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10. Die Seele sucht Jesus allein.

Die Seele entziehet sich der Mannigfaltigkeit

Ich bin so satt der fremden Dingen,
So müd' der Mannigfaltigkeit;
Es kann doch nichts als Plage bringen:
Wie enge wird mir's in der Zeit!
O Ewigkeit, ich sterbe schier,
Laß doch dem Geiste Luft in dir.

Vernunft und Sinne uns verrücken,
Man läßt sich ein in dies und das;
Viel fremde Bilder leicht verstricken,
Wo man nicht wacht ohn' Unterlaß.
Gott träget und beschützet zwar,
Doch endlich muß ers werden gar.

Sollt' ich so Zeit und Kraft verzehren
In Dingen, die nicht machen satt?
Mein Geist muß sich zum Ursprung kehren,
Der ihn für sich geschaffen hat:
Weg Schein und Traum! Weg Kreatur!
Dem Einen will ich leben nur.

Ich merke schon dein treues Winken,
Ich spür' im Grunde deinen Zug;
So laß denn alle Bilder sinken,
Und wirk' die Stille, die ich such':
Es schweige Welt und Kreatur!
Dir will ich feiern, rede nur.

Du willst mich haben ganz alleine,
Du willst mich haben frei und bloß,
Du willst mich haben still und reine,
Ersunken stets in deinem Schoß:
Zerreiß denn alle meine Band',
Mein Ganzes sei dir zugewandt.

Ach nimm mich ein, mein wahres Leben,
Mein tiefes Wohlsein, meine Ruh,
Laß mich nicht mehr zerstreuet schweben,
Ich schließ' die matten Augen zu:
Von allem ab, in dich hinein,
Dies soll mein stetes Werk nur sein.

Verlangen der Seele nach einem vertraulichen Wandel mit Christo

Jesu, den ich meine,
Laß mich nicht alleine,
Steh' mir stets zur Seiten,
Daß ich nicht mög' gleiten,
Gib, daß ich dich sehe,
Wo ich geh' und stehe:
Jesu, den ich meine,
Laß mich nicht alleine.

Jesu, wer dich kennet,
Dich sein Alles nennet,
Wer dir ganz ergeben,
Kann ohn' dich nicht leben:
Laß mich dir gefallen,
Liebster Freund, in allen:
Jesu, den ich meine,
Laß mich nicht alleine.

Ich hab' mich verschrieben,
Dich, nur dich zu lieben,
Da ist Herz und Seele,
Dich mit mir vermähle,
Schmelz durch deine Flammen
Uns in eins zusammen:
Jesu, den ich meine,
Laß mich nicht alleine.

Du wollst vor Gefahren
Nun dein Kind bewahren,
Halt mich eingekehret,
Sanft und ungestöret;
Bleib' mir nah' im Grunde,
Herr, zu aller Stunde;
Jesu, den ich meine,
Laß mich nicht alleine.

Jesu, auf mich sehe,
Wo ich geh' und stehe:
Wenn ich fall' und weiche,
Deine Hand mir reiche,
Tröste mich im Leide,
Stärke mich im Streite:
Jesu, den ich meine,
Laß mich nicht alleine.

Soll ich hier noch schweben,
Laß mich mit dir leben,
Mein' Gesellschaft seie,
Die mich nur erfreue,
Denn es würd' auf Erden
Mir sonst bange werden:
Jesu, den ich meine,
Laß mich nicht alleine.

Mit dir schlafen gehen
Und mit dir aufstehen,
Mit dir essen, trinken
Und nach deinen Winken
Reden, schweigen, meiden,
Ruhen, wirken, leiden:
Jesu, den ich meine,
Laß mich nicht alleine.

Du und ich alleine
Wollen sein gemeine:
Laß mich ohne Sorgen
In dir steh'n verborgen,
Fremde allen Dingen,
Die nur Unruh bringen:
Jesu, den ich meine,
Laß mich nicht alleine.

Dies sei mein Vergnügen:
Jede Atemzügen
Tief vor dir mich beugen,
Lieblich in dich neigen,
Dich im Grund umfassen,
Nichts sonst in mich lassen:
Jesu, den ich meine,
Laß mich nicht alleine.

Willst du dich verdecken,
Laß mich nicht erschrecken,
Auch im Kreuz dich ehren
Und nicht auswärts kehren;
Wollst mich nur durchs Leiden
Dir zur Braut bereiten:
Jesu, den ich meine,
Laß mich nicht alleine.

Deine reine Liebe
Meinem Herzen gibe,
Daß ich noch auf Erden
Deine Lust mag werden,
Bis ich dich werd' droben
Schauen, lieben, loben:
Jesu, den ich meine,
Laß mich nicht alleine.

Inniges Sehnen nach des Geistes Stille

Stilles Gotteswesen du,
Einig meines Geistes Ruh,
Ach wann wird mein Geist auf Erden
Recht in dir gestillet werden?
Laß mich nicht so jämmerlich
In der Unruh quälen mich.

O du stille Ewigkeit,
Süßes Reich der Seligkeit,
Nimm mich ein in deinen Frieden,
Mach mich innig abgeschieden:
Ach, ich bin noch so verirrt,
Sammle mich, mein treuer Hirt.

Schau, wie ich in mancherlei
Meinen Sinn so leicht zerstreu':
Drum so leb' ich in Beschwerden;
Laß mich in dir Eines werden;
Einzig, innig du allein
Mußt des Geistes Ruhe sein.

In der Welt und Kreatur
Wird mein Geist geängstet nur:
Könnt' ich allem mich verschließen,
Deinen Frieden zu genießen,
Los und bloß und ungestört,
Jesu, ganz in dich gekehrt!

Schließe Herz und Sinne zu
Und was stört des Geistes Ruh;
Die Vernunft und eig'nen Willen
Samt Gefühlen wollst du stillen:
Deine Liebe stille mich
Unverrückt und wesentlich.

Du und ich in Einsamkeit,
Innig, außer Ort und Zeit,
Da ich an mich selbst nicht denke,
Dich nur schau', in dich mich senke:
Ach, wie ist es da so gut,
Wenn man so im Herren ruht!

In der Unruh' bleibe du
Heimlich meine tiefe Ruh;
Du, Herr, und dein süßer Wille
Sei in allem meine Stille;
Ach, ich achte keinen Schmerz;
Gib mir nur ein stilles Herz.

Die süße Einsamkeit

Komm, mein Freund, und nimm mich wieder
Vom Geräusch mit dir allein,
Setz' mich mit Maria nieder,
Eingekehrt zu harren dein:
Wahre Still' und Einsamkeit
Führt zur Gottgemeinsamkeit.

Wie verwirrt und wie gefährlich
Geht's nicht bei den Leuten zu!
Lebt nicht mancher recht beschwerlich,
Dem nichts fehlt als Gott und Ruh'?
Manche Seel' ersticket fast
Unter vieler Sorgen Last.

Wohl dem, der frei vom Getümmel
Und vom Umgang dieser Welt
Sich mit Herz und Geist im Himmel,
Mit dem Körper einsam hält,
Uebet das Geschäfte nun,
Was er ewig wünscht zu tun.

Bäume an dem Wasser grünen,
Wir, wenn wir zum Herren nah'n,
Ihm im Geist und Wahrheit dienen,
Lieben, schau'n und beten an.
Ein Zerstreuter kennt das nicht,
Was in Einsamkeit geschicht;

Was ein einsam Herz genießet
Von den Kräften jener Welt,
Wenn sich's dem Geschöpf verschließet
Und dem Schöpfer offen hält:
Da deckt Gott bei uns sich zu;
O der tiefverborg'nen Ruh'!

Du vollkomm'ner Gott warst einsam
In dir selbst vor aller Zeit:
Selig, wer mit dir gemeinsam
Lebt in deiner Ewigkeit!
In die Wüste lock' mich ein,
Einsam so in dir zu sein.

Ganz mein, ganz dein

Die Liebe will was Ganzes haben:
Die deine, o du Brunn der Gaben,
Die meine, die aus dir entstund:
Soll Lieben Liebende recht laben,
Ganz mein, ganz dein muß sein der Bund.

Ich folge, Liebster, deinen Zügen,
Was du verleidest, laß ich liegen,
Was du verlangest, geb' ich hin:
Es läßt sich gern mit dir vergnügen
Ein eingekehrter Pilgersinn.

Ich ging schon lang genug im Schmerze,
Da meine Zeit und Kraft und Herze
Geteilet war in mancherlei;
Daß ich die Perle nicht verscherze,
Geb' ich mein Alles dir aufs neu'.

Vermischtes Wesen und Gutmeinen
Vergnügt nicht mich noch dich, den Reinen:
Wie abgeschmackt ist Menschenwerk!
In dir allein und in dem Deinen
Ist wahres Leben, Fried' und Stärk'.

Der Sinne und Vernunft Geschäfte
Zerstreuen oft die reinen Kräfte,
Denn in dir ist mein Heil allein.
Mein Leben, deine Lebenssäfte,
Die saugt ein Kind des Herzens ein.

Drum will ich mich nur einwärts neigen,
Dir heimlich sein, dir kindlich schweigen
In steter Herzensinnigkeit;
Mein Alles hab' und brauch' zu eigen,
Mach' mich zum Kind der Ewigkeit.

Es werd mir alles sonst entrissen,
Ich wünsche nichts als dich zu wissen:
Ich hab' dich einst erkannt in mir;
Nun kann ich ewig dich nicht missen,
Ich kann nicht leben außer dir.

O Liebe, die mich überwogen,
O Kraft, die mich hineingezogen,
Halt fest dein dir vertrautes Pfand:
Mein Halten hat mich oft betrogen,
Drum sinkt dein Schaf in deine Hand.

Laß Fremde mich nicht mehr zerrütten,
Verbirg mich tief in deiner Hütten,
Bei dir, in meiner Seelen Grund,
Nur dich und mich und keinen Dritten;
Ganz mein, ganz dein, ist unser Bund.

Die in Jesu eröffnete Liebe Gottes.

Für dich sei ganz mein Herz und Leben,
Mein süßer Gott und all mein Gut,
Für dich hast du mir's nur gegeben,
In dir es nur und selig ruht.
Hersteller meines schweren Falles,
Für dich sei ewig Herz und alles.

Ich liebt' und lebte recht im Zwange,
Wie ich mir lebte ohne dich;
Ich wollte dich nicht, ach so lange!
Doch liebtest du und suchtest mich,
Mich böses Kind aus bösem Samen,
Im hohen, holden Jesusnamen.

Ich bete an die Macht der Liebe,
Die sich in Jesu offenbart,
Ich geb' mich hin dem freien Triebe,
Wodurch ich Wurm geliebet ward,
Ich will anstatt an mich zu denken
Ins Meer der Liebe mich versenken.

Wie bist du mir so zart gewogen,
Und wie verlangt dein Herz nach mir!
Durch Liebe sanft und tief gezogen
Neigt sich mein alles auch zu dir.
Du traute Liebe, gutes Wesen,
Du hast mich und ich dich erlesen.

Ich fühl's, du bist's, dich muß ich haben,
Ich fühl's, ich muß für dich nur sein,
Nicht im Geschöpf, nicht in den Gaben,
Mein Ruhplatz ist in dir allein:
Hier ist die Ruh', hier ist Vergnügen,
Drum folg ich deinen sel'gen Zügen.

Ehr' sei dem hohen Jesusnamen,
In dem der Liebe Quell entspringt,
Von dem hier alle Bächlein kamen,
Aus dem der Sel'gen Schar dort trinkt!
Wie beugen sie sich ohne Ende!
Wie falten sie die frohen Hände!

O Jesu, daß dein Name bliebe
Im Grunde tief gedrücket ein!
Möcht' deine süße Jesusliebe
In Herz und Sinn gepräget sein!
Im Wort, im Werk und allem Wesen
Sei Jesus und sonst nichts zu lesen!


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