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13. Kapitel

Am folgenden Tage herrschte tiefer Friede um das Kloster, welchen die Mönche benutzten, die Schutzvorrichtungen und Verteidigungsmaßregeln um so eifriger fortzusetzen. Man besserte noch einige schadhafte Stellen aus und schaffte noch mehr Geräte an, welche im Falle eines Sturmes auf die Mauern als Waffen dienen konnten.

Man hatte auch noch etliche Bauern aus Zdebowo, Krowodrschy, Lgota und Grabowka, welche früher in einem Linienregiment gedient hatten, zur Verteidigung aufgenommen. Der Pater Kordezki verdoppelte und verdreifachte sich. Er hielt die gebräuchlichen Andachten ab, ging in die Versammlungen, welche er zur Beratung über die Verteidigung des Klosters einberief, versäumte die Tagzeiten niemals und füllte die Pausen damit aus, die Mauern zu begehen und sich mit dem Adel und den Bauern zu unterhalten. Dabei bewahrte sein Antlitz den Ausdruck vollkommener Ruhe und Friedens. Wenn man sein bleiches, von der angestrengten Arbeit etwas mageres Gesicht betrachtete, mußte man glauben, daß dieser Mann süß und sorglos schlafe; aber die stille, fast freudige Resignation, die aus seinen Augen leuchtete, die Lippen, welche sich im Gebet bewegten, verrieten, daß er unaufhörlich wachte, dachte, betete und für alle sorgte. Ein starker, fester Glaube strömte von seiner Seele aus, wie ein breiter, alles mit fortreißender Strom, dem man sich willig überließ, weil seine klare Strömung kranke Seelen gesunden ließ. Wo das weiße Habit des Pater Prior sich blicken ließ, da erheiterten sich die Gesichter, die Augen leuchteten und die Lippen grüßten ihn: »Unser guter Vater, Tröster und Beschützer, unsere Hoffnung!« Pater Kordezki schrieb auch Briefe an verschiedene hohe Persönlichkeiten im Interesse der Sicherheit des Klosters. So an Wittemberg, den Platzkommandanten von Krakau, mit der Bitte um Schonung, an Johann Kasimir, welcher in Oppeln die letzten Anstrengungen machte, ein Heer zur Rettung des undankbaren Vaterlandes zu sammeln. Ferner an den Kastellan von Kijow, der durch sein Ehrenwort zur Unthätigkeit gezwungen war, an Wrestschowitsch und an Sadowski, welcher ein Böhme und Lutheraner in Diensten Millers, dennoch ein edelgesinnter Mann, und eifrig bemüht war, Miller von dem Gedanken an die Belagerung Tschenstochaus abzubringen.

Während Wrestschowitsch, durch den Widerstand der Mönche am achten November gereizt, alles aufbot, um den General zum Zuge gegen das Kloster zu bewegen, indem er immer wieder betonte, daß nirgends in der Welt mehr Schätze aufgehäuft wären, als dort, suchte Sadowski alle Gründe hervor, die imstande waren, ihn davon zurückzuhalten.

»General!« sagte er zu Miller. »Ew. Liebden wissen als erfahrener Krieger sehr gut, wie viel Zeit und Menschen es kostet, selbst die kleinste Veste einzunehmen, wenn die Belagerten auf Leben und Tod, bis zum letzten Atemzuge sich verteidigen.«

»Aber die Mönche werden sie nicht verteidigen!« sagte Miller.

»Ich bin entgegengesetzter Ansicht. Je reicher das Kloster ist, desto verzweifelter wird die Verteidigung sein. Man wird dabei nicht nur der Macht der Waffen vertrauen, sondern der Heiligkeit des Ortes, welchen die Katholiken als unantastbar betrachten. Dazu kommt, daß das Kloster auf einem Berge liegt, dessen Granitfelsen keinen Durchbruch gestatten. Die Mauern sind in gutem Zustande, mit Proviant werden sie sich gut versorgt haben, der Fanatismus wird ihren Mut beseelen und ...«

»Und sie werden mich zwingen, abzuziehen? Das denkt ihr, Herr Hauptmann, nicht wahr?«

»Nein; ich denke nur, die Belagerung wird sich sehr in die Länge ziehen, wir werden größere Geschütze nötig haben, als die, welche uns zur Verfügung stehen, und Ew. Liebden haben Ordre, nach Preußen zu gehen. Wenn nun Sc. Majestät Ew. Liebden wegen wichtigerer Anlässe nach Preußen abrufen müßte, während ihr die Belagerung bereits begonnen, dann würden die Mönche überall verbreiten, sie hätten euch gezwungen, die Belagerung aufzugeben, was euern Ruf als Krieger nur schädigen würde. Schon die bloße Absicht, das Kloster anzugreifen, wird, wenn sie bekannt wird, die größte Unruhe bei den Polen wachrufen und viele gegen uns einnehmen, während uns aber alles daran liegen muß, den Adel auf unserer Seite zu behalten.«

Miller mußte unwillkürlich dieser Ansicht beistimmen; dazu kam noch, daß er alle Mönche, besonders aber die Tschenstochauer für Zauberer hielt, die er fürchtete. Aber er wollte das nicht merken lassen und um den Disput noch ein wenig in die Länge zu ziehen, sagte er:

»Ihr sprecht, als wäret ihr der Prior von Tschenstochau oder ... als ständet ihr in Unterhandlungen mit ihm wegen des Lösegeldes.«

Sadowski war ein heftiger, furchtloser Mann und da er sich seines Wertes bewußt war, fühlte er sich leicht beleidigt.

»Ich spreche kein Wort weiter!« sagte er stolz.

Durch den Ton der Antwort verletzt, entgegnete Miller barsch:

»Ich bitte auch nicht darum! Mir genügt Wrestschowitsch als Berater, welcher das Land hier besser kennt.«

»Das wollen wir sehen!« sagte Sadowski und verließ das Gemach.

Wrestschowitsch trat nun wirklich an seine Stelle. Er brachte dem General einen Brief des Krakauer Herrn Warschyzki, den er soeben erhalten hatte. Derselbe enthielt die Bitte, das Kloster in Frieden zu lassen. Das nützte Graf Weyhard für sich aus:

»Sie verlegen sich schon auf das Bitten,« sprach er. »Sie wissen also, daß sie sich nicht halten können.«

Am nächsten Tage war der Belagerungszug beschlossene Sache. Man bemühte sich nicht einmal, den Beschluß zu verheimlichen. So konnte denn Pater Jazeck Rudnizki vom Konvent der Brüder in Wielun noch rechtzeitig nach Tschenstochau aufbrechen, um die Mönche zu benachrichtigen. Der arme Pater glaubte selbst nicht daran, daß sie sich verteidigen würden; er wollte sie nur vor der Ueberraschung bewahren und ihnen Zeit zum Ueberlegen gewinnen. Die Nachricht wirkte sehr niederdrückend auf einzelne der Brüder, aber der Pater Prior entflammte ihren Mut an der eigenen Wärme, mit welcher er ihnen erklärte, wie jetzt die Tage der Wunder kommen würden, an denen das ganze Reich sich aufrichten werde und wie selbst der Tod im Kampfe um das Heiligste etwas herrliches sei.

Draußen traf der Winter seine Vorbereitungen zum Einzuge. Ein rauher Nordwind wehte, die Erde fror zu harten Schollen und morgens waren die Wasserpfützen mit einer dünnen Eiskruste überzogen. Pater Kordezki rieb sich vergnügt die Hände: »Gott schickt uns den Winter als Bundesgenossen. Wir werden hier im Warmen sitzen, während die draußen frieren müssen.«

Miller führte neunzehn Geschütze bei sich. Mit neuntausend Mann wollte er gegen die Veste anrücken. Unter diesen befanden sich zwar zwei Fahnen polnische Reiter, welche erklärt hatten, keinen Anteil an den Kämpfen nehmen zu wollen, doch daraus machte sich der General nichts. Am achtzehnten November sollte das Heer die Belagerung beginnen, welche nach Ansicht des Generals höchstens zwei bis drei Tage dauern konnte.

An demselben Tage hielten die Klosterbrüder in Tschenstochau, von dem Anrücken des Feindes in Kenntnis gesetzt, ein feierliches Hochamt ab. Der Prior selbst zelebrierte, die Glocken läuteten und andächtiger Gesang stieg zum Himmel empor. Nach dem Hochamt bewegte sich eine feierliche Prozession hinaus auf die Mauern. Der Prior, von den Herren Samojski und Peter Tscharniezki geführt, trug das Allerheiligste. Als erste im Zuge schritten Knaben in weißen Chorhemden, welche Weihrauchkessel schwangen. Vor und hinter dem Baldachin, unter welchem der Prior ging, kamen die Ordensbrüder von den jüngsten Novizen bis zu den ältesten Vätern mit brennenden Wachskerzen in den Händen, welche die Lobgesänge sangen. Ihnen folgten Edelmänner mit ihren Frauen, die die verweinten Gesichter in ihren Handflächen bargen, Bauern in langen Kitteln mit lang herabwallendem Haar, Weiber, Knaben, Mädchen, die alle ihre dünnen Stimmchen ertönen ließen, um die Lobgesänge mitzusingen. Der Wind hatte sich gelegt, die Sonne schien blaß, aber doch warm hernieder.

Die Prozession verließ die Mauern nicht nach dem ersten Umgange; immer wieder schritt sie weiter. Der Glanz der Monstranz warf einen Schein auf das Gesicht des Priors, welches zu strahlen schien. Die Augen waren halb geschlossen, auf den Lippen schwebte ein überirdisches Lächeln voll Süßigkeit und Begeisterung. Von Zeit zu Zeit hob er die Monstranz empor, wie einem höheren Befehle Folge leistend, um die Gegenstände rings herum zu segnen. Er segnete die Mauern, die Hügel, die Geschütze und Kugeln, die Waffen und Verteidigungswerke, die nächste und fernste Umgebung des Klosters Nord, Süd, Ost und West.

Die zweite Nachmittagsstunde hatte geschlagen; die Prozession befand sich noch auf den Mauern. Da plötzlich tauchte am Horizont leichtes nebliges Gewölk auf und in diesem Gewölk begann es sich zu regen, zu flimmern, zu blitzen. Gestalten tauchten erst undeutlich, dann immer deutlicher und näher daraus auf, bis plötzlich wie aus einem Munde der vielstimmige Ruf ertönte:

»Die Schweden! Die Schweden kommen!«

Dann trat Totenstille ein. Die Stimmen versagten, die Herzen stockten. Und dann klang durch die Stille, begleitet vom Klange der Glocken, laut und vernehmlich die Stimme des Pater Prior, welche vollkommen ruhig die Worte sprach:

»Freuen wir uns, Brüder! Die Stunde der Wunder und Siege naht!«

Und ein Weilchen darauf:

»Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, heilige Mutter, Herrin, unsere Königin!«

Unterdessen war das Schwedenheer näher gekommen. Man konnte von den Mauern aus schon alles genau unterscheiden. Zuerst kamen die Reiter, hinter ihnen die geschlossenen Kolonnen der Füsiliere. Jedes Regiment bildete ein längliches Rechteck, über welchem ein kleineres, in Gestalt der hochemporgestreckten Lanzen schwebte. Zuletzt, ganz hinten in der Ferne, die Kanonen, Pulverkasten und ein endloser Wagenzug.

Es war ein schrecklich schöner Anblick dieser Kriegszug. Endlich löste sich die Reiterei in einzelne größere und kleinere Abteilungen, welche hin und her sprengten, gegen die Veste anritten, die Mauern und Thore betrachteten und in den umliegenden Dörfchen sich zerstreuten. Einzelne Reiter schienen über ihre gemachten Beobachtungen Bericht zu erstatten; sie ritten, was die Pferde ausgreifen konnten, hin und her. Endlich kamen auch die Füsiliere heran und suchten nach bequemen Plätzen zum Aufschlagen der Zelte. Die Abteilung Finnow, welche zuerst bis nach Tschenstochowka, einem zum Kloster gehörenden Vorwerk, vorgedrungen war, fiel wutentbrannt über die schutzlos dort zurückgebliebenen Bauern her. Man schleppte sie aus den Hütten, metzelte die Widersetzlichen nieder und vertrieb den Rest in alle vier Winde.

Währenddessen hatte ein Parlamentär Millers am Thore die Belagerten zur Uebergabe der Veste aufgefordert. Angesichts der in Tschenstochowka verübten Grausamkeiten aber hatten dieselben mit einer Kanonensalve geantwortet. Jetzt, da die feindlichen Soldaten es sich in den Hütten der Vertriebenen eben bequem machen wollten, hatte man beschlossen, dieselben schleunigst zu vernichten, damit nicht der Feind einen Hinterhalt an ihnen behielt. Die Kanonen wurden also mit Feuerkugeln geladen, wieder donnerten die Geschütze, daß die Scheiben in den Häusern oben klirrten, kleine weiße Wölkchen zogen in scharfen Bogen durch die Luft und fuhren in die Dächer unten. Gleich darauf wurden die Rauchwölkchen dichter, stiegen empor und – bald schlugen Flammensäulen hoch in die Höhe und verbreiteten sich mit großer Schnelligkeit über die Hütten.

Die kaum darin untergebrachten Truppen mußten sich schleunigst daraus retten. In Ungewißheit, wo sie ein neues Unterkommen finden sollten, rannten sie hin und her; dabei geriet die ganze Kolonne in Unordnung. Man mußte die noch nicht aufgestellten Geschütze in Sicherheit bringen. Miller wurde stutzig; einen solchen Empfang und solche Verteidigung hatte er nicht erwartet. Die Nacht brach an. Da er Ruhe brauchte, um Ordnung in seine Armee zu bringen, schickte er einen Trompeter ab, mit der Bitte um Waffenstillstand.

Die Mönche bewilligten denselben, doch zuvor setzten sie noch den großen Getreidespeicher in Brand, in welchen sich das Westermanland-Regiment einquartiert hatte.

Das Feuer griff so schnell um sich, daß die Soldaten weder die Waffen, noch die Munition retten konnten, sondern alles in die Luft flog. Die Schweden schliefen die ganze Nacht nicht; sie schütteten Batterien auf und füllten die Faschinenkörbe mit Erde. Die Erfahrungen des ersten Tages ließen die sonst kriegsfesten Soldaten vor dem Morgen zagen. Einige der Soldaten wollten auch beobachtet haben, daß das Pferd des Generals, als derselbe an der Kirche der heiligen Barbara vorüberreiten wollte, plötzlich kerzengerade aufgestiegen war, die Augen und Nüstern weit aufgerissen und die Ohren eingezogen hatte. Der alte General ließ sich zwar keine Furcht anmerken, am anderen Tage aber wies er seine Position dem Fürsten von Hessen an und bezog selbst die Nordseite des Klosters. Dort ließ er den Tag und die Nacht hindurch Schanzen bauen, um von dort aus das Kloster anzugreifen.

Kaum graute der Morgen, da begann auch das Feuer der Geschütze. Der Feind dachte noch nicht daran, eine Bresche in die Mauer zu legen; er wollte nur einen Kugelregen dorthin senden, vielleicht ein Gebäude in Brand setzen, ein Paar Menschen töten, die Besatzung in Schrecken setzen.

Wieder zog die Prozession auf den Mauern um die Veste, denn nichts vermochte den Furchtsamen mehr Mut einzuflößen, als der Anblick des Allerheiligen und der ruhig dahinschreitenden Mönche. Die Klostergeschütze erwiderten das Feuer Schuß auf Schuß, Blitz auf Blitz, soweit den Menschen die Kraft ausreichte. Das Kloster war ganz in Rauchwolken gehüllt.

Welche Stunden der Angst und der Sorge, welcher Anblick war das für diejenigen – und es waren ihrer viele in der Veste – welche noch niemals in ihrem Leben, das grausige Antlitz des Krieges geschaut hatten.

Da gab es keine Zeit zum Aufatmen, zum Ruhen, immer dichter fiel der Kugelregen in den Klosterhof und schon hörte man an verschiedenen Stellen der Veste, der Kirche und der Klosterbauten rufen:

»Es brennt! Wasser! Wasser!«

»Auf das Dach, auf die Dächer mit den Barfüßlern! ... Mehr nasse Planen!«

Und von außen die entfernten Kommandos:

»Richtet die Geschütze höher! ... noch höher! ... zwischen die Häuser zielen! ... Feuer!«

Gegen Mittag nahm das Werk der Vernichtung noch größere Dimensionen an. Die Belagerer meinten, es könne, wenn die Rauchwolken sich verzögen, von dem Kloster nichts mehr als ein Trümmerhaufen zu sehen sein. Zwischen die Rauchwolken mischte sich der Staub von abgeschlagenem Mörtel, welcher die Luft verdichtete. Die Patres kamen mit den Reliquien heraus, um die Rauch- und Staubwolken zu zerteilen, damit dieselben die Verteidigung nicht erschwerten.

Der Donner der Geschütze hörte sich an, wie das Aechzen eines im Kampfe ermüdenden Drachen.

Da ertönte vom Turme herab, demselben, welcher nach der vorjährigen Feuersbrunst neu erbaut war, die herrliche Melodie eines Kirchenliedes von Trompeten geblasen. Man hörte sie ringsum, die Töne drangen hinunter bis zu den schwedischen Batterieen; wenige Augenblicke darauf gesellten sich ihnen menschliche Stimmen, und durch das Chaos von Lärm, Geschrei und dem Donner der Geschütze drangen von der Luft getragen weit hinaus aus hundert Kehlen die Worte:

»Gottesmutter, Jungfrau, reine,
Gelobt seist du, Maria!«

Da übertönte ein Krachen von mehreren gleichzeitig einschlagenden Granaten, fallenden Dachsteinen, Balkensplittern und gleich darauf der Ruf: »Wasser!« einen Augenblick den Gesang, doch schon floß Melodie und Text ruhig weiter:

»Bei deinem Sohne wirke Herrin!
Er schenke uns, er sende uns,
Gesegnete und gute Zeit.«

Kmiziz, welcher auf der Nordseite der Mauer neben demjenigen Geschütz stand, welches der Position Millers geradeüber lag, hatte den Kanonier, welcher dasselbe nicht besonders bediente, weggeschickt und sich selbst an die Arbeit gemacht. Er arbeitete so wacker, daß er, obgleich der Tag kalt war, bald seinen Fuchspelz abgeworfen hatte. Von Zeit zu Zeit lachte er laut auf, und das geschah jedesmal, wenn er die Wahrnehmung machte, daß sein Geschütz besonders großen Schaden angerichtet hatte. Er achtete nicht des Kugelregens, der ihn umgab, zielte mit der größten Sorgfalt und sprang nach jedem Schuß bis dicht an den Rand der Mauer, um mit seinen Adleraugen den Qualm und Rauch durchdringend, die Wirkung zu erspähen.

Gegen Mittag konnte er berichten, daß ein feindliches Geschütz zerschmettert sei und nur noch drei Stück dort unten arbeiteten. Herr Peter Tscharniezki bewunderte seine Treffsicherheit.

Am Nachmittag gegen drei Uhr brachte Kmiziz das zweite zum Schweigen und bemerkte zu seiner Freude, daß die beiden letzten von der Schanze gezogen wurden, wahrscheinlich, weil man erkannt, daß die Position unhaltbar geworden.

Kmiziz atmete auf.

»Ruht ein wenig!« sagte Herr Peter zu ihm.

»Gut! ich bin hungrig« antwortete der Ritter. »Soroka gieb mir etwas zu beißen!«

Der Alte reichte ihm ein Stück geräucherten Fisch und einen Schluck Branntwein. Während Kmiziz aß, beobachtete er die zahlreich daherfliegenden Granaten. Sie kamen von der Südseite her und flogen meist über das Kloster hinweg hinter die jenseitige Mauer.

»Sie haben schlechte Schützen dort drüben,« sagte er, während er ruhig weiter aß. »Sie zielen zu hoch, darum treffen die Granaten nicht die Gebäude, sondern fliegen zu uns herüber.«

»Können sie uns denn treffen,« frug ein junger Mönch, welcher schon lange bewundernd der Arbeit Kmiziz's zusah.

»Warum nicht!« antwortete Herr Andreas. »Fürchtet ihr euch sehr?«

»Ich habe mir den Krieg immer schrecklich vorgestellt, aber nicht so schrecklich. Am meisten fürchte ich mich vor den Feuerkugeln, den Granaten. Warum platzen sie denn mit so schrecklichem Krachen ... Mutter Gottes hilf! ... und verwunden so schrecklich?«

»Weil die eiserne Kugel hohl und mit Pulver gefüllt ist. An einer Stelle befindet sich eine kleine Oeffnung, in welcher eine dünne Röhre von Papier oder Holz mit einem brennenden Wergzapfen steckt. Fällt die Granate nun mit der Röhre auf, dann dringt die Röhre in das Pulver und entzündet es. Aber nicht alle Granaten fallen auf die Röhren ... da, da seht! ... da habt ihr das Experiment!«

In diesem Augenblick fiel eine Granate in den Klosterhof. Ein bläuliches Rauchwölkchen ging von ihr aus, sie sprang einige Male hin und her und kugelte zuletzt in einen Haufen nassen Sandes, dicht an der Mauer, auf welcher sie saßen.

»Jesus! Maria! Josef! Werft euch nieder! Versteckt das Gesicht!« schrie es durcheinander.

Doch schon rutschte Kmiziz an dem Sandhaufen herunter, ergriff mit Blitzesschnelle die Röhre der Granate und riß sie heraus. Dieselbe mit dem brennenden Zapfen hoch in die Höhe haltend, rief er:

»Steht auf! ich habe dem Hunde den Zahn ausgebrochen, er kann nicht mehr beißen!«

Die Anwesenden waren starr vor Staunen, niemand konnte sprechen. Endlich rief Herr Peter:

»Das ist Tollkühnheit! Ihr konntet zu Staub zermalmt werden! Kennt ihr denn gar keine Furcht?«

Der junge Mönch faltete die Hände und blickte in stummer Bewunderung den jungen Ritter an. Aber auch Pater Kordezki, welcher gerade auf die Mauern gekommen war, hatte die That gesehen. Er eilte schnell herbei, nahm den Kopf des Herrn Andreas in seine Hände, machte das Zeichen des Kreuzes über ihn und sagte:

»Solche Kämpfer wie du, mein Sohn, werden den heiligen Berg nicht in Feindeshand fallen lassen. Aber ich verbiete dir, dein Leben so aufs Spiel zu setzen. Der Feind stellt das Schießen ein, er räumt für jetzt das Feld. Nimm diese Kugel, schütte das darin befindliche Pulver aus und bringe sie in die Kapelle der allerheiligsten Jungfrau. Dieses Geschenk wird ihr wertvoller sein, als die Perlen und Edelsteine, die du ihr geschenkt.«

In den Augen Kmiziz's blinkten Thränen.

»Was ist es denn so Großes, das ich gethan, Vater?« frug er. »Bin ich doch längst bereit, Leben, Tod, Qualen und Herzeleid auf den Altar des Vaterlandes und den Altar der Mutter Gottes niederzulegen.«

»So komme zu ihr, ehe die Thräne in deinen Augen trocknet. Ihre Gnade wird auf dich herniederfließen, sie wird dich beruhigen, trösten, und dich mit dem Kranz der Ehre schmücken.«

Der Prior faßte Kmiziz unter dem Arm und führte ihn in die Kirche. Herr Tscharniezki sah ihnen lange nach, dann sagte er für sich:

»Ich sah viele mutige Kavaliere in meinem Leben, welche der Gefahren nicht achteten, dieser Litaue aber muß ein T...«

Hier schlug er sich mit der Hand auf den Mund, um den Namen an diesem geweihten Orte nicht auszusprechen.

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