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Abschnitt 6.

Biberfang. – Die Bärin. – Der graue Bär. – Der Prairiebrand. – Der wilde Rappenhengst.


. Noch vor Sonnenuntergang kehrte Daniel zurück und zwar mit acht eisernen Fallen, sogenannten Tellereisen, die um seinen Sattel herumhingen. Mit großer Bereitwilligkeit hatten die Ansiedler am Choctawbache ihm dieselben zum Gebrauche überlassen, zumal da die Biber aus jener Gegend schon verschwunden waren. Die Nachricht von dem Siege Daniels und Karls über die Waco-Indianer war in der Niederlassung mit Jubel aufgenommen worden, ganz besonders aber hatten Warwicks sich darüber gefreut, weil, wie der alte Herr sagte, die Rothäute eine gute Lehre dadurch erhalten hätten und nun sobald nicht wieder kommen würden. Die Fallen setzte der Neger sogleich sämtlich in guten Stand und ölte sie ein, um am folgenden Tage die Jagd damit zu beginnen. Nachdem die Pferde getränkt und in ihr Nachtquartier gebracht worden waren, ruderte Daniel das Kanoe bis an das Felsstück unter dem Abhange, stieg von da auf der Leiter in das Fort und zog dieselbe dann wieder zu sich herauf.

Der folgende Tag wurde Karl sowohl wie auch Arnold und Wilhelm unendlich lang, denn erst gegen Abend wollte Daniel nach dem Pflaumenbache reiten, um die Fallen zu legen, und den beiden jüngeren Knaben war es versprochen, mit dabei zu sein. Endlich sattelte der Neger sein Pferd, Karl folgte seinem Beispiel und für Arnold und Wilhelm wurden die beiden Schimmel aufgezäumt. Die vier Reiter verteilten die Fallen unter sich und hingen sie an ihre Sättel, und dann ritten sie vergnügt davon, während Turner das Thor verschloß. Es war verabredet worden, daß einige Schüsse vom Fort her als Aufforderung zur eiligen Rückkehr nach demselben gelten sollten, denn der Wind stand nach dem Pflaumenbache hin, so daß man den Knall eines Gewehrs sicher dort hören konnte.

Bald hatten die Reiter den Bach erreicht, da, wo Daniel den Biber geschossen hatte, die toten Indianer aber waren verschwunden. Die Pferde wurden schnell an Bäume befestigt, worauf der Neger mit dem Legen der Fallen begann. Er versenkte sie aufgestellt an dem Ufer in das Wasser, und zwar an solchen Stellen, wo dieses nicht mehr als einen halben Fuß tief war. Dann nahm er ein dünnes Reis, tauchte dessen eines Ende in das Bibergeil und steckte es mit dem anderen Ende so in das Ufer, daß die angefeuchtete Spitze gerade über der Falle auf den Wasserspiegel zeigte. An jede Falle hatte Daniel einen Strick gebunden und an dessen Ende einen Busch, den er auf das Ufer legte. Wenn nun in der Nacht ein Biber auf den Wasserspiegel kam und das Bibergeil witterte, so lockte dies denselben zu sich heran, er kam bis über die Falle geschwommen, trat auf dieselbe und mußte an dem Fuße gefangen werden. Nach Verlauf von einer halben Stunde waren sämtliche Fallen in Entfernungen von etwa fünfzig Schritt gelegt und die Jäger begaben sich in gespannter Erwartung, wie viele Biber sich wohl fangen würden, auf den Heimweg. Gleich nach Sonnenuntergang langten sie schon wieder im Fort an, und abends bei verschiedener Beschäftigung um den großen Tisch wurde von nichts als von den Bibern gesprochen, deren Felle so sehr wertvoll waren.

Daniel sagte voraus, daß ganz gewiß in jeder Falle ein Biber sitzen würde, und daß er binnen einer Woche die ganze Kolonie auszufangen gedenke.

Kaum graute der Tag, als die vier Reiter abermals zu Rosse waren und im Galopp dem Pflaumenbache zujagten.

Die Knaben nahmen sich dort nicht einmal Zeit, die Pferde anzubinden, sondern baten Daniel, dies für sie zu thun, während sie selbst zu der ersten Falle liefen und gleich den Busch auf dem Ufer vermißten. Er schwamm unweit des Biberhauses auf dem Wasser, also mußte die Falle von dem Gefangenen dorthin gezogen sein. Daniel kam nun mit einem sehr langen Stock, an dessen Ende er einen hölzernen Haken befestigt hatte, und zog mit demselben den schwimmenden Busch zu sich heran. Dieser wurde nun auf das Ufer gezogen, und als die Falle an dem Stricke folgte, hing wirklich ein toter Biber darin. Er hatte sich an einem Vorderfuß gefangen, war mit der Falle in die Tiefe getaucht und hatte sich heftig gegen dieselbe gewehrt, denn seine Bisse waren an dem Eisen zu sehen und die Schärfe seiner Zähne war abgebrochen. Das schwere Eisen hat ihn in der Tiefe festgehalten und ihn ertränkt, denn der Biber kann nur eine gewisse Zeit der Luft entbehren. Der Jubel der Knaben war grenzenlos, und mit größter Erwartung rannten sie zu der zweiten Falle, die sie ebenfalls entführt fanden. Mit ihr aber kam kein Biber, sondern ein Otter hervor, denn auch diese Tiere werden durch Bibergeil herangelockt.

So ging es nun von einer Falle zur anderen, und wie es der Neger vorhergesagt hatte, so saß in jedem der Eisen ein Biber. Sieben dieser wertvollen Tiere, deren Felle zu jeder Jahreszeit vollkommen gut im Haare sind, und ein Otter waren die reiche Beute der verflossenen Nacht, und mit neuen Hoffnungen wurden die Fallen wieder aufgestellt.

Die nächste Nacht lieferte nur vier Biber als Beute, und Daniel und Karl, welche diesmal allein hinausgeritten waren, um die Fallen zu untersuchen, wählten andere Plätze für dieselben, so daß die letzte Falle in der Nähe des zerstörten Dammes zu stehen kam. Als sie am anderen Morgen abermals hinausritten, um nach dem Fang zu sehen, trennten sie sich, ehe sie den Pflaumenbach erreichten; Karl nahm die gerade Richtung nach dem Damme hin und der Neger ritt nach dem kleinen See, den der Bach oberhalb bildete. Karl drang auf einem alten, wenig benutzten Büffelpfade in den Wald ein, der nach dem Biberdamme zu führen schien, aber sehr mit Ranken und Büschen überwachsen war, so daß der junge Jäger viele Mühe hatte, sich den Weg zu bahnen. Bald aber wurde dieser freier und der Falbe schritt rascher vorwärts, als sein Reiter ihn anhielt, weil vor ihm ein alter umgefallener Kieferbaum den Pfad versperrte.

Die Entfernung bis zu demselben betrug nicht mehr als zwanzig Schritte und Karl schaute sich links und rechts um, auf welcher Seite er wohl am leichtesten den Baum umreiten könne. In diesem Augenblicke erhob sich an der Seite des Stammes eine große Masse von Kiefernbüschen und trockenem Laube, es bewegte sich darin, rauschte und brach, und in der Mitte der verworrenen dunkeln Masse kam plötzlich der Kopf eines riesigen schwarzen Bären zum Vorschein. Karl hatte bei der Bewegung, die er hinter dem Stamme bemerkte, die Büchse erhoben und darauf hingerichtet, und kaum erschien der von ihm abgewandte Kopf des Ungeheuers, so gab er Feuer. Mit dem Knall der Büchse versank die ganze erhobene Masse und Karl warf sein Pferd herum und jagte auf dem Pfade zurück, so schnell, als er sich in dem Dickicht durchwinden konnte, nach der Prairie hinaus. Er lauschte und lauschte, kein verdächtiger Ton aber drang zu seinem Ohr, dennoch wollte er es nicht wagen, ohne Daniel in den Wald zurückzureiten.

Nicht lange hatte er aber gewartet, als die laute Stimme des Negers aus dem Holze her dringend seinen Namen rief, worauf er ihm mit allen Kräften antwortete. Nach wenigen Minuten wand Daniel sich zu Fuß aus dem Dickicht hervor und rief seinem jungen Freunde ganz außer Atem zu:

»Gottlob, daß meine Angst unbegründet war; als ich Ihren Schuß hörte, fielen mir die verhaßten Wacos ein und es ergriff mich die Furcht, sie könnten nach Ihnen geschossen haben. Ich ließ mein Pferd zurück, weil ich nicht damit durch die Dickung dringen konnte, und bin wirklich schneller hier angelangt, als ich glaubte, daß es möglich sei. Wonach haben Sie denn geschossen?«

»Nach einem sehr großen Bären; er stand vor mir aus dem Laube unter einem umgefallenen Baumstamme auf, und als ich seinen Kopf sah, gab ich Feuer. Dann bin ich fortgejagt und habe nichts weiter von dem Tiere gehört,« entgegnete Karl.

»Nun, der wird auch wohl nicht viel mehr von sich hören lassen. Sie werden ihn wahrscheinlich aus seinem Winterschlafe geweckt haben, denn es ist jetzt die Schlafzeit der Bären, und hätten Sie ihn nicht tödlich getroffen, so sollte er wohl bald hinter Ihnen gewesen sein. Wir wollen ihn aufsuchen, folgen Sie mir nur nach.«

Mit diesen Worten spannte Daniel seine Büchse und schritt auf dem Büffelpfad durch das Dickicht hin, indem er mit seinem Jagdmesser die Ranken für den ihm folgenden Karl aus dem Wege hieb.

»Dort liegt der Baum, Daniel, nimm dich in acht,« rief Karl diesem zu, und machte gleichfalls seine Büchse zum Schuß bereit; doch der Neger rief lachend aus:

»Sie haben dem Freund Urian einen zu starken Schlaftrunk eingegeben, als daß er noch einmal aus seinem Palast hervorschauen sollte. Bleiben Sie dort zurück, ich will mich um den Baum herumschleichen und sehen, wo der Eingang ist.«

Hiermit sprang Daniel in das Dickicht hinein und erschien gleich nachher auf der anderen Seite des Baumes in einiger Entfernung von demselben.

»Es scheint unter dem Stamme eine Höhle zu sein, die mit trockenen Kiefernzweigen bedeckt ist,« rief er seinem Gefährten zu, warf dann mit den Worten: »Hallo, Bursche, ist's gefällig aufzustehen?« ein Stück Holz gegen den Stamm.

»Wahrhaftig, es bewegt sich unter dem Reisig!« rief er aus, und erhob die Büchse. Nach einer Weile gespannter Aufmerksamkeit aber sagte er:

»Wissen Sie, was ich glaube? Sie haben eine alte Bärin geschossen und die Jungen sind es, die in dem Laube herumspringen. Wir wollen es bald genau wissen.«

Hierauf trat der Neger nahe zu dem Baume hin und blickte mit vorgehaltener Büchse durch die Kiefernzweige.

»Richtig, wie ich Ihnen sagte, hier schaut eine Hintertatze der Alten hervor, sie liegt auf dem Rücken und zwei ganz kleine Bären sitzen auf ihr. Die wollen wir lebendig mitnehmen, die werden Ihnen tausend Spaß machen, denn es sind allerliebste Tierchen.«

Indem Daniel dies sagte, stellte er seine Büchse an den Baum und beugte sich in die Vertiefung unter demselben, aus welcher er zwei kleine Bären hervorhob, die nicht viel größer als Kaninchen waren. Karl war vom Pferde gesprungen und zu Daniel hingeeilt, wo er laut aufjauchzte, als er die niedlichen Tiere erblickte, die ganz zutraulich seinen Finger in das Maul nahmen und daran sogen. Sein Gefährte räumte nun die Zweige und das Laub hinweg, worauf die ganze Bärin sichtbar wurde. Karl mußte ihm behilflich sein, dieselbe aus ihrem Lager hervorzuziehen, wobei beide alle ihre Kräfte anzuwenden hatten.

Es war ein ungeheures Tier, welches wenigstens siebenhundert Pfund wog.

Karls Kugel war ihm von hinten in den Schädel eingedrungen. Daniel ging nun allein nach dem Bach, um die Fallen zu untersuchen, während Karl bei den kleinen Bären blieb, damit sie nicht abhanden kommen möchten. Nach Verlauf von einer Stunde kehrte der Neger zu seinem Gefährten zurück, indem er sein Pferd leitete, an dessen Sattelknopf vier gefangene Biber hingen. Dieselben wurden nun neben die Bärin gelegt, ein Tuch wurde über ihnen aufgehangen, um Raubtiere davon abzuhalten, und dann bestiegen die Jäger ihre Pferde, indem ein jeder von ihnen einen kleinen Bären in den Arm nahm. So langten sie denn glücklich in dem Fort an, wo die verwaisten Kleinen große Freude erzeugten und durch ihre Zutraulichkeit und ihr spaßiges Wesen das Mitleid der Madame Turner sowie Juliens erweckten. Daniel spannte schnell die Schimmel vor den leichten Wagen und fuhr mit Karl nach dem Waldsaume am Pflaumenbache zurück, um die Beute nach dem Fort zu schaffen. Dort nahm er eines der Pferde vom Wagen, führte es in den Wald zu dem Bären und ließ diesen durch dasselbe nach der Prairie schleifen. Mit großer Anstrengung wurde das schwere Tier endlich aufgeladen, Daniel holte noch die Biber herbei und nach Verlauf von einer halben Stunde langten sie wohlbehalten in dem Fort an. Das kostbare Fett des Bären war Madame Turner sehr willkommen, das Fleisch desselben wurde gesalzen und geräuchert und die ungeheuere Haut ward getrocknet, um dann als Decke unter dem Tische im Wohnzimmer zu dienen.

Wie es Daniel vorhergesagt hatte, so war im Laufe von zwei Wochen die ganze Biberkolonie ausgefangen. Vierunddreißig Biber waren erlegt und nirgends mehr war eine Spur von einem solchen Tiere zu entdecken. Der Wert der erbeuteten und sauber getrockneten Felle betrug gegen zweihundert Dollars, welche Warwick dafür an Turner bezahlte, um selbst noch beim Verkauf an einen Pelzhändler einen kleinen Nutzen daran zu machen.

Dem Maisfeld hatte die Überschwemmung augenscheinlich wohl gethan, denn die Pflanzen schossen ungemein kräftig empor. Die Freude und das Glück der Ansiedler über diese herrliche Aussicht für ihre erste Ernte war unbeschreiblich, denn sie nahm ihnen jede Nahrungssorge für ihre Zukunft. Zwischen die Reihen der Maisstauden hatten die Kolonisten süße Kartoffeln, Bohnen, Kürbisse und Melonen gelegt, so daß die Ernte eine überreiche und vielseitige zu werden versprach.

»Könnten wir doch den armen Leuten in unserer alten Heimat unseren Überfluß an Lebensmitteln und an Holz abgeben,« sagte Turner eines Abends, als sie alle um den Tisch herum saßen. »Der Segen in diesem Lande ist doch unglaublich. Jetzt liegt in Deutschland die Natur noch im Winterschlafe und die Felder sind wahrscheinlich mit einer Schneedecke überzogen; wir dagegen holen uns täglich frische Gemüse aus dem Garten, und diejenigen Bäume und Sträucher, welche vor wenigen Wochen das vorjährige Laub verloren hatten, treiben schon wieder junge Knospen. Und welchen Reichtum von Wild haben wir hier gefunden! Hunderte von Hirschen und Antilopen können wir fast täglich vor uns auf der Prairie werden sehen, gar nicht der Tausende von Büffeln zu gedenken, die so häufig die Umgegend, so weit das Auge reicht, bedecken.«

»Und die Bären nicht zu vergessen,« fiel Madame Turner ein, »sie sind mir der wichtigste Artikel in meiner Haushaltung; wie wollten die armen Leute in Deutschland jeden Tropfen von deren kostbarem Öl verwenden!«

»Und doch haben die Bären hier schon abgenommen, gegen jene Zeit, als noch kein Ansiedler am Choctawbache wohnte,« fiel Daniel ein. »Ich habe häufig hier mit den Indianern, unter denen ich lebte, Jagd gemacht, und erinnere mich recht gut, daß wir ein Dutzend starke Bären in einem Tage an diesem Flusse schossen. Daher hat er auch seinen Namen. Auch trafen wir hier einmal einen Grizzlybären an; dies fürchterliche Tier tötete uns einen jungen Krieger, dessen Pferd es in vollem Laufe einholte und ihn dann von demselben herabzog und zerriß.«

»Das ist ja schrecklich; jetzt giebt es doch wohl hier solche Tiere nicht mehr?« sagte Madame Turner entsetzt.

»Sie waren auch damals nur Fremdlinge in diesen flachen Gegenden. Ihre Heimat ist in den weiter westlich liegenden Gebirgen, aus denen sie im Winter, wenn dort die Nahrung spärlich wird, sich herab in die Niederungen ziehen und dann in dem Walde am Roten Flusse mitunter bis in diese Länder vordringen. Die Ansiedler aber bieten alles auf, um ihrer gleich habhaft zu werden, denn einen gefährlicheren Feind für sich selbst und für ihre Herden giebt es nicht. Ein Grizzlybär nimmt ein zweijähriges Pferd in die Arme und trägt es fort. Auch holt er jedes Pferd auf die Dauer ein, denn seine Kräfte halten länger aus, als die irgend eines anderen Tieres. Ich habe Grizzlybären erlegen helfen, die gegen zweitausend Pfund wogen. Der Himmel mag sie fern von uns halten, sonst wäre es bös für unser Vieh.«

»Das muß ja ein wahres Ungeheuer sein,« bemerkte Turner, »vor einem solchen Tiere wäre ja die Flucht kaum möglich.«

»Außer wenn man einen Baum ersteigen kann. Der Grizzlybär kann zum Glück nicht klettern,« entgegnete Daniel.

»Geht denn eine Kugel durch sein Fell?« fragte Karl.

»Das wohl, aber oft sind zwanzig Kugeln nötig, um ihn zu töten, wenn nicht zufällig eine gleich auf den rechten Fleck kommt,« antwortete der Neger.

»Nun, den Fleck könnte man ja wohl treffen,« bemerkte Karl lachend.

»Karl, Karl, du wirst mir wahrhaftig zu dreist; der Himmel bewahre dich davor, mit einem solchen entsetzlichen Tiere zusammen zu treffen,« sagte Madame Turner mit ängstlicher Betonung.

»Am sichersten ist der Schuß auf seinen Kopf, das heißt, wenn es nicht weit ist, sonst muß man ihn kurz hinter das Schulterblatt und zwar ganz tief schießen, denn das Herz des Bären liegt unten im Brustkasten,« nahm Daniel wieder das Wort und setzte noch tröstend hinzu: »Wir werden aber wohl niemals einen solchen Besuch hier bekommen, denn der Grizzlybär läßt sich nur selten in der Nähe von Ansiedelungen sehen.«

Da der Mais die Thätigkeit der Kolonisten jetzt nicht in Anspruch nahm, so benutzten dieselben die Zeit, um das Feld herum noch mehr Bäume zu töten und das Buschwerk abzuhauen, damit sie es im kommenden Herbste vergrößern könnten. Auch fällten sie Bäume und spalteten daraus zwölf Fuß lange Holzstücke, die sie dann zur Erweiterung der Einzäunung benutzen wollten. Dies war die Ursache, daß während einer ganzen Woche keiner von ihnen auf die Jagd gegangen und kein frisches Wildbret auf den Tisch gekommen war. Madame Turner bemerkte eines Abends beim Essen, daß sie wohl ein Stück Wild zu haben wünsche, und Karl erbot sich mit Freuden dazu, am folgenden Morgen hinauszureiten und einen Hirsch zu schießen. Arnold und Wilhelm baten, daß sie ihn begleiten dürften, worin Turner einwilligte, unter der Bedingung, daß sie sich nicht weit von dem Fort entfernen wollten.

Die beiden jüngeren Knaben waren schon ganz gute Reiter, da sie sich fast täglich übten, indem sie die Pferde zum Wasser brachten und sehr häufig abends, wenn die Kühe nicht bei guter Zeit zu Hause kamen, in die Prairie hinausritten und das Vieh heimtrieben; dabei gab es denn manch lustiges, wildes Rennen. Turner hatte sich durch Warwick zwei mexikanische Sättel für seine Knaben verschafft, in welchen man ungleich sicherer und fester sitzt, weil sie einen hohen Sattelknopf und sehr hohe Rücklehnen haben. Zugleich waren die Knaben schon recht gute Schützen, wenn auch nicht so gewandte Jäger wie Karl; denn Turner war zu ängstlich, um sie allein weit hinausreiten zu lassen. Am folgenden Morgen sollten sie nun ihre erste Jagd zu Pferde machen und Karl sollte sie führen und über sie wachen, damit ihnen kein Unglück zustoße; denn Daniel war mit dem Felde sehr beschäftigt, und einen Hirsch konnten die drei Knaben ja leicht allein in der Nähe des Forts erlegen.

Arnold und Wilhelm konnten kaum den Tag erwarten, und als dessen erstes Licht erschien, waren sie schon mit den Vorbereitungen zur Jagd beschäftigt. Sie richteten alles so ein, wie Karl es that, nur fehlten ihnen die Revolver, welche jener heute umschnallte, und die schöne Jaguarhaut, die derselbe auf dem Sattel liegen hatte.

Die beiden Schimmel wurden nach dem Frühstück für sie aufgezäumt, Turner untersuchte selbst noch das Riemenzeug, und als er seinen beiden Söhnen in die Sättel half, ermahnte er sie nochmals zur größten Vorsicht und sagte zu Karl: »Du wirst gut auf sie acht geben, Karl; eins mußt du mir aber noch versprechen: daß ihr keine Büffeljagd machen wollt, hörst du, mein Junge?«

»Nein, gewiß nicht, Onkel; wir schießen nur einen Hirsch, und dann kommen wir gleich zurück,« entgegnete Karl mit seiner treuherzigen Stimme.

»Nun, so reitet mit Gott,« sagte Turner, während seine Gattin zu Karl an das Pferd getreten war und, ihm die Hand drückend, sagte: »Karl, sei vorsichtig mit meinen Kindern und kommt bald zurück.«

»Das trockene Gras ist so hoch, junger Herr, daß Sie sehr nahe an das Wild hinanreiten können,« rief der Neger noch Karl zu. »Halten Sie dann die Pferde an, binden Sie den Schimmeln die Füße zusammen und schleichen Sie sich mit ihren Brüdern zu Fuße an die Hirsche. Sie können Arnold und Wilhelm heute den ersten Schuß zukommen lassen und nur noch nachhelfen, wenn es nötig sein sollte.«

Karl winkte dem Neger scheidend die Versicherung zu, daß er thun werde, wie derselbe ihm angedeutet hatte, und lustig trabten die drei Knaben den Hügel hinab bis in das hohe Gras, wo die Pferde von selbst in Schritt fielen. Das Gras reichte den Tieren bis an den Bauch hinauf und war abgestorben, während die jungen Halme schon fußlang zwischen ihm emporstanden und auf dem Grunde eine frischgrüne Decke bildeten. Karl nahm die Richtung nach der Spitze des Waldes am Pflaumenbache, wo dieselbe in der Prairie endigte, weil er dort immer das meiste Wild gesehen hatte. Auf dem Wege dahin sprangen wiederholt Hirsche aus dem hohen Grase und flohen vor den nahenden Reitern, doch vergebens strengte Karl seine Blicke an, weidendes Wildbret von fern zu erkennen, um sich ihm vorsichtig nahen zu können.

Sie hatten die letzte Waldspitze erreicht, die nur aus einzelnen hohen Bäumen bestand, und Karl hielt sein Pferd an, um unter demselben hinzuspähen, ob dort nicht ein Hirsch zu erkennen sei. Nachdem er vergebens eine Zeitlang auch mit dem kleinen Fernglas den Wald durchschaut hatte, sagte er zu seinen Kameraden: »Sonderbar, daß gerade heute hier kein Hirsch steht, ich bin doch fast nie hier gewesen, ohne mehrere zu sehen. Man kann hier so leicht von Baum zu Baum an sie schleichen. Es hilfts uns nichts, wir müssen in die Prairie hinausreiten, dort nach jenen Waldinseln zu, die ihr wie blaue Wolken über dem Grase hervorblicken seht. Laßt uns weiter reiten, wir treffen sicher bald Wildbret an.«

Hiermit lenkte Karl sein Pferd von der Waldspitze ab nach Westen in die offene Grasflur und Arnold und Wilhelm ritten zu seinen beiden Seiten. Wohl eine Viertelstunde lang hatten sie während des Reitens eifrig sich nach Wildbret umgesehen, als Karl in weiter Ferne vor sich ein Rudel starker Hirsche erkannte, die sich vertraut ästen und miteinander scherzten

»Dort steht ein Rudel, seht dort, wo die zwei Mosquitobäume aus dem Grase hervorragen; gleich links daneben.«

»Ja, ja, ich sehe sie!« sagten seine beiden Gefährten zugleich.

»Es ist noch sehr weit, wir können noch viel näher zu ihnen hinreiten. Es sind starke Hirsche, ich kann schon von hier die Geweihe erkennen, denn der Bast sitzt noch daran, was sie so dick macht. Beugt euch aber etwas auf den Hals der Schimmel, damit eure schwarzen Hüte uns nicht verraten,« sagte Karl und neigte sich selbst nach vorn. Sie ritten in langsamem Schritt vorwärts und die Formen der Hirsche wurden ihren Blicken immer deutlicher.

»Es sind neun Stück,« hob Karl wieder nach einer Weile an.

»Wollen wir noch nicht absteigen?« fragte Arnold in seinem Jagdeifer.

»Nein, noch nicht; ich will es euch schon sagen, wenn es Zeit ist. Legt euch nur hübsch hinter die Hälse eurer Pferde,« entgegnete Karl, indem er neben dem Kopfe seines Rosses nach dem Wilde blickte. Plötzlich fuhr der Falbe zusammen und machte einige Sätze vorwärts, indem er schnaubend seinen Kopf hoch empor richtete und hinter sich blickte. Karl riß ihn ungehalten mit dem Zügel zurück und schaute sich dann selbst um.

»Mein Gott, was kommt dort von der Waldspitze her – seht ihr es – dort über dem Grase – es ist ein Bär – aber kein schwarzer – es ist ein grauer Bär!« rief Karl, seinen Falben mit Gewalt zurückhaltend, während auch die Schimmel schon das Weite suchen wollten.

»Ach Gott, Karl, was sollen wir thun? der holt uns ein. Laß uns nach dem Fort zurückjagen!« rief Arnold entsetzt, und Wilhelm jammerte: »Ach lieber Gott – Karl – hilf uns!«

»Er hat uns den Weg nach dem Fort abgeschnitten. Seid aber nur ruhig, er kann uns nicht einholen, unsere Pferde sind zu gut. Laßt den Schimmeln die Zügel und folgt mir, treibt sie aber nicht an und sitzt fest im Sattel. Es hat nichts zu sagen, der soll uns wohl nicht kriegen. Vorwärts!« rief Karl und ließ seinem Falben die Zügel schießen, der nun, von den Schimmeln gefolgt, über das hohe, trockene Gras dahinsauste. Augenscheinlich hatten die Tiere trotz der großen Entfernung den furchtbaren Feind erkannt, denn sie wandten im vollen Jagen die Köpfe bald links, bald rechts, um nach dem Bären zurückzublicken, der in ungeheuren Sätzen über das Gras heranstürmte und ihnen in Schnelligkeit vollkommen gleich blieb.

»Er bleibt schon zurück!« rief Karl jetzt seinen Brüdern zu, um sie zu beruhigen, obgleich ein Blick nach dem Bären ihn überzeugte, daß derselbe noch ebenso nahe hinter ihnen war, als im ersten Augenblicke der Flucht. Er hielt seinen Falben gewaltsam zurück, da es ihm schien, daß die Schimmel ihm nicht so schnell folgen konnten, gab ihm aber immer wieder die Zügel, um die beiden Wagenpferde zu größerer Eile anzufeuern.

»Laßt nur die Zügel frei und treibt eure Pferde etwas mehr an, dann wollen wir bald in Sicherheit sein!« rief Karl, indem er sich nach seinen Brüdern umsah und zugleich einen Blick auf das schreckliche Tier warf, welches immer in gleichem Sprunge ihnen folgte.

Schneller konnten die Schimmel nicht laufen, das sah Karl wohl ein, und er wußte, daß sein Falber ihn mit Leichtigkeit von ihnen fortgetragen haben würde; er hielt ihn aber zurück, so daß er nur einige zwanzig Schritte vor seinen Kameraden hinsauste. Fort ging es in unausgesetztem Sturmeslauf vorwärts hügelauf, hügelab, ohne daß die Entfernung zwischen den beiden Rossen und dem ihnen folgenden Ungeheuer sich vermindert hätte. Meile auf Meile blieb zurück, die Pferde bedeckten sich mit Schweiß, die weißen Schaumflocken flogen von ihren Gebissen und immer keuchender schnaubten sie aus ihren weit ausgespannten blutroten Nüstern. Karl sprach seinen Brüdern unaufhörlich Mut zu und diese trieben die Schimmel mit Sporn und Peitsche an; ihre Schnelligkeit aber begann nachzulassen und der Bär kam ihnen näher. Vor den Fliehenden hob sich jetzt rasch die Waldinsel deutlich empor und nach ihr hin richtete Karl seinen Lauf. Noch wußte er nicht, in welcher Weise das kleine, dichte Gehölz ihnen Hilfe bringen sollte, wenn es aber eine Rettung gab, dann mußte sie dort gesucht werden. Näher und näher rückten sie dem Wäldchen und näher und näher kam ihnen der grimmige Feind. Noch lagen nur hundert Schritte zwischen ihnen und dem Gehölz, als Karl sein Roß noch mehr zurückhielt, so daß seine Brüder an seine Seite kamen.

»Jetzt sind wir gerettet!« rief er ihnen zu, »sobald wir an dem Wäldchen dicht vorüberjagen, biegt ihr beiden links um dasselbe herum, so daß der Bär euch nicht mehr sieht; ich bleibe etwas zurück, bis er mir ganz nahe ist, und dann lasse ich meinen Falben rechts ab davonjagen. Der Bär wird mir folgen, ich werde ihm aber bald aus den Augen sein und dann komme ich nach Hause. Eilt, so schnell ihr könnt, von der Waldinsel nach dem Fort und sagt dort, daß der Bär mich nicht kriegen könnte, daß ich aber erst spät nach Hause kommen würde.«

Das Wäldchen war erreicht, Karl blieb jetzt hinter seinen Brüdern zurück und rief ihnen zu:

»Vorwärts, jagt um das Holz herum und dann nach Hause, ich komme bald nach.«

Dabei parierte er sein Pferd, das sich wild und entsetzt bäumte, denn der Riesenbär kam herangestürzt und war nur noch kaum hundert Schritte von ihm entfernt. Karl sah ihn an, er bebte aber nicht, denn er sah im nächsten Augenblick seine Brüder um das Gehölz verschwinden. Jetzt ließ er dem Falben abermals die Zügel schießen und jagte rechts vom Holze ab, in die Prairie hinaus. Seinen Blick hielt er nach dem Ungeheuer gerichtet, ob es ihm auch folgen würde.

»Gottlob!« entfuhr Karls Lippen, als er den Bären hinter sich sah, und nun sprach er dem Falben zu, sein Bestes zu thun. Kaum fühlte das brave Tier die freien Zügel, kaum hörte es den aufmunternden Ruf seines Reiters, da flog es davon, als ob seine Hufe den Boden gar nicht berührten, und der Bär blieb weit zurück.

»Gottlob!« sagte Karl abermals, als er gewahrte, daß der Feind ihm nicht so schnell folgen konnte, und »Gottlob!« rief er laut aus, als er nach der Insel zurückblickte und an deren anderer Seite seine beiden Brüder schon in weiter Ferne davonjagen sah.

»Nun sollst du mich wohl nicht kriegen, du abscheuliches Tier,« dachte Karl, und schmeichelte seinem Falben, indem er ihm den nassen Hals liebkosend klopfte. Bald war der Bär mehrere tausend Schritte hinter dem entschlossenen Knaben zurück und derselbe atmete wieder freier auf. Er ließ seinem Pferde jetzt freien Willen, denn daß der Bär ihn nicht einholen konnte, das war ja gewiß; dennoch schaute er immer nach demselben zurück, in der Hoffnung, daß er die Jagd aufgeben würde. Der Bär veränderte weder seinen Sprung, noch seine Eile und stürmte in der Bahn vorwärts, die der Falbe in dem Grase gebrochen hatte. Die Insel verschwand hinter Karl in blauem Duft und vor ihm hob sich ein Waldstrich aus der Prairie empor, der sich weit am westlichen Horizont hinzog. Das mußte der Wald sein, von welchem ihm Daniel oft erzählt hatte, daß er nur aus einzeln stehenden Lebenseichen bestehe, deren Kronen ein dichtes Laubdach bildeten, während der Boden mit einer feinen Grasdecke überzogen sei. Den Wald mußte Karl zu erreichen suchen, so dachte er, und trieb jetzt seinen Falben stärker an, denn dessen Schnelligkeit hatte abgenommen und es schien dem Knaben, daß der Bär wieder etwas näher gekommen sei. Das Pferd gehorchte im Augenblick jeder Anforderung seines Reiters, aber jedesmals auf kürzere Zeit, dann ließ es wieder im Laufe nach. Seine Sprünge wurden kürzer und mühsamer, sein Atem wurde schwer und Karl erkannte es zu seinem Schrecken, daß die Kräfte des edlen Tieres schnell abnahmen. Im Laufe des Bären war keine Änderung.

Die Möglichkeit, daß das furchtbare Ungetüm ihn einholen könne, fing an, in dem Knaben mehr und mehr zur Gewißheit zu werden, und die dann nötige Verteidigung vereinigte jetzt mit aller Willenskraft seine ganze geistige Thätigkeit.

Der Schuß durch den Kopf und der durch das Herz des Tieres mußten ihm gelingen, davon war Karl überzeugt, und dann war er und der Falbe gerettet. Wie aber, wenn die Kugeln dennoch nicht den rechten Fleck träfen? Der graue Bär konnte aber nicht klettern, hatte Daniel gesagt, und der Eichenwald war ja schon ganz nahe vor Karl, ein Baum sollte ihm Schutz und dem Pferde Rettung bringen! Jetzt drückte der Knabe beide Sporen fest in die nassen Flanken des treuen Rosses, und nochmals stob dasselbe fliegend dahin, und abermals ließ es den Bären weiter zurück. Die Eichen waren erreicht und in sausender Carriere jagte Karl zwischen ihnen hindurch, indem er weithin nach einem Baume spähte, der seinem Zweck entsprechen würde. Noch hatte er mehrere tausend Schritte Vorsprung vor seinem grimmigen Verfolger, da hielt er plötzlich das Pferd vor einer Eiche an und sprang im selbigen Augenblick aus dem Sattel.

Ein Schlag mit der Peitsche und die in der Ferne heranstürmende Riesengestalt des Bären trieben den Falben in wilder Flucht davon, während Karl die Büchse um den Nacken hing und den nicht starken, aber rauhen Stamm der Eiche erklomm. Nach wenigen Augenblicken stand er auf den ersten Ästen, die wohl fünfzehn Fuß über der Erde erhaben waren, und nahm die Büchse vom Nacken, um sie zum Gebrauch fertig zu machen. Jetzt hörte er die schweren Schritte des Bären nahen, die Erde dröhnte unter seiner Wucht und Karl konnte deutlich das laute Ächzen seines Atems vernehmen.

Da kam der Bär unter den Eichen her, gerade auf den Baum zu, auf welchem Karl stand. Wie aber, wenn derselbe vorüberrennen und dem Pferde folgen sollte? – dann wäre dasselbe verloren! In schwerfälligen, ungeheuren Sätzen stürzte der Bär jetzt zwischen den nächsten Stämmen hervor, Karl hatte die Büchse auf ihn gerichtet, er gab Feuer und riß den Hut vom Kopfe, den er dem Ungeheuer vor die Füße warf, in dem Augenblicke, als dasselbe den Baum erreichte. Mit einem dumpfen Wutgebrüll fiel der Bär über den Hut her und schlug seine Zähne und Klauen in den Filz ein; da blitzte es zum zweitenmale vom Baume herab und im Schuß rollte der Bär kopfüber. Im nächsten Augenblick aber richtete er sich wieder empor und sah zähnefletschend nach dem, Schützen hinauf. Er sprang an dem Stamme in die Höhe und schlug mit den Riesentatzen nach seinem Gegner, reichte jedoch nicht ganz bis an den Ast, auf dem Karl stand, und dieser sah, wie ihm das Blut vom Kopf und von der Seite herabströmte. Mit einem furchtbaren Wutausbruch faßte der Bär den Baumstamm und schüttelte ihn, als wolle er ihn aus der Erde reißen. Karl aber hatte den Revolver gezogen, hielt ihn dem brüllenden Ungetüm entgegen und feuerte in dessen weit geöffneten Rachen.

Der Bär umklammerte nach dem Schusse mit den Vordertatzen den Stamm und stieß ein röchelndes, dumpfes Brummen aus. Karl aber richtete den Revolver nun mitten auf den Kopf des Tieres und mit dem Knall sank dasselbe zuckend und an allen Gliedern zitternd am Stamme nieder.

»Gott sei gelobt und gedankt!« rief Karl aus und faltete seine Hände, indem er die Waffen in den Armen an sich drückte und mit thränenfeuchtem Blick zum Himmel über sich schaute. Dann sah er wieder hinab; da lag das Ungeheuer zu seinen Füßen hingestreckt, doch das Leben war noch nicht ganz aus ihm gewichen. Karl schob den Revolver in den Gürtel und lud, so schwierig es ihm auch wurde, seine Büchse wieder, denn ehe er sich zu dem Tiere hinab begeben wollte, mußte er von dessen Tode überzeugt sein. Er schoß ihm nun noch eine Büchsenkugel durch den Schädel, worauf jede Bewegung des Bären aufhörte und Karl sich an dem Stamme herabließ. Einige Augenblicke stand er erstaunt vor dem toten Riesenkörper, dann aber dachte er an seinen Falben und beschloß, dem treuen Tiere sofort zu folgen. Er lud schnell den abgeschossenen Lauf, suchte nun die Spur des Pferdes, der er dann mit raschen Schritten folgte; denn das Gras war seiner Eile nicht hinderlich.

Die Sonne stand hoch am Himmel und Karl war durch die ungewöhnlichen Anstrengungen sehr ermüdet, der Schatten aber, den das dichte Laubdach der immergrünen Eichen gewährte, und die frische Luft, die unter demselben hinzog, thaten ihm wohl und ließen ihn wieder zu Kräften kommen. Das Gras war sehr fein und nicht lang, so daß er jeden Tritt seines Pferdes leicht erkennen und ihm ohne Unterbrechung folgen konnte, während sein Blick sehnlichst und besorgt auch in die Ferne schweifte, ob er das geliebte Roß nicht erspähen könne.

Um diese Zeit nahten sich seine geretteten Brüder dem Fort. Kaum konnten die Schimmel sich noch im Galopp erhalten, so sehr die Peitschen und Sporen der Knaben sie auch antrieben.

Immer noch wandten diese bebend ihre ängstlichen Blicke zurück über die weite Grasflur und meinten, sie müßten im nächsten Augenblick wieder das entsetzliche Tier hinter sich herstürmen sehen. Auch die Pferde hatten das Ungeheuer noch nicht vergessen, denn auch sie blickten sich oft schnaubend um und stürzten vorwärts, als wollten sie laufen, bis sie tot zusammenbrächen. Der Anblick des Forts gab den Rossen und Reitern wieder Trost und ließ sie ihre Erschöpfung vergessen, und mit fliegenden Mähnen und verhängten Zügeln jagten sie mit den letzten Kräften durch das hohe Gras dem heimischen Hügel zu.

Madame Turner hatte wohl eine Stunde über die gewohnte Zeit mit dem Mittagsessen auf die Rückkehr der Knaben gewartet und ging jetzt hinaus vor das Fort zu ihrem Gatten und zu Daniel, welche schon seit einiger Zeit dort gesessen hatten, um nach den jungen Jägern auszuspähen. Noch war nichts von ihnen zu sehen, und auch Julie war hinzugetreten, als Madame Turner sagte:

»Wo mögen die Jungen nur so lange bleiben, sie wollten sich doch nicht weit entfernen?«

»Sie werden wohl einen Hirsch angeschossen haben und ihn verfolgen. Man weiß stets, wann man auf die Jagd geht, nie aber, wann man von ihr zurückkommen wird,« bemerkte Daniel.

»Daß man aber gar nichts von ihnen sehen kann, und daß wir auch keinen Schuß gehört haben!« sagte Turner mit sichtbarer Unruhe.

»Wenn ihnen nur kein Unglück zugestoßen ist. Wir hätten sie doch nicht sollen allein reiten lassen,« fiel Madame Turner ein.

»Karl ist ja dabei und er ist ein ebenso guter Schutz, als ob ich mitgeritten wäre. Seien Sie ohne Sorgen, er wird die beiden Knaben wohlbehalten zurückbringen,« versetzte der Neger.

»Dort sehe ich etwas herankommen, ich glaube es sind die Schimmel,« fiel Julie plötzlich ein und zeigte in die flache Ferne.

»Das sind sie – in voller Jagd – sie haben etwas angeschossen!« sagte Daniel und hielt die Hand über die Augen, um schärfer spähen zu können.

»Mein Gott – ich sehe den Falben nicht – nur die beiden Schimmel kann ich erkennen!« rief der Neger nach einer Weile und setzte mit ängstlicher Stimme noch hinzu: »Das ist auch keine Jagd – das sieht mir aus wie Flucht; da ist etwas geschehen – sie kommen ja in gerader Richtung auf uns zu – Karl ist nicht dabei!«

»Um des Himmels willen, wenn ihm nur kein Unglück zugestoßen ist!« sagte Madame Turner und preßte ihre gefalteten Hände bebend zusammen.

Schweigend und von Schrecken erstarrt hefteten alle ihre Blicke auf die beiden heranjagenden Knaben und ihre Angst, ihr Entsetzen steigerte sich mit jedem Sprunge, den die Schimmel über das Gras thaten.

Bald erkannten sie auch an den Bewegungen der Pferde deren große Erschöpfung, sahen, wie die Knaben sie mit den Peitschen zur Flucht antrieben und wie den Tieren der weiße Schaum von den Gebissen flog.

»Wo ist Karl, um Gottes willen, wo ist Karl?« riefen alle zugleich den Knaben entgegen, als dieselben im Galopp den Hügel herangesprengt kamen, und »wo ist Karl?« wiederholten alle, als Turner und Daniel sie aus den Sätteln hoben.

»Ein grauer Bär!« war alles, was die entsetzten Knaben hervorstammeln konnten, die sich jetzt weinend in die Arme ihrer Eltern schmiegten.

Daniel hatte aber kaum das Wort »Bär« gehört, als er in das Gras hinunterstürzte, sein Pferd von dem Strick befreite und mit ihm nach dem Fort zurückrannte.

In wenigen Minuten hatte er es gesattelt, hatte seine Waffen ergriffen und trat nun zu Turners in das Haus, um noch weitere Auskunft über Karls Schicksal zu erhalten, ehe er sich zu dessen Auffinden entfernte.

Er fand die ganze Familie in Thränen und Jammer, denn jetzt hatten die Knaben den Hergang der unglücklichen Begebenheit erzählt. Mit lautem Schluchzen und Wehklagen empfingen Turners den treuen Neger und machten sich die bittersten Vorwürfe, daß sie ihre Zustimmung zu der Jagd gegeben hatten.

»Noch ist nicht alles verloren,« sagte Daniel tröstend, »der Falbe ist ein edles Pferd und Karl ein guter Reiter. Er hat die Richtung nach dem Eichenwald genommen und er wußte, daß der graue Bär nicht klettern kann. Noch gebe ich die Hoffnung nicht auf, daß der Himmel ihn beschützt hat.

Hiermit sprang der Neger hinaus zu seinem Pferde, schwang sich in den Sattel und sprengte in fliegendem Laufe der Waldspitze am Pflaumenbache zu. In sehr kurzer Zeit hatte er dieselbe erreicht und dort auch die Riesenfährte des Bären erkannt. Im Galopp folgte er derselben nach der Waldinsel, wo Karl seine Brüder gerettet und den Blutdurst des Raubtieres auf sich selbst gelenkt hatte. Hier fand Daniel nun die Fährte des Falben mit der des Bären zusammen und sie führten ihn dem Eichenwalde zu.

Der Himmel hatte sich mit grauem Gewölk überzogen und ein heftiger Wind war von Süden her aufgesprungen, als der Neger den Wald erreichte, unter dessen Laubdach das immer dort herrschende Düster schon durch den einbrechenden Abend vermehrt wurde. Dennoch konnte Daniel von seinem Pferde herab die Fährte des Falben und des Bären erkennen, wenn er ihnen auch mehr Aufmerksamkeit schenken mußte, als in dem hohen Grase der Prairie, wo die zerrissenen und niedergedrückten Halme dieselben auf weithin bezeichneten. Er mußte seiner Eile, seiner Sehnsucht aber Gewalt anthun und im Schritt reiten, um nur die Fährten nicht zu verlieren. Bald aber wurde es so düster, daß er dieselben vom Sattel herab nicht mehr erkennen konnte, weshalb er abstieg und sein Pferd führte. Mit schwerem Herzen ging er von Baum zu Baum und suchte den Gedanken zu bekämpfen, daß er plötzlich den Fleck erreichen würde, auf welchem sein junger Freund ein Opfer seines edlen Herzens geworden – und durch das fürchterliche Tier gemordet war. Er mußte der zunehmenden Dunkelheit wegen gebückt gehen, um die Fußstapfen des Bären erkennen zu können, schritt aber immer noch mit möglichster Eile vorwärts, als er plötzlich aufsah und sein Blick auf das getötete Ungetüm fiel.

»Gerettet, gerettet, mein junger Herr ist gerettet!« schrie der Neger laut zum Himmel auf und hob seine Hände gefaltet empor, dann zog er sein Pferd im Trabe hinter sich her zu dem Bären, bei dem er niederfiel, um sich zu überzeugen, daß er durch Karls Kugeln getötet sei. Bei seiner Herzensfreude jubelte er hell auf, ließ seinen gellenden Jagdruf durch den Wald ertönen und feuerte die beiden Rohre seiner Büchse ab. Antwort wurde ihm keine andere gegeben, als die, welche eine Eule ihm klagend zurief; der Neger aber lachte lustig auf und sagte: »Du lügst, ich habe bessere Kunde von meinem jungen Herrn!«

Karl war schon zu weit von Daniel entfernt, als daß er dessen Schüsse hätte hören können.

Er war während des ganzen Nachmittags den Huftritten seines Rosses unermüdlich gefolgt, bald rechts, bald links, bald vorwärts, bald rückwärts, so daß er zuletzt gar nicht mehr wußte, in welcher Richtung er gehe, denn die Sonne hatte sich versteckt und seinen Kompaß hatte er unglücklicherweise zu Hause gelassen. Es war ihm aber im Augenblick auch ganz einerlei, wo hinaus er ginge, denn er stand ja noch immer auf der Fährte seines Falben und das war der beste Wegweiser, den er sich jetzt wünschen konnte. Lange Zeit hatte die Fährte deutlich gezeigt, daß das Pferd flüchtig gewesen war, dann aber hatte es sich in Trab gesetzt und nun erschienen die Fußtritte im Schritt. Es war um dieselbe Zeit, als Daniel den Bären fand, daß Karl nur noch mühsam die Fährte seines Rosses erkennen konnte und mit traurigem, verzweifelndem Herzen blickte er zu dem grauen Himmel auf, weil er befürchtete, daß ein schwerer Regen jedes Kennzeichen von dem Wege verwischen würde, welchen der Falbe eingeschlagen hatte. An sich selbst dachte er noch gar nicht, er fühlte keine Müdigkeit, keinen Hunger, keinen Durst; das heiße Verlangen, sein braves Pferd wiederzufinden, erdrückte jedes andere Gefühl in ihm. Jetzt wurde er irre in der Fährte, es war zu dunkel, um sie noch zu erkennen; er beschloß daher, hier unter einer alten Eiche zu schlafen und am folgenden Morgen sein Suchen wieder zu beginnen.

Er stellte seine Büchse an den Baum und war im Begriff, seine Jagdtasche abzulegen, als er in der Ferne unter den Eichen eine Bewegung bemerkt zu haben glaubte. Er fuhr zusammen, denn die Hoffnung, die ihn bis hierher begleitet hatte, erwachte in dem Augenblick wieder mit aller Stärke. Er verwandte keinen Blick von jenem Fleck zwischen den schwarzen Stämmen, und da bewegte es sich abermals. Schnell hatte er die Büchse ergriffen und sprang von Baum zu Baum, jedoch vorsichtig dem sich bewegenden Gegenstande zu, der vor seinem Blick immer heller erschien, bis er plötzlich die gefleckte Jaguarhaut auf der unbestimmten Form seines Falben erkannte.

»Falber, Falber!« schrie er dem Pferde zu, um sich ihm zeitig zu erkennen zu geben, damit das geängstigte Tier nicht etwa die Flucht vor ihm ergreifen möge, und ging nun mit liebkosenden, zutraulichen Worten näher und näher zu ihm heran.

Das Pferd hatte ihn bald erkannt, wieherte ihm freudig entgegen, und als Karl mit den Worten zu ihm trat: »Ja, Falber, ehrlicher Falber, freust du dich denn, daß ich wieder bei dir bin?« da wieherte das Tier abermals und legte seinen Kopf auf die Schulter seines jungen Herrn.

Karl war im Begriff, dem Pferde Sattel und Zeug abzunehmen, da erkannte er weiterhin unter den Eichen einen Gebüschstreifen und er zog es vor, dort sein Nachtlager aufzuschlagen, weil er in dem Dickicht weniger leicht gesehen werden konnte und die Dunkelheit ihn noch nicht genug verbarg. Er führte sein Pferd nach dem Gebüsch hin und fand in demselben zu seiner größten Freude ein frisches Quellwasser, welches wahrscheinlich den Falben herbeigelockt hatte; denn derselbe war schon dabei gewesen, wie dessen Huftritte in dem weichen Boden zeigten.

Für Karl war diese Entdeckung eine große Wohlthat, denn jetzt, da sein Verlangen nach dem Pferde gestillt war, fühlte er seine Erschöpfung und einen brennenden Durst.

Er warf sich an den Quell nieder, und als er sich nach Herzenslust daran gelabt hatte, nahm er dem Falben Sattel und Zaum ab und band ihn mit dem Seil, welches derselbe zu dem Zwecke um den Hals trug, an ein junges Bäumchen, damit er noch in dem üppig grünen wilden Roggen weiden könne, der zwischen den Büschen den Boden bedeckte.

Dann legte Karl sein Jagdgerät ab, breitete seine Jaguarhaut unter einer alten Eiche aus und ließ sich darauf nieder, um nun der Ruhe zu pflegen, die ihm so sehr nötig war. Madame Turner hatte ihm am frühen Morgen, wie sie immer zu thun pflegte, wenn Karl auf die Jagd gehen wollte, ein Stück Brot und etwas Fleisch in die Jagdtasche gesteckt, dies holte er jetzt hervor und stillte seinen Hunger damit, der sich auch nun fühlbar gemacht hatte.

Karl meinte, so gut habe ihm noch niemals eine Mahlzeit geschmeckt, er fühlte sich dabei so froh und so beglückt im Herzen, denn er dachte an seine geretteten Brüder und an den Jubel, den ihre Rückkehr nach der überstandenen Gefahr im Fort erzeugt haben mußte. Freilich wußte er, daß Turners sehr besorgt um ihn sein würden, er hatte ihnen ja aber sagen lassen, daß er vielleicht spät nach Hause kommen könne, und mit dem ersten Tageslicht wollte er ja auch seinen Rückweg nach dem Fort antreten.

Wo hinaus aber lag das Fort? – darüber war Karl mit sich nicht eins; er tröstete sich aber damit, daß morgen die Sonne scheinen würde und er nur ihrem Aufgange entgegen zu reiten brauche, um an den Bärfluß zu gelangen, denn derselbe floß ja von Süden nach Norden in den Roten Fluß.

Dieserhalb beruhigt und mit dem beseligenden Bewußtsein, eine gute That vollbracht zu haben, sank er bald auf seinen Sattel zurück und verfiel in einen süßen, stärkenden Schlaf.

Der Wind nahm von Stunde zu Stunde an Heftigkeit zu, er pfiff und heulte durch die alten Eichen, schüttelte ihre gewaltigen Äste und warf ihr trockenes Holz von ihnen auf die Erde nieder; Karl hörte nicht, was um ihn her vorging, und fühlte nicht, wie der Wind in seinen reichen Locken wühlte, er schlief den Schlaf der Guten und träumte von seinen Brüdern. Kaum aber graute der Tag, als er erwachte und sich verwundert umblickte, denn im ersten Augenblick wußte er nicht, wo er war.

Der Falbe wieherte laut auf, als er die Bewegung seines Herrn sah, und Karl ermunterte sich schnell und sprang zu dem Pferde, um dasselbe auf einen anderen Weideplatz zu führen. Zugleich hörte er etwas weiter an dem Wasser hinunter den kollernden Ruf von wilden Truthühnern, womit sie den Morgen begrüßten. Karl hatte nichts mehr zum Essen bei sich, deshalb ergriff er seine Büchse und sprang schnell in das Buschwerk dem Rufe der Truthühner nach. Er gelangte an die letzten Büsche, wo er wohl fünfzig dieser kolossalen Vögel aus demselben hervor unter den Eichen hinrennen sah.

Ihr Lauf war so flüchtig, wie der eines Pferdes, doch Karl hatte schnell einen der größten Hähne unter ihnen gewählt und sandte ihm seine Kugel nach. Sie traf, der Vogel stürzte, mit den Flügeln um sich schlagend, zusammen und Karl trug ihn eilig nach seinem Lagerplatz. Dort zündete er sogleich ein Feuer an, schnitt die besten, fettesten Stücke Fleisch von der Brust des Vogels, spießte sie an einen Stock und pflanzte sie vor der Feuerglut zum Braten auf. Das Frühstück war bald bereitet und schmeckte Karl vortrefflich, als er es aber beendet, eilte er, sich zum Nachhauseritt fertig zu machen, denn er wußte, wie sehr man nach seiner Rückkehr verlangen würde.

Der Falbe hatte sich in dem fetten wilden Roggen tüchtig etwas zu gute gethan, er wurde rasch gesattelt und Karl schwang sich auf ihn hinauf, mit dem freudigen Gedanken daran, welcher Jubel ihn im Fort empfangen würde. Die Sonne war nicht erschienen, der hohe Himmel war mit einem Hellen, einfarbigen Grau überzogen und der Wind blies mit einer solchen Gewalt durch die Bäume, daß ihre Äste wild umherschlugen und knarrten und krachten. Karl beschloß nun, auf der Fährte des Falben seinen Rückweg nach dem Bären zu suchen, denn von dort aus konnte es ihm dann nicht schwer werden, sich nach Hause zu finden. Das niedergetretene Gras hatte sich aber während der Nacht in den Huftritten wieder aufgerichtet, der Wind hatte die Halme über denselben vereinigt und es war unmöglich, sie noch zu erkennen. Karl blickte verlegen um sich, denn er wußte wirklich nicht, wo hinaus er reiten sollte. Die Richtung, von woher er am Abend zuvor den Falben zuerst erblickt hatte, glaubte er jedoch zu erkennen und hiernach wählte er seinen Weg; denn geritten mußte werden. Er setzte sein Pferd in Trab und ließ seine Blicke über den Boden hinschweifen, in der Hoffnung, doch wohl einmal des Falben Spur vom vergangenen Tage zu finden; doch gelang es ihm nicht, so aufmerksam er auch war. Wie hätte dies auch geschehen können, er ritt ja in der entgegengesetzten Richtung von der, welcher er zu folgen glaubte; er ritt nach Westen und das Fort lag hinter ihm im Osten. Als er nun glaubte, in die Nähe des Bären zu kommen, strengte er seine ganze Sehkraft an, um ihn zu entdecken, aber vergebens; er ritt und ritt stundenlang in gleicher Richtung vorwärts, vom Bären sah er nichts, und plötzlich befand er sich an dem Rande des Eichenwaldes, wo derselbe sich an die Prairie anlehnte. Mit aller Zuversicht, daß er sich auf dem rechten Wege nach dem Bärflusse befinde, ritt er in das hohe, trockene Gras hinaus, dessen lange Halme der Sturm ineinander verwirrt hatte. Das Gehen wurde dem Pferde mitunter in den Vertiefungen der Prairie beschwerlich, weil dort das Gras ihm bis an den Sattel reichte, auf den Höhen aber munterte Karl es zur Eile an, und willig folgte das Tier dem Wunsche seines Reiters. Jetzt stieg eine Waldinsel vor Karls Blick empor und er bewillkommnete sie als das Wäldchen, welches seinen Brüdern Rettung gebracht hatte; nun war er sicher, daß er ohne Schwierigkeit seinen Weg nach dem Fort finden würde. Er kam näher und immer mehr überzeugte er sich, daß es dasselbe kleine Gehölz sei, in dessen Nähe er sich gestern von seinen Brüdern getrennt hatte. Auch selbst als er dasselbe erreichte, glaubte er noch die einzelnen Bäume zu erkennen, und daß er von der Spur des Bären nichts mehr sah, war bei diesem Sturme nicht zu verwundern. Er ritt getrost weiter, mußte aber seinen Hut tief auf den Kopf drücken, damit ihm derselbe nicht davonflog. Der Wind steigerte sich mehr und mehr, bis er um die Mittagszeit als entfesselter Orkan von Süden her über die unabsehbare Grasfläche brauste. Vergebens suchte Karls Blick in der Ferne den Wald des Bärflusses zu entdecken, der seiner Berechnung nach schon sichtbar sein mußte, und ein unheimliches Gefühl der Ungewißheit über die eingeschlagene Richtung drängte sich ihm unwillkürlich auf. Es fiel ihm jetzt auch auf, daß er ungewöhnlich viele Tiere auf der Prairie in Bewegung sah und zwar mit einer Unruhe, die er früher nie so allgemein an ihnen bemerkt hatte. Namentlich kamen deren immer mehr von Süden mit dem Sturme herangezogen und schienen sich weniger um Karl zu kümmern als sonst. Er hatte eine Zeitlang verwundert dem Winde entgegengeblickt, als er plötzlich einen dunklen Streif über dem fernen Horizont gewahrte. Er hielt denselben im ersten Augenblick für aufsteigendes Gewölk, dann aber kam er ihm nicht mehr wie gewöhnliche Wolken vor, es war ein glatter, langer Strich, der sich schnell über den äußersten Rand der Prairie erhob und immer schwärzer von Farbe wurde. »Das ist kein Gewölk; was aber kann es sein, das mit dem Sturme dort heranzieht?« dachte Karl und sah in weitester Ferne noch immer mehr Tiere heranjagen. Da fuhr es ihm wie ein Blitzstrahl durch die Gedanken: »Wenn es ein Prairiebrand wäre?« Kaum hatte er es gedacht, so stand auch die Gewißheit in ihm darüber fest, denn das Bild, welches Daniel ihm so oft von diesem Schreckensereignis gegeben hatte, stimmte vollkommen mit dem überein, welches er jetzt vor Augen hatte.

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Der schwarze Strich waren Rauchwolken, die schon beinahe um den dritten Teil des Horizonts sichtbar wurden und sich weiter und weiter hinter Karl ausdehnten.

Zugleich änderte der Sturm seine Richtung und kam mehr von Osten hergezogen. Noch lebte die Hoffnung in Karl, daß seine Richtung ihn nach dem Bärflusse führe, wenn auch viel weiter nach dessen Mündung in den Roten Fluß, als das Fort lag. Hier war keinesfalls seines Bleibens und nur die Flucht konnte ihn und sein Roß von einem grausigen Untergange in den Flammen des brennenden Grases retten. Auch der Falbe schien die drohende Gefahr, die mit jenen Rauchwolken aufstieg, zu ahnen, denn er sah schnaubend nach ihnen hin, und drängte sich in das Gebiß, um davoneilen zu dürfen. Kaum aber hatte Karl ihm die Zügel gegeben, so flog das Tier mit ihm davon, als wollte es den Sturmwind hinter sich zurücklassen.

Links und rechts jagte es an fliehenden Hirschen, an einzelnen Büffeln, an wilden Pferden vorüber, und soweit Karls Auge reichte, belebte sich die Grasfläche in jedem Augenblicke mehr mit Tieren der Wildnis, die alle vor dem Orkane dahinjagten. Karl suchte sein Pferd zu beruhigen, um ihm auf die Dauer die Kraft zu erhalten, er sprach zu ihm und klopfte mit der Hand seinen festen Hals; die Aufregung des Tieres schien sich aber immer mehr zu steigern und seine Sprünge immer weiter, immer flüchtiger zu werden. Karl blickte zurück nach dem rasch aufsteigenden schwarzen Gewölk und sah, wie unter demselben die weiteste Ferne der flachen Prairie sich mehr und mehr mit bewegten dunklen Massen bedeckte. Diese Massen waren die fliehenden, vierfüßigen Bewohner dieser Wildnis, die das Feuer von weither vor sich hergetrieben hatte, und die jetzt in gedrängten Reihen in wilder Flucht ihre Rettung suchten. Einen Trost fühlte Karl in dem Hinblick auf seinen Falben, den, daß derselbe den Lauf ebenso lange aushalten würde, als eines jener Tausende von Tieren, die ihm folgten; denn ließen seine Kräfte früher nach, so wäre der Tod unter den Füßen jener Massen unvermeidlich gewesen. Dahin jagte Karl Scharnhorst mit dem Sturme um die Wette, hügelauf, hügelab; vergebens spähte er aber nach dem Walde des Bärflusses, sein Blick schweifte rundum nur über eine endlose Grasfläche. Immer eiliger, immer drohender zogen die Rauchwolken am Himmel empor und rollten sich in schwarzen, schweren Massen übereinander an demselben hin; schon jagten sie sich wie in wildem Kampfe über Karls Haupt, mit ihrem Weiterzuge nahm das Tageslicht mehr und mehr ab und ein Düster, wie das hereinbrechender Nacht, legte sich auf die im Sturme wogende, weite Grasfläche. Plötzlich zog ein rötlicher Schein über das schwarze, rollende Gewölk, und als Karl sich umwandte, sah er im Halbzirkel hinter sich die Flammen des brennenden Grases über dem äußersten Rande der Prairie emporlodern. Sie schlugen hoch und wild zum Himmel auf und beleuchteten mit ihrem glühendroten Scheine das wogende Tiergewirre, das sie im Todeslaufe vor sich hertrieben. Die ganze Fläche hinter Karl schien zu leben, und wie ferner Donner drang es von dorther zu seinem Ohr. Die Rauchwolken hatten den ganzen Himmel überzogen, sie schienen rundum auf dem Rande der Prairie zu liegen und die durch sie erzeugte schwarze Nacht wurde nur durch das glühende Feuerlicht der immer höher in der Ferne hinter Karl aufsteigenden Flammen verscheucht. Fort ging es mit des Sturmes Rasen über viele, viele Meilen weite Strecken; immer noch gleich flüchtig trug der brave Falbe seinen Reiter weit vor den heranstürmenden Tiermassen hin, und nur einzelne der schnellsten Bewohner dieser Steppen, Hirsche, Antilopen und wilde Pferde, begleiteten ihn zu beiden Seiten auf der verzweifelten Flucht. Alles rannte in blinder Verwirrung durcheinander hin, alles in seiner Schnelligkeit Rettung suchend, alles vor dem furchtbaren Elemente fliehend, dessen Flammen, vom Orkan getragen, über das Grasmeer wirbelten und in ihrer Glut verzehrten, was ihrem Bereich verfiel.

Nicht weit von Karl jagte ein Trupp wilder Pferde; an ihrer Spitze befanden sich viele Füllen, welche, wie es schien, durch die Alten zur Eile angetrieben wurden, denn diese rannten hinter ihnen hin und her und ließen sie nicht zurückbleiben. Zwei der Füllen aber stürzten plötzlich zusammen und während die Herde an ihnen vorübersauste, blieben ihre Mütter bei ihnen zurück, stießen sie mit dem Kopfe, scharrten an ihnen mit den Vorderfüßen und suchten sie auf alle Weise zum Aufstehen zu bewegen; es war aber umsonst, die Kleinen konnten sich nicht wieder erheben. Nochmals versuchten es die Stuten, sie aufzutreiben, dann aber sahen sie mit entsetztem Blick nach den Flammen zurück und jagten der Herde nach. Bald darauf brach ein mächtiger Hirsch vor Karl zusammen, er sprang wieder auf und suchte sich auf den Füßen zu erhalten, sank aber immer wieder nieder, und als Karl an ihm vorüberjagte, hob das erschöpfte Tier den Kopf empor und schaute ihn an, als ob es seine Hilfe erflehen wolle.

Hier stürzte ein Pferd, dort eine Antilope, da ein Hirsch, ein Büffel; ihre Kameraden aber flohen davon und überließen sie ihrem Schicksale.

Noch hatte des Falben Schnelligkeit nicht nachgelassen, Angst und Entsetzen trieben ihn vorwärts und die Verzweiflung gab seinen Gliedern immer noch neue Kräfte. Dennoch fühlte Karl, daß die Bewegungen des edlen Tieres härter und weniger leicht wurden, und mit Schrecken hörte er durch das Heulen und Brausen des Orkans die mühsamen, schweren Atemzüge des treuen Rosses. Bald aber wurden auch dessen Sprünge kürzer, seine Glieder hoben sich nicht mehr hoch über das trockene, harte Gras, sie teilten mühsam dessen verworrene Halme und Erschöpfung zeigte sich in seiner verminderten Schnelligkeit. Augenscheinlich kamen die Flammen und die heranstürmenden Heere der wilden Tiere jetzt Karl näher, und mit Entsetzen schaute er bald rückwärts in die zwar noch ferne auflodernde Glut, bald in die düstere Weite vor sich. – Wo – wie – sollte er Rettung finden, Rettung für sich und für sein ihm so teures Pferd!

In der Ferne, nur in der weiten Ferne konnte er sie suchen; ein Wald – ein Wasser – klang es mit verzweifelndem Verlangen durch Karls Seele, und mit schmerzlichem Zucken stach er beide Sporen in die von Schweiß triefenden Flanken des ermüdeten lieben Rosses. Hoch schnellte das Tier sich wieder über das Gras hinaus und ließ in fliegender Carriere abermals eine Meile hinter sich zurück; um so schneller aber sanken seine Kräfte und um so mühsamer wurden seine Anstrengungen, sein Atmen. Der kürzeste Aufenthalt aber war sicherer, unvermeidlicher Tod; vorwärts, war die Losung, und abermals trieb Karl den Falben zu wilder Flucht an, und nochmals folgte das treue Tier der Aufforderung seines Reiters. Es sauste hinab in ein schmales Thal und hatte die nächste Höhe mit letzter Anstrengung erreicht, da stürzte es mit seinem Reiter zusammen und wandte seinen Kopf mit einem Blick nach ihm hin, als wolle es Abschied von ihm nehmen. Mit Entsetzen sprang Karl empor und schlang seine Arme um den Hals des geliebten Tieres; wie konnte er ihm helfen – wie konnte er sich selbst retten?

Er sah zurück in die zum Himmel auflodernden, im Fluge heranziehenden Flammen, sah die schwarzen Tiergestalten im Sturmlauf näher kommen und hörte den Donner, womit sie den Boden unter sich erdröhnen ließen. Hier durfte er nicht weilen; noch einen kurzen Abschied von dem Falben und mit der Büchse in der Hand rannte Karl über die Höhe davon. Er hatte aber kaum vierzig Schritte zurückgelegt, als er hinter einem niedrigen Gebüschstreifen in einer Vertiefung ein sumpfiges Wasser gewahrte, welches in kurzer Entfernung bei einem alten, kolossalen Mosquitobaum seinen Anfang zu haben schien. Karl lief zu dem Baume hin, der hoch auf dem Ufer stand und sich über das Wasser neigte, welches tief unter seinen Wurzeln als klarer Quell hervorkam und nach dem Sumpfstreifen hinfloß. Der gütige Gott hatte ihn zu seiner Rettung hierher geführt, das fühlte Karl mit dankerfülltem Herzen, und mit gläubiger Zuversicht auf seinen ferneren Beistand warf er noch einen Blick in die Vertiefung unter den Wurzeln des Baumes und rannte dann mit fliegenden Sprüngen zu seinem Pferde zurück. In wenigen Augenblicken hatte er die Gurte des Sattels gelöst, denselben von dem Pferde herabgezogen, den Strick, den dasselbe um den Hals trug, sowie den Zaum von ihm genommen und trug alles in Eile in die Aushöhlung, welche sich unter dem Baume in dem Ufer befand. Jetzt erinnerte er sich, daß Daniel ihm gesagt hatte, man müsse bei einem Prairiebrand selbst das Gras, wo es niedrig stehe, anzünden, um einen Platz zu gewinnen, wo dann das heranziehende Flammenmeer keine Nahrung mehr finden würde; da dachte er aber an seinen Falben, sollte er selbst dem treuen Tiere den Tod bereiten? Unmöglich, das konnte er nicht und wenn er selbst ein Opfer des Feuers werden sollte. Er riß schnell seinen Hut vom Kopfe, füllte ihn an dem Quell, rannte damit zu dem erschöpften Pferde und goß demselben das Wasser über den Kopf. Das erschreckte Tier raffte sich auf, stürzte wankend vorwärts und erreichte den Sumpf, in welchem es abermals zusammenbrach.

»Gottlob!« rief Karl aus, als er das Wasser aus dem hohen, schilfartigen, frischen Grase über dem Tiere aufspritzen sah; denn möglicherweise blieb dasselbe dort von der schnell über ihm hinziehenden Glut verschont. Da hörte er aber wieder den Donner der heranstürmenden Tiere und sah schon im Geiste, wie dieselben seinen armen Liebling unter ihren Füßen zermalmen würden. Es stand aber nicht in seiner Macht, mehr für das Roß zu thun, und die unter ihm dröhnende Erde mahnte ihn, auf seine eigene Sicherheit bedacht zu sein. Er sprang nach dem Baume zurück und in die Vertiefung unter demselben in das Wasser hinein. Er legte sich darin nieder, so daß seine Kleidung ganz durchnäßt wurde, sein Gepäck und seine Waffen schob er unter den Wurzeln des Baumes tief in das Ufer hinein, indem er schnell mit dem Messer und mit den Händen die Höhle noch vergrößerte. Dann tauchte er die Jaguarhaut in den Quell, um sich damit zu überdecken, sobald das Feuer sich nahe; denn Daniel hatte ihm erzählt, daß sich die Indianer bei einem Prairiebrande wohl in eine frische Büffelhaut einwickelten, um sich gegen das Feuer zu schützen.

Das Ufer war ziemlich hoch, das Gras an dessen Abhang und um das Wasser konnte nicht brennen, da es noch grün war, und die Büsche, die auf dem Ufer standen, gewährten gleichfalls noch Schutz. Auch vor den fliehenden Tierscharen war er sicher, und seine ganze Besorgnis, seine Angst war nur noch dem lieben Falben zugewandt. Derselbe hatte sich aber wieder etwas erhoben und streckte seinen Kopf empor, als wolle er über das Ufer hin nach dem dumpfen Getöse spähen, welches schnell näher kam und von Minute zu Minute lauter und dröhnender mit dem Brausen des Orkans die Luft erfüllte.

Jetzt verfinsterte sich die Luft, ein dichter, schwarzer Aschenregen wehte über die sumpfige Vertiefung und raubte Karl jeden Blick in die Ferne, nur den Falben konnte er noch erkennen, weil der Sturm die Asche hoch über denselben hinauswehte. Zugleich meldete das Erzittern der Erde das Nahen der wilden fliehenden Tierscharen an, und der Donner ihrer Tritte, die Schreckenstöne ihres Gebrülls, ihres Geheuls mischten sich mit den furchtbaren, betäubenden Akkorden des Sturmes.

Karl erfaßte die im Wasser vor ihm liegende Jaguarhaut, hielt aber zusammengepreßten Herzens seinen Blick immer noch auf seinen Falben geheftet; da sprang derselbe, wie von neuem Entsetzen ergriffen, aus dem Schilfe heraus, erreichte mit verzweifelten Sätzen das trockene Ufer und stob in die Finsternis hinaus, womit die fallende Asche die Ferne bedeckte. Plötzlich wurde es hell, die ganze Luft erglühte, statt der schwarzen Asche wehte dieselbe brennend als Feuerregen über die Prairie und Himmel und Erde schienen in Flammen zu stehen. Der Baum, unter welchem Karl verborgen lag, erbebte bis in seine Wurzeln, das Ufer schien über ihm einbrechen zu wollen, das Getöse betäubte sein Gehör und links und rechts stürzten sich Büffel, Bären, Rosse, Hirsche, Antilopen, Wölfe, Jaguare und Panther übereinander hin von der Höhe hinab in den Sumpf hinein. Im Augenblick war derselbe, soweit Karls Blick reichte, mit wilden Tieren ausgefüllt, auf welche andere vom Ufer hinabsprangen und sich ihren Weg über deren Körper zu bahnen suchte. Der Kampf derselben war ein furchtbarer, verzweifelter, aber ein kurzer; denn Kopf an Kopf und Rippe an Rippe drängten sich Tausende von nachfolgenden Tieren über die Streitenden hin und die Bahn für den Sturmlauf der großen Massen, die jetzt erst vor den Flammen herangebraust kamen, war geebnet: alles, was säumte, was stürzte, ward unter den Füßen zermalmt.

Karl hatte beim ersten Erscheinen dieser furchtbaren Scharen nach einem Revolver gegriffen und hielt ihn fest in der Hand, die Tiere aber bemerkten ihn nicht, denn alle strebten weiter. Nur ein riesiger Panther wandte sich aus dem Getümmel der Höhle zu, um in ihr Schutz zu suchen. Er stutzte vor der gefleckten, gelben Haut des Jaguars, welche Karl bis über die Brust heraufgezogen hatte, er erkannte in ihr den König dieser Wildnis und zögerte, zähnefletschend, sich ihm zu nahen. Karl hatte ihm aber den Revolver zwischen die glühenden Augen gerichtet und schoß ihm die Kugel durch den Schädel. Ohne Zucken sank das Raubtier vor Karls Füßen zusammen und der Krach des Schusses verhallte unbemerkt in dem Donnerdröhnen, womit die vorüberstürmenden Tierscharen die Luft erfüllten. Unaufhaltsam und ununterbrochen zog Herde auf Herde in dichtgedrängten Reihen im buntesten Gemisch und in fliegendem Laufe zu Karls beiden Seiten vorüber, Freund und Feind nebeneinander, und hier und dort sah Karl eine Leopardenkatze, einen Luchs auf dem zottigen Rücken eines kolossalen Büffels reiten.

Endlich wurden die Reihen lichter und die erschöpften Nachzügler stürzten mit Aufwand ihrer letzten Kräfte vorüber, um bald von den Flammen eingeholt und von ihnen vernichtet zu werden. Der Feuerregen war mit den Tieren weitergezogen, der Himmel aber hatte sich in ein blendendes Glutmeer verwandelt und der Sturm trug jetzt eine sengende Glühhitze heran. Karl warf noch einen Blick an dem Ufer empor, er sah die Flammenspitzen hoch über sich in der Luft ausgestreckt züngeln, warf sich in die Höhlung zurück und zog die nasse Jaguarhaut über den Kopf. Es waren Augenblicke zwischen Leben und Tod, er hielt den Mund dicht an die Erde, dennoch schien ihn die glühende Luft ersticken zu wollen, seine Gedanken verwirrten sich, und er hörte nur noch ein stürmisches Sausen und Brausen in der Luft. Es waren aber nur Augenblicke der Qual und der Betäubung, denn plötzlich wehte es kalt, ja eisig in die Höhle hinein; Karl warf die Jaguarhaut von sich, und verschwunden war Feuer und Glut. Es war wieder Tag; Karl sah den hohen, grauen Himmel wieder über sich und sah die schwarzen Rauchwolken über den aufwirbelnden Flammensäulen vor dem Orkane nach Westen hin über die weite Ebene jagen. Er sprang aus seinem Verstecke hervor auf das Ufer hinauf und blickte dem dahineilenden Grasbrande nach. Ein Bild des Todes, der Erstarrung umgab ihn. So weit sein Auge reichte, lag die, noch vor wenigen Minuten im Sturme wogende Prairie, eine schwarze, kahle Fläche, ausgebreitet, und wohin er schaute, traf sein Blick auf versengte und verbrannte schwarze Tiergestalten, deren viele noch mit dem Tode rangen. Karl fiel auf seine Kniee, faltete seine Hände und dankte, zum Himmel aufsehend, dem Allmächtigen für seine wunderbare Rettung. Dann stand er auf und blickte auf die Verwüstung um sich; wohin sollte er sich wenden, um die lebende Welt wiederzufinden? Thränen traten ihm in die Augen, denn er dachte an die Angst, an die Sorgen der Seinigen, und fühlte sich so verlassen, so hilflos. Was mochte auch wohl aus seinem Falben geworden sein? – derselbe war gewiß auch in den Flammen umgekommen! Hätte er ihn jetzt noch gehabt, dann wäre ihm nicht bange gewesen, der hätte ihn gewiß wieder nach dem Fort zurückgetragen. Karl schaute nach dem Platze, wo sein Pferd mit ihm zusammengestürzt war, und sah etwas weiterhin bei einem Mosquitobaum sich etwas bewegen. Er ging näher und erkannte einen schwarzen Pferdekopf, der sich, wie es schien, aus einer Vertiefung erhob. Bald sah er das ganze Pferd, einen Rappen, der in einem steinigen, trockenen Graben lag, wie sie häufig von schweren Gewitterregen in der Prairie erzeugt werden. Er trat nahe an das wilde Roß heran, es war ein Rappenhengst von etwa vier Jahren, der aber Karl nicht zu bemerken schien und nur nach Luft schnappte. Er war aber nicht versengt, denn seine Mähnen hingen lang und glänzend an seinem Nacken und über seine Stirn fielen lange Locken von seinem Kopf herab. Es war ein schönes Tier, nur sein Blick nicht, wie er sein sollte, denn seine Augen waren mit Asche und Staub angefüllt. Die Vertiefung, in welcher das Roß lag, hatte dasselbe vor den schnell über ihn hineilenden Flammen geschützt; denn das Gras ward ja in wenigen Augenblicken von dem Feuer verzehrt und der Sturm hatte dieses ja fliegend über die Erde hingetrieben.

Karl sprang rasch nach seiner Höhle zurück, zog den Strick seines Falben hervor und eilte damit zu dem wilden Pferde. Er befestigte denselben um dessen Hals und band dann das andere Ende fest an den nahestehenden Baum. Das Tier war so erschöpft, daß es sich alles ruhig gefallen ließ, auch selbst, daß Karl mit ihm sprach und ihm Kopf und Hals mit der Hand klopfte. Nun ging er wieder nach seinem Versteck, um dem Tiere Wasser zu bringen. Da er aber in dem Hute nur zu wenig herbeitragen konnte, so nahm er die Jaguarhaut, faßte ihre vier Enden und die Seiten zusammen, versenkte sie in den Quell und hob sie dann mit Wasser gefüllt empor. Nun trug er sie vorsichtig zu dem Pferde und goß demselben das Wasser über den Kopf. Das Tier erschrak gewaltig und sprang auf die Füße, es war aber zu schwach, um das Ufer zu erklimmen. Karl wiederholte die Übergießung noch einige Male, und zuletzt gelang es dem Pferde, aus der Vertiefung auf die versengte Erde bei dem Baume zu springen. Karl verkürzte nun den Strick, daß das Tier den Graben nicht wieder erreichen konnte, und er sah zu seiner Freude, wie es sich nach und nach erholte. Daniel hatte ihm oft erzählt, daß man wilde Pferde leicht dadurch bändigen könne, wenn man ihnen mit dem Lasso den Hals für einige Augenblicke zuschnüre und ihnen dann die Schlinge wieder löse. Er holte schnell den Lasso, den er am Sattel trug, und legte dem Rappen die Schlinge um den Hals, damit er im Stande sein würde, ihn zu bändigen, wenn er mit der Rückkehr seiner Kräfte böse werden sollte. Noch aber war das Tier ganz geduldig und ließ alles mit sich thun.

Karl holte nun einen Hut voll Wasser und drückte ihn dem Pferde unter das Maul, so daß dasselbe in das Wasser kam. Das Tier schreckte mit dem Kopfe zurück, leckte aber doch seine Lippen ab, schnaubte laut aus den Nüstern und zeigte, daß ihm die Erfrischung wohlgethan habe. Sein Durst mußte schrecklich sein, denn als Karl sein Verfahren wiederholte und ihm abermals das Wasser unter das Maul hielt, trank es gierig den ganzen Hut leer. Karl brachte ihm so viel Wasser, bis es nicht mehr trinken wollte, und wusch ihm dann die Augen aus. Im Anfang erbebte das Pferd jedesmal, wenn der Knabe sich ihm nahte, bald aber sah es ihn nicht mehr so scheu an und ließ ihn, ohne zu erschrecken, zu sich kommen. Er holte nun von dem Ufer des Sumpfes frisches Gras und reichte es dem Tiere, dasselbe wollte aber noch kein Futter annehmen, worauf Karl das Gras an dem Baumstamme niederlegte.

Er hatte nun wieder ein Pferd, ob er es aber zum Reiten würde benutzen können, das war noch die Frage; versuchen wollte er es aber jedenfalls. Jetzt mußte er aber auch an sich selbst denken, denn sein eigener Magen verlangte nach Speise. Wegen Nahrung brauchte er nun freilich nicht in Verlegenheit zu sein, denn es lagen ja Hunderte von getöteten Tieren ganz in seiner Nähe. Er ging nach dem Ufer des Sumpfes, der mit toten Körpern vollständig ausgefüllt war, und fand an dem Rande desselben einen jungen Hirsch, den die fliehenden Heere niedergetreten hatten. Karl schnitt das zarteste Wildbret aus ihm heraus, zündete ein Feuer neben dem alten Mosquitobaume an, denn trockenes Holz lag in Menge unter demselben, und bereitete nun sein Mittagsessen. Das Quellwasser war herrlich und stillte seinen Durst. Er hatte aber auch an die nächste Zukunft zu denken, denn mehrere Tage mußte er jedenfalls hier verweilen, ehe er das Pferd würde reiten können. Zeigte sich die Sonne wieder, so stand zu erwarten, daß die vielen Tierkörper schnell in Verwesung übergehen würden, wo er dann deren Fleisch nicht mehr benutzen konnte, und auf diesem öden, abgebrannten Lande durfte er wohl nicht hoffen, ein lebendes Tier erscheinen zu sehen. Er zerschnitt darum das Fleisch des Hirsches in sehr dünne Streifen und trocknete es über einem rauchenden Kohlenfeuer.

Der Sturm hatte sehr nachgelassen, der Himmel hatte sich aber um so finsterer überwölkt und drohte mit Regen. Die Nacht brach herein, Karl reichte seinem Pferde nochmals Wasser, trug ihm dann einen Arm voll Gras hin und legte sich auf den versengten Erdboden bei dem Feuer nieder, nachdem er dieses mit einigen starken Stücken Holz versehen hatte. Obgleich seine Kleidung wieder getrocknet war und er das Feuer während der Nacht unterhielt, so fror ihn doch sehr, denn er besaß nichts, um sich darin einzuhüllen, und konnte auch die Jaguarhaut nicht unter sich legen, weil dieselbe noch naß war. Er beschloß darum, am folgenden Morgen einem der Büffel, welche tot im Schilfe lagen, die Haut abzunehmen und sie für seinen Gebrauch, so gut er konnte, zuzubereiten, denn dies hatte er von Daniel gründlich gelernt. Als der Tag graute, erwachte Karl aus einem mehrstündigen, festen Schlaf und richtete seinen ersten Blick nach dem Rappenhengst hin. Derselbe hatte sich schon erhoben und verzehrte das letzte Gras, welches Karl ihm am Abend zuvor zugetragen hatte. Als aber dieser sich ihm nahte, sprang er entsetzt zurück, bäumte sich und riß mit aller Gewalt an dem Seil, womit er an dem Baume befestigt war. Karl suchte das Pferd mit guten Worten zur Ruhe zu sprechen, es schnaubte ihm aber gewaltig entgegen und stierte ihn scheu und geängstigt an, und als er ihm einen Hut voll Wasser holte, drängte es sich von ihm zurück und gebärdete sich wild und unbändig. Jetzt ergriff Karl den langen Lasso, dessen Schlinge der Hengst um den Nacken trug, und zog dieselbe zu. Das Roß bäumte und sträubte sich gegen die Gewalt, die ihm angethan wurde, aber der Atem ward ihm genommen und es stürzte, an allen Gliedern zitternd, zu Boden. Karl löste nun schnell die Schlinge, um das Pferd vor dem Ersticken zu bewahren, und suchte dasselbe durch Liebkosungen zu beruhigen; kaum aber atmete das Tier wieder, als es aufsprang und noch wilder, noch wütender tobte. Karl jedoch zog abermals die Schlinge zu, wieder stürzte der Hengst zusammen und diesmal ließ sein Bändiger ihn länger dulden, und es dauerte geraume Zeit, ehe das Tier sich erholte, nachdem die Schlinge wieder geöffnet war.

Es schien jetzt die Übermacht seines Herrn anzuerkennen, denn es duldete nun, daß derselbe sich ihm näherte und ihm wie früher mit der Hand das glatte Haar strich. Sein Zittern und Beben zeigte aber, daß seine Angst sehr groß war, wenn es sich auch nicht mehr zu widersetzen wagte. Das Wasser, welches Karl ihm reichte, wollte es nicht trinken, doch verzehrte es das Gras, welches er ihm reichlich zutrug.

Nachdem Karl nun selbst etwas gebratenes Fleisch und einen frischen Trunk aus dem Quell zu sich genommen hatte, begab er sich in das hohe, grüne Schilf zu einem toten, jungen Büffel, von welchem er sich die Haut aneignen wollte. Es lag ein alter Büffel und ein Pferd auf dem jungen Tiere, welche beide Karl nur mit großer Anstrengung zur Seite ziehen konnte, um zu jenem zu gelangen.

Nach langer Arbeit aber setzte er es doch durch und nahm dem Tiere die Haut ab. Sie war groß genug, um sich darin vom Kopf bis zu den Füßen einzuhüllen, und war doch nicht so unhandlich und schwer, wie die eines ausgewachsenen Büffels. Karl spaltete nun mit dem Beile, welches er am Sattel trug, mehreren der umherliegenden Tiere die Köpfe, nahm das Gehirn aus denselben und strich die ganze Haut damit an, worauf er sie zusammenfaltete und sie mit Steinen und Stücken Holz beschwerte, um sie am folgenden Tage zuzubereiten. Sein Pferd verzehrte heute alles Gras, welches er ihm reichte, verstand sich aber erst gegen Abend dazu, Wasser aus dem Hute zu trinken.

Mit dem Neigen des Tages teilte sich das Gewölk, der blaue Himmel blickte hier und da hervor und die Sonne zeigte sich wieder. Sie warf im Scheiden ihre letzten Strahlen über die abgebrannte schwarze Fläche und Karl sah verwundert nach ihr hin, denn dort, wo sie versank, hatte er geglaubt, daß es Sonnenaufgang sein müsse. Er war demnach nach Westen geflohen, während er der festen Meinung gewesen, nach Osten dem Bärfluß zuzujagen. Es lagen nun drei bis vier Tagereisen zwischen ihm und seiner Heimat, und der Weg dorthin führte über eine öde Strecke, auf welcher kein Gras für sein Pferd mehr stand und auf welcher es sehr ungewiß war, ob er für dasselbe und für sich Wasser antreffen werde, um den Durst zu stillen. Diesen Weg konnte er deshalb nicht einschlagen, um das Fort zu erreichen; welche andere Richtung sollte er aber wählen? Er wußte, daß der Rote Fluß von Westen nach Osten strömte und daß er denselben in nördlicher Richtung treffen mußte; wie weit es aber zu dessen Ufern sei, das konnte er sich nicht beantworten. Das Feuer war von Südost gekommen und nach Nordwest gezogen, also nach dem Roten Flusse hin, darum hielt es Karl für das ratsamste, seinen Weg nach Südwesten zu verfolgen, in der Hoffnung, dort am ersten auf Land zu stoßen, welches vom Feuer verschont geblieben war. Jedenfalls mußte er noch einige Tage hier verweilen, bis er das Pferd so weit gezähmt hatte, daß er es reiten konnte. Er legte ihm schon am folgenden Tage den Sattel einmal auf, legte ihm den Zaum an und hing sich wiederholt mit den Armen auf seinen Rücken, welches das Tier zitternd und bebend duldete, teils, weil es noch sehr entkräftet war, teils aber auch, weil es die Schlinge noch immer an das Erdrosseln erinnerte. Außerdem aber schien es auch die Hilfe und die Wohlthaten seines Herrn anzuerkennen und sich immer weniger vor ihm zu fürchten. Karl bereitete heute auch die Büffelhaut, wobei er sich mehrerer schweren Steine als Werkzeuge bediente und wobei ihm der warme Sonnenschein sehr zu Hilfe kam.

Während Karl nun mit den Vorbereitungen zu seiner Weiterreise beschäftigt war, herrschte in dem Fort der größte Jammer über das schreckliche Schicksal, das ihn aller Vermutung nach erreicht haben mußte. Daniel war an jenem Abend, als er Karl suchte und den Bären gefunden hatte, bei diesem während der Nacht liegen geblieben und hatte am folgenden Morgen viele Meilen weit mit der größten Mühe die Fußtritte seines jungen Freundes und die des Falben verfolgt, bis dieselben seinen Blicken unbemerklich wurden und er nur noch auf gut Glück weiter ritt und nach einem Zeichen von Karl spähte. Plötzlich aber sah er die schwarzen Rauchwolken von Süden her aufsteigen und mehr und mehr nach Westen hinziehen. Der Gedanke, daß Karl in das Feuer geraten sein könne, war ihm entsetzlich, und als er nachmittags zufällig wieder die Spur des Falben erkannte, die nach Westen zeigte, da trieb ihn die Verzweiflung vorwärts. Er stieg vom Pferde ab, um die Fährte leichter verfolgen zu können, und gelangte dann auch wirklich auf ihr in die abgebrannte Prairie hinaus, wo er bald an den Huftritten des Falben erkannte, daß derselbe im Sturmlauf dahingeeilt war. Nicht lange aber konnte er ihnen folgen, weil die fliehenden Tierscharen sie ausgetreten hatten.

Alle Hoffnung für die Rettung Karls war jetzt in der treuen Seele des Negers erstorben, denn nur zu gut wußte er es, daß derselbe dem vom Sturm gejagten Feuer nicht hatte entfliehen können.

Mit blutendem Herzen schaute er lange Zeit über die endlose schwarze Fläche vor sich und wandte sich dann unter Thränen zurück nach dem Eichenwald, wo er ohne Speise und ohne Trank die Nacht verbrachte. Als er aber am folgenden Tage ohne Karl nach dem Fort zurückkehrte, da brachen Turners sämtlich in lautes Wehklagen aus und alle weinten und rangen die Hände über den Verlust des braven Knaben, der sich für ihr Wohl, für ihr Glück geopfert hatte. Der Bericht des Negers stellte es außer allen Zweifel, daß Karl in den Flammen des brennenden Grases seinen Tod gefunden habe, nachdem er aus dem Kampfe mit dem Bären siegreich hervorgegangen war. Auch in den Ansiedelungen an dem Choclawbache erregte die Kunde von Karls Schicksal großes Bedauern, namentlich bei Warwick; denn der alte Herr hatte in dem Knaben immer eine Hauptstütze der Niederlassung am Bärfluß erkannt.

Es war nun eine Woche verstrichen, seit Karl dem Flammentode entgangen war, und von Tag zu Tag hatte das gefangene wilde Pferd sich zutraulicher und williger gegen ihn gezeigt. Er hatte ihm jeden Morgen Sattel und Zaum aufgelegt, und das Tier erlaubte ihm nun schon, seinen Rücken zu besteigen, welches er recht häufig that und es dabei am Zügel hin und her lenkte, ohne jedoch den Strick vom Baume zu lösen. Die in Verwesung übergehenden, umherliegenden, toten Tiere mahnten ihn jetzt aber dringend, diesen Ort zu verlassen, und er beschloß eines Morgens nach dem Frühstück, einen Proberitt auf seinem Rappen zu machen. Er löste den Strick von dem Baume, stieg in den Sattel und lenkte das Pferd in weitem Kreise um den Sumpf über die kahle Fläche, und zu seiner großen Freude folgte das Tier geduldig dem Zügel, wenn es auch nur langsam mit seinem Reiter dahinschritt. Es war noch immer sehr matt, denn wenn Karl ihm auch hinreichend Gras zugetragen hatte, so konnte es sich doch nicht so davon erholen, als wenn es sich selbst die Nahrung gesucht hätte. Nachdem Karl wohl eine Stunde lang so umhergeritten war, lenkte er das Pferd nach dem Quell, damit es sich an dem frischen Trunk erquicken möge, und dann ritt er an den Sumpfrand in das beste Gras und ließ das Tier dort weiden.

Er verbrachte beinahe den ganzen Tag in dieser Weise mit der Pflege seines Rosses, welches sich denn auch zum erstenmale seit seiner Gefangennehmung wirklich nach Herzenslust sättigte und sich dann geduldig wieder an den Baum befestigen ließ.


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