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Vorwort

»Die Geschichtsforschung über die ›politische Frau im Hintergrunde‹ ist auch in ihren Vorarbeiten kaum noch bewußt begonnen«, sagt Clemens Brühl sehr richtig in seinem schönen, aufschlußreichen Buche über die Herzogin von Sagan. Ich möchte hier hinzufügen, daß es unendlich wichtig ist, die Rolle der Frauen in der Geschichte eifrig zu erforschen, weil sie eine viel größere ist, als man gemeinhin annimmt. Es ist auch ganz in der Ordnung, daß ihr Einfluß sich geltend mache, einfach weil die Menschheit ja zur Hälfte aus ihnen besteht. Es ist ferner auch deswegen notwendig, die Einwirkung der Frauen auf die Geschichte früherer Tage näher zu untersuchen, um sie mit jener in den unseren vergleichen zu können. Man wird da vielleicht auf eine überraschende Abnahme ihrer Bedeutung stoßen, die, wenn man sich heutzutage in der Welt umsieht, nur bedauert werden kann.

Daß noch so viel Dunkel über dieser Frage herrscht, liegt hauptsächlich auch daran, daß die lebensbeschreibende Wissenschaft alter Schule sich mit wenigen Ausnahmen ausschließlich mit dem Werk und Beruf der behandelten Persönlichkeiten und viel zu wenig mit ihrem Innen- und Privatleben beschäftigt, wozu das Verhältnis zu Frauen vornehmlich gehört. Wollte man also nach dieser Art und Weise etwa das Leben eines einfachen Buchhalters schildern, so hätte man bloß aufzuzählen, wie er in seinem Büro pünktlich tagaus, tagein Zahl an Zahl gereiht hat. Weiß man dann wirklich etwas um das Leben dieses Mannes? Es wäre dies aber im Wesen nicht viel anders, als wenn man bloß die politischen Taten eines großen Staatsmannes aufzählte.

Für niemanden aber gilt dies mehr, als für Metternich. Sein Leben und Werk wird erst verständlich, wenn man nicht nur immer seine politischen Taten, sondern auch alle Umstände berücksichtigt, die ihn beeinflußten und sein Fortkommen entscheidend berührten, die auf sein Streben nach Macht, persönliche Interessen und Stimmungen sowie seine Arbeitskraft einwirkten. Da aber treffen wir bei Metternich vor allem anderen auf Frauen. Solche, die seinen Namen geführt haben, andere, die er geliebt oder gehaßt, bekämpft oder umworben hat. »Sie reichen«, wie Martin Spahn sagt, »an den Nerv seines Daseins« und sind, um mit Gentz zu sprechen, »ja doch das Salz des Lebens.« Der Erforschung dieser Einflüsse und Eindrücke sucht die vorliegende Arbeit gerecht zu werden.

Dies ist freilich bei einer so umkämpften Gestalt wie Metternich besonders schwierig. Man darf sich durch seine glänzenden Eigenschaften ebensowenig zur Vorliebe für ihn verführen lassen, die dann unwillkürlich mit Sorgfalt mehr oder weniger alle und alles aus dem Weg räumen läßt, was das strahlende Bild seiner Persönlichkeit verdunkeln könnte, wie man sich davor hüten muß, von vorneherein in ihm einen Dämon zu suchen. Licht und Schatten, die nun einmal auf jeder menschlichen Persönlichkeit ruhen, sind, wie es Meister Rankes Glaubensbekenntnis war, gleicherweise darzustellen und man muß nur trachten zu erkennen, welches von beiden das andere überwiegt. So soll das Bild dann der Wahrheit möglichst nahekommen.

Wenn nun hier insbesondere der Einfluß der Frauen auf Leben und Werk Metternichs herausgearbeitet werden soll, so möge man mich nicht mißverstehen. Nicht Alkovengeheimnisse sollen da enthüllt werden, obwohl es manchmal schwer ist, daran vorbeizukommen; nein, hier sollen wohl Liebe und Verhältnis zu seinen drei angetrauten Gattinnen ebenso, wie Liebeleien mit anderen ihren Platz finden, aber besonders die Frauen auftreten, mit denen er politische Kämpfe geführt, die Herrscherinnen und hohen Damen, denen er entgegentrat, die weiblichen Geschöpfe, denen er durch seine Politik das Lebensglück aufbaute oder zerstörte, die Frauen, deren er sich bediente oder die sich seiner bedienten. Sie alle sollen vor unserem geistigen Auge vorüberziehen. Man wird da erkennen, daß Liebe und Politik oft Hand in Hand gehen und die Geschicke der Welt in ihre Kreise ziehen. Man wird so erkennen, welchen Anteil die Frauen in verschiedenstem Sinne an dem Werk eines Mannes genommen haben, der durch fast vierzig Jahre einen bestimmenden Einfluß auf die ganze Welt ausübte. Dabei wird man Metternichs eigenen Ausspruch: »la politique a ses caprices comme les jolies femmes« besonders würdigen können.

Es ist meine tiefe Überzeugung, daß Sainte Beuve recht hat, wenn er sagt, man müsse, um einen Menschen kennenzulernen, wissen, wie er sich Frauen gegenüber benommen und wie sein Verhältnis zu ihnen beschaffen war. Die Erforschung dieser Frage, aber auch der historischen Persönlichkeit Metternichs überhaupt, war indes dadurch bisher ungeheuer erschwert, daß die Papiere aus dem Fürstlich Metternich'schen Archive in dem Schlosse Plaß in der Tschechoslowakei nur in beschränktem Maße zugänglich waren oder benützt wurden. Dazu führt das im Jahre 1880 vom Fürsten Richard Metternich als Vermächtnis seines Vaters herausgegebene Memoirenwerk »Aus Metternichs nachgelassenen Papieren«, vielfach in bestimmter, vom Staatskanzler gewollter Tendenz irre, wie schon oft vor mir festgestellt wurde und auch aus der vorliegenden Arbeit hervorgeht.

Erst jetzt ist es mir dank der überaus gütigen Vermittlung des gewesenen Chefs des österreichischen Haus-, Hof- und Staatsarchivs Hofrates Dr. Jakob Seidl und des Vorstandes des Archivs des tschechoslowakischen Ministeriums des Äußern in Prag, Herrn Ministerialrat Dr. Karl Kazbunda, denen ich beiden zu tiefstem Danke verpflichtet bin, gegönnt, diese wichtigen Akten weitgehend zur wissenschaftlichen Forschung zu benützen. Dazu gehören die unzähligen Briefe, die der Staatskanzler mit seinen drei im Laufe seines Lebens ihm angetrauten Frauen, aber auch sonst mit aller Welt gewechselt hat und viele andere Dokumente höchsten Interesses und größter wissenschaftlicher Bedeutung, die das meiste klären, was bisher im Dunkel lag. In den Briefen und Papieren ist wohl noch von des Staatskanzlers Hand bezeichnet, was sein Sohn veröffentlichen sollte, und so kann man mit einem Blick erkennen, was ausgelassen wurde, somit was der Staatsmann verheimlicht haben wollte. Wenn nun nach so vielen Jahren auch solches benützt und veröffentlicht wird, so hat der Staatskanzler Metternich selbst sein Begehren danach ausgesprochen, als er dem Grafen Hartig am 31. März 1849 aus Brighton schrieb: » Mein sehnlichster Wunsch ist der, daß alles, was ich jemals geschrieben habe, der Öffentlichkeit preisgegeben werde.« So wird man nun den Staatsmann und sein Werk noch besser als bisher kennenlernen können.

Sowohl neues Licht wie neuer Schatten kommt damit über sein Bild, wenn auch sein großer, bisher vielfach gelungener Versuch, vergessen zu lassen, daß er vor 1812 sehr stark für Napoleon eingenommen war, und sein Vorgeben hinfällig werden, nie an den Bestand dessen Glücks geglaubt, sondern alles vorausgeahnt und gewußt zu haben. So kann man langsam die Irrwege verlassen, die der Geschichtsschreiber geht und gehen muß, wenn er ausschließlich oder hauptsächlich auf den nachgelassenen Papieren fußt. Das Urteil des großen Historikers Ottokar Lorenz über die »Nachgelassenen Papiere« in seinen »Staatsmännern und Geschichtsschreibern des 19. Jahrhunderts«, Berlin 1896, wird hier glänzend und vollkommen gerechtfertigt. Wurden die Historiker schon durch jenes Werk auf Irrwege geführt, so geraten sie leicht auf ebensolche, wenn sie hauptsächlich auf Literatur fußen.

Da nun aber die dokumentarische Hauptquelle eröffnet ist und die Fehlerquellen stärker beschränkt sind, hoffe ich den Dingen möglichst gerecht werden zu können, obwohl ich mir voll bewußt bin, daß meiner Arbeit, wie jeder menschlichen, Schwächen anhaften. Es ist keineswegs meine Absicht, gegen andere Historiker, die etwa abweichende Ansichten vertreten und andere Darstellungen gegeben haben, zu polemisieren. Ich will nur der Wahrheit dienen und findet jemand die meine fehlerhaft, so möge er es wissenschaftlich beweisen und wenn es ihm gelingt, so bin ich der erste, der ihm dafür dankbar sein und den Fehler verbessern wird.

Im übrigen bekenne ich mich hier zu Erzherzog Johanns Wort: »Die Geschichte, ist sie nicht die Wissenschaft aller Wissenschaften? Sie enthält ja die Resultate alles jenen, was in der Welt geschieht, die Erfahrung aller Zeiten.«

Und ich will ihr in heiliger Begeisterung und nach besten Kräften tendenzlos unparteiisch dienen, um Rankes Ideal nachzustreben, die Dinge möglichst so herauszuarbeiten, wie sie wirklich waren.

Wien, im Herbst 1947.
Der Verfasser

» Jes sais aimer plus et mieux
que la plupart des hommes.
«

Metternich an Fürstin Lieven, 30. Jänner 1819


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