Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die große Weihnachtsfreude.

Erstes Kapitel.
Der Eltern Leid.

Hans, ein Knabe von zehn, und Marie, ein Mädchen von acht Jahren, lebten mit ihren Eltern und Geschwistern in einem kleinen Häuschen auf dem Lande. Ihr Vater war ein geschickter und fleißiger Schreiner; aber trotz all seiner Geschicklichkeit und trotz all seinem Fleiß verdiente er nicht genug, die Ausgaben des Haushalts zu bestreiten; auch die Mutter mußte hierzu helfen, sie mußte arbeiten und Geld verdienen – denn nur so war es der Familie möglich, wenn auch nur einfach, so doch ehrlich durch das Leben zu kommen.

Da wurde nun zum Unglück die Mutter krank, ihr Verdienst hörte auf; die Arzneien und die kräftigen Speisen, die der Arzt verordnete, um gesund zu werden, waren teuer, der Vater mußte ein Stück seiner Habe nach dem anderen verkaufen, zuletzt auch seine Hobelbank und die Werkzeuge, mit denen er in den von der Fabrikarbeit freien Stunden gearbeitet hatte, um mit dem Erlös das Notwendigste für den Unterhalt zu bezahlen. Und als es dann immer noch nicht besser ging mit der Mutter, mußte er zuletzt gar eine Schuld auf sein Häuschen nehmen, die ihn bitter drückte, denn er besorgte sehr, daß er sie nicht bezahlen könnte.

Endlich wurde die Mutter wieder gesund, jedoch arbeiten konnte sie wenig. Armut und Not zogen jetzt in der Familie ein. Die Eltern gingen oft hungrig zu Bett, die Kinder mußten mit einem Stückchen trockenen Brotes und einer Tasse dünnen Kaffee zufrieden sein. Hans und Marie gedachten gern der früheren besseren Zeit, und wenn sie andere Kinder mit einem Butterbrot, einem Stückchen Kuchen, oder einem Apfel in der Hand sahen, so wünschten sie wohl auch, die Eltern möchten etwas mehr Geld haben; mehr aber noch als dies tat es ihnen leid, namentlich Marie, daß der Vater so traurig und die Mutter so kummervoll war.

Eines Abends kauerte Marie auf dem kleinen Bänkchen neben dem Ofen, die Eltern saßen am Fenster, es war dunkel im Zimmer.

»Wenn du nur ein wenig heiter sein wolltest«, sagte Frau Martin zu ihrem Mann.

»Wenn ich nur meine Hobelbank und mein Werkzeug wieder hätte, daß ich damit neben der Fabrikarbeit etwas verdienen könnte, wie sonst!« seufzte er.

Auch die Mutter seufzte. »Wir wollen noch mehr sparen«, sagte sie leise.

»Noch mehr«, wehrte der Vater. »Wenn wir auch hungern wollten, die Kinder dürfen es nicht, und was ich habe, reicht kaum aus, sie satt zu machen. Und«, fuhr er fort, »wenn wir bis zum nächsten Jahr unsere Schuld nicht bezahlen, so nehmen sie uns unser Häuschen.«

Wieder seufzte die Mutter, dann sagte sie sanft: »Laß uns auf den lieben Gott vertrauen, er hilft schon.«

»Aber wie?« fragte von neuem ungeduldig der Vater.

»Seine Macht ist groß, er kann das kleinste Ding so lenken, daß es uns Gutes zu bringen vermag.«

»Möchte er das tun«, sagte Jakob Martin, »und bald!«

Die kleine Marie auf ihrem Bänkchen hatte die Klage der Eltern gehört, und die Worte der Mutter kamen ihr nicht aus dem Sinn. Lange noch lag sie am Abend wach in ihrem harten Bettchen und wünschte, daß es ihnen besser gehen möchte; zuletzt fiel ihr ein, daß sie selbst – obwohl ja nur ein kleines Ding – am Ende so doch auch ein Mittel werden könnte zur Hilfe der Eltern in ihrer Not. Mit dem Gedanken schlief sie ein, und am anderen Morgen wachte sie damit auf und nahm sich vor, alles zu tun, was nur in ihrer kleinen Kraft stünde, um den Eltern zu helfen.

 

Zweites Kapitel.
Der Kinder Rat.

Die Kinder gingen zur Schule.

»Hans«, begann Marie unterwegs, »der Vater quält sich und die Mutter sorgt sich so sehr; wenn wir nur etwas tun könnten, daß sie wieder heiterer würden!«

»Ja, Marie, das wäre schön!«

»Möchtest du es wirklich, Hans?«

»Natürlich«, versicherte er. Sein Fuß stieß dabei an einen Kiesel, der auf dem Wege lag, daß der Stein in den kleinen Bach sprang, der unten am Abhang vorbeifloß.

Dann wanderten Hansens Schulbücher aus dem rechten Arm in den linken, – jetzt kraute er sich hinter dem rechten Ohr. »Aber wir können nichts tun, Marie, wir sind Kinder.«

Marie schwieg, und sie gingen weiter. »Hans«, begann sie nach einer Weile von neuem und hielt den Bruder am Rockärmel fest, »erinnerst du dich noch der Fabel von dem Eichhörnchen, die uns der Lehrer vor ein paar Wochen erzählte?«

Hans erinnerte sich nicht daran.

»Sie ist aus Indien.«

»Indien, ach, das ist dahinten in Asien.« Das erinnerte Hans, der bereits Geographie lernte und in der Alten Welt schon Bescheid wußte, was er gern zeigte.

»Ja – aber die Fabel vom Eichhörnchen –«

Die wußte Hans nicht mehr. Das Eichhörnchen interessierte ihn nur im Walde, nicht in Geschichten und Fabeln.

»Ich hab's«, rief das kleine Mädchen fröhlich; »ich werde sie dir erzählen.«

»Dann mach schnell, es ist gleich sieben Uhr«, drängte Hans, und ein anderer Stein, von seinem Fuß gestoßen, sprang in das Wasser und zog seine Kreise wie der erste. »Das ist hübsch!« rief der Knabe fröhlich.

»Nun, dann höre«, und das kleine Mädchen hielt den Bruder fest, daß er aufmerken sollte, und erzählte: »Es war einmal ein Eichhörnchen, dem hatte der Sturm seine Jungen in das Meer geschleudert, und es wollte sie gern wiederhaben. Da tauchte es sein Schwänzchen in die Wellen und begann das Wasser auf das Land zu spritzen und hoffte, es könnte so das Meer austrocknen. Es wurde aber ausgelacht von denen, die es sahen, weil es so klein und ohnmächtig war, und das Meer so groß und weit. Selbst Indra –«

»Wer ist denn Indra?« fragte Hans.

»Einer von den indischen Göttern«, erklärte Marie. »Also selbst Indra lachte. Aber zuletzt wurde er gerührt von der Liebe, dem Eifer und dem Fleiß des kleinen Tieres, so daß er ihm half. Er ließ das Meer zurücktreten, und die Jungen kamen an das Land.«

»Und nun?«

Hans war froh, daß ihn Marie jetzt losgelassen; ein neuer Stein schlug unten im Wasser auf.

»Nun«, fuhr Marie fort, »der Lehrer sagte, wenn wir etwas von ganzem Herzen zu tun wünschten, wenn wir mit all unseren Kräften dafür wirkten – und es sei etwas Gutes, dann helfe es uns auch wohl der liebe Gott vollbringen.

Ich meinte, es fiele mir so ein dabei«, erklärte Marie, »wenn wir von ganzem Herzen den Eltern helfen wollten, daß wir es auch wohl könnten.«

»Das wäre schön!« rief Hans. Er blickte freudig die kleine Schwester an. »Was sollen wir denn tun?« fragte er.

Da wurde nun Marie wieder kleinlaut, sie senkte das Köpfchen. »Ich weiß es nicht, Hans, ich glaubte, das wüßtest du.«

Hans aber kraute sich wieder hinter dem Ohr und schüttelte den Kopf.

Marie traten die Tränen in die Augen. »Weißt du denn gar nichts, Hans?« klagte sie.

Und Hans taten die Schwester und die Eltern leid. »Wir wollen die alte Katherine fragen, die wird Rat wissen«, schlug er vor.

Da lächelte Marie getröstet. »Du bist doch klug, Hans, viel klüger als ich«, antwortete sie freundlich.

»Natürlich«, erklärte er ganz stolz, »ich bin ja zwei Jahre älter als du – und ein Junge.«

So gingen sie zur Schule.

Die »Katherine« war eine alte Frau, die ein wenig entfernt vom Dorfe wohnte. Mann, Kinder und Geschwister waren ihr gestorben, sie lebte ganz allein in ihrem kleinen Häuschen, aus dem sie nur herausging, wenn sie eine Besorgung zu machen hatte oder jemand einen Dienst leisten konnte.

Da sie aber sehr klug und auch gut war, gingen die Leute zu ihr, wenn sie irgendeinen Rat oder Trost brauchten. So war die alte Katherine, obwohl sie allein lebte, selten allein und niemals verlassen, und obwohl sie arm war, stand sie doch in großem Ansehen bei alt und jung, denn jedermann hatte sie lieb.

Die alte Katherine saß in ihrem Stübchen und spann; ein großer, grauer Kater stand auf dem Fenstersims neben dem Wasserkrug und machte einen Buckel, sein Schwanz ringelte sich hoch in die Höhe, die Sonne, die durch die Scheiben schien, tat ihm wohl. Eine andere große, bunte Katze schmeichelte um die Knie der alten Frau und schnurrte mit dem Spinnrad um die Wette; ein paar kleine Kätzchen kugelten sich spielend auf dem reinlichen, mit Sand bestreuten Boden des Zimmers herum, gerade da, wo die Sonnenstrahlen hinfielen. Die Katherine hatte heute morgen keine andere Gesellschaft als ihre Katzen, sie schaute still und zufrieden hinter ihrem Spinnrocken deren Spielen zu.

Da klopfte es an. »Herein!« rief die Katherine. Hans und Marie traten ein, eilten auf sie zu, schmiegten sich an die alte Frau, erzählten ihr, was sie sich vorgenommen hatten zu tun, und baten sie, ihnen dabei zu helfen. Ja, sie waren so eifrig in ihrem Vorhaben und ihrem Bitten, daß sie gar nicht einmal die Katzen, ihre Lieblinge, beachteten, daß weder Peter auf dem Fensterbrett noch Mieze und ihre Jungen wie gewöhnlich gehätschelt und gestreichelt wurden.

Aber gerade das gefiel der alten Katherine. Sie nahm Marie auf den Schoß, fuhr mit der Hand über Hansens Flachskopf, schaute sie beide an und sagte bedächtig: »Ja, Kinder, eure Eltern brauchen vor allem eine hübsche Summe Geld, und Geld kann man nur geschenkt bekommen oder verdienen.«

»Ich wollte, es schenkte es uns jemand!« rief Hans.

»Versuch es einmal«, riet ihm die alte Katherine; »gehe in die Stadt, bettele von Haus zu Haus.«

»Nein«, wehrte der Knabe, »da würde ich mich schämen.«

»Nun, dann müssen wir suchen, es zu verdienen«, erwiderte die alte Frau, »das geht nur mit Arbeiten.«

»Wir sind Kinder und können noch nicht arbeiten –«, sagte Hans und machte ein schiefes Gesicht.

Marie aber schlang die Ärmchen um den Hals der alten Frau und schmeichelte: »O bitte, bitte, Katherine, wir wollen alles tun, was wir können, du wirst schon etwas wissen. Sage es nur, Katherine.«

Die alte Frau nickte. »Wirklich, wollt ihr das? Auch du, Hans?« fragte sie.

»Natürlich«, antwortete dieser.

»Nun, dann wird sich auch etwas finden; ich habe schon einen Plan.«

Und die alte Katherine erzählte, daß sie früher vom Frühjahr bis zum Herbst in den Wald gegangen wäre, Blumen und Beeren zu lesen für die Leute in der Stadt; daß sie aber jetzt zu alt geworden, um sich zu bücken, wie das hierzu nötig sei; sie meinte, die Kinder möchten für sie lesen, dann wollte sie auf des reichen Michels Wagen, der jede Woche zweimal zum Markt kutschierte, in die Stadt fahren und hier die Blumen und Beeren verkaufen. Die Hälfte von dem dafür gelösten Gelde sollte dann den Kindern für ihre Arbeit gehören. »Seid ihr das zufrieden?« fragte sie.

»Ja«, erklärte Hans, »das geht.«.

Und Marie jubelte auf: »O wie schön, wie schön! Danke, Katherine, wir wollen gleich anfangen!«

Die Katherine aber lachte. »Nein, noch geht es nicht«, wehrte sie, »noch liegt der Schnee, aber in vier Wochen, dann kommen die Schneeglöckchen und Veilchen, wenn ihr euch bis dahin nicht anders besonnen habt –.«

»O Katherine!« Hans tat ganz beleidigt, und die kleine Marie versicherte:

»Ich werde nichts vergessen, was den Eltern Freude macht; wir wollen früher gar nicht etwas davon sagen, bis wir die ganze Summe zusammen haben.«

Das war Hans zufrieden, und auch die Katherine nickte; sie meinte aber, wenn sie die Hälfte der Summe im Sommer verdienten, wäre das am Ende auch schon recht viel.

Froh und vergnügt gingen die Kinder nach Hause; froh und vergnügt wahrten sie ihr kleines Geheimnis, und wenn die Eltern, sorgenvoll beisammen saßen, nickten sie einander zu und lächelten einander an, denn sie wollten ja schaffen, daß es besser werde für sie. Und jeden Morgen sahen sie auf die Berge, ob der Schnee noch lag, nach dem Himmel, ob die Sonne herauskam, ohne die, wie sie gelernt hatten, kein Blatt und keine Blüte, gar nichts auf Erden gedeihen kann.

 

Drittes Kapitel.
Der Kinder Fleiß.

Endlich, endlich schwanden die grauen Winterwolken, der Himmel lachte in heiterem Blau auf die Erde nieder, die Sonnenstrahlen schienen ganz warm, daß es Hans und Marie in den Winterkleidern, die aus einem alten, dicken Rock des Herrn Pastors gemacht waren, ordentlich heiß wurde. Der Schnee ging von den Bergen, der Wald schimmerte in lichtem Grün, die Hecke um den kleinen Garten an der Eltern Häuschen trieb braune Knospen.

»Es ist Zeit«, sagte die Katherine den Kindern.

Und am ersten Nachmittag wanderten sie hinaus in den Wald. Hans hätte freilich gern mit Ball geschlagen auf dem großen Platze, wo die Dorfjugend das schöne Frühlingswetter benutzte zum fröhlichen Spiel. Er blieb auch manchmal stehen, schaute sehnsüchtig nach den bunten Bällen hin, die so lustig in der Luft flogen, oder horchte auf das Jauchzen und Rufen der Kinder, das sie lange noch auf ihrem Wege hörten, dann aber zupfte ihn Marie am Arm, und er ging weiter mit ihr.

Nun waren sie in dem schönen Wald. Ganz so schön wie im Sommer sah es hier freilich nicht aus. Die Bäume waren noch kahl, die Gräser guckten nur erst aus der braunen Erde, die Wege waren schmutzig und naß. Die Kinder mußten sich in acht nehmen, daß sie nicht hinfielen. Aber die Luft war köstlich frisch, und Schneeglöckchen sahen aus dem dunklen Boden hervor; hin und wieder schon duftete süß ein frühes Veilchen auf des Waldes Grund. Aber einzeln nur standen die kleinen Blumen, und die Kinder mußten emsig suchen. Da hatte wieder Marie ihre liebe Not mit Hans, der bald hinter einem Vogel, bald hinter einem Eichhorn herlief und gar meinte, er könne sie fangen oder ihre Nester finden. Aber sie brachte ihn doch dazu, fleißig zu sein, und am Abend – es war freilich schon dunkel, als sie nach Hause kamen – vermochten sie der allen Katherine eine ansehnliche Menge von Blumen zu bringen.

»Ihr kommt spät«, mahnte die Mutter, als sie endlich heimkamen.

»Laß die Kinder spielen«, erwiderte der Vater, »der Ernst des Lebens kommt früh genug und die Zeit, wo sie nur die Arbeit kennen um das tägliche Brot.«

Und da schwiegen sie denn still; aber ihr Abendbrot schmeckte ihnen so gut wie noch nie im Leben, wenn es auch nur aus Kartoffeln und Salz bestand. Als sie dann in ihrem Bettchen lagen, und Hans die wollene Decke fest um die kleine Schwester schlang, daß sie nicht frieren sollte in der kalten Frühlingsnacht, da meinte er: »Es ist doch besser, daß wir gearbeitet, anstatt gespielt haben, obgleich – die Bälle flogen so schön, Marie – oh, ich spiele so gern«, da fielen ihm dann die Augen zu.

Die kleine Marie aber faltete ihre Hände und betete: »Lieber Gott, ich danke dir, daß ich etwas habe tun können für meine Eltern; wenn du uns hilfst, und wir fleißig sind, dann wird es uns auch wieder besser gehen, wir werden wieder spielen können so viel wie andere Kinder auch!«

Am nächsten Abend kam die Katherine von der Stadt zurück. Sie hatte gute Geschäfte gemacht, die Leute hatten die frischen Blumen, die noch so selten waren, gern gekauft. Sie gab den Kindern drei kleine Silbermünzen, jede zu fünfzig Pfennigen. »Wieviel ist es, Hans?« fragte sie.

Hans sann eine Welle nach. – »Dreimal fünfzig ist hundertfünfzig, einhundert in einhundertfünfzig geht einmal, bleibt fünfzig; eine Mark und fünfzig Pfennige. Hurra! Das ist viel!«

Marie lachte auch und freute sich ob der schönen, blanken Silbermünzen. »Wieviel müssen wir von ihnen noch haben?«

»Ein paar hundert wohl«, erwiderte die Katherine.

»Oh, das ist viel!« rief Hans und senkte traurig den Kopf.

»Da müssen wir fleißig sein«, sagte Marie.

»Dazu brauchen wir einen ganzen Sommer und haben keinen freien Nachmittag zum Spiel«, klagte der Knabe.

»Kann schon sein«, nickte Katherine.

»Aber Hans, du hilfst doch«, bat das kleine Mädchen, als sie des Bruders klägliche Miene sah.

»Ich werde dich doch nicht im Stich lassen!«

»Das ich schön!« jubelte Marie. »Zu Weihnachten sind wir fertig, dann schenken wir den Eltern das Geld, und sie werden wieder heiter!« – Marie tanzte vor Freude in dem Stübchen der alten Frau herum.

»Juchhe!« rief Hans, wie er es von den jungen Burschen, wenn sie beim Tanz recht vergnügt waren, gehört hatte; wie diese es taten, warf er seine Mütze in die Höhe, daß sie bis zur Decke flog.

Dann gaben die Kinder der alten Katherine das Geld zum Aufbewahren und gingen vergnügt nach Hause.

Von nun an wanderten sie jeden Mittwoch und Sonnabend, oft auch am Sonntag Mittag, in den Wald. Und wie die Schneeglöckchen ausgeblüht hatten, da blieben noch immer die blauen Veilchen, und zu ihnen kamen noch die Primeln mit ihren goldgelben Kronen auf hohen Stengeln, auch Himmelsschlüssel genannt, und dann die Maiblumen mit den weißen, duftigen Glocken, die jedermann liebt. Und als der Frühling mit seinem Blühen vorüber war, da kam der Sommer mit seinen Früchten. Rot leuchteten die würzigen Erdbeeren unter Gras und Blättern; dann später, in noch dunklerem Rot prangend, kamen die Himbeeren an hoher Staude, die blauschwarzen Brombeeren mit ihren kugeligen Köpfen, und zuletzt gab es noch Pilze und Schwämme, unscheinbar an Farbe, aber köstlich von Geschmack und gesucht für die Tafel der reichen Leute.

So bot der Wald ziemlich den ganzen Sommer lang etwas für fleißig sammelnde Hände, wenn auch das Sammeln und Geldverdienen nicht immer so glatt ging wie das erstemal. Zuweilen war das Wetter schlecht, und die Mutter verbot das Ausgehen; dann mußten die Kinder zu Hause bleiben. Zuweilen gab es auch wenig von dem, was sie suchten, oder es war ihnen jemand zuvorgekommen auf den bekannten Plätzchen, und Blumen und Beeren waren gepflückt; sie mußten mühsam herumlaufen, bis sie andere fanden, ihr Körbchen zu füllen. Hans warf mehr denn einmal an solchen Tagen als ungeduldiger Knabe sein Körbchen fort und »wollte nicht mehr –«, Marie hatte dann ihre liebe Not mit ihm, und erst wenn sie ihn recht lebhaft erinnerte, wie sie sich an dem Gelde, das die Katherine zu ihrem kleinen Schatz gelegt, gefreut hatten, wie sie sich erst freuen würden, wenn die Eltern glücklich wären, wenn sie ihn dann recht schön bat, geduldig und fleißig zu sein, »wollte« er wieder. Zuweilen kam auch die Katherine zurück und hatte nicht alles verkauft; die Blumen wurden welk und die Beeren faul bis zum nächsten Markt; zuweilen hatte sie sehr wenig Geld bekommen, und die kleine Summe schien kaum größer geworden. Dann wurden sie auch wohl verzagt, Marie weinte sogar manchmal. Die alte Frau tröstete sie aber und sagte: »Man muß nicht gleich den Mut verlieren, alles ist mühsam zu erreichen auf der Welt; aber wer ausharrt, der gewinnt am Ende!«

Dann wurden die Kinder wieder gutes Mutes und begannen von neuem ihr Werk mit frischer Freude.

So kam der Herbst. Die Blätter fielen von den Bäumen, aber auch andere gute Dinge: Eckern für die Menschen, Eicheln für das Vieh. Und die Katherine bat den Förster, daß die Kinder auch hiervon sammeln durften; sie sammelten fleißig und verkauften alles bei reichen Bauern. Aber nun wurde es kalt; es gab im Wald nichts mehr, was man sammeln konnte, als welke Blätter, die aber wollte niemand bezahlen. Die Kinder schauten fragend die alte Katherine an; sie hatten ganze dreißig Mark verdient, aber es fehlten noch andere dreißig, die Schuld auf ihrem Häuschen zu bezahlen, und – sie wollten ja auch dem Vater neue Werkzeuge kaufen.

Wieder sorgte die Katherine für einen Rat. »Wer arbeiten will, der wird auch etwas finden«, sagte sie, und es fand sich auch etwas.

Auf dem Gute nicht weit von dem Dorf wohnte ein reicher Mann, der Baron von Holm. Er hatte Kinder und hielt ihnen eine Kindergärtnerin, die sie unter anderem auch hübsche Handarbeiten lehrte.

Die Kindergärtnerin hatte der Katherine, die ab und zu auf das Schloß – so hieß das Haus auf dem Gute – kam, sich hier eine Suppe oder ein Stückchen Braten zu holen, gesagt, daß man diese Arbeiten in der Stadt verkaufen könne. Als nun die Katherine das nächstemal auf das Schloß ging, faßte sie sich ein Herz und erzählte der Herrschaft von Hans und Marie, wie diese, um ihren Eltern zu helfen, gearbeitet hätten, den ganzen Sommer lang, und gern noch arbeiten möchten, wenn sich nur noch etwas fände. Dann bat sie die Baronin, daß sie ihrer Kindergärtnerin erlauben sollte, Hans und Marie etwas zu lehren, das sie im Hause arbeiten könnten, da es draußen im Freien nichts mehr für sie gäbe. Die Baronin war so erfreut über die Liebe und den Fleiß der armen Kinder, daß sie es gern tat; ja, sie erbot sich sogar, ihnen das zu den Arbeiten notwendige Material zu schenken; zuletzt sagte sie, die Kinder, die jedenfalls artig wären, möchten auf das Schloß kommen und mit ihren Kindern lernen.

Freudestrahlend teilte Katherine ihren Schützlingen die gute Nachricht mit. Die mußten nun die Mutter in ihr Vorhaben einweihen, denn sie mußte doch um den Besuch im Schloß wissen und denselben erlauben. Frau Marlin hatte längst bemerkt, daß Hans und Marie irgendeine Überraschung planten; da sie aber wußte, daß sie beide gute Kinder waren, auf die sie sich verlassen konnte, hatte sie nicht danach gefragt, um ihnen nicht den Spaß zu verderben. Nun erfuhr sie doch davon, und die Kinder waren ganz traurig darüber.

Die Mutter aber küßte sie herzlich. »Seid nur vergnügt«, sagte sie, »ich freue mich so jeden Tag mit euch auf das Fest, wir überraschen den Vater zusammen.« Das war nun freilich ein Trost; Marie trocknete ihre Tränen, und Hans hörte auf zu schmollen.

Nun gingen die Kinder auf das Schloß. Es war ihnen anfangs recht beklommen zumute in den hohen Räumen; sie wurden verschüchtert von all der nie gesehenen Pracht; sie schämten sich in ihren geflickten Röcken vor den reichen Kindern mit den schönen Kleidern; ihre Gesichter glühten vor Verlegenheit; die Tränen, die nicht aus den Augen fallen sollten, blieben ihnen im Halse stecken und taten hier so weh, daß sie kaum zu antworten vermochten auf die Fragen der Baronin und des Fräuleins. So wurde ihnen der erste Mittag recht sauer, doch – es war für die Eltern – und sie hielten aus. Nur der Katherine klagten sie am Abend ihr Leid, und die wußte auch Rat für diese Not.

»Schämen, – wer wird sich denn schämen, verwies sie das Klagen. »Es kann nicht lauter reiche Leute mit schönen Kleidern geben in der Welt; das hat auch der liebe Gott nicht haben wollen, sonst würde er gleich nur solche gemacht haben; aber brav sein, lernen, arbeiten, das können sie wohl alle. Nur, wenn ihr nicht brav seid, nicht lernt und nicht arbeitet, dann müßt ihr euch schämen – sonst nicht.«

Da wurden sie denn beruhigt und getrost, sie schämten sich gar nicht mehr, gaben Antwort, wenn man sie fragte, lernten und arbeiteten tüchtig, daß sie bald ebenso geschickt mit all den kleinen Handwerkszeugen, die sie nötig hatten zu ihrer Arbeit, umzugehen wußten wie die Kinder im Schloß.

Es dauerte nicht lange, so hatte Marie schon ein hübsches Kissen gestickt, und Hans verstand es, ganz nette Kästchen und Schachteln von Pappe zu machen.

Die Baronin und das Fräulein hatten ihre Freude an den fleißigen Kindern und gewannen sie lieb; der Sohn und das Töchterchen des Hauses nannten sie ihre Freunde; sie selbst fühlten sich jetzt ganz wohl und behaglich auf dem Schloß und gingen gern zu den Stunden hin. Freilich, lieber noch gingen sie zu der alten Katherine.

Da saß es sich so schön abends im trauten Stübchen bei der Lampe; das Spinnrad der alten Frau schnurrte, und mit ihm schnurrten Peter und Mieze um die Wette; das Wasser zum Kaffee sang in der Ofenröhre; ein paar Äpfel, die hier zum Braten lagen, prutzelten mit lockendem Duft. Wenn dann die aufgegebene Zahl der Arbeit für Frau und Kinder vollendet war, wurde der Kaffee getrunken, die Äpfel verzehrt, und die Katherine erzählte Märchen, eins immer schöner als das andere: vom Rotkäppchen, das wieder aus dem Wolf hervorkam; vom Schneewittchen, das wieder lebendig wurde; vom Dornröschen, das wieder aufwachte mit dem ganzen Schloß; von der Königin, welche die Nesselhemden webte, damit die sieben Rabenbrüder wieder Prinzen wurden.

So gingen die Abende und mit ihnen ein Teil vom Winter hin.

 

Viertes Kapitel.
Der Kinder Gabe.

Weihnachten war auf diese Weise nahegekommen. Hans und Marie hatten tüchtig gearbeitet, Leo und Augusta hatten den Freunden hin und wieder eine der eigenen Arbeiten geschenkt: so waren die Kinder in den Besitz einer Menge von wunderhübschen Sächelchen gelangt. Da gab es prächtige Rahmen für Kalender und Bilder, Teller und Hütchen für Lampen, Halter für Uhren und Bürsten, Körbchen, Visitenkartenkästchen und Schachteln, kurz, alle möglichen hübschen Dinge.

Die Kindergärtnerin packte alles ein und schickte es in den Weihnachtsbasar in der Stadt zum Verkauf.

Am letzten Tag vor Weihnachten traf eine Summe von sechzig Mark ein als Erlös der verkauften Arbeiten.

Wer war glücklicher als Hans und Marie! Sie sahen schon Christlichter brennen auf jedem Baum, wenn auch noch niemand welche angesteckt hatte.

Sie stürmten jubelnd zur Mutter, jubelnd zur Katherine und von dieser wieder nach Haus; sie konnten sich kaum meistern, und es war recht gut für ihr Geheimnis, daß der Vater den ganzen Tag abwesend war und erst spät am Abend nach Hause kam.

Am nächsten Morgen gingen sie dann mit der Katherine in die Stadt zum Schreiner, eine Hobelbank und Werkzeug für den Vater zu kaufen. Aber o weh – dafür langte denn doch das Geld nicht. Sie weinten.

»Es wäre doch so schön gewesen«, seufzte das kleine Mädchen, »wenn wir genug gehabt hätten. Nun müssen wir noch einmal zu arbeiten anfangen. Nicht wahr, Hans?«

»Ach, Marie, ich möchte nun auch wieder spielen«, seufzte der, »lassen Sie es uns doch billiger, Herr Klein«, bat er den Schreiner.

Diese Worte hörte ein Herr, der sich gerade im Laden befand. Er hatte sich schon im stillen über den Einkauf der Kinder gewundert und erkundigte sich jetzt nach ihren Verhältnissen. Katherine erzählte ihm deren Geschichte – wie sie nun geglaubt, ganz am Ziel zu sein –, daß aber ihr Geld doch nicht reichte, um die Schuld, die auf dem Häuschen stände, zu bezahlen und Werkzeug für den Vater zu kaufen, – so daß nun doch noch ein bitterer Tropfen in ihre Weihnachtsfreude gekommen sei.

»Würdest du noch einmal ein Jahr arbeiten, mein kleines Mädchen, um dem Vater eine Freude zu machen?« wandte sich der Herr an Marie.

»O gewiß«, antwortete diese; »es ist nur so traurig, daß er noch so lange warten soll.«

»Hier, mein kleiner Bursche wird es wohl kaum mögen?« fragte der Herr weiter und strich mit seiner Hand über Hansens Flachskopf.

»O Herr, ich kann doch die Schwester nicht im Stich lassen«, meinte der ganz beleidigt und blickte mit seinen großen blauen Augen den Fremden nicht sehr freundlich an.

Der Herr klopfte ihm jetzt die Backen und reichte Marie die Hand. »Ich denke, Herr Klein, Sie verkaufen den Kindern die Sachen billiger« – er nickte dem Schreiner heimlich zu und sagte leise: »Ich bezahle für sie.«

Damit war Herr Klein zufrieden; die Kinder bekamen Hobelbank und Werkzeug zum gewünschten Preis und jubelten laut. Alles war erreicht, was sie erstrebt hatten durch Gottes Segen, der ihnen die Kraft dazu verliehen und sie durch gute Menschen unterstützt hatte, das zu vollenden, wozu ihre eigenen kleinen Kräfte nicht ausgereicht hatten.

Und jubelnd ging es nun nach Haus mit den gekauften Schätzen, um sich hier aufs neue mit der Mutter daran zu erfreuen. Heute konnten Hans und Marie den Abend gar nicht erwarten und des Vaters Heimkehr.

Da sie keine Schule hatten und auch im Hause nichts für sie zu tun war, so liefen sie vom Fenster zur Tür, von der Tür zum Fenster, zu sehen, ob es denn nicht endlich dunkel würde und der Vater käme. Endlich wurde es dunkel, und der Vater kam auch.

Müde und matt setzte er sich auf die Bank neben dem Ofen und war sehr traurig; ein unvermuteter Abzug am Lohn hatte diesen noch geringer ausfallen lassen, als er schon war. In dem kleinen Stübchen in Martins Häuschen erinnerte auch nichts an den Festabend als der frisch gestreute Sand auf den eben gescheuerten Dielen und ein paar grüne Tannenzweige, welche die Kinder vom Walde heimgeholt hatten; Lichter brannten nicht daran, denn solchen Luxus durften sie sich nicht erlauben.

Sie waren aber doch froh und festlich gestimmt, sie wollten ja Freude bereiten aus Liebe: und das ist doch die schönste Freude an dem Fest der Liebe.

Der Abend war hereingebrochen; die Glocken begannen zu läuten, um die Menschen zu erinnern an die heilige Nacht. Mutter und Kinder traten zum Vater und sprachen, wie gewohnt, das Weihnachtsgebet. Als dann die Glocken geendet, stimmten sie das Weihnachtslied an.

»O du fröhliche,
O du selige
Gnadenbringende Weihnachtszeit.
Welt war verloren,
Christ ist geboren,
Freue dich, freue dich,
O Christenheit!«

klang es hell und klar von den Kinderstimmen. Die Mutter setzte fest und freudig ein; auch der Vater vergaß seinen Kummer einen Augenblick. Dann aber, als das Lied verhallt war, dachte er um so schmerzlicher an die Zeit, wo er sonst die Seinen – wenn auch nur mit kleinen Gaben – erfreut, und daß dies nun schon die zweite Weihnachten wäre, wo er ihnen nichts schenken konnte.

»Arme Kinder«, sagte er traurig, eine Träne glänzte in seinen Augen, »ich kann euch wieder nichts geben.«

»Auch keinen Honigkuchen?« seufzte der kleine Karl.

»Mutter, bekomme ich gar nichts?« fragte die noch kleinere Liese. Fritzchen streckte die Hände aus: »Haben, haben!«

»Arme Kinder!« sagte der Vater noch einmal und weinte.

»Vater, Vater!« riefen da Hans und Marie fröhlich, »Vater, wir haben etwas für dich!«

Der Vater blickte auf. – In der geöffneten Tür – vom spärlichen Lampenlicht beleuchtet – standen freudestrahlend Hans und Marie; sie schoben eine Hobelbank und Werkzeug in die Stube; eine Rolle mit blanken Markstücken reichte ihm seine Frau entgegen.

»Allmächtiger Gott!« rief er, »wo kommt das her?«

»Wir schenken es unseren lieben Eltern«, begann Marie, wie es ihr die Katherine so schön vorgeredet hatte.

»Um Gottes willen, wo habt ihr das her?« unterbrach sie Jakob Martin; er traute seinen Augen – seinen Kindern nicht.

»Wir haben es verdient«, erklärte nun Hans ganz stolz, »ich und Marie!«

Er hatte ganz vergessen, daß er wohl diese hätte zuerst nennen müssen, denn ohne sie würde er wohl nie auf die Idee gekommen sein, noch die Geduld zur Ausführung derselben gehabt haben. Und nun erzählten sie dem Vater von ihren Arbeiten; der Vater weinte über seine Kinder, aber aus Freude!

Als sie so zusammensaßen und sich freuten, Jakob Martin mit seiner Familie, Hans und Marie auf dem Schoß, die kleine Liese dazwischen, Karl und Fritzchen zu seinen Füßen – da klopft es an, eine wohlbekannte Stimme rief: »Dürfen wir hineinkommen?«

Sie warteten die Antwort nicht ab, die da draußen standen; die Tür öffnete sich – die Baronin mit ihren Kindern, begleitet von der Katherine, traten ein. Und hinter ihnen trug der Diener einen großen Tannenbaum, geschmückt mit Äpfeln und Nüssen, mit Honigkuchen und vielen, vielen Lichtern. Er setzte den Baum auf den Tisch in der Stube.

»Leo und Augusta, ans Werk«, ermunterte die Baronin, nachdem sie allen einen »Guten Abend!« geboten, ihre Kinder.

Und Leo und Augusta hoben die Deckel von den Körben, die der Diener hereingeholt. Sie begannen auszupacken, und was sie auspackten, legten sie sorgfältig unter den Tannenbaum. Dann – als sie damit fertig waren, führten sie Hans, Marie und auch die anderen Kinder zu dem Tisch, jedes an seinen bestimmten Platz, wo wieder jedes fand, was es gerade brauchte und sich wünschte. Da waren warme Beinkleider und eine neue Jacke für Hans; ein neues Kleid und eine rote Kapuze für Marie; Röckchen, Strümpfe und Schuhe für die kleineren Geschwister. Auch die Spielsachen waren nicht vergessen. Eine hübsche Puppe saß gerade unter den Tannenzweigen, da, wo ein großes Honigkuchenherz mit dem Namen Marie hing, zum Zeichen, daß alles, was hier lag, dieser gehören sollte. Hans jubelte über einen prächtigen Ball und Kreisel. Karl sah neben seinem Teller einen Hühnerhof aufgestellt, in dem die Hühner und Hähne wirkliche Federn hatten. Eine Schachtel mit blanken Näpfchen und Töpfchen wartete auf die kleine Liese. Leo und Augusta reichten Fritzchen einen weißen Pudel mit rotem Halsband, der, wenn man ihn auf den Kopf drückte, ganz herzhaft »wau, wau!« bellte.

Das war nun gar zu schön, und jedermann war glücklich, Geber und Empfänger. Es war ein Jubel und eine Freude im Häuschen, wie lange, lange nicht; die Martins konnten nicht müde werden, sich zu freuen und sich zu bedanken bei der gütigen Herrschaft vom Schloß.

Doch die Baronin sagte: »Danken Sie dem lieben Gott, der Ihnen so gute Kinder gegeben, durch diese haben wir Sie kennengelernt; wo die Kinder so brav sind, müssen es die Eltern auch sein, und braven Leuten muß man helfen. Wenn je wieder Not bei Ihnen einkehren sollte, so kommen Sie zu uns; die Kinder aber wollen wir im Auge behalten und für sie sorgen, daß sie etwas lernen und gut fortkommen in der Welt.«

Dann ging die Baronin mit Leo und Augusta.

Aber Katherine, die treue Freundin und Ratgeberin, blieb noch eine Weile.

Nun kochte die Mutter einen Kaffee, und da die Herrschaften vom Schloß auch Kuchen gebracht hatten, gab es einen ordentlich festlichen Abendschmaus.

Die Eltern und die Katherine rückten zusammen auf der Bank beim Ofen, erzählten sich von guten und bösen Zeiten und hofften das Beste für die Zukunft.

Hans ließ den Kreisel tanzen; Marie sang ihre Puppe, nachdem sie ihr Kuchen und Kaffee genug gegeben hatte, in den Schlaf; Liese kochte in den neuen Näpfchen; Karl ließ seine Hühnchen gackern und seine Hähnchen krähen – sogar Fritzchen, obwohl im Bett, konnte noch nicht schlafen vor Freude, und der Pudel, von dem sich der Knabe nicht hatte trennen wollen, mußte immer noch »wau, wau!« bellen.

Dann aber wurde es Schlafenszeit auch für die anderen. Katherine verließ das Häuschen und ging heim.

Jakob Martin, ehe er sich mit den Seinen zur Ruhe begab, rief Hans und Marie zu sich heran. »Meine guten Kinder«, sagte er und legte je einem eine Hand auf das Haupt – »ich danke euch für eure Liebe und preise Gott, daß er mir durch euch geholfen hat. Möge er mir Kraft geben, daß ich euer Leben wieder heiterer machen kann, ab es bis jetzt war; möge er euch so viel Freude schenken in eurem Leben, als ihr mir gegeben habt.«

Hierauf küßten sich Eltern und Kinder herzlich und gingen zu Bett.

»Hans, bist du noch wach?« rief Marie den Bruder an.

»Was willst du denn?« fragte der schon halb im Schlaf.

»Hans, es ist doch wundervoll!« flüsterte sie. »Laß uns Gott dafür danken. Laß uns immer daran denken, daß wir Kräfte haben und daß wir nimmer ermüden, wenn wir etwas Gutes mit ihnen tun wollen, daß uns Gott ferner hilft, wie er uns diesmal geholfen hat.«

»Ja«, sagte Hans, und sein Arm schlang sich um den Hals der jüngeren Schwester.

»Lieber Gott, wir danken dir«, beteten die Kinder zusammen – da fielen aber Hans schon die Augen zu.

»Hilf uns«, betete Marie weiter – aber da schlief auch sie, übermüde von all den Freuden des Tages und seinen Erlebnissen.

Und wenn sie nun auch beide ihr Gebet nicht in Worten vollendeten – der liebe Gott wußte um ihre Gedanken.

Sie hielten fest an dem, um was sie hatten beten wollen, sie mühten sich redlich, ihre Kräfte zu üben, und Gott half ihnen und segnete sie: sie wurden brave, fleißige Menschen, die nimmer müde wurden zu arbeiten für sich und andere, und sie lebten glücklich, wie sie es verdienten.


 << zurück weiter >>