Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

V.

Ich verbrachte die nächsten Tage in gewohnter Weise im Dienste des Herrn; nur daß ich viel mit meinem jungen Blute zu schaffen hatte, welches gar heiß in mir wallte. Denn ich schaute immerfort ein junges, schönes Antlitz vor mir. Es hatte die Züge jener Myrrha, aber einen Blick und ein Lächeln, wie jene Myrrha niemals gehabt.

Alsdann versuchte mich Gott, daß ich mir noch anderes von jener satanischen Gestalt vorstellen mußte; auch vorstellen mußte, wie diese in den Armen der feinen Galane ruhte, welche die Lippen, die mir zugelächelt hatten, mit Küssen bedeckten. Gott, ewiger Gott! Es vollzog sich vor meinen Augen die Wandlung und der üppige Leib jener Sünderin stand vor mir; neugeschaffen, mit den zarten Gliedern jener Myrrha, die mich einstmals auf den Mund geküßt.

Das waren nun solche Stunden, wo meine Freunde, Bußgürtel und Geißel, mir beistehen mußten, und sie haben mir auch gute Dienste geleistet. In der Mönchssprache heißt man solche Uebungen: Abtötung des Fleisches. Aber auch der Geist bleibt dabei nicht lebendig.

Am dritten Tage hatte ich den Teufel, von dem ich besessen war, glücklich ausgetrieben und zwar so kräftig, daß mein ganzer Leib mich schmerzte und ich mich kaum aufrecht halten konnte, da ich mich zum Abte begab, dem Hochwürdigen meinen Gang zur Sünderin zu melden.

Der Hochwürdige betrachtete mich aufmerksam, fragte: was ich mit mir angefangen hätte, vernahm es, vernahm auch, warum ich also gethan, ermahnte mich väterlich und gebot mir, mich niederzulegen und meinen kranken Leib zu pflegen.

Als ich mich wiederum in meiner Zelle befand, kam ein Bruder und brachte mir weiche Decken, die er über mein hartes Lager breitete; alsdann salbte er meinen geschundenen Körper, half mir, mich niederzulegen, holte Wein und stärkende Speisen, davon ich auf das Geheiß des Abtes reichlich genießen mußte. Auch ließ der Hochwürdige mir für eine Woche jede Art von Pönitenz untersagen.

Nach einer Woche fühlte ich mich wundervoll gesund und kräftig wie noch niemals, seitdem ich Christ und Mönch geworden. Ich hätte hinauseilen mögen aus dem Kloster und der Stadt in das weite, wilde Land und irgend etwas begehen – etwas, woran ich hätte meine Kraft und Jugend erproben können. Ach, mein totes Fleisch war auferstanden und auch mein Geist hatte volles, glühendes Leben. Wenn ich aber daran dachte, daß ich jetzt zu der Sünderin gesandt werden könnte, so ward mein Geist von heißen Schauern geschüttelt, alles Blut drängte zum Kopfe, es versetzte mir den Atem, ein Schwindel ergriff mich, und ich wurde einen Augenblick bei aller meiner Daseinsglut schwach wie ein Kind.

Gerade an diesem Tage, da sich so Seltsames mit mir ereignete, ließ der Abt mich zu sich entbieten. Ich ging, erhielt den Auftrag, mich zu der leichtfertigen Dame zu begeben, gestand dem Abt meine heißen Wallungen, wurde väterlich ermahnt, absolvirt und mit strengen Weisungen fortgesandt.

Ich dachte: Nun sei Gott dir gnädig, du gehorsamer Diener des Herrn!

Es mochte gegen die dreiundzwanzigste Stunde sein, als ich mich zum zweitenmal auf den Weg nach dem Campo Marzo machte, und waren die Gassen bereits voller Schatten. Es hätte mir für diesen Gang wohl not gethan, Gott anzurufen und das aus tiefstem Herzensgrund; indessen ich ging an allen Kirchen vorbei, so viele deren auch an meinem Wege lagen. Vielleicht dachte ich, daß ich mich diesesmal lieber auf mich selbst verlassen und mein Gelübde halten wollte, aus eigener Kraft und nicht durch Gottes Macht.

Der Abt hatte mir für den Abend Dispens erteilt, ich hätte auch schwerlich bis zum Ave zurück sein können; überdies war es die letzte Corsozeit und die Schöne saß wohl noch in ihrem schimmernden Seidengewande in der Karosse. Alsdann würde ich auf sie warten müssen.

Ich kam in die Via Campo Marzo, ging in das schändliche Haus, diese Herberge der Lüste, kletterte die Stiege hinauf, wobei ich mich in völliger Dunkelheit an den Wänden emportastete. Diesesmal leiteten mich keine wüsten Töne, was mir ein Zeichen war, daß die Schöne, wie ich befürchtet hatte, sich nicht in ihrer Wohnung aufhielt.

Ich wußte nicht, wo ich mich befand; ob ich noch höher steigen sollte oder nicht, als eine Thür geöffnet wurde, ein Lichtschein in die Finsternis fiel und die Alte heraustrat. Sie trug eine dreiarmige Lampe, die sie auf die Stiege setzen wollte, wahrscheinlich um einem Galan, oder mehreren, zu ihrer Herrin hinaufzuleuchten. Da sie mich sah, lief sie mit der Leuchte wieder in das Zimmer zurück, mich im Finstern stehen lassend. Ich hörte sie drinnen rufen:

»Er kommt!«

Worauf die Sünderin eine Antwort gab, die beinahe wie ein Freudenschrei klang. Ich dachte: die Alte hat dich nicht erkannt und dich für den erwarteten Galan gehalten. Nun ist's der Mönch! Ob die Schöne wohl auch heute von dir verlangen wird, daß du ihr Buße predigst?

Ich stehe noch und höre, wie das Weib, die Ninetta, zurückgeschlurft kommt. Aber schneller als sie ist die Donna da, reißt der Ninetta die Leuchte aus der Hand, tritt an die offene Thüre, grüßt mich und sagt demütig und mit leiser Stimme:

»Tretet ein und sei mir und Euch Euer Eintritt gesegnet. Seit bald zwei Wochen habe ich auf Euch gewartet. Nicht wahr, Ninetta?«

Die Alte ist unterdessen auch bei der Thür angelangt, schielt mich an, murmelt etwas, hascht nach meiner Hand, sie zu küssen, was ich indessen nicht dulden will. Aber ehe ich recht weiß, was geschieht, hat die Donna meine Hand gefaßt und inbrünstig ihre Lippen darauf gedrückt, sie auch lange an ihren heißen Mund gehalten, so daß ich endlich meine Hand hastig wegziehen muß, und war meine Verwirrung und meine Scham groß.

Darauf führte sie mich davon; aber nicht in das üppige Gemach mit dem zuchtlosen Bette, sondern in eine kleine Kammer, in welcher alles überaus sauber und zierlich war. Es stand darin ein Tisch, besetzt mit guten, aber bescheidenen Speisen: weißes Brot und kalter gebackener Fisch, auch die herrlichsten Früchte und ein Fiascho roten Weines; aber ich sah nur einen Teller und nur ein Glas. Was mich indessen noch mehr verwunderte, das war in der einen Ecke ein kleiner Altar, mit einem weißen gestickten Tuche bedeckt und darauf zwei silberne Leuchter mit brennenden Wachskerzen. Ueber diesem Heiligtum hing ein Madonnenbild, von frischen Blumen umkränzt.

Auch die Sünderin selbst mußte ich voll Staunens betrachten und beinahe, daß ich einen freudigen Ausruf gethan. Denn statt eines leichtfertigen, üppigen Weibes sah ich vor mir eine sittsame Jungfrau in schwarzem Kleide, das prächtige Haar schlicht in die Stirn gekämmt und im Nacken zusammengeknotet, auch keinerlei Malerei im Gesicht, weder Weiß noch Rot. Wie ich jedoch immer noch vor ihr stehe und sie schweigend anstaune, wird sie bald bleich, bald wie mit Gluten übergossen.

Ich hatte bis dahin kein Wort geredet und es fiel mir auch vor lauter Verwunderung gar nichts ein, so daß ich froh war, als die Donna zu sprechen begann, immer mit derselben leisen Stimme und demselben sittsamen, demütigen Wesen:

»Setzt Euch, guter Bruder, und verschmäht nicht, an meinem Tische etwas Trank und Speise zu nehmen. Ich habe nur aufgetragen, wovon Ihr genießen dürft. Dieser Fisch ist heute früh frisch aus Anzio gekommen, und ich selber habe ihn gebraten, nicht im Fett, wie Ihr vielleicht denken mögt, sondern in Oel. Und die Pfirsiche sind aus dem Garten meiner Tante, einer guten, redlichen Frau, die am Monte Mario eine Vigna besitzt. Ihr Mann ist tot und sie hat keine Kinder. Ich habe ihr durch meinen schlimmen Lebenswandel viel Herzeleid bereitet, denn sie liebt mich von Herzen. Ich durfte aber nicht mehr zu ihr kommen. Als ich nun Euch erwartete, ging ich zu ihr, erzählte ihr von Euch und ließ mir für Euch diese Früchte geben. Segne sie Euch der Herr! Und der Wein ist aus Frascati: Rosso asciuto. Ich dachte: Ihr möchtet ihn lieber trinken als den süßen. Nun aber bitte ich Euch: setzt Euch, nehmt und eßt.«

Sie trat geschäftig zum Tisch, rückte an den Speisen, an Teller und Glas – obgleich alles in zierlichster Ordnung war, schnitt Brot ab, suchte nach dem besten Stück Fisch, legte es auf den Teller, schenkte Wein ein. Dabei plauderte sie:

»Ich habe es Euch wohl angemerkt: ich meine, daß die Ninetta Euch von Herzen zuwider ist. Sie ist aber ein treues Geschöpf und hat große Barmherzigkeit an mir geübt. Ihr müßt nämlich wissen, daß meine Eltern starben, als ich noch ein ganz kleines Ding war. Es ist mir häufig ein rechter Jammer gewesen, daß ich von meinen Eltern nichts weiß: besonders, daß ich meine Mutter nicht gekannt habe. Ich soll ihr gleichen. Die Ninetta ist die Gevatterin meiner Mutter, welche aus Subiaco gebürtig war. Meine Tante, die rechtliche Frau, von der ich Euch erzählt habe, brachte mich, als meine Eltern beide in einer Woche am Fieber starben, aus Rom nach Subiaco; denn sie selbst konnte mich nicht bei sich behalten. Ich habe sie erst gesehen, als ich später mit der Ninetta nach Rom kam; immer nur in aller Heimlichkeit. Denn damals lebte ihr Mann noch, vor welchem ich verborgen bleiben sollte; ich weiß auch nicht, warum. Als ihr Mann starb, wollte sie mich zu sich nehmen an Kindesstatt. Aber da war ich bereits schlecht geworden.

»Wart Ihr in Subiaco? Nein? Geht einmal hin. Dort ist es schön.

»Als ich sechzehn Jahre geworden, brachte die Gevatterin mich her, fort aus Subiaco. Das war ein Jammer! Ein ganzes Jahr war ich krank; vor Sehnsucht, wißt Ihr, vor Heimweh! Auch noch lange Zeit nachher, als ich schon – – Was wollte ich doch sagen? Richtig, von der Gevatterin: Sie ist so schlecht nicht, wie Ihr denken mögt, sie ist eine gute Christin, eine viel bessere als ich. Sie geht alle Tage zweimal in die Messe, betet fleißig und spendet reichlich Almosen. Ich bete gar nicht, ich bin eine große Sünderin. Ach ja, die Ninetta! Sie soll Euch durch ihren Anblick kein Aergernis bereiten, ich habe ihr verboten, in die Kammer zu kommen. Sie hält auch große Stücke auf Euch. Das darf Euch indessen nicht kränken. – Aber Ihr kommt ja nicht zum Tisch!«

Sie schaute auf, sah mich noch immer an der Thüre stehen und sagte noch leiser:

»Seit länger als einer Woche habe ich jeden Tag für Euch den Tisch gedeckt und dort auf dem Altar die Kerzen angezündet. Nun seid Ihr gekommen und nun sollt Ihr mir diesen Raum durch Eure Gegenwart weihen, mehr, als es durch das Madonnenbild dort geschieht; denn hier habe ich gesessen und an Euch gedacht: mehr, als an Gott und seine Heiligen. Und ich bitte Euch herzlich –«

Aber sie stockte, sah mich starr an, wurde bleich und bleicher, begann am ganzen Leibe zu zittern und drückten sich auf ihrem schönen weißen Antlitz Angst und Schrecken aus. Ich sagte mit tiefem Ernst und großer Traurigkeit:

»Ich kann mich nicht an Eurem Tische niedersetzen und von Eurem Brote essen, denn es haftet daran von Eurer Schande und würde mir der Gedanke daran jeden Bissen vergällen.«

Da brach das sündige Weib in Thränen aus und begann zu schluchzen; nicht laut, sondern so leise, daß ich kaum einen Ton vernahm, aber dermaßen heftig, daß es ihren Leib schüttelte wie in Fieberschauern. Sie schlug beide Hände, von denen sie allen Schmuck abgethan, vor ihr Gesicht und es war, als würde sie von ihren Thränen zu Boden gezogen. Sie glitt nieder, kauerte auf der Erde und zwar so, daß ihr Kopf beinahe auf die Steine zu liegen kam; doch hörte ich sie auch jetzt weder schluchzen noch weinen, sondern sah es nur; was viel schrecklicher war, als wenn ich es gehört hätte.

Eine Weile ließ ich sie gewähren. Alsdann ging ich hin, wo sie so jammervoll lag, neigte mich herab und sprach leise zu ihr: was mir gerade in den Sinn kam. Als ich nichts mehr zu sagen wußte, schaute ich schweigend mit zerrissenem Herzen auf sie herab. Plötzlich begannen auch meine Thränen zu fließen, unaufhaltsam und so schmerzlich, wie ich sie nicht vergossen hatte, seitdem ich ein Kind war; und obgleich ich vor Scham beinahe vergehen wollte, konnte ich doch nicht anders.

Kaum hörte sie das, als sie die Hände vom Gesicht that, sogleich stille ward und mich, der ich auf einen Stuhl gesunken war, mit einer Miene unsäglicher Trauer anblickte. Sie erhob sich, trat zu mir, nahm mein Haupt in ihre Hände und, wie ich vorhin zu ihr gesprochen, so sprach sie nun leise zu mir: als wäre ich ein krankes Kind und sie eine Mutter. Ich aber war so durchwühlt von Weh und geheimem Leid, daß ich alles mit mir geschehen ließ. Als ich mich endlich wieder auf mich besann, fand ich mein Haupt ruhend an der Brust der Buhlerin, die neben mir kniete und immer noch zu mir raunte: leise, ganz leise, als wollte sie mich an ihrem Herzen in Schlaf singen.

Sanft löste ich mich von ihr, erhob mich, wagte kein Auge aufzuschlagen, ging schwankenden Schrittes zum Fenster, öffnete es. Wie ein silberner Schleier schlug die leuchtende Mondnacht mir entgegen.

Ich regte mich nicht, atmete den Wohlgeruch, der aus dem Gärtchen drunten aufstieg, lauschte auf das Rauschen des Brunnens und schaute zu, wie die Mondstrahlen im Wasser spielten und alsdann auf den weißen Rosen ausruhten.

Ich hörte sie sagen:

»Seitdem Ihr von mir gegangen, hat kein Mann mich berührt. Wenn Ihr wolltet, Ihr könntet auch diesen sündenvollen Leib weihen, daß er rein würde wie der Leib einer Seligen.«

Ohne mich umzuwenden, fragte ich:

»Wie könnte ich das?«

Sie schwieg und seufzte nur. Lange waren wir still; darauf sagte sie:

»Ihr habt recht. Laßt mich in meinen Sünden verharren und beflecket Euch nicht mit mir. Mir ist wohl doch nicht mehr zu helfen.«

Nun wandte ich mich zu ihr, schaute sie an und sprach:

»Helft Ihr mir in dieser Stunde, und Ihr werdet Euch selber helfen.«

Sie blickte starren Auges auf mich, in dem eine sündige Lust erwacht war, welche mehr und mehr Gewalt über mich bekam, daß es allein von ihrem Willen abhing, mich an Leib und Seele zu verderben. Denn sie stand vor mir mit dem Antlitz jener Myrrha, und beinahe auch mit dem Liebreiz derselben. Ein Blick von ihr, eine Bewegung, ein Seufzer – und die Todsünde wäre begangen worden.

Wir standen und schauten aufeinander und mochte sie alles lesen, was in meiner Seele vorging. Sie wurde noch bleicher, ein Schauer schüttelte sie. Darauf begann sie zu lächeln; zuerst etwas mühsam und wehmütig, dann aber ging es über ihr schönes Antlitz wie ein heller Strahl. Sie nickte mir freundlich zu, trat an den Tisch, nahm den Teller mit den Früchten und sagte mit heller, beinahe freudiger Stimme:

»Sie sind aus der Vigna meiner Tante, die ein ehrliches Weib ist; Du magst getrost davon essen.«

Und sie reichte mir einen Pfirsich.

Ich nahm die Frucht und aß sie. Ich aß aber auch von dem Brote und dem Fisch und trank von dem Wein. Sie bediente mich geschäftig und hatte dabei eine Miene stiller Glückseligkeit. Als sie mich mit allem versehen, setzte sie sich, nachdem sie den Stuhl vom Tisch abgerückt, mir gegenüber und schaute mit einer überaus lieblichen Freude zu, wie ich aß, weshalb ich mich denn bemühte, möglichst viel zu genießen. Zuweilen sprang sie auf, mir etwas zu reichen, wie sie mir auch von den Früchten die herrlichsten aussuchte. Vor allem lobte ich den Fisch, den sie selber bereitet hatte.

Wiederum plauderte sie:

»Wo ich zu Hause bin, in Subiaco, dort haben nahe dabei die Benediktiner reiche Klöster. Das ist eine Herrlichkeit! Die Santa Scholastika ist groß wie eine Stadt. Aber noch schöner ist das Kloster von der heiligen Grotte, welches höher am Berge hinauf liegt. Ehemals war daselbst eine wilde Höhle; darin hat der heilige Benediktus gehaust, viele Jahre lang! Fromme Hirten haben ihm durch eine Oeffnung im Felsen von hoch herab das Essen niedergelassen und zwei Raben sind in der Wildnis seine Freunde gewesen. Aber einmal kam eine Versuchung über den heiligen Mann. Da zog er sein Gewand aus und warf sich nackten Leibes in die Dornen, die vor seiner Höhle wuchsen, hoch über einem schrecklichen Abgrund. Darauf geschah es, daß aus den Dornen dornenlose Rosensträucher wurden. Die Rosen des heiligen Benediktus blühen heute noch bei Subiaco auf dem Berge. Und wer sie frommen Herzens pflückt, an dem vollbringen sie Wunder.

»Man muß nur daran glauben.

»Als die Gevatterin Ninetta mit mir nach Rom gehen wollte, stieg ich am letzten Tag zum Kloster der heiligen Höhle hinauf, betete von Herzen und bat einen Bruder, mich in Sankt Benediktus' Rosengärtlein einzulassen. Er ging mit mir hinein und ich durfte mir drei Rosen pflücken: eine Knospe, eine Blüte und eine halb verwelkte Blume. Die drei Rosen nähte ich in ein Säcklein, das ich an einer Schnur um den Hals trug, gerade über dem Herzen.

»Getröstet zog ich mit der Gevatterin fort aus meiner Vaterstadt, nach Rom, von ganzem Herzen glaubend, daß mir nichts geschehen könnte, weder an Leib noch Seele.

»Was half mir mein Glaube –«

Sie winkte mir, der ich reden wollte, zu schweigen, stand auf, ging zum Tisch und holte aus einem Kästchen ein Säcklein hervor.

»Das ist mein Glaube, verwelkt und verdorrt.«

Sie nahm ein Messer, schnitt das Säcklein auf – verwelkte Blätter fielen heraus.

Sie sagte noch einmal:

»Das ist mein Glaube.«

Darauf schüttete sie den Inhalt des Säckleins auf die Hand und streute die verdorrten Rosen zum Fenster in die Mondnacht hinaus, dabei wiederum sprechend, laut und feierlich:

»Das ist mein Glaube!«

Sie wandte sich zu mir.

»Der heilige Benediktus ließ meinen Glauben verwelken und vergehen – kannst Du ihn wieder aufblühen lassen?«

Bevor ich auf diese absonderliche und sündhafte Rede antworten konnte, vernahmen wir im Hause laute Stimmen; ein Weib und ein Mann stritten miteinander. Das Weib zeterte und auch der Mann schien in heller Wut zu sein. Was aber die beiden so heftig zu reden hatten, verstand ich nicht.

Die Donna stand und lauschte, ihre Mienen veränderten sich gänzlich, ihr Blick wurde finster und drohend und sie atmete schwer. Sie flüsterte mir zu:

»Bleibe ganz ruhig.«

Darauf schlich sie zur Thür, schob leise den Riegel vor und drängte, um besser hören zu können, ihren Leib an das Holz. Nun wurde die Thür der nächsten Kammer aufgerissen, die beiden traten hinein, die Gevatterin schalt und lamentirte aus voller Kehle. Der Galan schien sich nicht daran zu kehren, wollte unsere Thüre öffnen, fand sie verschlossen, pochte und rüttelte daran, stieß mit den Füßen dagegen und geberdete sich wie unsinnig. Er rief:

»Ich weiß, daß Du drinnen bist und Dir von dem Mönch Buße predigen lässest und ich lasse darum Deine Seele zusammen mit Deinem pfäffischen Buhlen zur Hölle fahren.«

Ich wollte auf diese schändliche Rede erwidern, sie aber beschwor mich mit einer Geberde inständigen Flehens, zu schweigen; darauf trat sie von der Thür zurück und sagte laut und gelassen:

»Ich bin hier drinnen und höre Euch, Prinz Salviati, gleich einem Wahnsinnigen toben und rasen. Ich bin auch heute allein, werde Euch indessen auch heute nicht öffnen und auch morgen nicht, solltet Ihr morgen wiederkommen, und so keinen Tag. Denn ich hasse und verachte mich, daß ich Euch angehört habe. Thut nun, was Ihr wollt.«

Der Prinz hörte auf zu pochen und zu rütteln, fuhr aber fort zu toben und zu fluchen, worauf die Donna nichts mehr erwiderte. Nun begann der abgewiesene Liebhaber zu drohen: er würde sie aus der prächtigen Wohnung jagen, ihr die Karosse, die Juwelen und seidenen Kleider nehmen lassen, wenn sie ihm nicht sogleich öffne und ihm von neuem angehören wolle.

Auch darauf erwiderte die Donna nichts. Sie stand und blickte auf die Thüre, als sähe sie dort den Prinzen: und ihre Augen sagten ihm: »Ich habe nichts mehr mit Dir gemein.«

Jetzt bat der Prinz, bettelte, flehte; er seufzte, ächzte, weinte – – Ach, ich hatte bis dahin nicht gewußt, wozu Leidenschaft und Begierde einen Menschen bringen können; wahrlich bis zur Sinnlosigkeit! Auch wird der Mensch dadurch gänzlich zur Bestie.

Die Donna blieb still und stumm.

Endlich ging der Prinz, von der lamentirenden Gevatterin hinausbegleitet.

Die Donna atmete tief auf und sagte:

»Dieser ist noch nicht zwanzig Jahre alt und ward für das Kloster erzogen; denn er war ein jüngerer Sohn. Aber seine beiden Brüder starben plötzlich. Nun ist er Fürst und Herr. In einigen Monaten nimmt er eine Gemahlin, die er noch gar nicht gesehen hat. Ich soll nahe seinem Palaste wohnen. Aber er liebt mich nicht; es ist etwas ganz anderes, was ihn immer wieder zu mir bringt. Indessen davon weißt Du nichts, davon sollst Du auch niemals etwas wissen.«

Nein, davon wußte ich nichts; aber ich verstand es; plötzlich verstand ich's.

Die Donna ging zu dem kleinen Altar, nickte mir schwesterlich zu und sprach zu mir herüber:

»Hier wollte ich mit Dir beten, nachdem ich Dich geküßt hatte. Nun ist's mit Gebet und Kuß vorbei. Aber lassen thu ich Dich doch nicht.

»Sei ruhig und fürchte Dich nicht, wenn ich jetzt die Kerzen lösche. Er wird auf den Hof kommen und daselbst so lange warten, bis er Deinen Schatten erspäht hat; versichert er sich aber, daß Du da bist, so kann es Dir schlimm ergehen. Ninetta verrät Dich nicht; denn sie hofft, daß Du für sie beten wirst. Ach, Lieber, was ist's für eine Welt!«

Sie löschte die Kerzen und es ward die Kammer von den Mondesstrahlen durchleuchtet. In ihrem schwarzen Gewande glich sie einer Schattengestalt; aber es glänzte ihr weißes Antlitz und ihr lichtes Haar.

Nach einer langen Weile wollte ich gehen: doch sie sagte:

»Du mußt die Nacht über hier bleiben, sonst gehst Du in Deinen Tod. Der Prinz lauert auf Dich, und mit Dir würde auch ich sterben. Jetzt thu, was Du willst.«

Da blieb ich.

Sie kam auf mich zu:

»Nun will ich Dir alle meine Sünden bekennen und Du sollst sie mir alle vergeben.«

»Das kann ich nicht.«

»Warum kannst Du es nicht?«

»Ich bin kein Priester.«

»Wenn es nur das ist –«

»Wie?«

Sie aber sagte noch einmal:

»Du sollst mir alle meine Sünden vergeben, oder ich will verdammt sein in Ewigkeit.«

Aber ich vergab ihr –

.


 << zurück weiter >>