Christoph Martin Wieland
Krates und Hipparchia
Christoph Martin Wieland

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XXIV.
Hipparchia an Melanippe

Da, Melanippe, lies – und erstaune! – Zum zweiten- und drittenmal hab ichs gelesen, und frage mich noch immer ob meine Augen bezaubert sind. Wer hätte sich das vorgestellt? – Arme Hipparchia! – Aber du, Melanippe, warum mußtest du meiner Torheit schmeicheln? Warum das glimmende Fünkchen, dessen ich mir kaum bewußt war, recht geflissentlich anfächeln und nähren? Siehe nun, du vorschnelles Mädchen, was du angerichtet hast! – Mir fahren seltsame Gedanken durch den Kopf. – Ist sein Herz wirklich für eine Andere eingenommen? (Zu Athen lebt sie nicht, das bin ich gewiß!) Oder hätte er vielleicht gar in meinen Briefen an ihn etwas von meinem Geheimnis gewittert, und das alles, was er mir im Vertrauen von seiner unglücklichen Herzensangelegenheit schreibt, wäre bloß erdichtet, um mir auf einmal alle Hoffnung zu benehmen, und seinen leidigen Ermahnungen einen desto größern Nachdruck zu geben? – Schreibe mir unverzüglich, was du von der Sache denkst.

Den 2ten Hekatombäon.


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