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3. Zwischenspiel

Als Zwischenspiel ein Ausflug in Feindesland. Ein paar Einblicke in ihre Welt der Tatsachen sowohl wie der Ansichten.

Behauptung: » Die Deutschen plündern unter Zulassung der Obrigkeit«. Die Bildzeugnisse dafür sind ausnahmelos freie Zeichnungen.

Abb. 33

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dagegen ist ein aus einer englischen Zeitung entnommenes authentisches photographisches Dokument: eine wirkliche Photographie der Plünderung deutscher Geschäfte in London. Vier Polizisten sind darauf zu sehen. Man bemerkt, mit welchem Eifer sie dem Pöbel wehren.

Behauptung: » Die Deutschen schießen auf Kunstbauten ohne jeden militärischen Zwang. Aus reiner Freude daran, sie zu zerstören

Abb. 34

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gibt die Zeichnung eines englischen Kriegsberichterstatters wieder, in die er die Stellung der Maschinengewehre auf dem Turm des berühmten Rathauses zu Löwen eingezeichnet hat. Das Dokument ist in deutschem Besitz. Das Rathaus wurde übrigens, wie

Abb. 35

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beweist, von den deutschen Geschützen sorgfältig geschont.

Abb. 36,

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eine Illustration der »New York Tribune«, zeigt nach den Feststellungen dieses Blattes den militärischen Beobachterposten auf der Kathedrale von Antwerpen. Diese wurde übrigens gleichfalls geschont. Man konnte das in beiden Fällen trotz der Benützung als Geschütz- und Beobachtungsstand tun, weil man schnell vorwärts kam.

Behauptung: » Deutsche kämpfen hinterlistig und gegen das Völkerrecht«.

Abb. 37

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aus dem Daily Mail: Belgische Offiziere als Gemeine im Schützengraben mit preußischen Helmen auf dem Kopfe.

Behauptung: » Deutsche mißbrauchen das Rote Kreuz«.

Abb. 38

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zeigt das in freier Zeichnung, also eben als Behauptung. Aber

Abb. 39

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ist ein echtes photographisches Dokument. Ein deutscher Eisenbahnwagen, den die Russen erbeutet, mit Rotem Kreuz und entsprechender Inschrift in russischer Sprache versehen und dann – zum Schutz ihres Munitionstransportes gebraucht haben.

Behauptung: » Deutsche verhöhnen ihre Gefangenen«. Alle Belege waren Phantasiezeichnungen, von den Feinden der Deutschen hergestellt. Auch

Abb. 40

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ist nur eine Phantasiezeichnung, aber eine französische über Franzosen. Sie zeigt, wie man sogar die Verspottung der Gefangenen durch Straßenkinder duldet. Eine der verbreitetsten und sogar der angeblich vornehmsten französischen illustrierten Zeitungen hofft mit solchem Bilde im ritterlichen Frankreich auf Beifall.

Abb. 41

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aus »The Graphic« bilden wir mit ab, um darauf aufmerksam zu machen, wie erträglich die »huns« aussehen, die sich dem Heldenknaben ergaben. In England wie in Frankreich begegnet man immer wieder der Erscheinung, daß wir nur dann recht widerwärtig aussehen, wenn's uns gut geht. Ist schon unsre Lage beschämend, so sind unsre Gesichter nicht überscheußlich. Sehr tief scheint also die Überzeugung, daß wir alle entsetzlich sind, doch nicht zu sitzen.

Behauptung: Deutsche lügen, daß sie sich in Belgien gegen heimliche Angriffe von Zivilisten, sogar von Frauen, hätten wehren und sichern müssen.

Diese Behauptung ist besonders wichtig. Alle Schonung der Unbewaffneten hat die Voraussetzung, daß sie sich am Kampf nicht beteiligen, unbedingt. Aber es gibt einen Unterschied, der gefühlsmäßig, zumal vom Soldaten draußen, sofort erfaßt, bei den Erörterungen aber fast nie beachtet wird. In Serbien beispielsweis ist es geschehen, daß sich fanatisierte Bürger und Bauern, auch Frauen und Kinder, offen neben die Soldaten gestellt, daß sie von Anfang an gegen den eindringenden Feind gekämpft haben. Das ist nicht dasselbe, wie wenn Bürgerliche des Rechtes der Nichtkämpfer auf Schonung genießen, dann aber die, welche sie geschont haben, angreifen. Wie kann derartiges auf die Betroffenen und ihre Kameraden anders wirken, denn als ein Bruch von Treu und Glauben, der an Stelle des Kampfes ein hinterlistiges Morden setzt! Bei den Fällen der Fanatisierten in Belgien, die zu hartem Gegenschlag führten und führen mußten, handelte sich's mindestens der Überzeugung der Angegriffenen nach um solche Fälle. Wenn dabei in der Wut Ausschreitungen, Maßlosigkeiten von Deutschen wirklich vorgekommen sind – in welchem Heere würden sie in gleicher Lage nicht vorkommen? Man denke an die Geschichte jeden Krieges in Feindesland. Wer Ausschreitungen zum Beweise von »Hunnentum« heranziehen will, der hat also allerdings zureichenden Grund, die Provokation durch hinterhältigen Angriff von Nichtkämpfern als nicht geschehen hinzustellen. Und danach verfährt man.

Aber ganz anders sieht man die Sache an, wenn man die Ereignisse dort unter sich beleuchtet und bespricht. Dann sind die abgeleugneten Franctireurs nicht nur plötzlich da, sogar die kämpfenden Frauen, sondern dann sind sie höchsten Lobes wert. So brachte ja noch im November 1915 »Daily Mail« »das Heldenmädchen von Loos« im Bilde.

Abb. 42

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zeigt, wie man in französischen Jugendbüchern die Teilnahme französischer Frauen am Kampfe hervorhebt und verherrlicht. Aber

Abb. 43,

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erschienen in England, bedeutet doch wohl einen Höhepunkt. Eine belgische Dame, die mit dem Gewehr versteckt auf den Ulanen lauert, während ihre Kleinen gespannt zusehen, wie Mama meuchelt. Und diese Gruppe läßt sich bei dieser Tätigkeit angeblich – photographieren. Natürlich nur angeblich, in Wirklichkeit ist das Bild ja offensichtlich für einen Photographen, und wahrscheinlich von irgend einem Kinolieferanten, gestellt. Man hat die nette kleine Mordszene mit den süßen Kinderchen mit den Haarschleifen und Mamachen in Pantoffeln als etwas niedlich-spannend-Erhebendes nach dem Geschmack der patriotischen Leser eben gestellt. In welchen Zustand hat man diesen Geschmack vorher gebracht, wenn er dergleichen erträgt!

Immer wieder: Zweierlei Maß im Zugeben und Ableugnen, im Verdammen oder Bewundern, je nachdem, wer's getan hat. Sollen wir's getan haben, war's Hunnen-, taten sie's, war's Heldentum.

Behauptung: Die Deutschen verwenden grausame Geschosse.

 

Abb. 44

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zeigt eine Geschäftsempfehlung aus der hochangesehenen amerikanischen Zeitschrift »American Machinist«, in der als besonderer Vorzug die Grausamkeit der Wirkung empfohlen wird. Wer bezieht Munition aus Amerika?

Behauptung: Die Deutschen mißbrauchen die friedlichen Einwohner zum Schutz ihrer Soldaten. Dokument fehlt.

 

Abb. 45.

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Ein russischer Geheimbefehl im Faksimile nach dem Schreibmaschinen-Original – man lese die Übersetzung. Es könnte mit noch weiteren solcher Art aufgewartet werden, auch mit einem, der das Vorsichhertreiben von Gefangenen zum Schutze befiehlt.

Behauptung: Die Deutschen verfolgen auch in Rußland die Einwohner. Und zwar in einer Weise, die, sagt »The great War«, »Jahrhunderte von Reue und Meere von Tränen nicht gutmachen können«. Hat irgendwer irgendwo für Behauptungen wie diese einen Beweis gefunden? Die untersuchenden Neutralen haben nichts daraus als erwiesen bezeugt. Wohl aber haben auch Neutrale, wo sie nur Einblick nehmen konnten, für ihr Teil bestätigt, was nach den Einfällen der Russen in Deutschland in amtlichen Aufnahmen und von beeidigten Zeugen in strengen Untersuchungen festgestellt ward. In Ostpreußen sind von den Russen Tausende von Männern, Frauen, Kindern ermordet worden, sind rund zwanzigtausend Gebäude zerstört und achtzigtausend Wohnungen ausgeplündert und verwüstet worden. Die geschlechtlichen Vergewaltigungen begannen mit ganz kleinen Kindern und hörten bei Siebzigjährigen noch nicht auf, Männer hing man, die Köpfe nach unten, mit abgeschnittenen Nasen und Ohren auf, ließ man angebunden verhungern, nagelte man an – von noch unfaßlicheren Grausamkeiten zu schweigen. Damit im Auslande viel zu agitieren, hat die deutsche Regierung verschmäht – wer aber unter den Kämpfern für Kultur gegen Barbarei drüben hat das auch nur mit dem Wunsche nach Untersuchung und Aufklärung besprochen? Und wer dort drüben hat das unsägliche Elend gewürdigt, das die russische Regierung beim Vordringen der Deutschen über die Grenzen durch Vernichten der Industrien und nach Möglichkeit der bestellten Felder, durch Niederbrennen von Dörfern und Städten, durch erzwungenes Verschleppen Aberhunderttausender von »Flüchtlingen« ihren eigenen Landeskindern angetan hat? Beispielsweise: Welcher Franzose hat über das Elend der von Russen vertriebenen Russen auch nur die Berichte der »Nowoje Wremja« abgedruckt, also einer doch sicherlich milden Zeugin?

Abb. 46

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mit ihren Theaterrussen zeigt, wie man in England den größten Leserkreisen die Dinge vormalte.

Behauptung: Die Deutschen peitschen ihre Soldaten. Beweis dafür – ein Kleiderklopfer (Abb. 24).

Abb. 47

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beweist als echtes photographisches Dokument, das einem gefangenen russischen Offizier abgenommen wurde, die Peitschung eines russischen Soldaten durch Russen vor versammelter Mannschaft. Man beachte, ob die Stimmung, die sich auf den Gesichtern der Soldaten bei dieser für uns unbegreiflich entehrenden Behandlung ihres Kameraden spiegelt, davon zeugt, daß ihnen dergleichen unerhört sei. Man vergleiche auch den Typ des russischen Soldaten hier und auf Abb. 46. Nach dem Osten der Westen:

Abb. 48 u. 49

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zeigen ein französisches Dokument. Der Mann hat einen Zuaven, der den abgeschnittenen Kopf eines Deutschen hält, sich als Leibesschmuck eintätowiert. Selbstverständlich zeigt das nicht den französischen Geschmack, sondern seinen privaten. Es beweist nur zweierlei: was auch in dem Volke vorkommen kann, das sich für den Lichtträger hält, und: was alles sich beweisen ließe, wenn man nach Art seiner eigenen beliebtesten Publizisten verallgemeinern wollte – selbst ohne zu fälschen.

Aber wir Deutschen sind eben die Barbaren. Das ist Dogma, es ist Axiom. Übrigens geht es auch aus der graphischen Darstellung hervor, die wir als

Abb. 50

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auf Grund von eigenen statistischen Angaben der kriegführenden Länder für das Gebiet der Volksbildung mitgeben. Italien, das vom Zeichner noch nicht mit berücksichtigt ist, würde mit ungefähr 300 Analphabeten auf tausend Rekruten unter den Kämpfern gegen deutsche Finsternis zwischen Frankreich und Rußland prangen.

Zu gutem Teil von der Volksbildung hängt es mit ab, wie weit und in welcherlei Gestalt sich Wort und Bild vorwagen dürfen. Wie es mit der Aufklärung in Rußland steht, davon zeuge der Volksbilderbogen

Abb. 51,

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auf daß bei diesen ernsten Dingen der Humor nicht gänzlich fehle. Grellfarbige Blätter wie diese ersetzen in Rußland für die breiten weiten Massen als biblia pauperum die Schrift und malen dem Volke sein »Weltbild« zurecht.

 

Zum Abschluß dieses »Zwischenspiels« in Ergänzung unbewußter Komik ein Bild beabsichtigter Satire.

Behauptung: Die Deutschen wollen die andern Völker von ihren Plätzen an der Sonne verdrängen; sie streben nach Weltherrschaft.

Abb. 52.

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Der Deutsche Kaiser bemüht sich seinerseits um einen Platz an der Sonne, aber die ihn umkreisenden Bajonette verwehren ihm den. Die Karikatur soll uns verspotten und erzählt in Wahrheit gerade das, was wir behauptet haben: nicht wir bedrängten sie, sondern sie uns.

Sie stammt übrigens aus demselben »John Bull«, der noch im Juli 1914 ein in der serbischen Gesandtschaft zu London gefundenes, einen serbischen Mordplan enthüllendes Dokument in Faksimile-Abbildung zu einem Aufsatz mit der Überschrift brachte: »In die Hölle mit Serbien!« Ich wüßte keinen Deutschen, der es je »in die Hölle« gewünscht hätte. Wüßte zum mindesten keinen Gebildeten unter uns, der nicht ein friedliches Leben auch mit diesem Volke vorgezogen hätte, unter der Bedingung: daß es aufhörte, seinerseits Herd der Friedensstörung zu sein.

Ich habe mich bei dem Thema: » Bei uns? Ja, dann ist's ganz was andres!« auf Bilder, und zwar auf die wenigen zu beschränken, die ich vorlege. Das Bild bedeutet in der Agitation nicht mehr, als der Akzent im Satz. Von dem kreischenden Durcheinander der Widersprüche, die sich beim Hinhören auf Wort und Schrift bei dem genannten Thema ergeben, habe ich an dieser Stelle nur andeutungsweise zu sprechen.


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