecklichen Gesetzes, welches ihn vor der Menschheit in die Acht erklärte, ungeachtet des in Überfluß verbreiteten Signalements blieb der Häuptling der Chouans unantastbar. Seine getreuen Bretagner setzten ihre eigene Sicherheit außer Augen, um über ihn zu wachen; er ging in Paris frei umher; aber drei oder vier seiner Gefährten beobachteten fortwährend seinen Gang und leiteten die geschicktesten Spürhunde des Präfekten Dubois irre. Picot, Georges' Bedienter, war verhaftet worden; weder Versprechungen noch Drohungen konnten ihn bewegen, die geringste Auskunft zu geben.

Cadoudal hatte nach der Reihe in den Straßen du Bac, de Carême-Prenant Nr. 21, Quai de Chaillot Nr. 6, Straße du Puils-l'Hermite Nr. 8 gewohnt. Durch Picots Verhaftung war er bestimmt worden, die letztere Zufluchtsstätte zu verlassen; einer seiner Genossen, Charles d'Hozier, trat ihm ein Zimmer ab, welches er einem Mädchen namens Hizay in der Straße Montaigne Sainte-Genevieve Nr. 22 abgemietet hatte.

Da durch Moleaus und Pichegrus Verhaftung jede Hoffnung auf Erfolg der Verschwörung abgeschnitten war, so dachte Georges daran, Paris zu verlassen und wieder nach Morbihan zu gelangen.

Am 18. Ventôse, bei anbrechendem Abend, holte ihn ein Kabriolett aus seinem Hause ab. Er kam mit vier seiner Gefährten heraus. Drei gingen zu Fuß fort, der vierte, Léridant, setzte sich neben ihn in die Kutsche. Er fuhr die Straße Sainte-Hyacinthe hinauf, über den Platz Saint-Michel und in die Straße Monsieur le Prince. In dem Augenblick, als er um die Ecke des Odeon bog, fielen zwei Polizeiagenten, die ihm gefolgt waren, dem Pferde in die Zügel und hielten ihn an. Georges Cadoudal streckte sie mit zwei Pistolenschüssen nieder und versuchte aus seinem Kabriolett zu springen, aber andere Agenten kamen ihren Kameraden zu Hilfe, und nach einem verzweifelten Kampfe wurde er ebenso wie sein Genosse ergriffen und geknebelt. Nach der Polizeipräfektur geführt, wurde er auf der Stelle verhört. Aus der Ruhe und der Bestimmtheit seiner Antworten, die er in einem solchen Augenblicke gab, kann man auf die Beschaffenheit seines Charakters schließen.

Folgendes sind einige Bruchstücke aus Georges Cadoudals Verhör.

»Was wollten Sie in Frankreich tun?«

»Den Ersten Konsul angreifen.«

»Welches waren Ihre Mittel zum Angriff?«

»Der Angriff sollte mit offenbarer Gewalt vollführt werden.«

»Welches war Ihre Absicht und die Ihrer Mitverschworenen?«

»Einen Bourbon an die Stelle des Ersten Konsuls zu setzen.«

»Rechneten Sie nicht darauf, Ihren Zweck durch den Mord zu erreichen?«

»Nein; ich und meine Offiziere, wir hatten die Wachen des Ersten Konsuls einzeln gezählt; es waren dreißig; ich und neunundzwanzig meiner Anhänger hätten Mann gegen Mann mit ihnen gekämpft, nachdem wir die Straße mit zwei Stricken gesperrt, um die Eskorte aufzuhalten, und uns mit der Pistole in der Hand auf sie geworfen hätten; im Vertrauen auf unser gutes Recht und unseres Mutes gewiß, hätten wir das übrige Gott überlassen.«

»Wer beauftragte Sie, nach Frankreich zu gehen?«

»Die Prinzen, um die Monarchie wiederherzustellen.«

»Mit welchen Personen verkehrten Sie, als Sie nach Paris kamen?«

»Ich kenne sie nicht; ich will die Zahl der Opfer nicht noch vermehren.«

Er leugnete seine Verbindung mit Pichegru und Moreau; gestand aber mit einer Art von Stolz, daß er nach Paris in der Absicht gekommen sei, den Ersten Konsul mit offener Gewalt anzugreifen, und nur die Ankunft eines Prinzen in Paris abgewartet hätte, um seinen Plan zur Ausführung zu bringen. Man hatte einen prächtigen Dolch mit einem silberbeschlagenen Griffe aus Ebenholz bei ihm vorgefunden. Thuriot fragte ihn, ob nicht der englische Stempel auf dem Beschlage sichtbar sei.

»Ich weiß es nicht,« antwortete Georges, »ich kann aber versichern, daß, als ich nach Paris kam, ich ihn nicht auf der Münze kontrollieren ließ.«

Einer der beiden Polizeibeamten, welche ihn angehalten hatten, ein gewisser Buffet, war von einer Kugel an der Stirn getroffen und getötet, der andere namens Cailotte in die Brust geschossen und gefährlich verwundet worden. Thuriot versuchte, dieses Eisenherz zu rühren, indem er ihm den begangenen Mord vorwarf.

»Ich habe nur der Gewalt Gewalt entgegengesetzt,« antwortete Cadoudal.

Als man ihm vorstellte, der Unglückliche wäre Familienvater, antwortete er:

»Das ist eure Schuld; ihr hättet mich durch Hagestolze müssen verhaften lassen.«

Alle bei der Verschwörung Beteiligten befanden sich in den Händen der Justiz; die Herren von Polignac und Rivière waren am 14. Ventôse ergriffen worden; ein Chouan, Raoul Gaillard, wurde von einem Büchsenschuß getroffen in dem Augenblick, als er die Seine überschritt, um dem verfolgenden Gendarmen zu entkommen.

Die Untersuchung hatte ihren Verlauf, als eines Morgens der Kerkermeister, welcher in Pichegrus Zimmer trat, ihn tot in seinem Bette fand.

Am vorhergehenden Abend hatte der Besieger Hollands Réal gebeten, ihm Seneka zu leihen; das Buch lag noch auf dem Tische, auf der Seite aufgeschlagen, wo der berühmte Philosoph sagt:

»Derjenige, welcher sich verschwören will, darf vor allem den Tod nicht fürchten.«

Der General lag auf der Seite. Eine schwarzseidene Halsbinde war mit Hilfe eines Stückchens Holz, welches er von einem Reisig, dessen Überreste noch im Zimmer lagen, abgerissen hatte, eng um den Hals geschlossen. Mit diesem Knebel hatte Pichegru wahrscheinlich seine Halsbinde zusammengeschnürt, bis die Erstickung ihren Anfang nahm; dann hatte er sich fest darauf gelegt, und der dadurch verursachte Blutandrang nach dem Kopfe hatte den Schlagfluß herbeigeführt.

Am 28. Mai 1804, zehn Tage nachdem Napoleon zum Kaiser erklärt worden war, erschienen die Angeklagten, zweiundvierzig an der Zahl, vor dem Kriminalgericht. Moreau, der wie die übrigen auf der Verbrecherbank saß, war ruhig und schien sich der Entscheidung des Tribunals schon bewußt zu sein. An seiner Seite befanden sich Lajolais, sein ehemaliger Adjutant, Cauchery und Abbé David, die beiden Unterhändler mit Pichegru. Die Herren von Polignac und von Rivière, welche das aristokratische Element der Verschwörung vorstellten, saßen hinter dem General Moreau; Georges Cadoudal war von seinen Chouans wie an einem Schlachttage umgeben. Diese Bauern hatten kaum einen Blick für den Gerichtshof oder für die Zuhörer, welche in den Saal strömten; ihre Augen waren starr auf ihren Häuptling gerichtet; sie betrachteten ihn; sie hörten ihm mit einer ehrfurchtsvollen Aufmerksamkeit zu, die anzeigte, welch einen allmächtigen Einfluß er auf sie übte. Was Georges betraf, so bot er dem Geschick, das ihn erwartete, mit wildem Gleichmut Trotz; zuweilen beantwortete er die Beinamen, welche ihm die Ankläger reichlich zuteil werden ließen, mit beißenden Spottreden. Thuriot, welcher dem Verhöre vorsaß, hatte für den Tod Ludwigs XVI. gestimmt, der Bretagner nannte ihn daher mit einer tief verletzenden Anspielung Herr Tue-Roi (Herr Königsmörder). Als er einmal aus Versehen seinen Namen ausgesprochen hatte, bat er sich von einem Gendarmen ein Glas Wasser aus, um sich, wie er sagte, den Mund auszuspülen.

Es wurden neununddreißig Belastungs- und dreizehn Entlastungszeugen vernommen. In der Sitzung vom 11. Prairial entspann sich eine ziemlich lebhafte Debatte zwischen dem Vorsitzenden und dem General Moreau über gewisse Aussagen des Angeklagten Rolland, welcher versicherte, der Graf von Artois hätte zu ihm gesagt:

»Wenn sich unsere beiden Generäle verständigen, so werde ich bald in Paris sein.«

Moreau leugnete, daß diese Rede sich auf ihn bezöge.

»Aber,« entgegnete der Präsident, »wenn man sieht, daß Pichegru nach Paris kommt und Unterredungen mit Ihnen hat?«

Moreau unterbrach ihn:

»Wenn man sieht, daß Pichegru sich nicht mit mir verständigt, so ist es klar, daß überhaupt nicht von mir die Rede gewesen ist.«

Der Präsident: »Weil Sie Diktator werden wollten.«

»Ich Diktator?« rief Moreau in großer Aufregung; »ich Diktator? Mich mit allen Parteigängern der Bourbonen zum Diktator machen? Man suche einmal meine Parteigänger! Meine Parteigänger sind die französische Armee, von der ich neun Zehnteile befehligt und mehr als fünfzigtausend Mann gerettet habe. Dies sind meine Parteigänger? Weshalb will man mir die Torheit zuschreiben, ich wollte mich durch die Anhänger der ehemaligen französischen Prinzen, welche schon seit 1792 für diese Sache kämpfen, zum Diktator ernennen lassen? Glauben Sie, daß jene Leute binnen vierundzwanzig Stunden den Plan entwerfen, mich zur Diktatur zu befördern?«

Diese Worte des Generals Moreau wurden mit einem dreimal wiederholten Beifallruf aufgenommen, den der Vorsitzende nur mit Mühe zum Schweigen brachte; die öffentliche Meinung war für ihn; sie weigerte sich, anzunehmen, daß der Held so vieler Kämpfe, der Sieger von Hohenlinden ein Mitschuldiger von Leuten geworden sei, welche man wegen ihres Anteils an dem Attentat der Höllenmaschine nur als verächtliche Mörder ansehen konnte. Die Aufregung war so allgemein und nachhaltig, daß Cadoudal, als er die Sitzung verließ, zu Moreau sagte:

»General, noch eine Sitzung wie die heutige, und Sie werden in den Tuilerien schlafen.«

Sonntags, am 14. Prairial, stellte der Staatsanwalt Gérard den Antrag; er verlangte die Todesstrafe gegen sämtliche Angeklagten mit Ausnahme von Even, Caron, Gallais und dessen Frau, welche er der Gerechtigkeit des Gerichtshofes empfahl.

Die Sitzung vom Montag, dem 15., wurde mit einer Rede von Bouvet de Lozier eröffnet, welche so merkwürdig ist, daß ich einige Bruchstücke davon anführen will. Meine Leser werden sich ohne Zweifel erinnern, daß Bouvet de Lozier in dieser Verschwörung die Rolle eines Angebers gespielt hatte.

»Mein Advokat hat sich in zwei Punkten in einer Weise ausgesprochen, welche sowohl meinem Gefühl wie meiner Lage durchaus widerstrebt. Mein Advokat sagte zu Anfang, daß ich, meine Herren Richter, Ihnen durch meine Geständnisse großen Anteil eingeflößt haben müsse. Ich lege allerdings den größten Wert auf die Meinung des Gerichtshofes, und ohne daß ich den Tod fürchte, hege ich den heißesten Wunsch, in den Augen desselben für unschuldig zu gelten; aber nicht weniger wünsche ich seine Achtung, die Achtung des Publikums, welches mich hört, und die der Welt, welche uns richten wird, zu verdienen. Ich muß Ihnen daher bemerklich machen, daß ich bei meiner Erklärung durchaus nicht von dem Wunsche geleitet wurde, meinen Richtern Mitleid einzuflößen, wohl aber von Empfindungen, die ich ausgesprochen habe: von der Verzweiflung und dem Wunsche nach Rache. Im weiteren Verlauf hat mein Advokat fast den Lobredner des Generals Moreau gemacht. Welches auch das Verdienst des Generals Moreau sein mag, so steht es nach meiner Erklärung nicht meinem Verteidiger zu, ihn zu loben: sein Lob aus meinem Munde würde eine Feigheit und ein Widerruf sein; ich widerrufe durchaus nicht.«

Die Sitzungen am 16., 17., 18. und 19. Prairial wurden bestimmt, die Verteidiger anzuhören. Am Ende der Sitzung vom 19. wurden die Angeklagten ihrerseits vernommen.

Georges begann damit, sich von aller Teilnahme an dem Attentat vom 3. Nivôse zu reinigen, dann fuhr er in folgenden Worten fort:

»Nachdem diese Nebensachen beseitigt sind, werde ich mit Freimut und Wahrheitsliebe auf den eigentlichen Punkt der Diskussion eingehen. Da ich Frankreich und der Familie der Bourbons ergeben bin, so haben zwei Jahre, die ich friedlich auf dem Boden Englands verlebte, mich nicht erkälten können. Alle Nachrichten, die ich von Frankreich erhielt, verkündigten mir, daß die öffentliche Meinung deutlich ausgesprochen sei, daß der eifrigste Wunsch der Franzosen der sei, die Regierung eines einzelnen wiederkehren und auf eine einzige Familie beschränkt zu sehen, daß man keine Umwälzungen mehr zu fürchten haben würde. Bis zum Augenblicke des Vertrags von Amiens wußte ich nichts davon, daß Bonaparte zum Kaiser erklärt werden sollte. Nach dieser Nachricht entschloß ich mich, nach Frankreich zu gehen, um selber zu untersuchen, ob der öffentliche Geist derart sei, wie man mir versichert hatte. Hätte ich diese öffentliche Meinung günstig für die Familie der Bourbons gefunden, so würde ich sogleich einen französischen Prinzen haben kommen lassen, und bei seiner Ankunft wäre man auf die notwendigen Mittel bedacht gewesen, den gewünschten Zweck zu erreichen; als ich mich aber in dieser Hoffnung getäuscht sah, habe ich diesen Prinzen nicht berufen und nicht sechs Männer zusammengebracht.«

General Moreau ergänzte die Rede seines Verteidigers in folgenden Worten:

»Es sind in diesem Prozeß weder Schriftstücke noch überzeugende Tatsachen noch Zeugen vorhanden, welche gegen mich aussagen. Es ist ersichtlich, daß meine Verbindung mit David durchaus nichts Verbrecherisches an sich trägt und nur die Rückkehr des Generals Pichegru beabsichtigt hat. Was meine Aussöhnung mit dem letzteren betrifft, so liegt dieselbe dem Urteil der öffentlichen Meinung vor; ich bin weit davon entfernt, dasselbe zu fürchten; es wird sicherlich einen unversöhnlichen Haß, aber niemals eine großmütige Gesinnung verdammen.

Was sich am deutlichsten aus dem Prozesse ergeben hat, wiederhole ich, daß ich nämlich alle Anerbietungen, die mir von den ehemaligen französischen Prinzen gemacht worden, zurückgewiesen habe; daran wird, wie ich glaube, niemand zweifeln können. Der einzige belastende Umstand, der gegen mich vorliegt, ist eine politische Plauderei Rollands, die jener verstümmelt, aber ganz absichtlich durch gerichtliche Fragen hervorgerufen, wiedergegeben hat und welche von der Hoffnung eines furchtsamen Mannes, darin sein einziges Rettungsmittel zu finden, zeugt.

Man hat von meinem Vermögen gesprochen. Ich habe mit nichts angefangen. Ich könnte fünfzig Millionen besitzen, besitze aber eigentlich nichts als ein Haus in Paris und ein Landgut. Was mein Gehalt als Obergeneral betrifft, so beträgt es, was auch der Herr Kriegsminister behaupten mag, vierzigtausend Franken, und man hüte sich wohl, dasselbe mit meinen Diensten zu vergleichen!

Unglückliche Umstände, Umstände, welche der Zufall herbeigeführt oder der Haß vorbereitet hat, können sogar einzelne Lebensaugenblicke des rechtschaffensten Mannes verdunkeln; ich stelle daher mein ganzes Leben den mich verfolgenden Anschuldigungen entgegen. Dasselbe ist öffentlich wohl genug bekannt; ich berufe mich nur auf die einzelnen Epochen, und die Zeugen, die ich anrufen werde, sind das französische Volk, welches ich zu Siegen geführt, und die fremden Völker, die ich besiegt habe.

Meine Herren Richter, ich habe weiter nichts zu sagen. Sie kennen Ihre Pflicht. Frankreich hört Sie, Europa blickt auf Sie und die Nachwelt vernimmt Ihre Stimme.«

Als der Präsident den Armand de Polignac fragte, ob er seiner Verteidigung noch etwas hinzuzufügen hätte, vergaß dieser die Verurteilung, die ihm selber drohte, und bestrebte sich nur, den Gerichtshof zugunsten seines Bruders anzuflehen, indem er bat, auf dessen Jugend Rücksicht zu nehmen und sich mit seinem Opfertode zu begnügen.

Am Eingang der letzten Sitzung ergriff Julius von Polignac das Wort, und es begann der rührendste Streit zwischen den beiden Brüdern.

»Da ich gestern«, sagte Julius, »von der Rede meines Bruders zu tief gerührt war, so konnte ich dem, was zu meiner eigenen Verteidigung vorgebracht worden, nur eine vorübergehende Aufmerksamkeit schenken; da ich heute in einer ruhigeren Stimmung bin, so bitte ich Sie, meine Herren, daß Sie die Wünsche, welche mein großmütiger Bruder in bezug auf mich ausgesprochen, nicht zu sehr berücksichtigen mögen. Ich wiederhole es im Gegenteile und mit größerem Rechte, daß, wenn einer von uns unterliegen soll und es noch Zeit ist, Sie ihn retten mögen. Geben Sie ihn seiner weinenden Gattin wieder, ich habe keine. Gleich ihm verstehe ich dem Tode Trotz zu bieten; sollte ich das Leben bedauern, da ich noch zu jung bin, um mit demselben zu kämpfen?«

»Nein, nein,« rief Armand, seinen Bruder umarmend, »hören Sie nicht auf ihn, meine Herren. Du hast noch eine Laufbahn vor dir; ich bin es, der zugrundegehen muß! Ich bitte dich, mein teurer Julius!«

Die Zuhörer waren bis zu Tränen gerührt. Der Vorsitzende Hémart beeilte sich daher, die Sitzung aufzuheben.

Der Gerichtshof zog sich nun in das Beratungszimmer zurück; die Beratung dauerte lange und war sehr stürmisch.

Die Persönlichkeit Moreaus hatte während des Prozesses ein solches Ansehen gewonnen, daß seine Freisprechung einen vernichtenden Einfluß gegen die jüngst auf den Thron gelangte Macht ausgeübt haben würde. Die Regierung hielt seine Verurteilung für notwendig und nahm keinen Anstand, dem Gerichtshof zu verstehen zu geben, daß, wenn der General von der Anklage entbunden würde, die Regierung sich in die Notwendigkeit versetzt sähe, das Urteil durch einen Staatsstreich umzustoßen.

Einige der Richter fügten sich ohne zu großen Widerstand in diese politische Rücksicht, andere, wie man zu Ehren des französischen Richterstandes bekennen muß, erklärten, es lägen keine hinreichenden Beweise vor, um eine Verurteilung zu rechtfertigen, und weigerten sich, die Stimme ihres Gewissens zu ersticken. Der eifrigste von den überzeugten, Thuriot, stimmte für den Tod, indem er vorstellte, der Kaiser würde Moreau begnadigen. Einer der Räte, Clavier, gab ihm die treffende Antwort:

»Und wer wird uns Gnade erzeigen?«

Von zwölf Richtern erklärten sieben Moreau für unschuldig, nur fünf waren geneigt, ihn schuldig zu finden. Die Erörterungen dauerten vierundzwanzig Stunden, endlich siegte der Druck, welchen der Präsident Hémart und Thuriot auf ihre Amtsgenossen ausübten, über ihren Widerstand, und es gelang, eine Art Vergleich zwischen ihrer ersten Erklärung und den Anforderungen der Regierung herzustellen. Zwei von den Räten, Lecourbe und Rigaud, verharrten auf ihrer Meinung und protestierten.

Das Urteil wurde am 21. Prairial um vier Uhr morgens gefällt und lautete:

Es hat sich nach der Untersuchung und den Verhandlungen ergeben, daß eine Verschwörung zu dem Zwecke bestanden hat, die Republik durch einen Bürgerkrieg in Verwirrung zu setzen und die Bürger gegeneinander und gegen die rechtmäßigen Behörden zu bewaffnen, und sind folgende Angeklagte: Georges Cadoudal, Bouvet de Lozier, Russillion, Rochelle, Armand de Polignac, Charles d'Hozier, de Rivière, Ducorps, Picot, Lajolais, Roger, Coster de Saint-Victor, Deville, Armand Gaillard, Alexis Soyant, Burdan, Lemercier, Pierre Cadoudal, Lelan und Merille überwiesen, an dieser Verschwörung in verbrecherischer Absicht teilgenommen zu haben. Dieselben werden zum Tode verurteilt; dem Gesetz vom 14. Prairial des Jahres III gemäß werden ihre Güter als der Republik verfallen erklärt. In Betracht, daß Jules de Polignac, Louis Léridant, Jean Victor Moreau, Henri Rolland, Marie Micheline Hizay an dieser Verschwörung teilgenommen haben, sich aber aus dem Verhör und den Verhandlungen mildernde Umstände ergeben, so ermäßigt der Gerichtshof die Strafe, in welche die Genannten verfallen sind, in eine Besserungsstrafe und verurteilt sie zu zwei Jahren Gefängnis.«

Couchery, David, Hervé, Lenoble, Rubin, Lagrimaudière, Noel Ducorps, Datry, Even, Gaston Troche, Pierre Troche, Monnier und seine Frau, Verder, Spin, Dubuisson und seine Frau, Caron, Gallais und seine Frau, Denand und seine Frau wurden freigesprochen. Der Gerichtshof stellte jedoch diejenigen von ihnen, welche den Verschwörern Quartier gegeben hatten, vor die fünfte Abteilung des Gerichtshofes der ersten Instanz.

Die Verurteilten vernahmen den Spruch, ohne die geringste Erschütterung zu zeigen. Als Georges Cadoudal in die Conciergerie zurückgekehrt war, traf er den Staatsrat Réal, mit welchem er eine lange Unterredung hatte. Réal versicherte dem Vendéer, der Kaiser sei geneigt, ihn zu begnadigen, wenn er seine Barmherzigkeit anflehe. Cadoudal lehnte dieses Ansinnen ab und zeigte sich entschieden, das Schicksal seiner Kameraden zu teilen. Herr von Rivière, welcher ebenfalls eine Unterredung mit Réal hatte, weigerte sich wie Georges, ein Gnadengesuch an den Kaiser zu richten.

In den Familien der Verurteilten fanden sich jedoch Herzen, welche weniger stolz waren und sich nicht zu erniedrigen glaubten, wenn sie den Herrscher um das Leben geliebter Personen anflehten. Die Schwester des Herrn von Rivière fand in der Kaiserin eine allmächtige Vermittlerin, andere Gesuche wurden für die Herren de Polignac, Rochelle de Bercy, Bouvet de Lozier und Charles d'Hozier gestellt. Fräulein Lajolais warf sich dem Kaiser zu Füßen und bat ihn um Gnade für ihren Vater; Fräulein Gaillard bat für ihren Bruder, und der Bankier Scherer für seinen Schwager Russillion. Der Kaiser wies keines dieser Gesuche zurück, und am 6. Messidor des Jahres XII erhielt der Kriminalgerichtshof das kaiserliche Schreiben, welches für die Verurteilten Bouvet de Lozier, Russillion, Rochelle, Armand de Polignac, d'Hozier, de Rivière, Lajolais und Gaillard die Todesstrafe in die Strafe der Deportation verwandelte.

Georges und seinen Chouans stand allein das Schafott in Aussicht.

Nicht etwa, daß ihnen Fürsprecher fehlten, um ihre Sache bei Napoleon zu führen; es war am Hofe ein ritterlicher Mann, welchem der unbezwingliche Mut, die Tatkraft und Strenge des Vendéers Teilnahme einflößen mußte, dieser Mann war Murat. Der künftige König von Neapel verwendete sich beim Kaiser für die Verurteilten, und dieser war nicht abgeneigt, seinen Bitten zu willfahren; in der Tiefe seines Kerkers führte aber Georges noch dieselbe Sprache wie in dem Augenblick, als er sich mit seinem Säbel zum König der Heiden des Morbihan gemacht hatte; er verlangte, die Gnade sollte sich auf alle seine Mitschuldigen erstrecken, und die kaiserliche Barmherzigkeit wich vor dieser Anforderung zurück. Er hatte, um das Leben seiner Genossen noch um einige Tage zu verlängern, die Appellation eingelegt. Am 4. Messidor verwarf der Gerichtshof diese Appellation, und am 5. führte man die Verurteilten, welche vorläufig nach Bicètre gebracht worden waren, in die Conciergerie zurück. Die Hinrichtung war auf den 6. festgesetzt.

Die Hinrichtungen waren zu dieser Zeit ziemlich selten, so daß mein Vater nur vier Gehilfen hielt. In Rücksicht auf die Zahl der Verurteilten war er genötigt, noch andere Gehilfen zum Ersatz anzustellen. Man hatte bereits die Gewohnheit wieder angenommen, den Verurteilten zu gestatten, daß sie bis zum Richtplatz von einem Priester begleitet wurden; infolgedessen belief sich die Zahl der Karren, welche diesen traurigen Zug bildeten, auf drei. Um vier Uhr morgens erschienen die Wagen und die Scharfrichter vor dem Tore der Conciergerie. Die Zurüstungen fanden in dem Vorzimmer der Kanzlei statt. Die Verurteilten wurden zusammen eingeführt; sie beteten mit großer Sammlung. Einige Augenblicke vorher war man noch einmal in Cadoudal gedrungen, daß er um Gnade bitte. Er weigerte sich mit noch größerer Lebhaftigkeit und murmelte, als er die Kanzlei verließ:

»Dieser Schelm ist nicht zufrieden, mir den Kopf abzuschneiden, er möchte mich auch noch ehrlos machen!«

Als Georges in den Saal trat, sagte er einige Worte zu einem Schließer namens Eberle, welcher ihn begleitete, und wendete sich dann, nachdem dieser geantwortet hatte, an meinen Vater.

Seine Haltung war stolz, sein Blick sicher, seine Gesichtsfarbe wie gewöhnlich, es zeigte sich weder in seinen Zügen noch in seinem Tone eine Aufregung.

»Sind Sie der Scharfrichter von Paris?« fragte er.

Mein Vater bejahte es.

»In diesem Falle«, fuhr Georges fort, »werden Sie wissen, daß ich zuerst hingerichtet sein will; mir steht es zu, meinen Gefährten mit Mut und Ergebung voranzugehen. Außerdem will ich nicht, daß einer diese Welt mit dem Gedanken verlasse, daß ich ihn überleben könnte.«

Mein Vater bemerkte ihm, die Ordnung der Hinrichtung sei festgestellt, und demgemäß müßte er zuletzt sterben.

»Pah,« entgegnete Georges, »man ist zu sehr bemüht gewesen, mich gänzlich zu begnadigen, als daß es möglich wäre, mir meine einzige Bitte abzuschlagen.«

In der Hoffnung, diesen Wunsch erfüllen zu können, benutzte mein Vater die lange Zeit, welche zur Zurichtung einer so großen Zahl Verurteilter nötig war, um Georges Bitte durch den Gerichtsschreiber, welcher das Urteil vorgelesen hatte und das Protokoll über die Hinrichtung führen sollte, an den Oberrichter gelangen zu lassen. Er brachte nur einen ablehnenden Bescheid; man gestattete demjenigen, dem man das Leben angeboten hatte, nicht, den Augenblick seines Todes zu wählen. Der rauhe Häuptling der Parteigänger mußte sich darein schicken. Während man ihm die Hände band, sagte er zu seinen Gefährten:

»Wir haben die Blauen oft genug geschlagen, um ein Recht auf Soldatentod zu haben; aber es darf uns nicht reuen, wenn wir uns erinnern, daß das Schafott, welches wir betreten sollen, durch das Märtyrertum unseres Königs geweiht worden ist!«

Ehe er die Conciergerie verließ, bat er seine Kameraden, ihn zu umarmen. Alle gehorchten. Diese rauhen Gesichter bekamen beim letzten Abschiede von ihrem geliebten Führer einen milderen Ausdruck, einige Augen wurden feucht. Als dies geschehen war, sagte er zu ihnen:

»Und jetzt handelt es sich darum, den Parisern zu zeigen, wie Christen, Royalisten und Bretagner sterben.«

Er winkte seinem Beichtiger, ihm den Arm zu reichen, und ohne den Befehl des Scharfrichters abzuwarten, kommandierte er: »Marsch!« mit solcher Lebhaftigkeit, als ob es sich darum handelte, eine Schanze zu stürmen. Er befand sich mit seinem Vetter Pierre Cadoudal auf dem ersten Wagen; Picot, sein Diener, und Coste Saint-Victor, Roger, Soyant, Burban, Lemercier saßen auf dem zweiten, Lelan, Merille, Deville auf dem dritten.

Coster Saint-Victor erregte nicht weniger Teilnahme als sein Häuptling. Seine Schönheit, seine stolze Miene, seine Eleganz und das große Vermögen, welches man ihm zuschrieb, machten ihn zum Löwen des Prozesses. Das Publikum hatte sich zuletzt für den Verschwörer begeistert, und während des Zuges vernahm man aus der Menge wiederholte Äußerungen des Mitleids.

Georges war, seitdem man ihm seine letzte Bitte abgeschlagen hatte, düster und schweigsam geworden und betete unterwegs unaufhörlich. Er sah, ohne ein Wort zu sagen, alle seine Gefährten absteigen, selbst Coster Saint-Victor, der, als er zuletzt vor ihm das Schafott betreten sollte, ihn noch einmal umarmte und beim letzten Kusse sagte:

»Leben Sie wohl, mein General!«

Georges ließ ihn gewähren, zuckte aber die Achseln, wie über ein Zeichen der Schwäche. Dann, als das schöne Haupt seines jungen Mitschuldigen gefallen war, stieg er langsamen, aber festen Schrittes die Stufen des Schafotts hinauf und rief, auf der Plattform angelangt, mit weithin tönender Stimme:

»Kameraden, ich folge euch! Es lebe der König!«

Nach diesem letzten Opfer entstand ein Augenblick der Verwirrung. In Betracht der vielfachen Hinrichtungen waren die Vorkehrungen sehr mangelhaft getroffen. Als Cadoudals Kopf fiel, war der mitgebrachte Korb schon gefüllt. Der kolossale Leichnam des ritterlichen Mörders blieb länger als eine Viertelstunde auf dem Schafott liegen, während mein Vater Leinwand kaufen ließ, um ihm ein besonderes Leichentuch zu machen.

Dieses letzte Zeichen der Achtung war vielleicht für einen Mann nicht unangemessen, der mit den Königsmördern des Konvents, den zaghaften Mördern des Konsulats, der Restauration, der Juli-Monarchie und des zweiten Kaiserreichs nicht in gleiche Reihe gestellt werden darf. Meine eignen Erinnerungen


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