Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

siehe Bildunterschrift

Bertel Thorwaldsen. Portrait von Christoffer Wilhelm Eckersberg

Bertel Thorwaldsen.

Thorwaldsen's Leben von Just. Mathias Thiele, deutsch von Henrik Helms (2 Bde.). Leipzig, Lorck, 1852. Unsere Zeit in Biographien und Bildnissen, I. 4. Albert Thorwaldsen von H.C. Andersen (Hamburg, Verlags-Comptoir). Charaktere und Reden von Oersted, deutsch von Kannegießer (Leipzig, Lorck).


Unter den großen Bildhauern aller Zeiten und Völker ist der Däne Thorwaldsen einer der größten. Er war ein Liebling der Musen, ein Günstling des Glücks, – sein Leben ein ununterbrochener Triumphzug. Zwar hatte der Sohn des armen, ja des ungeschickten Bildschnitzers manchen Kampf zu bestehen, bis sein Lebenspfad sich ebnete, aber die Hindernisse waren doch nur so groß, daß sie die innere Kraft des strebenden Genius weckten und stählten. Italien war seine zweite geistige Heimath, in der sein Künstlergeist sich entfaltete, und auch da bewährte sich das Glück in der Verschmelzung nordischer Tüchtigkeit und italienischen Feuers. Ein Canova mußte, weil er bloß Italiener war, trotz aller Vollendung in der Darstellung schmelzender Schönheit, hinter dem Meister aus Norden zurückbleiben.

Der Großvater Thorwaldsen's war ein armer isländischer Prediger, mit Namen Thorwald Gotskalksen, der sandte seine beiden Söhne Ari und Gotskalk nach Kopenhagen, daß sie dort selber für ihren Unterhalt sorgen möchten. Der ältere der Brüder starb, der jüngere fand Beschäftigung auf der Schiffswerfte, da er einige Geschicklichkeit im Holzschnitzen besaß. Im Jahre 1769 verheirathete sich Gottschalk Thorwaldsen mit der Tochter eines jütländischen Bauers, und diese Ehe wurde 1770 mit einem Kinde gesegnet, das ganz Europa mit seinem Ruhm erfüllen sollte.

Es war eine ärmliche Familie, die mit allerlei Noth zu kämpfen hatte. Thorwaldsen's Vater ist als ein hoher hagerer Mann geschildert, die Mutter als eine kleine schmucke Frau, deren Aeußeres aber in späteren Jahren vernachlässigt, und der allmählig Alles, nur nicht ihr geliebter Sohn, die einzige Freude ihres kummervollen Lebens, gleichgültig wurde.

Wie ein Sonnenstrahl, der in eine dunkle Kammer fällt, ist die folgende Erinnerung aus seiner Kindheit, die Thorwaldsen einst dem Dichter Andersen anvertraut hat, und welche von diesem in seinem »Bilderbuch ohne Bilder« (24ster Abend) benutzt worden ist.

Des Knaben liebstes Spielzeug war das Spinnrad; er durfte es aber nicht anrühren, sonst klopfte man ihm auf die Finger. Eine Nacht, während Vater und Mutter schliefen, lag er wachend auf seinem Lager. Der Mond schien hell ins Zimmer, das Spinnrad sah so einladend aus, daß sich der Kleine nicht länger halten konnte, aus dem Bette sprang, ganz leise sich an das Rad setzte und hocherfreut es mit seinen kleinen Fingern um und um drehte. Wie er nun so da sitzt und spinnt, erwacht die Mutter. Sie wirft einen Blick in's Zimmer und vermeint, einen Kobold oder ein derartiges Gespenst zu sehen, denn: »die Kobolde spinnen des Nachts, wenn man am Abend vergißt, die Schnur von dem Rade abzulösen.« In ihrer Angst weckt sie den Mann, dieser aber entdeckt bald, daß der kleine Bertel der Spukgeist ist, und mit einem tüchtigen Klaps wird der kleine Kobold wieder in sein Bett gejagt.

Albert mußte seinem Vater das Essen hinaustragen auf die Schiffswerfte, und sah nun mit nicht geringer Freude dem Zimmerhandwerk und den Holzschnitzereien des Vaters zu, die ihn noch mehr anzogen, als früher der Spinnrocken. Aber mit der Kunst des Vaters war es nicht weit her, darum verdiente er auch so wenig. So wollte er einstmals als Schiffsgallion einen Löwen anfertigen, kam aber nicht damit zu Stande, und obwohl er zwei bis drei Mal neues Holz auflegte, ward und blieb es doch immer nur – ein Pudel. Wie aber Bertel heranwuchs und seinem Vater half, ging Alles viel besser von Statten, denn es zeigte sich bald, daß der Sohn viel mehr Geschick hatte als der Vater. Dieser machte sich das Talent des Sohnes zu Nutzen und den ganzen Tag mußte er Bilder schnitzen oder auf der Werfte das Beil führen.

Glücklicher Weise hatte ein Freund Thorwaldsens die guten Anlagen des Knaben bemerkt und diesem schon frühzeitig (1781) eine Stelle auf der Akademie verschafft. Bertel erhielt einen Platz in der letzten Klasse für freie Handzeichnung, rückte aber schon im nächstfolgenden Jahre in die zweite Klasse hinauf, wo er im Figurenzeichnen von dem Lehrer Löffler unterrichtet wurde, was schon damals für einen zwölfjährigen Knaben etwas Ungewöhnliches war. Zwischen diesem Lehrer und seinem Schüler entwickelte sich bald ein liebevolles Verhältniß, welches von glücklichem Einflusse sowohl auf die künstlerische als sittliche Ausbildung des Knaben war.

Löffler ging sehr gründlich und langsam zu Werke, und da überdieß der junge Thorwaldsen dem Vater mit aller Kraft helfen mußte, so verweilte er drei Jahre in der zweiten Klasse.

Zugleich mit Bertel besuchte ein anderer Knabe die Akademie, der stets sein Kamerad war, aber in einer ganz andern Richtung später sich auszeichnete, nämlich als Arzt. Es war der Knabe Mathias Saxtorph, der schwach und von zartem Körperbau sich des Abends, wenn die wilden Gefährten die Akademie verließen, unter den Schutz des stärkeren Thorwaldsen stellte. Die Gefälligkeit des freundlichen armen Bertel wurde dem Vater des jungen Saxtorph bekannt, und dieser lud ihn nun wöchentlich mehrmals zu Tische ein. Die Kameradschaft währte noch einige Jahre, bis die verschiedenen Bildungswege die beiden Jugendfreunde trennten.

Aber Thorwaldsen mochte nicht aus der freundlichen Familie scheiden, ohne seine Dankbarkeit an den Tag zu legen. Als er einige Uebung im Modelliren erlangt hatte, führte er ein Porträtmedaillon des alten Professors Saxtorph aus, mit welchem er, nachdem der Dichter Rahbeck einige Zeilen dazu geschrieben, der Familie ein Geschenk machte. Von diesem Medaillon, das als eine der ersten Arbeiten des gefeierten Künstlers merkwürdig ist, existiren noch mehrere Abgüsse.

Am 3. Januar 1785 rückte er in die Gypsklasse der Akademie auf, und hier stellten sich dem freudig erstaunten Blick die antiken Statuen dar, welche in Abgüssen als Vorbilder bei den Zeichenübungen dienten. Der Schüler war in eine neue schönere Welt versetzt und arbeitete mit doppeltem Eifer. Schon im folgenden Jahre (2. Januar 1786) wurde er für würdig befunden, in die Modellklasse aufzurücken. Einer der Professoren dieser Klasse, der Maler Nicolai Abildgaard, bemerkte bald das ausgezeichnete Talent des Knaben, und widmete ihm besondere Sorgfalt, unterstützte ihn auch öfters mit Geld. Erst ein Jahr hatte Bertel Thorwaldsen in der Modellklasse gearbeitet, als er schon eine akademische Prämie, die kleine silberne Medaille, erhielt.

Er war jetzt sechzehn Jahr alt und sollte konfirmirt werden, der Vater ließ ihn bei dem Pfarrer der Holmens-(Marine-)Kirche einschreiben, aber es zeigte sich bald, daß er in seinen Religionskenntnissen weit hinter den Altersgenossen zurückstand, und so erhielt er seinen Sitz weit unten zwischen den andern armen Knaben. Nicht lange darauf hatte der Prediger erfahren, daß ein junger Mensch, Namens Thorwaldsen, den ersten akademischen Preis davon getragen habe; nun fiel ihm der Name auf, und er fragte seinen Konfirmanden, ob er ein Bruder des gerühmten Thorwaldsen sei? »Ich bin es selbst,« antwortete dieser. Von diesem Tage an behandelte ihn der Prediger mit der größten Achtung, wies ihm den ersten Platz unter den Konfirmanden an, und nannte ihn »Monsieur Thorwaldsen«. Dieses Wort erfüllte die Seele des Jünglings mit Entzücken und gab ihm neuen hohen Muth.

Nach der Konfirmation nahm der Vater seinen Albert gänzlich in Beschlag und man sah ihn öfters Spiegelrahmen und andere vergoldete Holzarbeiten austragen; doch wenn der junge Künstler ein freies Stündchen erobern konnte, benutzte er es zum Modelliren in Thon. Sein wackerer Freund und Beschützer Abildgaard hatte unterdessen eine Reise nach Italien gemacht, und als dieser Meister zurückkehrte, mußte auch Thorwaldsen wieder den akademischen Studien sich zuwenden, namentlich aber an einer Preisbewerbung sich betheiligen, und siehe – der Jüngling erhielt (1789) die große silberne Medaille für ein Basrelief (halb erhabene Arbeit), das einen ruhenden Amor darstellte. So konnte es denn Thorwaldsen schon wagen, im folgenden Jahre öffentlich als Bildhauer hervorzutreten. Es war nämlich dem Maler Wolff, einem Schüler Abildgaards, aufgetragen, die Ehrenpforte, welche für den Einzug der Gemahlin des Kronprinzen (spätern Königs Friedrich VI.) in Kopenhagen errichtet wurde, mit Malereien und Statuen zu verzieren. Wolff nahm den jungen Kunstgenossen zu Hülfe, und Thorwaldsen arbeitete in seiner engen Werkstatt drei schöne Statuen, nämlich: zwei Schutzgötter (Dänemarks und Norwegens), welche sich die Hände über einem flammenden Altar reichten und das dänische und hessische Die kronprinzliche Gemahlin Marie Sophie Friederike war eine hessische Prinzessin. Wappen hielten, und eine Fama mit Trompeten und Kränzen von Rosen und Myrten, die beweglich war, und sich beim Fortschreiten der Prozession nach allen Seiten drehte, um das Gerücht von der Ankunft der Herrschaften zu verkünden.

Der Ruf von der Schönheit der Prinzessin brachte den jungen Künstler auf den Gedanken, ein Porträtmedaillon derselben auszuführen. Dies wurde schnell vollendet und in Gyps gegossen. Ein Gypswaarenhändler hatte den Verkauf übernommen, und dieser machte ein glänzendes Geschäft; Thorwaldsen ward mit einer kleinen Summe zufriedengestellt. Sein Talent im Zeichnen und sichern Auffassen der Form ward immer mehr anerkannt; angesehene Damen nahmen bei dem jungen Manne Unterricht im Zeichnen.

Er hatte mit drei andern Kunstjüngern eine kleine Gesellschaft gebildet zur gemeinschaftlichen Ausbildung. Die Kompositionen der vier Freunde wurden gegenseitig kritisirt; der Arbeit folgte ein einfaches aber munteres Mahl, nach diesem wurden Dichterwerke vorgelesen. Thorwaldsen saß dann, ganz Ohr und Aufmerksamkeit, mit wahrer Andacht da, und wenn die Andern über die Ausführung dieser oder jener dichterischen Idee sich unterhielten, modellirte er einen Klumpen Thon oder in Ermangelung eines solchen ein Stück Brot. Mitunter ergriff er den Bleistift, skizzirte seine Ideen oder zeichnete mit verschönerten Formen die Gegenstände ab, die sich vor ihm auf dem Tische fanden, und so wurde er einmal Urheber einer verbesserten Tabaksetikette, da zufällig ein Päckchen Tabak vor ihm auf dem Tische stand.

Ein genialer Maler, Namens Carstens, hatte die Modellklasse der Akademie besucht, aber keine Anerkennung gefunden. Er verließ Kopenhagen, da er nicht einmal die kleine goldene Medaille erringen konnte; nun sollte um eben diesen Preis auch Thorwaldsen mit andern Künstlern konkurriren. Er fürchtete sich, und wollte durchaus sich nicht zu der neuen Prüfung bequemen; endlich nach langem Zureden der Freunde ermannte er sich, und entwarf in vier Stunden eine Skizze, welche den Erwartungen entsprach. Das nach derselben ausgeführte Basrelief erhielt – die kleine goldene Medaille. Der Staatsminister Graf Ditlew von Reventlow sah die Arbeit des hoffnungsvollen Bildschnitzersohnes und wurde sein Beschützer. Durch seinen Einfluß wurden ihm Mittel verschafft, ohne Nahrungssorgen eine Zeit lang reine künstlerische Aufgaben lösen zu können. Thorwaldsen behandelte nun Szenen aus Homers Iliade, und lieferte namentlich ein Basrelief, das den Priamus darstellt, der dem Achilles köstliche Geschenke bietet, um die Auslieferung der Leiche Hektors zu erlangen.

So übte er sich in selbstständiger Darstellung, lieferte im Jahre 1792 noch zwei treffliche Skulpturen: Herkules, der bei Omphale spinnt, und Numa mit der Nymphe Egeria. Seine Kraft war so erstarkt, daß er im folgenden Jahre die große goldene Medaille gewann für ein Basrelief: Petrus, der den Lahmen heilt (Apostelg. 3). Damit war das Anrecht auf ein dreijähriges Reisestipendium erworben; doch Thorwaldsen hatte noch keine Lust zum Reisen. Sein Ruf hatte ihm die angesehensten Familienkreise eröffnet, er war ein Freund der tüchtigsten akademischen Künstler, und seine Zeichnungen wurden überdies sehr gut bezahlt, was für die unbemittelte Familie sehr erwünscht war. Abildgaard sorgte, daß Thorwaldsen auch als Bildhauer sich etwas verdiente, und bewirkte, daß man ihm einen Theil der Arbeit übertrug zur Ausschmückung der königlichen Amalienburg. Nach den Zeichnungen Abildgaards modellirte Thorwaldsen erst zwei Basreliefs, dann Statuen in Lebensgröße, und zwar in merkwürdig kurzer Zeit. Abildgaard war stolz auf die Arbeiten seines Schülers und führte eines Tages seinen Freund, den schwedischen Bildhauer Professor Sergell, in das Palais, um ihm diese Arbeiten zu zeigen. Thorwaldsen stand dort in voller Thätigkeit mit seinem Schabeisen in der Hand, und mauerte an einer der Statuen, ohne ein Wort zu sprechen, vielleicht ohne den Gruß des fremden Professors zu beachten. Als Sergell die Arbeit eine Weile betrachtet hatte, rief er aus: »Wie machen Sie es doch, solche schöne Figuren zu Stande zu bringen?« – Thorwaldsen drehte sich um, zeigte ihm das Schabeisen und antwortete nur: »Mit diesem hier!«

Im Jahre 1796 ward der Pilgerzug nach Rom unternommen; Thorwaldsen hatte ein Stipendium von 400 Thalern jährlich auf drei Jahre zugesichert bekommen, und für die Fahrt nach Italien einen Freiplatz auf der königlichen Fregatte Thetis. Die Mutter war untröstlich, da sie in ihrem Sohne nicht bloß den helfenden Freund, sondern die einzige Lebensfreude verlor; als sie im Kleiderschranke noch eine zurückgebliebene schwarze Weste ihres Albert fand, küßte sie diese mit Inbrunst.

Die Reise ging langsam, Thorwaldsen mußte in Neapel, länger als ihm lieb war, verweilen, und leider hatte er sich mit der italienischen Sprache wenig vertraut gemacht. Die Revolution schien auch in Italien Alles umkehren zu wollen; unter sehr ungünstigen Verhältnissen kam der junge Künstler nach Rom (8. März 1797). Der Papst Pius VI. hatte vergebens versucht, seine geringe weltliche Macht den siegreichen Waffen des Generals Bonaparte entgegenzustellen, und der Friede zu Tolentino am 19. Februar 1797 hatte neben dem Verlust mehrerer römischer Provinzen noch andere kränkende Demüthigungen zur Folge. Als Thorwaldsen im Vatikan und auf dem Kapitol die berühmten Meisterwerke seiner Kunst, um derentwillen er eine so mühsame Reise unternommen hatte, beschauen wollte, waren sie theils schon entführt, theils in Kisten eingepackt, um nach Paris gesandt zu werden. Auf dem Kapitol sah er nur, wie man damit beschäftigt war, Apollo, Laokoon und den berühmten Torso in die Kisten einzumauern, die sie wie Särge bis zur Auferstehung in der Hauptstadt Frankreichs verwahren sollten. Hierüber beklagte sich Thorwaldsen in den Briefen an seine Freunde noch mehr, als über das Heimweh, an dem er auch nicht wenig litt. –

Er war einem in Rom lebenden Landsmanne, dem gelehrten Alterthumskenner Zoëga empfohlen worden, der ihn gastfreundlich aufnahm, aber in seiner pedantischen Strenge Vieles an dem jungen Künstler tadelte, welcher freilich ohne alle gelehrte Bildung war, sogar an nöthigen Schulkenntnissen Mangel litt. Unterm 5. Januar 1798 schrieb Thorwaldsen:

 

»Es ist laut des Gebots meines Instruxes (Instruktion) jeden sechsten Monat der königlichen Akademie meinen Aufenthaltsort zu melden, daß ich hierdurch ehrerbietigst mir die Freiheit gebe, zu berichten, daß es mir wohl geht und ich mit allem möglichen Fleiß arbeite. Die vielen Merkwürdigkeiten, die hier sind, haben verursacht, daß ich nicht sogleich Hand an die Arbeit legen konnte, bevor ich mich mit den wichtigsten Dingen in Rom und den umliegenden Städten bekannt gemacht hatte.

»Ich habe einen Theil meiner Zeit darauf verwendet, nach mehreren der vornehmsten Antiken zu kopiren, habe zugleich eine Büste in Marmor verfertigt und eine andere angefangen.

»In diesen Tagen beabsichtige ich den Anfang einer Gruppe, die ich ausführen werde, Bacco und Ariadne, die ich komponirt habe; somit hoffe ich, bald das Vergnügen haben zu können, der Akademie ein Wenig von meiner Arbeit zu schicken.

»Mein Logis ist jetzt an der Ecke der Strada Babuina, wo ich eine Werkstätte in der Nähe habe. Im Uebrigen suche ich und werde hinfort streben, die Anwendung meines hiesigen Aufenthalts zu machen, die mit meiner Bestimmung und dem mir von der Akademie gegebenen Instrux übereinstimmt.

Unterthänigst
Bertel Thorwaldsen.«

 

Die Arbeiten, welche der wackere Künstler für die Akademie nach Kopenhagen sandte, blieben im Zollhause liegen, und man wunderte sich, daß er nichts einschickte. Als er nun nach Ablauf der drei Jahre um eine Verlängerung des Reisestipendiums anhielt und sich auf die eingesandten Arbeiten bezog, wurden die Kisten hervorgesucht, und eine Gypsgruppe, Bacchus und Ariadne, fand großen Beifall; das Reisestipendium ward bewilligt. Der Tod des Malers Carstens, den Thorwaldsen sehr hoch schätzte, hatte ihn sehr betrübt, aber für die künstlerische Fortbildung des jungen Bildhauers den besten Einfluß gehabt; denn Carstens hinterließ viele werthvolle Kompositionen, welche nun Thorwaldsen theils kopirte, theils weiter ausführte. Allerlei Ideen bewegten die Seele des mit sich selber noch nicht einigen Künstlers. Am liebsten weilte seine Phantasie bei »Jason, der das goldene Vließ gewonnen hat«, – er modellirte die Gestalt in Thon, aber die Betrachtenden gingen gleichgültig an dem Werke vorüber, und sein Urheber zerschlug es wieder. Unmuthig schickte er sich zur Rückreise in die Heimath an; sein gelehrter Freund und Gönner Zoëga wollte ihn aber begleiten, und so ward die Reise vom März bis auf den Herbst verschoben. Diese Muße nun ward Veranlassung, daß Thorwaldsen noch einmal die Idee seines Jason, aber viel großartiger und kühner als das erste Mal ausführte, und der unsterbliche Genius des großen Thorwaldsen feierte sein Geburtsfest. Die Skulptur ward bewundert, selbst der gefeierte Canova rief unwillkürlich bei ihrem Anblick: » Quest' opera di quel giovane Danese è fatta in uno stilo nuovo e grandioso!« (Dieses Werk des jungen Dänen ist in einem neuen und großartigen Styl gearbeitet.) Die damals in Rom anwesende deutsch-dänische Dichterin Friederike Brun sang begeistert von dem Thorwaldsen'schen Jason, sie unterstützte den armen Künstler, der kaum Reisegeld genug hatte, so freigebig, daß er sein Werk in Gyps konnte gießen lassen.

Zum zweiten Mal sollte nun die Abreise Statt finden, der Bildhauer Hagemann hatte sich zum Reisegefährten gemeldet, aber sein Paß war nicht in Ordnung, und abermals fand ein Aufschub Statt, der – ganze sechzehn Jahre dauern sollte. Im Lauf des Vormittags erschien in dem kleinen Arbeitszimmer, das der Künstler eben verlassen wollte, ein englischer Herr, Sir Thomas Hope, um sich den Jason des dänischen Bildhauers anzusehen, von welchem Canova, »der Liebling der Grazien«, so anerkennend gesprochen hatte. »Was wird es kosten, diese Statue in Marmor ausgeführt zu sehen?« fragte der Sachkenner. Wie schlug dem armen Thorwaldsen das Herz vor Freude und Entzücken, als der heißeste Wunsch seiner Seele nun so plötzlich der Erfüllung nahe gerückt war! Er forderte 600 Zechinen; sogleich bot ihm Hope 800 und befahl, daß ein Theil der Summe auf der Stelle ausgezahlt würde.

Der Marmorblock in Carrara wurde gebrochen, nach Rom geschafft und der Künstler ging freudig an's Werk. Aber erst fünfundzwanzig Jahre später wurde es vollendet und dem reichen Engländer übersandt, der selber gewünscht hatte, daß während des Krieges die kostbare Statue nicht auf Reisen gehen möchte. Welches reiche Leben entfaltete sich aber nun für den bis dahin fast unbemerkt gebliebenen dänischen Bildhauer! Bestellungen auf Bestellungen kamen, in Rom erschloß sich dem gefeierten Thorwaldsen die Familie des preußischen Gesandten Wilhelm von Humboldt, in welcher sich stets ein Kreis feingebildeter kunstsinniger Männer und Frauen und von strebsamen Künstlern (Zoëga, Historienmaler Lund, Landschaftsmaler Reinhart, Angelika Kaufmann, Christian Rauch u. a.) zusammenfand; die liebevollste Pflege und zarteste Freundschaft ward ihm im Hause des Baron Schubarth, dänischen Gesandten in Toskana. Es gab Zeiten der Abspannung und des Trübsinnes in dem jetzt so reich bewegten Leben des genialen Mannes, aber die Freunde wußten stets zu helfen und zu trösten! Zuweilen schien er seine Arbeit gänzlich vergessen zu haben; so als seine Landsmännin, die Schriftstellerin Friederike Brun mit ihrer Tochter Ida nach Rom zurückkehrte, und das junge Mädchen durch ihre Schönheit und Talente den Glanzpunkt der Gesellschaft bildete, war er ganz in der freudigen Anschauung dieser lebenden antiken Schönheit verloren. »Er verschwendete seine kostbare Zeit ihretwegen,« schrieb die Mutter über Thorwaldsen, »und anstatt ihr Unterricht im Zeichnen zu ertheilen, was er übernommen hatte, ließ er sich durch ihren Gesang zu musikalischen Uebungen hinreißen. Seine Violine und Flöte hatte er zwar in Kopenhagen zurückgelassen, aber in Rom hatte er die Guitarre ergriffen und es auf diesem Instrumente zu einer außergewöhnlichen Virtuosität gebracht, die ihm jetzt, wenn er die herrliche Stimme des jungen schönen Mädchens akkompagnirte, sehr gut zu Statten kam.«

Sehr bedeutsam war es, daß die beiden größten Bildhauer des Nordens in Rom zusammentrafen.

Als Christian Rauch in Frau v. Humboldts Hause Thorwaldsens Bekanntschaft machte, »war ihm noch nicht die höhere Weihe der Kunst geworden«. Er war ungefähr sieben Jahre jünger als Thorwaldsen, betrachtete gewiß unseren Künstler als den Meister und schloß, in der Kunst wie im Leben, sich nahe an ihn an; doch trat er in kein Verhältniß zu ihm als Schüler, sondern stellte sich dem weiter fortgeschrittenen Künstler als ein jüngerer Bruder zur Seite und fand in ihm einen ehrlichen Freund. Thiele, a. a. O. So arbeiteten z. B. Beide in Gemeinschaft an der Wiederherstellung eines antiken Basreliefs, welches ein halbes Jahrhundert früher in der Villa Palombara aufgefunden und nun von Frau v. Humboldt angekauft worden war. Als bald darauf das Grabdenkmal für die frühverstorbene Königin Luise von Preußen angefertigt werden sollte und der König eine Konkurrenz der bedeutendsten Bildhauer veranlassen wollte, trat Thorwaldsen freiwillig zurück zu Gunsten seines Freundes Rauch, den er liebte und ehrte.

Schon im Jahre 1805 war Thorwaldsen zum Mitglied der Kunstakademie in Kopenhagen ernannt worden, 1810 ertheilte ihm sein König das Ritterkreuz des Danebrogordens, welche Auszeichnung dem Künstler große Freude, noch größere seinen Freunden in Rom und Neapel bereitete. Am 16. April schrieb ihm Rauch, um seinen eigenen wie den Glückwunsch der Frau v. Humboldt auszusprechen, und aus diesem Brief erfahren wir, daß der Künstlerruf Thorwaldsens um diese Zeit auch das Interesse seines großen Zeitgenossen Göthe erweckt hatte. Es heißt da:

»Der Geheime Rath Göthe schreibt Frau v. Humboldt aus Weimar, und bittet sie, ihm von allen Ihren Arbeiten (besonders Basreliefs) Konturen zeichnen zu lassen, wonach er Ihren Styl und Komposition beurtheilen könne. Frau v. Humboldt soll diese Zeichnungen mit nach Deutschland nehmen etc.«

Auch der Kronprinz von Baiern hat sich zeitig um nähere Kenntniß des Thorwaldsen'schen Genies bemüht; er schrieb dem Künstler oft, obwohl er selten Antwort empfing, und später wandelte König Ludwig Arm in Arm mit dem König der Bildhauer in den Straßen der Siebenhügelstadt, und Thorwaldsen hing mit warmer Liebe an Baierns kunstsinnigem Fürsten.

Für das Jahr 1812 hatte man Napoleons Ankunft in Rom erwartet; der prächtige Palast auf dem Quirinal (Monte Cavallo) war mit großen Kosten eingerichtet worden, und für einen der Säle sollte ein Fries in Gyps geliefert werden. Man forderte Thorwaldsen auf, diese Arbeit zu übernehmen; er sagte zu, und obwohl noch fieberkrank, löste er doch sein Versprechen in der außerordentlich kurzen Zeit von noch nicht 3 Monaten. Er hatte zum Gegenstande der Darstellung den Triumphzug Alexanders, den Sieg Europa's über Asien in scharfen Zügen darstellend, gewählt, Folgende eigenhändige Beschreibung des Frieses theilte Thorwaldsen im Jahre 1813 dem Kronprinzen von Baiern in einem Briefe mit: »Die Zeichnungen, welche hier beigefügt sind, das Sujet des Einzuges Alexanders in Babylon vorstellend, werde ich kürzlich erklären in derselben Ordnung, wie die Gruppen in der Komposition aufeinander folgen:
1) Alexander auf einem Wagen, geführt von Viktoria.
2) Seine Wappenträger.
3) Sein Pferd Bucephalus.
4) Seine Generale.
5) Gruppen von Kavallerie und Infanterie.
6) Ein Elephant, beladen mit Trophäen, nebenbei ein persischer Gefangener.
7) Mehrere von seiner Armee, die aus einem Palmenwald zum Vorschein kommen.
8) Der Fluß, welcher die Armee von der Stadt trennt, am Ufer ein Fischer und ein Schiff mit Transport an die Stadt.
9) Der Fluß Tigris. (?)
10) Ein Schäfer, der Schafe als Präsent zum Alexander führt.
11) Leute, die auf der Stadtmauer und vor dem Stadtthor Alexander erwarten.
12) Die Chaldäer oder Wahrsager, die dem Alexander entgegen gehen.
13) Löwen, Panther und Pferde, welche als Geschenke von der Stadt zugeführt werden.
14) Bagophanes, der silberne Altäre mit Wohlgeruch errichten läßt.
15) Mädchen, die zur Feier Alexanders Blumen auf den Weg streuen.
16) Mazäus, der ihm entgegen geht mit den Kindern, um ihm die Stadt Babylon zu übergeben.
17) Die Friedensgöttin, die den Wagen Alexanders aufhält.
und als der 29 Ellen lange Fries eingesetzt wurde, war Alles entzückt über die Wirkung; Napoleon kam bekanntlich nicht, aber der Künstler feierte nun mit seinem Werke selber einen Alexanderzug. Denn die Kunde hiervon flog durch alle Länder; in Dänemark stieg sie zum höchsten Enthusiasmus, Geldsummen wurden erst privatim, dann öffentlich eingesammelt, den Alexanderzug in Marmor ausführen zu lassen. Die dänische Regierung machte ihre Bestellung für den Saal der Christiansburg, und sogar die unteren Volksklassen steuerten redlich ihr Scherflein bei.

Nach wiederholten Aufforderungen, mit dem längst beschlossenen Besuche der Heimath endlich Ernst zu machen, ging es endlich im Sommer 1819 »nach Hause«, wo freilich die Eltern nicht mehr am Leben waren und des Triumphes ihres Sohnes sich freuen konnten. In allen Städten Deutschlands und Italiens, durch welche der gefeierte Künstler kam, wurden ihm die rührendsten Ehrenbezeugungen zu Theil. In der Station vor Stuttgart blieb ein einsamer Wanderer vor dem Wagen stehen, und ermattet, wie er war, bat er den darin Sitzenden um die Erlaubniß, mitfahren zu dürfen. Er erzählte nun, wie er zu Fuße von Salzburg sich aufgemacht habe, um den berühmten Thorwaldsen zu sehen, der um diese Zeit in Stuttgart erwartet wurde. Wer schildert den freudigen Schreck, als Thorwaldsen sich zu erkennen gab!

In Kopenhagen war sein Empfang wahrhaft fürstlich, aber alle weltliche Ehre und Auszeichnung vermochte nicht sein einfaches, biederes Wesen zu verändern. Seine Wohnung war ihm auf der Charlottenburg angewiesen; unter der Zahl der Vielen, die ihn umringten, suchte sein Blick die älteren Freunde. Da sah er an der Thür den alten Pförtner in seinem rothen Kittel stehen, den greisen Mann aus den munteren Tagen seiner Jugend. Der Künstlerfürst stürzt in seine Arme und preßt einen innigen Kuß auf seine Lippen.

Es folgte nun Fest auf Fest; der an Arbeit gewöhnte Künstler sehnte sich aber bald wieder nach seiner Werkstatt; darum richtete man ihm eine Werkstube ein, und Alles strömte nun herbei, um Thorwaldsen modelliren und aus rohem Stoff das Leben der Form hervorrufen zu sehen. Eine junge vornehme Dame, als sie den Meister im nassen Thon handtieren sah, fragte sehr naiv: »Diese schmutzige Arbeit thun der Herr Professor wohl nicht selbst, wenn Sie in Rom sind?« Gutmüthig entgegnete Thorwaldsen: »Ich versichere Ihnen, meine Gnädige, daß dieses gerade die allerwichtigste Arbeit ist.«

Die Rückreise nach dem alten Rom, das die zweite Heimath des Sohnes der Insel Island geworden, ging über Berlin, Dresden, Warschau, Wien; Kaiser Alexander, der damals in Warschau verweilte, und Kaiser Franz empfingen den Künstler mit glänzender Auszeichnung. Mit frischer Kraft ging er wieder in sein römisches Atelier; und die fleißige Hand schuf schnell hintereinander drei unsterbliche Werke: »Christus und die zwölf Apostel«, »die Johannesgruppe«, »Kopernikus«.

Der fremde Scultore war jetzt schon nicht mehr ein Fremder, mit Begeisterung und Stolz nannten ihn die Römer den Ihrigen, die Improvisatrice Rosa Taddei nannte ihn sogar in einer begeisterten Rede vor dem versammelten Volke einst » Figlio di Dio« (Gottes Sohn). »Die himmlischen Engelschaaren wachen über ihn,« sprach das Volk, als Thorwaldsen mit allerdings wunderbarem Glück öfteren Todesgefahren entging. So lauerten ihm eines Abends zwei Banditen auf, die sich in's Haus geschlichen und auf die finstere Treppe gesetzt hatten, die in des Künstlers Zimmer führte. Gerade an diesem Abend hatte aber Thorwaldsen seinen Hausschlüssel vergessen und war genöthigt worden, einen anderen Eingang in sein Zimmer zu suchen, auf den die Mörder nicht gerechnet hatten. Der lutherische Ketzer empfing öfters Besuche vom heiligen Vater selbst, und dieser reichte ihm freundlich die Hand, damit er beim Abschiede nicht zu knieen brauche. Ihm ward auch die Ehre, das Monument für Pius VII. anzufertigen.

Das Studio (Arbeitszimmer) des genialen Künstlers sah etwas wild und unordentlich aus, wie denn Thorwaldsen in seinem Junggesellenleben überhaupt nicht viel auf den Komfort seiner Wohnung wandte und in dieser Hinsicht höchst sparsam war. Seine liebste Erholung fand er im frohen Kreise seiner Freunde.

Als er sich eines Tages (im Frühjahr 1818) wie gewöhnlich des Mittags von seinem Studio aus zu Tische zu Madame Buti begab, traf sein immer aufmerksamer Blick in Via Sistina einen jungen Römer, der am Eingange eines Hauses in einer Stellung saß, die durch ihre Schönheit und anspruchslose Natürlichkeit den Künstler ergriff. Im Vorübergehen hatte dieses Bild seinen Blick ergötzt, aber schon bei den nächsten Schritten erfaßte es sein künstlerisches Bewußtsein; er blieb stehen und kehrte zurück. Der Jüngling behauptete noch unverändert die halb stehende, halb sitzende Stellung und, im Gespräch mit einem Andern begriffen, entdeckte er nicht, daß er ein Gegenstand der Betrachtung sei. Einige Augenblicke genügten dem Künstler, um dieses Bild festzuhalten. Eiligst beendete er seine Mahlzeit, entwarf darauf im Kleinen eine Skizze jenes Anblicks und Tags darauf beschäftigte ihn bereits das Modell seines berühmten Merkur. Diese Statue stellt den Argustödter vor; halb sitzend, halb stehend, die Rohrflöte, durch welche er den Argus in Schlaf gewiegt, in der linken Hand; mit der rechten zieht er leise das Schwert aus der Scheide. Auf Bestellung des Herzogs von Augustenburg wurde 1819 die schöne Statue in Marmor ausgeführt. Thiele, a. a. O.

In Gyps besaß Thorwaldsen Exemplare von allen seinen Arbeiten; diese, die reichen Marmorstatuen und Basreliefs, welche er aus eigenem Antriebe, ohne Auftrag, gesammelt hatte, die vielen Gemälde, welche er alljährlich jungen Künstlern abkaufte, waren ein Schatz, den er für die Hauptstadt seiner Heimath bestimmt hatte. Deßhalb ließ er stets, sobald die dänische Regierung Kriegsschiffe in's mittelländische Meer sandte, um die für das Schloß und die Kirche gefertigten Arbeiten abzuholen, einen Theil von seinem Privateigenthume mit folgen. Dänemark sollte der Erbe sein. Der so nahe liegende Wunsch, alle jene Schätze an einem ihrer würdigen Orte zusammen aufbewahrt zu sehen, erweckte bei der gesammten Nation den thätigsten Eifer für die Verwirklichung der schönen Idee, ein eigenes Museum zu diesem Behufe erbaut zu bekommen. Ein Verein von Freunden und Verehrern Thorwaldsens ließ einen Aufruf an das Volk ergehen, daß Jeder nach besten Kräften sein Scherflein beitrüge, und manch' armes Dienstmädchen spendete freudig, was es irgend von dem ersparten Lohne entbehren konnte, mancher Bauer opferte seine silberne Denkmünze oder sonst ein ihm theures Andenken, und mancher Städter in den verschiedenen Provinzen des Landes versagte sich Wochen lang sein gewöhnliches Sonntagsvergnügen, um zu dem vaterländischen Ruhmestempel auch sein Bausteinchen beizusteuern. In Kurzem war die benöthigte Summe aufgebracht. König Friedrich VI. räumte den benöthigten Bauplatz ein, und die Ausführung wurde dem Architekten Biedsböl übertragen. Alle Gedanken beschäftigten sich mit Thorwaldsen und seinen Werken. Die Fregatte Rotha sollte einen Theil derselben überführen, und Thorwaldsen selber wollte die Reise mitmachen.

Im Sommer 1838 langte das Schiff vor Kopenhagen an; es war ein großartiger Festtag für Stadt und Land. Die Kanonen donnerten, alle Schiffe ließen ihre Flaggen wehen, die See wimmelte von festlich geschmückten Barken, deren bunte Abzeichen schon von fern verkündeten, daß in dem einen Fahrzeuge Maler, im andern Bildhauer, im dritten Studenten, im vierten Gelehrte und Dichter den Ruhm Dänemarks empfangen wollten; selbst das schöne Geschlecht hatte seine Deputirten geschickt, um in den Jubel des Empfanges einzustimmen. Als der Gefeierte in Kopenhagen den Wagen bestiegen hatte, spannte sich das Volk davor und zog seinen Liebling im Triumph durch die Straßen. So oft Thorwaldsen in der Residenz verweilte, durfte er in keiner größeren Gesellschaft fehlen, er war überall der Mittelpunkt des Festes. An der Seite seines Freundes, des Dichters Oehlenschläger, erschien er jeden Abend im Theater und erfreute Aller Augen durch den Anblick des hohen kräftigen Greises, dessen Haupt von silberweißen Locken umwallt war und auf dessen Antlitz die Hoheit, Macht und die ruhige Würde des Künstlergenius thronte. Am liebsten weilte aber der heitere Greis auf Nysö, dem schön am Meere gelegenen Herrensitz der Baronin Stampenburg.

Im Spätsommer des Jahres 1841 ward noch einmal eine Reise nach dem geliebten Italien unternommen und ein froher Winter in Rom verlebt. Doch schon im folgenden Jahre geschah die Rückkehr nach Dänemark, und Thorwaldsen weilte fortan am öftersten und liebsten auf dem idyllischen Nysö. Am Weihnachtsabende verfertigte er hier ein schönes Basrelief »Weihnachtsfreude im Himmel«, welches Oehlenschläger mit einem Gedicht einweihte. Sein letztes Werk war – bedeutsam genug – der »Genius der Poesie«. An seinem letzten Lebenstage bestimmte er es bei froher Mittagstafel seinem Freunde Oehlenschläger, indem er prophetisch sagte: »Es kann ja eine Medaille für Dich sein!« Dieses letzte Mahl unter Freunden – es fand Sonntags den 24. März 1844 in dem Hotel des Baron Stampe zu Kopenhagen Statt – wurde noch auf das heiterste belebt durch die jugendliche Munterkeit des Künstlergreises, der noch von einer Reise nach Italien sprach, die er im Laufe des Sommers unternehmen wollte. Abends sollte zum ersten Male Fr. Halm's »Griseldis« gegeben werden, und nach Gewohnheit ging den Abend um 6 Uhr Thorwaldsen in's königliche Schauspielhaus, wo er seinen Ehrensitz neben Oehlenschläger hatte. Die Ouvertüre brauste lärmend vom Orchester herauf; beim Eintreten drückte er seinem Freunde, dem Konferenzrath Collin, die Hand, nahm dann seinen Platz ein, erhob sich kurz darauf wieder, um einen fremden Herrn an sich vorbei zu lassen; dann setzte er sich nochmals, senkte das Haupt – und war todt! Noch spielte die Musik; die Zunächstsitzenden glaubten, es sei nur eine Ohnmacht, ärztliche Hülfe war gleich zur Hand, aber ein Herzschlag hatte dem Glücklichen den sanftesten, schnellsten Tod bereitet. Sein Gesicht behielt noch im Sarge unveränderlich seinen Ausdruck bei; imponirend, gleich einer schönen Büste, lag der Entschlafene da in den langen weißen Kleidern, mit dem frischen Lorbeerkranze um die hochgewölbte Stirn. »Zum Triumphzug ward die Leichenfeier, nicht bloß in Dänemarks, sondern in Europa's Namen.« Gerade den Tag vor dem Hinscheiden des großen Mannes war dessen Grab fertig geworden, das er sich mitten im Hofe des durch ihn hervorgerufenen Museums gewünscht hatte. »Ein schlichter Marmorrand ringsum, von ein paar Rosenhecken und sonst einigen Blumen umkränzt, möge dann mein Monument sein!« so hatte er selbst seinen Wunsch geäußert. – Das ganze Prachtgebäude mit seinen unvergänglichen Schätzen war aber sein Mausoleum, und sein Ehrentempel reicht weit hinaus über das engere Vaterland – die Kuppel desselben wölbt sich über das ganze gebildete Europa, und es möchte kein Land geben, das nicht ein Werk von der Hand des großen Bildhauers als eine geweihte Reliquie bewahrte.


 << zurück weiter >>