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8. Kapitel.

Sokrates ermahnt den Eutheros, Sonst nicht bekannt. der früher in besseren Umständen lebte, jetzt sich aber durch seiner Hände Arbeit zu ernähren suchte, zur Fügsamkeit, damit er sich eine bessere Stellung verschaffen könne.

1. Als er einmal einen andern alten Freund nach langer Zeit wieder sah, sagte er: Woher kommst du Eutheros? – Gegen Ende des Krieges, Das Ende des Peloponnesischen Krieges ist gemeint, im Frühjahr 404 v. Chr. Sokrates, aus dem Auslande, jetzt von hier. Denn da die auswärtigen Besitzungen uns abgenommen sind, und mein Vater mir in Attika nichts hinterlassen hat, so sehe ich mich jetzt in die Notwendigkeit versetzt, nachdem ich in die Heimat zurückgekehrt bin, mir mein Brot mit meiner Hände Arbeit zu verdienen. Es scheint mir dies immer noch besser zu sein, als einen Menschen anzusprechen, zumal ich nichts besitze, auf das hin ich borgen könnte. –

2. Und wie lange wohl meinst du, sagte Sokrates, es aushalten zu können, dir mit deiner Hände Arbeit dein Brot zu verdienen? – In der That wohl nicht lange, versetzte Eutheros. – Und doch, sagte Sokrates, wenn du älter geworden bist, wirst du immer noch etwas haben müssen, wovon du leben kannst, Lohn aber wird dir niemand für deiner Hände Arbeit geben wollen. –

3. Du hast Recht, sagte Eutheros. – Wäre es also nicht besser, sagte Sokrates, du würdest von Stund' an dich mit solchen Geschäften befassen, welche dir auch im höheren Alter ein genügendes Auskommen gewahren könnten, und an irgend einen Wohlhabenderen, der nämlich eines Gehilfen in der Verwaltung bedarf, dich wenden, und indem du z. B. seine Arbeiter beaufsichtigtest, ihm bei der Ernte behilflich wärest, ihn bei der Ueberwachung seines Vermögens unterstütztest und aus dem Nutzen, den du ihm gewährtest, wieder Nutzen zögest? –

4. Schwer, Sokrates, würde es mir fallen, mich zum Sklavendienste zu verstehen. – Ich sollte doch wohl meinen, daß die Stellung derer, welche in den Staaten die Vorsteherschaft führen und die Staatsangelegenheiten besorgen, darum nicht für sklavischer, sondern für eines Freien würdiger gehalten wird. –

5. Ueberhaupt, Sokrates, spüre ich gar kein Verlangen danach, mir von irgend einem einen Tadel zuzuziehen. – Und doch ist es gar nicht leicht, Eutheros, ein Geschäft zu finden, bei dem man nicht einem Tadel ausgesetzt wäre, denn es ist schwer, etwas so auszuführen, daß man nicht einen Fehler machte, – schwer aber auch, wenn man etwas fehlerlos ausgeführt hat, nicht einem unbilligen Beurtheiler unter die Finger zu gerathen. Ja selbst bei der Arbeit, die du jetzt zu thun behauptest, sollte es mich wundern, wenn es dir leicht würde, so ohne Tadel davonzukommen.

6. Du wirst demnach versuchen müssen, den Tadelsüchtigen aus dem Wege zu gehen und billig denkende Beurtheiler dir zu suchen, um diejenigen Geschäfte zu übernehmen, welche du versehen kannst, dich aber vor allen anderen zu hüten; was du aber übernommen hast, das führe auf das beste und eifrigste aus. So wirst du, glaube ich, am wenigsten dem Tadel ausgesetzt sein, wirst am besten dir in den Zeiten der Noth zu helfen wissen, wirst das bequemste und gefahrloseste Leben führen können und bis ins Alter hinein gegen jede Noth gesichert sein.


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