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Fabeln und Erzählungen.
Erstes Buch.


Das geraubte Schäfchen

Als Joabs Heldenheer die Kinder Ammon schreckte,
Und schon ganz Israel das Land um Rabba deckte,
Wo der Gewaltigen und Hanons Unverstand
Die Boten schänden ließ, die David abgesandt,
Da raubte sein Befehl Uria Glück und Leben
Um das geliebte Weib, das ihm der Herr gegeben,
Die Tochter Eliams, die Davids Freundin war,
Und, als sie ausgetraurt, ihm einen Sohn gebar.

Dem Herrn mißfiel die That, und Nathan ward ersehen,
Mit Worten Seines Zorns zum Könige zu gehen.
Er sprach: In einer Stadt befanden sich zugleich
Zween Männer; einer arm, der andre groß und reich.
Der Reiche sahe stets in Tagen voller Freuden
Die Heerden seines Hofs auf grünen Hügeln weiden;
Die Rinder unzerstreut bei jungen Farren ruhn;
Der Geiß' und Widder Muth im Felde fröhlich thun;
Die Lämmer ohne Fehl um ihre Mütter springen;
Das Lastvieh durch den Klee mit reichen Bürden dringen,
Die Blüten dicker Saat sich an den Wassern blähn,
Und seiner Schnitter Fleiß die schönsten Halmen mähn.
Dem Armen, ach! was war dem Armen doch bescheeret?
Ein einzig kleines Schaf, das er gekauft, genähret.
Das wuchs, und ward bei ihm und seinen Kindern groß,
Und kannte seinen Ruf, und schlief in seinem Schooß,
Und trank von seinem Kelch, und aß von seinen Bissen,
Und folgte seiner Hand, und lief nach seinen Küssen:
Er hielte dieses Schaf, sein liebstes auf der Welt,
Wie in Jerusalem man eine Tochter hält.
Dem Reichen kam ein Gast; daß der bewirthet würde,
Nahm er kein Rind, kein Schaf aus seiner Weid' und Hürde:
Die räuberische Faust macht ihm ein Freudenmahl
Von jenem weißen Schaf, das er dem Armen stahl.

Er schwieg, und David schwur: Der Frevler soll nicht leben!
Er soll nicht nur das Schaf vierfältig wiedergeben;
Wer solche Missethat in Israel beginnt,
So wahr der Höchste lebt! der ist des Todes Kind.

Du, David, bist der Mann: erwidert der Prophete;
Will deine Seele noch, daß man den Räuber tödte?
So spricht der Herr, dein Gott: Ich habe dich gebaut;
Zum Könige gesalbt; das Reich dir anvertraut;
Den Händen Sauls gewehrt; jetzt deines Volks verschonet;
Und dir das Haus verliehn, in dem dein Herr gewohnet;
Die Weiber deines Herrn gab ich in deinen Schooß;
Du bist in Israel, du bist in Juda groß.
Du bist durch mich ein Herr, ein Sieger und ein König,
Du, des Isai Sohn. Ist dieses dir zu wenig,
So füg' ich mehr hinzu. Wie aber kannst du nun
Vor meinem Angesicht ein solches Uebel thun?
Des Herrn Gebot verschmähn, ihn und sein Wort verachten,
Und den Hethiter dir mit fremdem Schwerte schlachten?
Durch dich frißt Ammons Schwert Uria, deinen Knecht,
Sein Blut zeugt wider dich, und schreit zu mir um Recht.
Noch darfst du gar sein Weib jetzt, als dein Weib, umfassen!
Drum soll das Rachschwert nie von deinem Hause lassen.
So spricht der Herr, dein Gott: Zu desto größrer Pein
Soll dir dein eignes Haus des Unglücks Quelle sein.
Die Weiber will ich dir vor deinen Augen rauben,
Und deinem Nächsten selbst der Strafe Lust erlauben:
An ihnen soll das Volk, was insgeheim geschehn,
Bei lichtem Sonnenschein mit Schmach gerochen sehn.

 

Der Beleidiger der Majestät.

Ein König, dem an Macht und Weisheit keiner glich,
Erwies sich jederzeit im Herrschen väterlich.
Sein Liebling, dessen Glück, so lang' er treulich diente,
So, wie ein starker Baum an frischen Quellen, grünte,
Verscherzte seine Huld durch schnöden Hochverrath,
Ward Seiner Feinde Freund, verwirrte Seinen Staat,
Und durfte durch Gewalt Gesetz und Recht vernichten,
Mit Blut sich Häuser baun, und um Geschenke richten.

Der gütige Monarch ermahnt' ihn mit Geduld,
Und sprach: Undankbarer! verehre meine Huld,
Die Huld, die deinen Stand mit reichem Segen schmücket,
So kräftig dich beschützt, so unverdient beglücket;
Du sollst, der höchsten Schmach und Strafe zu entgehn,
Was du verübet hast, mir insgeheim gestehn.
Erkenne deine Schuld, so wird sie dir vergeben:
Das Leben schenk' ich dir, nur weihe mir dein Leben.

Den Frevler, dessen Herz ein Herz voll Tücke war,
Erweicht' und schreckte nichts. Er lachte der Gefahr.
Drauf ward er, ein Gefühl der Reue zu erlangen,
Recht über einer Kluft an Faden aufgehangen:
Die schnitt man nach und nach, und immer einzeln, ab,
Da ihm des Richters Gunst stets neue Fristen gab.
Man hoffte, doch umsonst, er würde sich noch fassen,
Selbst sein Erretter sein, und nicht sein Leben hassen.

Er sah, und sah auch nicht die Größe seiner Noth,
Die Folge blinder Wahl, den stündlich nähern Tod.
Kein Schrecken, keine Reu' erweckte sein Gewissen.
Der Thor verblich verstockt, bis alle Faden rissen,
Und der Unselige fand seiner Bosheit Ziel,
Als er, beim letzten Schnitt, in Kluft und Abgrund fiel.

Der Herr, der Heilige, der Richter unsrer Väter,
Ist der Monarch voll Huld; der Mensch der Missethäter;
Ein Faden jedes Jahr, das Er zur Buße gönnt;
Die Kluft der ew'ge Pful, der jeden Frevler brennt,
Der wider eignes Heil mit frecher Unart streitet,
Und den nicht Huld noch Ernst den Weg des Lebens leitet.

 

Die Einbildung und das Glück.

Die Einbildung ist in das Glück verliebt,
Das sie so oft gesucht, das ihr so oft entgangen:
Des Glückes Sprödigkeit, die ihren Fürwitz übt,
Reizt ihre Hoffnung stets, und täuscht stets ihr Verlangen.

Als sie noch jung und unerfahren war,
Ging sie ihm seufzend nach bis in das Reich der Liebe.
Doch hier entfernten es bald schlüpfrige Gefahr,
Bald leichter Wankelmuth, bald eifersücht'ge Triebe.

Die Arme wächst, die Leidenschaft nimmt zu:
Sie wagt sich an den Hof, zu den geschmückten Höhen,
Wo Pracht und Ehrgeiz rauscht. Dort fehlen Treu' und Ruh',
Und Titel lassen sich, anstatt des Glückes, sehen.

Sie eilt darauf ins Land der Ueppigkeit,
Dort mit dem Glücke sich durch Reichthum zu verbinden;
Dort war auch Ueberfluß, Gepränge, Schwelgen, Neid,
Der bürgerliche Stolz, doch nicht das Glück, zu finden.

Sie rennt zurück, und kömmt auf eine Bahn,
Die ihren müden Fuß in niedre Gründe führet.
Die stille Gegend ist der Schönen unterthan,
Die sich mit keinem Schmuck, als Zucht und Demuth, zieret.

Die Gottesfurcht hat dort ihr Heiligthum,
Der Weisheit holdes Kind, die Lust der Ewigkeiten.
Der milde Himmel kennt und schützet ihren Ruhm,
Und Wahrheit, Lieb' und Recht weicht nicht von ihren Seiten.

Die Einbildung fragt nach dem Glück allhier;
Die fromme Schöne spricht: ich will dir Rath ertheilen.
Erwart' es; such' es nicht; geselle dich zu mir:
So wird dir schon das Glück von selbst entgegeneilen.

Ihr wird gefolgt; nichts konnte besser sein.
Bald sieht man einen Glanz das Heiligthum verklären.
Es stellet sich das Glück mit offnen Armen ein,
Umfängt die Hoffende, und sättigt ihr Begehren.

 

Das Gelübde

Nichts pflegt der Rachbegier an Thorheit gleich zu sein.
Ein Mann, der unverhofft sein feistes Kalb vermißte,
Schwur, wenn er seinen Dieb nur zu entdecken wüßte,
So wollt' er einen Bock dem Pan zum Opfer weihn.

Sein Wunsch ward ihm gewährt. Es kam ein Pantherthier,
Das gafft' und bleckt' ihn an, und droht' ihn zu verschlingen.
Da seufzt' er: ich will gern mein Opfer zehnfach bringen,
Nur treib', o starker Pan! den nahen Feind von hier.

Betrogne Sterblichen, wer kennt sein wahres Wohl,
So oft Gelübd' und Wunsch den Rath der Allmacht störet?
Wenn uns des Himmels Zorn, zu unsrer Straf', erhöret,
So lernt man allererst, warum man bitten soll.

 

Das Delphische Orakel und der Gottlose.

Ein Schüler des Diagoras,
Ein Bösewicht, der wenig glaubte,
Und seinem frechen Götterhaß
Die größte Frevelthat erlaubte,
Ging einstens, aus verruchtem Sinn,
Nach Delphos zum Orakel hin,
Mit atheistischem Vergnügen
Den Gott der Dichtkunst zu betrügen.

O Phöbus, (sprach er) dein Verstand
Erforschet die geheimsten Dinge.
Hier halt' ich etwas in der Hand,
Das ich für dich zum Opfer bringe.
Du Sohn Latonens, gib Bericht:
Ist es am Leben? oder nicht?
Du weißt, es dient zu deiner Ehre,
Daß ich von dir die Wahrheit höre.

Er dachte: gibt man zum Bescheid,
Dein Vogel ist nicht mehr am Leben,
So will ich schon zur rechten Zeit
Ihm Flug und Freiheit wiedergeben.
Und wenn der schöne Leirer glaubt,
Der Athem sei ihm nicht geraubt,
So soll, auch dann ihn zu berücken,
Ein Druck den Vogel gleich ersticken.

Apollo übte nur Geduld,
Aus Mitleid mit der kühnen Schwäche,
Und sprach: Versuchst du meine Huld?
Du bist kaum werth, daß ich mich räche.
Zeuch deinen Sperling, o du Thor,
Lebendig oder todt hervor.
Die Götter lassen sich nicht äffen:
Ich kann von ferne sehn, und treffen.

 

Der Sultan und sein Vezier Azem.

Es ward ein Suliman nur durch den Krieg ergötzt,
Der seinen Roßschweif oft mit frischem Blut benetzt;
Sein und der Feinde Land ward siegreich aufgerieben;
(O lernten Helden doch die leichte Wohlfahrt lieben!)

Dem tapfern Pyrrhus gleich stritt er ohn' Unterlaß;
Jedoch sah der Vezier, ein andrer Cineas,
Der wahren Größe Freund, mit heimlichem Erbarmen
Der Herrschsucht Opferherd, das schöne Reich, verarmen,
Hier Felder unbesä't, dort Städt' in Flammen stehn,
Und, den kein Säbel fällt, in Sklavenfesseln gehn.

Dies sah er seufzend an, nur durft' er es nicht wagen,
Bei Kriegesrüstungen den Frieden vorzuschlagen.
Doch seines Sultans Huld half dieser Blödigkeit,
Und gab auf einer Jagd hierzu Gelegenheit.

Es hatte Suliman die Beyen, Aga's, Bassen,
Des ganzen Hofstaat Zug, in schnellem Ritt verlassen.
Ihm folgte der Vezier, weil es sein Herr befahl,
Und beide kamen bald in ein geweihtes Thal,
Wo noch zu Oßmanns Zeit ein alter Santon wohnte,
Abdallah, der Prophet, in dem die Weisheit thronte,
Der Omars großen Sohn, ein Haubt der frommen Schaar,
Der Todes-Engel Freund, Azraels Liebling, war,
Der fast, wie Mahomet, die sieben Himmel kannte,
Und den ganz Asien vor vielen heilig nannte.

Sie wuschen sich allhier Gesicht und Arm und Hand,
Nach Art des Muselmanns, mit dürrem, reinem Sand,
Und ehrten andachtvoll, an der bestäubten Stäte,
Abdallahs hohen Ruhm mit eifrigem Gebete.

Drauf hebt sich ein Gespräch von dessen Wundern an;
Da lächelt der Vezier, und spricht zum Suliman:
Ich habe, großer Held, bereits vor vielen Jahren
Die schwerste Wissenschaft des Orients erfahren.
Und welche? Die vielleicht kein Imam eingesehn,
Kein Mufti lehren kann: Die Vögel zu verstehn.
Der Schwanen Sterbelied, was Staar und Aelster schwatzen,
Der Adler heisern Ruf, die Straußen und die Spatzen,
Des Pelikans Geschrei, selbst des Humai Ein wahrsagender Vogel der Morgenländer. Soll dem Adler ähnlich sein. Stimm',
O Herr der Könige! versteht dein Ibrahim.
Ein Dervis hat mir das in Bagdad einst entdecket,
In dem Abdallahs Geist und Kraft zu Wundern stecket,
Der kennt den Alcoran; und der besitzt dabei
Die etwas schwarze Kunst der Cabalisterei.
Die Probe fällt mir leicht, und die soll nimmer trügen.

Der Sultan höret dies mit innigem Vergnügen,
Und kehrt bei Nacht zurück; da ihn Dianens Schein
Zwo Eulen sehen läßt, die unaufhörlich schrein.
Auf! ruft er, Ibrahim, du wirst dich zeigen müssen,
Was gibt's? Was wollen die? Ich muß es alles wissen.

Der Großvezier gehorcht, und thut, als gäb' er Acht
Zu forschen, was allhier die Vögel schwatzen macht;
Und endlich kömmt er schnell, als höchst bestürzt, zurücke.
O, spricht er: daß dein Reich der Mahomet beglücke!
Ich küss' in tiefem Staub, Herr, deines Rockes Saum:
Nur gib, dein Azem fleht, gib einer Bitte Raum.
Verändre das Gebot; will ihm dein Wink befehlen,
So sei es, was er hört, dir ewig zu verhehlen,
Und …

Was du jetzt gehört, soll mir verborgen sein?
Mir! einem Suliman! Nein! bei dem Allah! nein.
Sag' an!

Der ganze Lärm betrifft nur Heirathsachen.
Zween Väter sind bemüht, den Mahlschatz auszumachen,
Womit des einen Sohn, zu beider Häuser Wohl,
Des andern einzig Kind in kurzem freien soll.
Er muß, spricht dieser Greis, vor allen andern Dingen
Der Braut ein Heirathgut von fünfzig Dörfern bringen,
Nebst einer wüsten Stadt, die, raubt der Tod den Mann,
Ihr Wittwensitz verbleibt. Und wie? (hebt jener an)
Nur fünfzig? O wie leicht ist dieses einzugehen!
Zweihundert sollen dir, mein Freund, zu Diensten stehen.
Seit des Propheten Flucht war keine bess're Zeit:
Der Janitschar verheert die Länder weit und breit.
Es lebe Suliman! er müsse lange leben!
So wird uns jedes Jahr schon Wüsteneien geben.

Hier schweiget der Vezier: der Kaiser merkt es sich;
Er weiß ihm heimlich Dank, und folgt ihm öffentlich,
Beschleußt, der Menschen Werth nie weiter zu vergessen,
Und lernt der Länder Heil nicht nach den Siegen messen.

* * *

Ein guter Rath ist immer gut;
Doch lerne man die Wahrheit klüglich sagen.
Der Lehren Kraft und Glück beruht
Nur auf der Kunst, sie vorzutragen.

 

Wallraff und Traugott.

Heulend drang sich Boreas in die dichtverzäunten Felder,
Ueberraschte Berg und Thal, beugte, brach, zerriß die Wälder.
Durch die räuberischen Winde ward in einer Unglücksnacht
Nordens ewigbanger Wüste manches Tempe gleich gemacht.
Rauhe Furchen, weiß von Reif, öde höckerichte Fluren,
Leere Wiesen, fallend Laub, des entblößten Winters Spuren
Droheten mit starrem Schrecken, wurden doppelt fürchterlich,
Als die neue Wuth der Stürme das betrübte Land durchstrich.
Was des Pachters wacher Fleiß wohl verpflegt und eingeschlossen,
Hohe Ranken an dem Ulm, in den Beeten zarte Sprossen,
Zweige starker junger Bäume, die man alten eingesetzt,
Hoffnungvolle frische Pflanzen, die der Frost noch nicht verletzt,
Was des rauhen Herbstes Grimm vielen Aesten lassen müssen,
Ward geknickt, gebeugt, zerstreut, abgeschlagen, umgerissen.
Endlich bringt der Tag die Stille: jeder eilt, um selbst zu sehn,
Welche Bäume noch zu stützen, welche noch zu retten stehn;
Hausherr, Frau und Knecht und Magd macht sich auf, und forscht und zählet
Ranken, Sprossen, Baum und Stock, die der Nordwind jetzt verfehlet.
Zur Erhaltung der Gewächse lehren alle, was zu thun;
Jeder gibt dem Nachbar Anschlag; weder Witz noch Zunge ruhn.

Wallraff nur faßt den Entschluß, seine Bäume zu behauen,
Und weit emsiger, als sonst, das beraubte Feld zu bauen,
Greift zur nächsten Axt und Hacke, schneidet, pflöcket, kürzt und bricht;
Aber kürzt und bricht zu heftig, und verschont fast keinen nicht.
Zwar sein Nachbar Traugott kömmt, aus Erfahrung ihn zu lehren,
Nicht durch Eile noch Gewalt Ordnung und Natur zu stören.
Schone, spricht er, deiner Bäume: glaube mir, allein die Zeit
Schaffet, ohne solche Mittel, die erwünschte Fruchtbarkeit.
Aber Wallraff hört ihn nicht. Als hierauf der Lenz erschienen,
Sahe man fast jeden Baum, nur nicht die gekappten, grünen,
Und des weisen Alten Stämme voller, als man sonst gesehn,
Reich an unerzwungnen Früchten, ungekünstelt prächtig stehn.

Diesen Bäumen gleicht der Witz; sucht ihn nicht zu übertreiben;
Ehrt die wirkende Natur; laßt das Künsteln ferne bleiben.
Soll die Seele sich entwickeln, und in rechter Größe blühn,
O so muß kein klügelnd Meistern ihr die Majestät entziehn.

 

Die Thiere.

An Herrn C. L. Liscow.

Der Freiheit unverfälschte Triebe
Erhöhn den Werth der Wahrheitliebe,
Die deine Seele stark gemacht.
Dein glücklicher Verstand durchdringt in edler Eile
Den Nebel grauer Vorurtheile,
Des schulgelehrten Pöbels Nacht.

Was Haller und die Wahrheit preisen,
Mein Freund! das wagst du zu beweisen:
»Wer frei darf denken, denket wohl.«
Laß deinen Ausspruch mich vertraulich überführen,
Ob ich die Urtheilskraft in Thieren
Bejahen oder läugnen soll.

Zwo Ratzen, die der Mangel plagte,
Und hungrig aus den Löchern jagte,
Entdeckten unverhofft ein Ei.
Das Ei war ihnen g'nug. Es wissen viele Weisen,
Ein Manzel selbst, daß, die zu speisen,
Kein großes Mahl vonnöthen sei.

Sie wollen froh zum Essen schreiten;
Allein, es läßt sich jetzt von weiten
Der Erbfeind ihres Volkes sehn.
Es schleicht ein Fuchs heran; und guter Rath wird theuer,
Er frißt die Ratzen, und säuft Eier;
Wie läßt sich's unberaubt entgehn?

Die eine legt sich auf den Rücken
Und hält mit unverwandten Blicken
Das Ei mit ihren Pfoten fest.
Die andre weiß darauf, mit glücklichem Bemühen,
Sie bei dem Schwanze fortzuziehen;
Und so erreichen sie das Nest.

Wer lehret aus gewissen Gründen,
Daß Thiere bloßerdings empfinden?
Hat hier die Ratze nicht gedacht?
Verrieth die Rettungsart, die sie so wohl erlesen,
So schön vollführt, kein geistig Wesen,
Das zweifelt, forscht, und Schlüsse macht?

Zeigt sich in keines Thieres Ränken
Die Kraft, was möglich ist, zu denken,
Des Menschen Leitstern, der Verstand?
Kennt man von ihrem Thun noch keine tiefre Quelle,
Als die Erwartung solcher Fälle,
Die jedes andern ähnlich fand?

Die besten Mittel weislich wählen,
Durch Klugheit nie den Zweck verfehlen,
Das kann der stolze Mensch allein.
Pflegt diese Fertigkeit nicht Thieren beizuwohnen?
Warum denn müssen die Huronen
Durch Biber-Witz beschämet sein?

Wann fürchterliche Fluten schwellen,
Wann die Gewalt vereinter Quellen
Um Quebec wühlt, und Felder frißt;
So wird im Strom ein Haus durch Biber aufgeführet,
An dem der Strom die Kraft verlieret,
Das rund, umpfählt und sicher ist.

Die Vorderfüße scheinen Hände,
Und flechten aus den Binsen Wände,
Die auf sechs festen Stützen stehn.
Es kann ihr Wunderbau ein dreifach Stockwerk zeigen,
Und jeder Biber höher steigen,
Wann Eis und Wellen weiter gehn.

Sie wählen nahe Pappelweiden,
Die sie mit scharfem Zahn durchschneiden:
Doch ihre Mühe wird verkürzt,
Und sie erwarten stets den Beistand starker Winde,
Der plötzlich in die Wasserschlünde
Die halb durchnagten Stämme stürzt.

Es werden die, so Arbeit hassen,
Der Schmach und Faulheit überlassen,
Und man verbannt sie aus dem Staat.
Ein ächter Biber muß sein Amt getreu verwalten,
Bald bauen, und bald Wache halten,
Und melden, wann ein Mensch sich naht.

Wer war der Plato dieser Thiere?
Wer lehrte sie, was ich hier spüre:
Kunst, Ordnung, Witz, Bedachtsamkeit?
Soll man die Fähigkeit, wodurch sie dieses können,
Gefügter Theile Wirkung nennen?
Wo ist ein Uhrwerk so gescheidt?

Entdeckt man weiter nichts an ihnen,
Als die Bewegung der Maschinen,
Der Urtheil und Bewußtsein fehlt?
Cartesius bejaht's; doch ist ihm Recht zu geben?
Die Wahrheit mag den Zweifel heben,
Die Frankreichs Phädrus uns erzählt.

Aurorens Feind, ein Freund der Nächte,
Ein Thier aus traurigem Geschlechte,
Ein Kauz, der schlauste Bösewicht,
Ward in dem Nest ertappt; das steckte voller Mäuse,
Die waren feist, und hatten Speise,
Doch ihre Füße fand man nicht.

Sie wurden hier vom Kauz ernähret,
Der ihre Brüder längst verzehret,
Und nun für sie den Weizen stahl.
Aus Vorsicht lähmt' er sie, weil, die er sonst gefangen,
Ihm wieder unverhofft entgangen:
Jetzt fraß er sie, nach sichrer Wahl.

Hat dieser Schlecker nichts ermessen?
Auf einmal alles aufzufressen,
Das war zu ungesund, zu viel.
Er spart; er will die Maus, eh' er sie mästet, lähmen,
Und ihr zur Flucht die Mittel nehmen.
Wie kam's, daß er darauf verfiel?

 

Die Fledermaus und die zwo Wiesel

Es kam die Fledermaus in einer Wiesel Loch;
Die war den Mäusen feind, und sprach: Wie darfst du doch,
Der Mäuse Mißgeburt! dich meinen Augen weisen?
Wiewol du kömmst mir recht; ich wollte so schon speisen.

Was? schreit die Fledermaus, ich eine Maus? o nein!
Mein gutes Wieselchen, das mögt ihr selbst wol sein;
Die mich zur Maus gemacht, sind Lügner oder Feinde;
Die Kater unsers Dorfs sind meine besten Freunde.
Es lebe, was gut maust! Ihr wird zuletzt geglaubt;
Sie rettet unversehrt ihr unerkanntes Haubt;
Und doch geräth sie bald, durch ihr Gesicht betrogen,
In einer andern Bau; die war der Maus gewogen;
Ihr waren gegentheils die Vögel ganz verhaßt.
Sie fraß, in Hoffnung, schon den ihr zu schlauen Gast.

Es weiß die Fledermaus ihr glücklich zu entgehen.
Wofür denn, ruft sie aus, werd' ich jetzt angesehen?
Für einen Vogel? Ich? Du, Wiesel, irrest sehr.
Soll dies ein Fittig sein? Kennt man nicht Mäuse mehr?
Der erste Donnerschlag zerschmettre hier die Katzen!
Die Mäuse leben und die Ratzen!

* * *

Ein Kluger sieht auf Ort und Zeit,
Aus Vorsicht, daß man ihn nicht fange.
Er ruft mit gleicher Fertigkeit:
Es lebe Wolf! Es lebe Lange!

 

Der Fuchs und der Bock.

Einst reiste Meister Fuchs zu einem seiner Schwäger,
Im schwülen Sommer, über Feld;
Es hatte sich zu ihm der Ziegenbock gesellt,
Der dumm und sicher war, wie viele Hörnerträger.

Ein Abweg führte sie vor eines Pachters Haus;
Da ward für ihren Durst ein Schöpfbrunn angetroffen.
Hier tranken beiderseits. Das heiß' ich recht gesoffen!
Hub Reinke bellend an, und zum vollkommnen Schmaus
Fehlt nur ein feister Hahn: der Hühnerstall steht offen;
Wie aber kömmt man hier heraus?
Mein Herr! darf ich den Anschlag geben,
So stellen sie den Rücken hin;
Sobald ich aus dem Brunnen bin,
Ist's ihrem Diener leicht, sie schuldigst nachzuheben!
Ha! meckerte der Bock: nichts kann gescheidter sein.
Bei meinem Bart! mir fiel der Streich nicht ein.
Die klugen Köpfe sollen leben!

Hierauf bequemt er sich, und dienet ihm zur Brücke;
Allein der Fuchs läßt seinen Freund zurücke,
Und sagt: Vorjetzt entschuldge mich;
Mein Schwager wartet schon; sonst wollt' ich bei dir bleiben.
Dort jene Ziege guckt auf dich,
Sie wird dir unterdeß die Zeit recht wohl vertreiben.

Der Falsche rennt davon, und läßt mit scheelem Blick
Dem armen Bock nur diesen Trost zurück:
Sobald wirst du dich nicht des Rettens unterfangen,
Bevor du selbst der Noth entgangen.
Du murrest; fasse dich; der Mensch ist deiner Art:
Oft steckt sein Wissen nur im Bart.

 

Der Wolf und das Pferd.

Ein matter Wolf voll Nahrungssorgen
Betrat an einem Frühlingsmorgen
Der fetten Anger feuchtes Grün.
Da sah er mit erwünschten Freuden
Ein wohlbefleischtes Füllen weiden,
Das seinem Hunger reizend schien.

Er hatte große Lust zur Beute;
Nur daß er jeden Gegner scheute,
Der stärker war, als Lamm und Schaf.
Drum sollt' es ihm durch List gelingen,
Den jungen Streiter zu bezwingen,
Der an Gewalt ihn übertraf.

Er nähert sich dem stolzen Pferde:
Er schwört, daß auf der ganzen Erde
Kein Wurzelmann ihm ähnlich sei.
Erhabner Houyhnhnm, Houyhnhnm ist der Name, welchen Swift in den Gulliverschen Reisen den Pferden beigelegt hat. spricht er weiter:
Ich kenne Stauden, Pflanzen, Kräuter,
Von hier bis in die Tartarei.

Ich kann den Kranken Hilf' ertheilen,
Spatt, Kropf, Geschwulst, und alles heilen,
Dem andrer Helfer Rath gebricht.
Mir müssen Krampf und Würmer weichen;
Den Koller weiß ich wegzuscheuchen!
Und was versteh' ich sonsten nicht!

Jetzt bin ich darum hier erschienen,
Mit meiner Wissenschaft zu dienen;
Wenn ihnen diese rathen kann.
Sie gehn zu frei, zu rasch im Felde:
Dies zeigt, daß ich die Wahrheit melde,
Uns Aerzten nicht viel Gutes an.

Dürft' ich, weil sie zu sehr sich regen,
Ein Band um ihre Schenkel legen,
Gewiß, sie sollten Wunder sehn.
Ich fordre nichts für Cur und Mühe,
Weil ich den Geiz vor allem fliehe;
Die Heilung soll umsonst geschehn.

Das Füllen dankt ihm, und versetzet:
Ich habe mich am Huf verletzet,
Und spüre dort die schwerste Pein.
Herr Doctor! kommt, beseht den Schaden,
Könnt ihr der Schmerzen mich entladen?
Nichts, spricht der Wolf, wird leichter sein.

Er will auch keine Zeit verlieren,
Und stellt, den Anschlag auszuführen,
Sich unverzüglich hinters Pferd.
Das will, aus gleichgeschwinden Pflichten,
Ihm zum voraus den Lohn entrichten;
Ein Arzt ist seines Lohnes werth.

Der Houyhnhnm sucht ihn klug zu machen,
Schlägt aus, zerquetscht des Wolfes Rachen,
Und wiehert ihm die Worte zu:
Nichts gibt ein größeres Vergnügen,
Als den Betrüger zu betrügen;
Freund! das beweisen ich und du.

 

Der Löwe und die Mücke.

Ein kluger Heiliger, selbst Augustinus, spricht:
»Dem Sonnenkörper ist die Fliege vorzuziehen;
Denn ihr, nicht jenem, ward ein Lebensgeist verliehen.«
Vielleicht ist dieses wahr; ich aber glaub' es nicht.
Doch denk' ich keinen Ruhm den Fliegen abzusprechen;
Die Fliegen wissen sich zu rächen:
Auch Mücken fehlt es nicht an Keckheit, noch an Macht.
Wer ist der Heldin zu vergleichen,
Die jenes starke Thier aufs äußerste gebracht,
Dem alle Thiere zitternd weichen?

Der Thiere Regiment in Monomotapa
War durch Gewalt und Recht dem Löwen zugefallen,
Der sich, Monarchen gleich, von schüchternen Vasallen
Geschmeichelt und gefürchtet sah.

Dort heißt ein schwarzer Fürst das Wunder seiner Zeit,
Hat nur sein Heldenmuth viel Böses unterlassen;
Den Löwen nannten auch noch ungelähmte Sassen
Das Muster seiner Gütigkeit.

Das Lob nährt seinen Stolz, so wie sein Grimm die Noth.
Mit beiden durfte nur die kühne Mücke scherzen,
Die ihm aus edlem Haß, mit freiheitvollem Herzen,
Des scharfen Stachels Spitze bot.

Der Angriff wird gewagt; sie selber bläst zur Schlacht;
Sie säumt nicht, an den Feind sich peinlich fest zu saugen,
Und hat den König bald um Rachen, Maul und Augen
Mit tausend Schmerzen wund gemacht.

Er tobet, schnaubt und schäumt; die Thiere bergen sich;
Die Tapfersten entfliehn den majestätschen Klauen.
Er brüllt; der Hügel bebt; das allgemeine Grauen
Vermehrt ein jeder Mückenstich.

Was will der Stärkre thun? Der Schwächre gibt nicht nach;
Der Löwe sucht umsonst die Mücke zu erreichen,
Und wird, nach langem Streit, nach mißgelungnen Streichen,
Ermüdet, und an Kräften schwach.

Sie putzt ihr Panzerhemd, die Schuppen um den Leib,
Und ihren Federbusch, läßt beide Flügel klingen,
Zieht alle Schwerter ein, die aus dem Rüssel dringen,
Und hält sich für kein schlechtes Weib.

Nun steigt sie in die Luft, mit Sieg und Ruhm geschmückt,
Nun weiß sie schon die Kunst, die Löwen zu besiegen:
Bald aber sieht man sie in ein Gewebe fliegen,
Darin die Spinne sie erstickt.

* * *

Aus beider Sicherheit wird deutlich wahrgenommen,
Daß oft der schwächste Feind den kühnsten Helden schlägt.
Wie mancher Waghals ist im Zufall umgekommen,
Den weder Sturm noch Schlacht erlegt!

 

Der Löwe und der Esel.

Ein Esel schleppt sich aus dem Luder;
Ein Löwe kömmt ihm zu Gesicht;
Zu diesem naht er sich, und spricht:
Ich grüße dich, mein lieber Bruder!
Der Löwe stutzet, und ergrimmt,
Sobald er sich die Mühe nimmt,
Den Bruder ins Gesicht zu sehen.
Doch denkt er: Einen edlen Muth
Versöhnet nur ein tapfres Blut;
Allein die Esel läßt man gehen.

 

Der Wolf und der Hund.

Ein abgezehrter Wolf, ein Bild der Dürftigkeit,
Sah einen feisten Hund bei Nacht umherspazieren.
Sein Wanst gefiel ihm sehr; drum hielt ers für gescheidt,
Bei diesem Fremden sich manierlich aufzuführen.
Er schien, vor großer Lust, ganz außer sich zu sein,
Gesellschaft solcher Art im Felde vorzufinden,
Und sprach: Wann wird auch mich ein kleines Glück erfreun?
Und ach! wie könnte mich ein guter Rath verbinden!
An Gönnern fehlt es nur; die Zeiten sind nicht gut.
Kein Blutsfreund ladet uns mit andern lieben Gästen.
Wir kämpfen um den Fraß; wann, mit vergnügtem Muth,
Die Herren Hunde sich in vollen Küchen mästen.

Melamp erwidert drauf: Freund! wir beklagen dich;
Wir glauben's, dort im Wald ist oft nicht viel zu fressen.
Doch willst du mit mir gehn, so wirst du, so wie ich,
Nach Wunsch verpfleget sein, und aller Noth vergessen.
Mich liebet Herr und Frau; mein Amt fällt gar nicht schwer.
Ich hüte Haus und Hof, und halte nächtlich Wache.
Auch du scheinst mir geschickt zur Hut und Gegenwehr;
Und mehr bedarf es nicht, daß man dich glücklich mache.
Der Wolf umhalset ihn; und als er hurtig trabt,
Der Stelle vorzustehn, die man ihm angetragen,
Sieht er des Hundes Hals enthaart und abgeschabt,
Und wird aus Fürwitz kühn, ihn desfalls zu befragen.

Mich dünkt, versetzt sein Freund, mir fällt die Ursach' ein:
Des Tages legt man mich mit Schmeicheln an die Kette;
Aus Furcht, ich möchte sonst falsch oder beißig sein,
Dafern ein Held, wie ich, stets seinen Willen hätte.
Was aber schadet dies? Ich liege warm und still;
Mein Herr besuchet mich; der Knecht bringt Trank und Speise.
Der Wolf, der weiter nicht den Hund begleiten will,
Sucht seinen Rückweg bald, und dankt ihm für die Reise.

Nein! ruft er: auf der Welt ist nichts der Freiheit gleich.
Sollt' ich mir einen Stand, den sie nicht schmückt, erwählen?
Dem Weisen gilt sie mehr als Thron und Königreich:
Wenn ihm die Freiheit fehlt, so wird ihm alles fehlen.

 

Mops und Hector.

Der beste Freund in unsrer Welt,
Mops, war mit Hector auferzogen,
Und blieb ihm immer unverstellt,
Mit wahrer Hundetreu gewogen.

Ihm ging es recht nach seinem Sinn:
Wo Möpschen war, da gab es Freude;
Doch Hector zog nach Norden hin,
Und fand Verfolgung, Frost und Räude.

Wahr ist es: Hectors Unverstand
Gibt Anlaß oft ihn zu verlästern:
Er ist zu munter, zu galant,
Und lebte dort bei keuschen Schwestern.

Kaum finden sich die Brüder ein,
Und seufzen brünstig an der Schwelle,
(Vom Nachbar recht gehört zu sein)
So übertäubt sie sein Gebelle.

Er wedelt, wenn den Andachtbund
Gebet und Wink und Kuß beleben!
Er wedelt! O der Höllenhund,
Der Unschuld Aergerniß zu geben!

Er nimmt sich endlich mehr in Acht,
Damit sein Thun unsträflich scheine.
Doch Hectorn drückt schon der Verdacht;
Er ist kein Thier für die Gemeine.

Bald soll ein wohlgewählter Stein
Den ungezognen Hund ertränken;
Nur ist die Strafe fast zu klein;
Der Hunger kann noch länger kränken.

Man stößt, und schlägt, und nennt ihn toll,
Zum Vorschmack härtrer Züchtigungen:
Doch alles dient zu seinem Wohl,
Und zielt auf nichts, als Besserungen.

Der Brüderschaft ergrimmte Zucht
Häuft täglich die gewohnten Tücke.
Zuletzt dringt ihn die Noth zur Flucht,
Und halberstarrt kehrt er zurücke.

Von Mopsen wird er kaum erkannt;
So dürftig kömmt er angekrochen.
Allein, sobald er sich genannt,
Wird er aufs zärtlichste berochen.

Mops spricht: mein Freund, du jammerst mich,
Ich werde dich zu trösten wissen,
Ich lebe hier fast königlich,
Mich mästen lauter Leckerbissen.

Madame gibt mir manchen Kuß,
Manch Schmätzchen, dem kein Nachdruck fehlet.
Mir kommen sie in Ueberfluß,
Dem Manne werden sie gezählet.

Wer will, was Höhere gewollt,
Dem wird die Ehrfurcht zum Ergötzen,
Mir sind die meisten Schönen hold,
Mich lieben zwanzig junge Betzen.

Mich lobt das ganze Haus; warum?
Ich kann die Treue klüglich üben;
Ich bleibe dem Geliebten stumm,
Und belle Bettlern oder Dieben.

 

Jupiter und die Schnecke.

Jupiter verhieß den Thieren, die er in der Welt erschuf,
Das zu geben, was sie wünschten. Jedes kam auf seinen Ruf.
Alle wünschten, alle baten; was sie baten, ward verliehn.
Zu den andern kroch die Schnecke, bis sie vor dem Zeus erschien.
Diese sprach: O Haubt der Götter, laß mich doch ein Haus erflehn,
Das nur mir, nicht andern, dienet, still darin herumzugehn!
Wenigstens bleibt meine Wohnung von Verdrießlichen befreit,
Ich entschleiche vielen Forschern, vielen Neidern, vielem Streit.
Tausend mögen stolzer wählen; jeder Segen, der mir blüht,
Blüht mir schöner und gedoppelt, wann ein Böser ihn nicht sieht.
Wahl und Vortrag ward gebilligt: Jupiter ging dieses ein,
Und vor vielen schien die Schnecke glücklich und gescheidt zu sein.

 

Der Bauer und die Schlange.

Ein Ackersmann fand eine Schlange,
Die fast erstarrt vor Kälte war.
Sein Arm entriß sie der Gefahr,
Und ihrem nahen Untergange.
Er nahm sie mit sich in sein Haus,
Und sucht' ihr einen Winkel aus,
Wo noch ein Rest von Reisern glühte.
Doch als ihr Frost und Noth entwich,
Erholte, regt', und hub sie sich,
Und lohnte dem mit Biß und Stich,
Den ihre Rettung so bemühte.

* * *

Betrogne Huld und Zärtlichkeit,
Die Frevlern blindlings Hilfe beut!
Hier folgt der Schade stets der Güte.

 

Der Hirsch und der Weinstock.

Ein Spießhirsch, dem die nahe Jagd
Die schlanken Läufte zittern macht,
Flieht schnell zu Holz, und thut sich nieder.
Der Leithund sucht durch Busch und Flur,
Verfolget Fährte, Schritt und Spur,
Und findet ihn im Prudel wieder.

Der Hirsch verändert seinen Stand,
Und springt in ein verzäuntes Land,
Wo bald ein Weinberg ihn verstecket.
Des Hifthorns Ruf, das Jagdgeschrei,
Die muntern Jäger ziehn vorbei,
Sein Wiedergang bleibt unentdecket.

Da nichts ihn mehr verscheuchen kann,
Fängt er den Stock zu nagen an,
Bricht und entblättert Zweig und Reben.
Man hetzt auf dies Geräusch zurück,
Er wird, beinah im Augenblick,
Erlegt, zerwirkt und preis gegeben.

Er schreiet, da er zappelnd weint,
Da Hund und Rach' und Tod erscheint,
Und sich mit Schweiß die Ranken färben:
Ich sterbe, weil ich den verletzt,
Der mich in Sicherheit gesetzt.
So sollten, die ihm gleichen, sterben.

 

Der kranke Hirsch und die Wölfe.

Ein Hirsch, der sich nicht wohl befand,
Blieb lange Zeit daheim, die Ballen auszuheilen,
Und jeder Freund kam angerannt,
Ihm Trost und Beirath mitzutheilen.

Gesellschaft pfleget zu erfreun:
Drum stellten sich am zwölften Tage
Zween Wölfe voller Mitleid ein,
Und jeder kam mit dieser Frage:
Wie mag es mit dem Kranken sein,
Den ich gewiß recht sehr beklage?
Hat man auf ihn gehörig Acht?
Ist's gut, so eng' ihn einzusperren?
Wie stund's mit ihm die vor'ge Nacht?
Das Hirschkalb sagte mit Bedacht:
Viel besser, als ihr's wünscht, ihr Herren.

 

Die Natter und der Aal.

Zu der Natter sprach der Aal:
Mein Geschick ist zu bedauren,
Weil auf mich fast allemal,
Nicht auf dich, die Leute lauren.
Ruh' und Unschuld schützt mich nicht,
Weil mir jeder Netze flicht.
Vetter, fiel die Natter ein,
Unschuld wird dich nicht befrein;
Aber ich kann Zähne weisen,
Deren Biß die Feinde scheun.

 

Der Esel, der Affe und der Maulwurf.

Ein betrübter Esel heulte,
Weil des Schicksals karge Hand
Ihm nicht Hörner zugewandt,
Die sie doch dem Stier ertheilte;
Und der Affe fiel ihm bei,
Daß der Himmel grausam sei,
Weil er ihm den Schwanz versagte.
Als nun jeder mürrisch klagte,
Sprach der Maulwurf: Ich bin blind;
Daß man sich mit mir vergleiche,
Wenn des Schicksals Zorn und Streiche
Andern unerträglich sind!

 

Der Fuchs ohne Schwanz.

Reinike verwirrte sich
In die ihm gelegten Stricke,
Und, wiewol er selbst entwich,
Ließ er doch den Schwanz zurücke.

Um nicht lächerlich zu sein,
Predigt' er den Füchsen ein,
Auch den ihren abzulegen.
Seine Hörer zu bewegen,
Sprach er als ein Cicero:
Erstlich will's der Wohlstand so,
Um sich zierlicher zu regen:
Denn man trabt damit zu schwer,
Und zu unbequem einher.
Zweitens macht ein Schweif zu kenntlich.
Drittens hält er in dem Lauf
Oft den schnellsten Brandfuchs auf.
Viertens riecht er vielen schändlich.

Stumpfer Redner! schweige du,
Rief ein alter Fuchs ihm zu;
Was du lehrest, wird verlachet.
Nur der Neid ist, was dich quält,
Der den Vorzug, der dir fehlt,
Andern gern zuwider machet.

 

Der Hirsch, der Hund und der Wolf.

Ein jeder Frommer thut, was man in Hamburg thut:
Das Gute glaubt er oft, allein das Böse selten.
Ihn lehrt der Lauf der Welt, daß Neid und Frevelmuth
Der Tugend Henker sind, und auch die Frömmsten schelten.
Sonst ist's ein bloßes Glück, wenn einen Bösewicht
Die Unschuld und das Recht, trotz seiner Kunst! beschämen.

Ein Wolf jagt' einen Hund. Der bat, aus Zuversicht,
Den Hirsch, ihn ungesäumt in seinen Schutz zu nehmen.
Der Flüchtling wird erhört; doch ihn verfolgt sein Feind,
Und spricht: Ich komm', o Hirsch, dein einzig Kalb zu rächen.
Der Schnapphan hat's erwürgt, ich sah es, ich, dein Freund,
Und den verwirkten Hals soll ihm kein andrer brechen.
Der Hund verneint die That. Er fleht, und schwört dabei:
Es sei ihm, von Natur, das Wildpret recht zuwider.
Ihm zeigt der strenge Hirsch sein fürchterlich Geweih,
Beklagter seufzt und heult, und wirft sich vor ihm nieder.
Als drauf sein Kläger ihm mit neuen Zeugen droht,
Kömmt, gleich zu rechter Zeit, das Hirschkalb hergesprungen.
Den frechen Lügner trifft Verwirrung, Furcht und Tod;
Doch dieses Beispiel schreckt nur wenig Lästerzungen.

 

Der Hase und viele Freunde.

Wo soll man ächte Freundschaft finden?
Das Lockwort klingt doch gar zu fein,
Und kann, die Herzen zu verbinden,
Der Anlaß schönster Hoffnung sein.
Man pflegt den milden Stein der Weisen
Uns, als ein Wunder, anzupreisen.
Man lehrt, er mache mehr, als reich:
Fürwahr, ihm ist die Freundschaft gleich.

Ein jeder, der in diesen Jahren
Mir ohne Lachen widerspricht,
Ist glücklich, falls er nicht erfahren,
Wie oft man Treu' und Glauben bricht.
Wird er den Vorzug nur erwerben,
In diesem süßen Wahn zu sterben;
So soll einst seines Grabes Stein
Der Welt ein seltnes Denkmal sein.

Ein Häschen von beliebten Sitten,
Ein kleines Thier von schneller Kunst,
Erhielt durch Schmeicheln und durch Bitten
Verschiedner Thiere Lob und Gunst.
Die Hasen hatten ja vorzeiten
Weit mehr, als jetzo, zu bedeuten.
Als keiner unsern Stutzern glich,
Da war auch keiner lächerlich.

Er wandte sich zu allen Freunden,
Um ihren Beitritt zu erflehn,
Den Hunden, seinen ärgsten Feinden,
Zu steuren, oder zu entgehn.
Man sprach: Dein Leben zu erhalten
Soll unser Eifer nie erkalten;
Der deinem Balg ein Härchen krümmt,
Dem ist von uns der Tod bestimmt.

Der muntre Hänsel ist zufrieden,
Und schätzt sich großen Hansen gleich.
Die Sicherheit, die ihm beschieden,
Vertauscht er um kein Königreich.
Ihn will so mancher Beistand schützen;
Was darf er nun in Aengsten sitzen?
Nein, unter vieler Starken Hut
Fehlt es auch Hasen nicht an Muth.

Er lebet ohne Noth und Sorgen,
So unverzagt, als ungestört,
Weil sich mit jedem schönen Morgen,
Mit jedem Thau sein Frühstück mehrt.
Sein rascher Lauf verläßt die Wälder,
Durchstreicht die Triften und die Felder,
Wo in beglückter Sicherheit
Ihn Gras und Laub und Frucht erfreut.

Wie oft vergällt erwünschte Stunden
Verhaßter Stunden Ungemach!
Ein Jäger eilt mit schlauen Hunden
Der Spur des armen Hänsels nach.
Hier ist kein Freund, ihm jetzt zu rathen:
Er fährt, er läuft durch Busch und Saaten,
Er drückt sich oft, so gut er kann;
Doch alle Hunde schlagen an.

Er rennt, und setzt durch Forst und Stege:
Sein Absprung aber hilft ihm nicht.
Doch endlich kömmt, auf einem Wege,
Sein Freund, das Pferd, ihm zu Gesicht.
Er sagt: Dies tolle Hetzenreuten
Scheint meinen Tod mir anzudeuten.
Doch nimmt mich nur dein Rücken auf,
So spürt kein Stöber meinen Lauf.

Das Pferd versetzt: Mein Herr, ich sehe
Des Unfalls Größe noch nicht ein.
So mancher Freund ist in der Nähe,
Und jeder wird behilflich sein.
Die Treu' erleichtert Müh' und Bürde;
Sie wissen, wie ich dienen würde:
So aber wohnt nicht weit von hier
Ein ungleich stärkrer Freund, der Stier.

Er eilt durch Haide, Busch und Hecken,
Und fleht den Stier um Rettung an.
Der spricht: Ich will nur frei entdecken,
Warum ich dir nicht helfen kann.
Du kennest meiner Freundschaft Triebe;
Jedoch die Freundschaft weicht der Liebe.
Dort läßt sich meine Schöne sehn.
Du mußt zu jener Ziege gehn.

Die Ziege hört des Hasen Klagen,
Mit angenommner Traurigkeit,
Und hält, ihm alles abzuschlagen,
Sich zu der Ausflucht schon bereit.
Sie meckert: Dich jetzt aufzunehmen,
Wird jenes Schaf sich bald bequemen.
Dir ist ja seine Gutheit kund.
Mir, leider! ist der Rücken wund.

Der Arme flieht mit bangen Schritten,
Sucht, und erreicht das ferne Schaf,
Das, unbewegt bei seinen Bitten,
An Furcht den Flüchtling übertraf.
Es klagt: Vor Feinden dich zu schützen,
Wird meine Schwäche wenig nützen.
Ich zittre ja so sehr, als du;
Doch eile jenem Füllen zu.

Das sprach: Wenn wir jetzt Beistand hätten,
So trotzt' ich gerne der Gewalt.
Ich bin zu jung, dich zu erretten,
Und mein Herr Vater ist zu alt.
Ich sehe schon die Hunde kommen:
Nur frischen Muth und Lauf genommen!
Doch, wenn dein Tod uns trennen soll,
Geliebter Hänsel, fahre wohl!

 

Der Bär und der Liebhaber seines Gartens.

Ein unerfahrner Bär voll wilder Traurigkeit,
Den in den dicksten Wald sein Eigensinn verstecket,
Vertrieb, unausgeforscht, durch Klipp' und Berg gedecket,
Wie ein Bellerophon die Zeit.

Hier sträubet sich der Petz; er liebt nur diese Kluft,
Und meidet stets die Spur der Bären, seiner Brüder.
Mit Brummen wälzt er sich im Felsen auf und nieder;
Sein schwaches Haubt scheut freie Luft.

Dies macht ihn ganz verwirrt. Ihm gleicht vielleicht die Zunft
Der Weisen dunkler Art, der schweren Sonderlinge;
Die fliehen Licht und Welt, und haschen Wunderdinge;
Nur nicht die Gabe der Vernunft.

Einst, da er saugend sinnt, wird ihm sein Lebenslauf
(Wenn das ein Leben ist) auf einmal sehr verdrießlich.
Er will gesellig sein; dies hält er für ersprießlich.
Und kurz: er macht sich taumelnd auf.

Wohin? das weiß er nicht: das Glück mag Führer sein,
Das Glück, der Thoren Witz. Nicht weit von seiner Höhle
Lebt' ein bejahrter Mann mit einer trägen Seele,
Fast wie der Petz, stumm, und allein.

Auch der sucht keinen Scherz, der andern artig scheint.
Was Herbst und Sommer zollt, des grünen Frühlings Gaben
Vergnügen seinen Fleiß. Ich müßt' ein mehrers haben:
Was aber? Einen klugen Freund.

Der Fluren bunter Schmelz entzücket das Gesicht;
Pomonens Ueberfluß kann tausend Freude machen;
Man darf mit Blum' und Frucht vertraulich reden, lachen;
Doch nur in Fabeln: weiter nicht.

Nicht wahr? die Einsamkeit ist nicht auf ewig schön.
Unmitgetheilte Lust muß Ueberdruß erwecken;
Der bringt den Greis ins Feld, um Menschen zu entdecken.
Mein Timon wird zum Diogen.

Er wandert nach dem Forst; hier irrt er hin und her,
Und mißt und sucht die Bahn auf unbekanntem Stege.
Zuletzt begegnet ihm, in einem hohlen Wege,
Ein andrer Eremit, der Bär.

Er stutzt. Was soll er thun? Zur Flucht ist keine Spur.
Er fasset sich; hält Stand: das wird gut aufgenommen.
Petz sieht ihn gnädig an, und spricht: Mein Freund, willkommen,
Besuche mich, und eile nur.

Der Greis versetzt gebückt: Die Gunst verpflichtet mich.
O würde mir erlaubt, in meinem nahen Garten
Mit einem schlechten Mahl gehorsamst aufzuwarten!
Der Vorzug wäre königlich.

Ich habe Milch und Obst; zwar weiß ich gar zu wohl,
Die Kost ist ziemlich schmal für euch, ihr Herren Bären;
Ihr Großen dieser Welt, ihr könnet besser zehren:
Doch auch mein Honigtopf ist voll.

Der Vorschlag wird beliebt; noch zeigt sich nicht das Haus,
Da die Bekanntschaft schon recht preislich angegangen.
Es will sogar der Bär den neuen Freund umfangen;
Doch der bedankt sich, und weicht aus.

Bald haben diese zween den schönsten Bund gemacht.
Sie bleiben ungetrennt, und werden Hausgenossen.
Der eine pflanzet, impft, und wartet seiner Sprossen;
Der andre legt sich auf die Jagd.

Unwissenheit und Ernst schließt öfters beider Mund;
Ihr Umgang nähret sich durch beider stumme Blicke.
Man machet sich die Lust aus diesem Eintrachtsglücke
Einsilbigt, auch nur selten, kund.

Petz kehret einmal heim; da schlummert sein Orest
Zur schwülen Mittagszeit. Er gehet bei ihm liegen,
Bewacht den Schlafenden, zerstreut den Schwarm der Fliegen,
Der seinen Wirth nicht ruhen läßt.

Er schnappt, fängt, scheuchet, lauscht, gafft nach dem Alten hin,
Und sieht auf dessen Stirn sich eine Raupe regen;
Ha! brummt er: dir will ich das Handwerk zeitig legen!
Geschmeiße, wißt ihr, wer ich bin?

Er holt den größten Stein; und, weil er's treulich meint,
So muß durch einen Wurf so Raup' als Greis erkalten.
Fürwahr, den klugen Feind muß man für schädlich halten;
Doch ja so sehr den dummen Freund.

 

Das Schäfchen und der Dornstrauch.

Ein Schäfchen kroch in dicke Hecken,
Dem rauhen Regen zu entgehn.
Hier konnt' es freilich trocken stehn;
Allein die Wolle blieb ihm stecken.

* * *

Beglückt ist, den dies Schaf belehrt.
Bethörte Had'rer, laßt euch rathen.
Vertraut die Wolle nicht den scharfen Advocaten.
Oft ist, was ihr gewinnt, nicht halb der Kosten werth.

 

Der Affe und der Delphin.

Den Mutterwitz bringt jeder auf die Welt;
Der Schulwitz wird durch Bücher uns gegeben;
Der eitle Mensch, dem Schein und Wahn gefällt,
Sucht überdies dem dritten nachzustreben.
Das ist der Witz, den man, galant zu leben,
Auf Reisen sucht, nur in der Fremd' erhält,
Wo, ehe man den letztern aufgespüret,
Manch' Mutterkind die ersten oft verlieret.

Und dennoch ist's ein Ruhm, (ich leiste die Gewähr)
Mit Vorwitz, Gold und Stolz sich auf den Weg zu machen.
Man holt von Städten, Leuten, Sachen
Zum wenigsten die Namen her.
Ist dieses nicht genug? wer darf noch mehr verlangen?
Wer alles wissen will, der gehe selbst dahin,
Wo ich bereits gewesen bin;
Da kann er Unterricht empfangen.

Ganz recht! du bist schon hier: dir droht nicht die Gefahr,
Die jenem Affen tödtlich war.

Der ging zu Schiffe, von Athen
Nach Lacedämon hin zu reisen,
Den Schönen dort, die ihn noch nicht gesehn,
Sein liebliches Gesicht zu weisen.

Die Fahrt fing glücklich an, bei hellem Sonnenschein.
Die Luft floß, wie das Meer, gelind und spiegelrein.
Drum singt der Steuermann, den noch kein Unfall störet,
Und lenkt das Schiff mit Lust; man jauchzet überall.
Die allgemeine Ruh', der öftre Freudenschall
Reizt meinen Passagier, der bald den Scherz vermehret,
Die Zähne bleckt, erzählt, wo er herumgeschweift,
Und es beim Zeus beschwört, ein Liedchen hüpfend pfeift,
Das er beim Chier Wein von Phrynis selbst gehöret.

Der Wind verbleibt geneigt. Man sieht zur rechten Hand,
In einem fernen Blau, Trezöns berühmten Strand,
Und Argo's breiten Busen liegen.
Der Thetis weibischen und schnellen Unbestand
Scheint Eurus webend einzuwiegen.

Bald aber schwärzet sich die heitre Himmelsluft;
Es reißt sich Boreas aus seiner tiefsten Kluft
In Wirbeln brausend los, und thürmt auf Wellen Wellen.
Das Schiffvolk sieht erstaunt die wilden Fluten schwellen,
Und zieht die Segel ein: doch fehlt ihm Zeit und Licht.
Der Sturm verfolgt das Schiff: es krachet, splittert, bricht.

So wird die Hoffnung bald betrogen!
Die in erwünschter Sicherheit
Der guten Reise sich erfreut,
Sind jetzt ein Spiel empörter Wogen.

Ein jeder ringt mit Furcht und Wellen,
Und jedem sinket Hand und Muth.
Doch plötzlich legt sich Wind und Flut;
Die Luft fängt an sich aufzuhellen.

Als nun die Stille zugenommen,
Da kömmt, vielleicht von ungefähr,
Ein spielendes Delphinenheer,
Zu aller Trost, herbeigeschwommen.

Dies Thier pflegt Menschen gern zu dienen.
Selbst Plinius erzählt es so.
An welchem Ort? ich weiß nicht wo;
In dem Capitel von Delphinen.

Der Affe naht sich mit Entzücken.
Da nimmt ein solcher Menschenfreund,
Dem er ein Mensch, wie andre, scheint,
Ihn unverzüglich auf den Rücken.

Er freuet sich der stolzen Bürde.
Sein Reiter ziert sich auch so schön,
Daß, wer ihn nicht zu scharf besehn,
Ihn für Arion halten würde.

Der junge Herr wird fortgetragen,
Bis endlich sein Erretter ruht,
Und höflich diese Frage thut,
Wie ihn der Sturm hieher verschlagen.

Sie sind ja von Athen gekommen? …
Ja freilich komm' ich von Athen.
Mon Cher, da bin ich angesehn;
Hat Er noch nichts von mir vernommen?

Hat Ihnen diese Stadt gefallen?
Er fragt? wem steht Athen nicht an?
Mein Vetter, der berühmte Mann,
Ist Archon dort, und gilt bei allen.

Mon Cher, wie werden die Verwandten
Um meine Rettung fröhlich sein!
Wie wird sich mein Papa erfreun,
Ma Sœur, mon Frère, nebst den Tanten! …

So ist auch (doch kaum braucht's der Frage)
Piräus Ihnen wohl bekannt? …
O der? Piräus hat Verstand;
Wir sahen uns fast alle Tage.

Das hieß nun recht die Klugheit zeigen!
Kein Meister hat das Schloß erdacht,
Das rohe Mäuler sprachlos macht.
O wüßten Affen doch zu schweigen!

Er wird erkannt, und muß ertrinken.
Man wirft ihn in das Meer, und spricht:
Delphinen retten Affen nicht;
Fort; du magst schwimmen, oder sinken!

 

Das Hühnchen und der Diamant.

Ein verhungert Hühnchen fand
Einen feinen Diamant,
Und verscharrt' ihn in den Sand.

Möchte doch, mich zu erfreun,
Sprach es, dieser schöne Stein
Nur ein Weizenkörnchen sein!

Unglückselger Ueberfluß,
Wo der nöthigste Genuß
Unsern Schätzen fehlen muß!

 

Die Henne und der Smaragd.

Des Glückes hämscher Eigensinn
Wirft viele Schätze dieser Erden
Unwürdigen Besitzern hin,
Durch Reichthum lächerlich zu werden.

Wo findet beides sich zugleich:
Geld und Verstand zu edlen Thaten?
Vielleicht im tausendjährgen Reich,
In Wahrheit nicht in unsern Staaten.

Aus eines Bischofs Schatz verlor sich ein Smaragd,
In dem ein helles Grün mit reinen Farben spielte,
Den, wegen strahlenreicher Pracht,
Ein jeder, der ihn sah, für unvergleichlich hielte.

Dies Kleinod fand ein weiblich Thier,
Das von dem leichten Volk, so sich in Federn kleidet,
Des Kammes kronengleiche Zier,
Die Wachsamkeit (die Phyllis nie beneidet)
Und treue Dummheit unterscheidet;
Das blinde Gütigkeit von guten Männern borgt,
Und Junge fremder Art, als seine Zucht, versorgt.

Was that die Henne hier? Sie fand.
Sie fand; und finden ist die Kunst von vielen Erben;
Doch beider Fund wird übel angewandt:
Denn jene scharrt den Stein in Sand,
Und diesen kann ihr Gut kein wahres Glück erwerben.

* * *

Die Fabel von dem Huhn und von dem Diamant
War mir und dir und tausenden bekannt.
Mein Freund! den Einwurf kannst du sparen.
Sie war bekannt vor tausend Jahren:
Ihr ändert nur mein Reim die äußere Gestalt;
Und keine Wahrheit wird zu alt.

 

Der Marder, der Fuchs und der Wolf.

Ein Marder fraß den Auerhahn;
Den Marder würgt ein Fuchs; den Fuchs des Wolfes Zahn.

* * *

Mein Leser, diese drei bewähren,
Wie oft die Größern sich vom Blut der Kleinern nähren.

 

Der Adler, die Sau und die Katze.

Tyrannin! die du jung und alt
Mit unumschränkter Macht regierest!
Dich mit der weiblichen Gestalt
Der meisten Mode-Laster zierest,
Und bald des Stolzes, bald der List,
Auch oft der Einfalt Zuflucht bist,
Verleumdung! deren Mund die Wahrheit selbst betäubet,
Der Mund, den Zucht und Unschuld scheut;
Dir sei zum ersten Mal ein Blatt von mir geweiht,
Das jetzt ein Meisterstück, das du vollführt, beschreibet!

Es hatt' auf einem hohen Baum
Der Vögel Königin den Obersitz genommen.
Die Katze wählte sich der Eiche mittlern Raum.
Den untersten hatt' eine Sau bekommen.
Die hielten gute Nachbarschaft;
Durch Argwohn war noch nie die Eintracht unterbrochen;
Doch endlich trennte sie der Bosheit Höllenkraft.
Die Katze kam zum Adler hingekrochen,
Und sprach: Hört! unsrer Kinder Tod,
Wo nicht der unsere, (doch, das zu unterscheiden,
Fällt Mutterherzen schwer) scheint gar nicht zu vermeiden.
Ein guter Freund warnt in der Noth.
Seht, ach! ich bitte, seht! wie wühlt die wilde Sau!
Sie gräbt, und will den Baum ganz aus der Wurzel heben.
Trau', schaue wem; wie muß ich arme Frau
An unsern Kindern das erleben!
Ihr kennt nicht die Gefahr; mir aber, mir ist bange!
Sobald die Eiche fällt, die schon beschädigt ist,
So seh' ich's, wie die Sau die lieben Kätzchen frißt,
Die ich verlass'nes Weib noch voller Furcht umfange.
Ich bin den Lügen gram; ich suche keinen Zwist;
Nein, ehrlich, ehrlich währet lange.

Nachdem sie das gesagt, und mit verstelltem Sinn
Den Argwohn gleich erweckt, auf den ihr Reden zielte,
So schlich die schlaue Frau stracks zu der Bache hin,
Die unten ihre Wochen hielte.

Ach! allerliebste Nachbarin,
Euch ahnt's wol nimmermehr, warum ich traurig bin.
Die Kinder jammern mich, die eure Brüste saugen.
Man traue keinen Adleraugen!
Könnt ihr auch schweigen? Gebt doch Acht,
Wie über uns der böse Vogel wacht.
Ich weiß es nur zu wohl, er schärfet schon die Klauen,
Und raubet, wenn ihr euch aus eurem Lager macht,
Die schönen Kinderchen; doch alles im Vertrauen.
Nur sagt mir nicht hernach: Das hätt' ich nicht gedacht!

Dies wiederholt sie oft, wünscht seufzend gute Nacht,
Und klettert in ihr Loch zurücke,
Und freut sich der gelungnen Tücke.

Der Adler hütet stets das Nest,
Damit der Bache Zahn nicht seine Jungen spieße,
Wie gegentheils die Sau die Eiche nicht verläßt,
Damit der Adler nicht auf ihre Ferkel schieße.
So groß nun beider Mangel war,
So fürchteten sie doch der Ihrigen Gefahr,
Und da sie jederzeit in ihrer Wohnung blieben,
Wo jedem Kost und Wasser fehlt,
So wurden auch, wie Phädrus uns erzählt,
Sie insgesammt von Durst und Hunger aufgerieben,
Und die Betrognen dienten bald
Dem falschen Katzenmaul zum neuen Unterhalt.

* * *

Was können böse Zungen nicht
Leichtgläubigen für Stacheln hinterlassen?
Was richten sie nicht an? Wer ist wol mehr zu hassen,
Als der von Frommen übel spricht?
O könnt' ich dieses hier in kurze Worte fassen!
Doch Sirach that es schon, der ungeheuchelt schrieb:
Wer lüget, wer verleumd't, ist ärger, als ein Dieb.

 

Die Kenner.

An Herrn M. A. Wilkens.

Es ließ sich in der Vögel Chören
Unlängst ein junger Vogel hören,
Und suchte nichts so sehr, als wahrer Kenner Gunst.
Gemeiner Sänger List wirbt manchen feilen Gönner:
Allein das Lobgeschrei, der Beifall halber Kenner
Entehrt, und zieret keine Kunst.

Es lobten ihn die Haidelerche,
Ein reisend Paar verirrter Störche,
Der Staar, der Zitscherling, der Wendehals, der Specht.
Der Hänfling kam hervor, und bat ihn, mehr zu singen;
Der heischre Kiebitz schrie: Nichts kann mir besser klingen;
Der Reiger sagte: Du hast Recht.

Die Elster schwatzte ganze Stunden,
Und rühmte was sie schön befunden,
Des freien Schalles Höh', und sanfter Töne Fall.
Der ekle Vogel sprach: Soll nichts dem Wunsche fehlen,
Und darf sich mein Versuch selbst einen Richter wählen,
So wähl' ich mir die Nachtigall.

* * *

Mich dünkt, sein Wunsch ist nicht zu tadeln.
Soll uns ein ächter Vorzug adeln,
So muß der Einsicht Kraft den Stimmen Werth verleihn.
Man kennt, man überlebt des Nachruhms Ewigkeiten,
Die der Gelehrten Schaum, die Schmeichler unsrer Zeiten,
Einander ohn' Erröthen weihn.

Du Freund und Muster deutscher Dichter,
Der Wahrheit liebenswürdger Richter,
Mein Wilkens, den vorlängst der Pindus lieb gewann;
Wie reizend werden mir doch meine Lieder schallen!
Wie werd' ich, Werthester, mir endlich selbst gefallen,
Wenn ich nur dir gefallen kann!

 

Der Papagei.

In Cuba war ein Papagei,
Den neckt' ein jeder um die Wette;
Kein einziger gestand, daß er gelehrig sei,
Noch daß ihn die Natur recht schön befiedert hätte.

Er wird drauf nach Madrid gebracht;
Da übertrifft sein Witz die klügsten Papageien;
So oft der muntre Psittich lacht,
So oft er etwas nachgemacht,
Scheint über seine Kunst sich alles zu erfreuen;
Sogar sein ernster Herr in seiner Brillenpracht.

Er tröstet sich in diesem Stande,
Wo seinem Wunsche nichts gebricht;
Schaut, spricht er, Kluge gelten nicht,
Als außer ihrem Vaterlande.

 

Die Bärenhaut.

Zween Helden, die der Douze-Strand
Von Jugend auf, in frühen Wechselchören,
Nach tapfern Flüchen singen hören,
Verließen, um die Zahl der Reisenden zu mehren,
Ihr liederreiches Vaterland.

Mehr Lust, als Fähigkeit zu ungemeinen Werken,
Die Noth und etwas Eigensinn
Trieb sie zuletzt nach Polen hin,
Die Mißvergnügten zu verstärken.

Gesang und Gold und Muth nahm bald und merklich ab,
Als diesen sonst galanten Leuten
Ein Kürschner Tisch und Stube gab;
Vielleicht aus Hoffnung bess'rer Zeiten.

Zu diesem sagten sie: Ein großer Wütherich,
Ein ungeheurer Bär läßt sich im Walde sehen;
Euch soll, an Zahlungsstatt, die Haut zu Dienste stehen.
Herr Wirth! das Fell ist schön, der Anschlag ritterlich.
Wir sähen auch nicht gern, um unsers Landes Ehre,
Daß ein Gascogner schuldig wäre.
Die Bestie wird euch und uns erfreun.
Beim Element! wir wollen uns ergötzen;
Den Bären soll gewiß kein Teufel besser hetzen.
Der Kürschner lächelt zwar, doch geht er alles ein;
Sie aber säumen nicht, den Streich ins Werk zu setzen.
Der Kühnheit Ungeduld verdoppelt ihren Lauf;
Der Wald wird schnell erreicht; ihr Gegner zeigt sich wieder.
Sogleich trifft Furcht und Frost der beiden Jäger Glieder.
Der eine springt verzagt den nächsten Baum hinauf;
Den andern wirft Gefahr und Angst und Klugheit nieder.
Er streckt sich starrend aus, hält seinen Athem an,
Und stellt sich mausetodt, so gut er immer kann;
Denn, was er sonst gehört, ist ihm noch unvergessen,
Daß Bären selten Todte fressen.

Das Thier betrachtet ihn, beriecht ihn, kehrt ihn um,
Und läßt sich durch den Schein betrügen,
Pfui! brummt es, welch ein Aas! wir Bären sind nicht dumm;
Uns muß was frischeres vergnügen.
Er geht hierauf zurück. Der Held verläßt den Baum,
Und eilt dem Freunde zu. Ich sehe dich am Leben,
Ruft er bewundernd aus, und dennoch glaub' ich's kaum.
Kein kleiner Heiliger hat dir jetzt Schutz gegeben.
Allein, wie hält es nun mit unsers Feindes Haut?
Er war, wie ich mit Schrecken sahe,
hier deinen Ohren ziemlich nahe;
Was hat er dir doch anvertraut?

Nicht viel, versetzt sein Freund; doch glaub' ich diesem Scythen:
Er gab mir insgeheim den Rath,
Die Haut nicht eher feil zu bieten,
Als bis man schon den Bären hat.

 

Die Räuber und der Esel.

Zween Räuber zankten sich
Des gestohlnen Esels wegen,
Und von Worten kam's zu Schlägen,
Beide fochten ritterlich.

Als nun jeder in dem Streite
Seinen Feind aufs schärfste trieb;
Nahte sich ein klügrer Dieb,
Und entging mit ihrer Beute.

Diesem Esel gleicht ein Staat,
Der den Räubern der Provinzen,
Zween neuverbundnen Prinzen,
Zeitig sich ergeben hat.

Beide zanken sich oft müde,
Weil die Herrschsucht trotzig ist;
Doch ein Dritter stillt den Zwist,
Nimmt das Land, und machet Friede.

 

Der schöne Kopf, an ***.

Ja, ja, es reizt auch mich das blühende Gesicht,
Auch ich empfinde selbst die Kraft von diesen Blicken.
Der Mund, das Auge kann entzücken,
Und wer verehrt den vollen Busen nicht,
Der alles das an Liebreiz übersteiget,
Was Paris je gesehn, und Venus je gezeiget?

Doch Phryne schwatzt, und scherzt. Mein erster Trieb wird kalt.
Ihr lächerlicher Witz, ihr unerträglich Scherzen
Verliert die schon gefangnen Herzen:
Ich merke kaum die täuschende Gestalt.
Es wird ihr Sieg befördert, und gestöret,
So oft man sie erblickt, so oft man sie gehöret.

Mein Freund, dir ist gewiß Aesopus noch bekannt,
Der klügste Phrygier, der uns vom Fuchs erzählet,
Daß er ein Bild, dem nichts gefehlet,
Den schönsten Kopf bei einem Künstler fand.
Er rief: Wie schön ist Auge, Mund und Stirne!
Bewundernswerther Kopf, ach hättest du Gehirne!

 

Die Maske und das Gesicht.

Bei Hof, an einem Carneval,
Sprach einst die Maske zum Gesichte:
Gib Acht, wie ich hier überall
Jetzt deinen Ruhm und Stolz zernichte,
Und mancher, den du sonst entfernt,
Mir folgen und mir schmeicheln lernt.

Venedig ist mein Vaterland;
Drum schütz' ich Freiheit, List und Liebe.
Wer scheinet oder ist galant,
Durch den ich keinen Streich verübe?
Man lobt, man ehrt mich tausendfach,
Und spürt und tanzt und schleicht mir nach.

Ich lehr' in diesem Federhut
Die kronenscheuen Männer krönen.
Ich schaffe stillen Wünschen Muth,
Dem Muthe Glück, dem Glücke Schönen.
Es können hier, durch mich allein,
Die Ungestalten grausam sein.

Ein wenig Prahlen steht dir frei:
War des Gesichtes Gegenrede.
Doch stimme meinem Vorzug bei,
Und schäme dich der kühnen Fehde,
Weil dies nur deine Schönheit ist,
Daß du mir oft so ähnlich bist.

Das Herz wird nur durch mich erkannt,
Durch mich, den Spiegel vom Gemüthe.
Mein hoher Ernst beweist Verstand,
Mein Lächeln zeugt von Treu' und Güte.
Die Maske sprach: Mein stolz' Gesicht!
Vielleicht wol sonst; bei Hofe nicht.

 

Der arme Kranke und der Tod.

Ein Greis, den Alter, Frost und Gram,
Und Gicht und Krampf und Hunger krümmten,
Dem oft sein bittres Weh die Lust zum Leben nahm,
Das Zeit und Schicksal ihm bestimmten,
Rief voller Ungeduld und Noth:
Ach! komm' doch bald, gewünschter Tod!
Der Tod erschien, die Qual zu heben;
Da fleht' er, aus verzagtem Sinn:
Freund, geht zu meinem Nachbar hin
Und laßt mich armen Alten leben.

* * *

So weibisch ist der meisten Herz;
Auch brechend wünscht es kaum zu sterben.
Verfolgung, Drangsal, Schimpf, Noth, Armuth, Krankheit, Schmerz,
Nichts wird dem Tode Gunst erwerben.
Ihn hält ein zärtlicher Mäcen
Auch auf der Folter nicht so schön;
Vielleicht starb Cato nicht gelassen.
Oft scheuet der, den Krebs und Aussatz frißt,
Der sein und andrer Scheusal ist,
Mehr als dies alles, sein Erblassen.

 

Der Berg und der Poet.

Ihr Götter, rettet! Menschen, flieht!
Ein schwangrer Berg beginnt zu kreißen
Und wird jetzt, eh' man sich's versieht,
Mit Sand und Schollen um sich schmeißen.
Er brüllt, er kracht, und Thal und Feld
Sind durch gerechte Furcht entstellt.
Was kann dem nahen Unfall wehren?
Es wird ein Wunderwerk geschehn:
Er muß mit Städten trächtig stehn,
Und bald ein neues Rom gebären.

Suffenus schwitzt und lärmt und schäumt,
Nichts kann den hohen Eifer zähmen;
Er stampft, er knirscht; warum? er rennt,
Und will jetzt den Homer beschämen.
So setzt sich Pythons Priesterin
Halb rasend auf den Dreifuß hin,
Und spürt in Hirn und Busen Wehen.
Was ist der stolzen Feder Frucht?
Was wirkt des Dichters Wirbelsucht?
Zum mindsten, glaub' ich, Odysseen!

Allein, gebt Acht, was kömmt heraus?
Hier ein Sonnet, dort eine Maus.

 

Der Eremit und das Glück.

Es lebt ein Eremit, der, eitlem Zwange feind,
Die Kunst der schlauen Wollust lernet,
Die keine Mühe kennt, vom Ekel weit entfernet,
Nach dem Genusse schöner scheint.

Verzeiht es mir, erhabne Musensöhne,
Für die schon unsre Pflicht den Lorbeerkranz bestellt,
Mein Held ist kein gelehrter Held;
Und er besaß auf dieser Welt
Nichts, als ein Buch, ein Glas, und eine Schöne.
Doch diese drei, ihn zu erfreun,
Sind, wie man sagt, nur selten ungelesen,
Unangefüllt, und ungeküßt gewesen.
Er lebet. Wie gar viel schließt dieses Wort nicht ein!
Ihr Weisen, saget mir, heißt leben mehr, als sein?

Ihn hält ein Schieferdach vor Neid und Hohn verstecket.
Einst, als er unbesorgt bei seiner Phyllis saß,
Und so die Welt, wie ihn die Welt vergaß,
Ward er um Mitternacht durch einen Lärm geschrecket.
Man klopft an seiner Thür. Er horcht. Wer ist's? Das Glück.
Macht auf! ich bin es selbst. Ihr selbst? Wer darf es wagen,
Wer ist so groß, nur einen Augenblick
Dem Glück, und was ihm folgt, die Einkehr abzuschlagen?
Ihr zögert? macht uns auf! Der Eremite spricht:
Geht weiter, Freund, ich kenn' euch nicht,
Die Herberg ist zu klein, zu schlecht, euch zu empfangen.

Ruhm, Ehre, Hoheit sind bei mir,
Erwiderte das Glück; sie kommen jetzt zu dir.
Das ist mir wahrlich leid; es ist kein Platz allhier.
Bewirthe doch zum mindsten das Verlangen.

Auch dieses wird, versetzt der Biedermann,
Hier diese Nacht kein Lager kriegen;
Man trifft ein einzig Bett hier an;
Und das gehöret dem Vergnügen.

 

Ja und Nein.

Ein Barde hieß, aus frommer Pflicht,
Ein ganzes Heer von Silben ringen.
Ich will nur zwo zur Sprache zwingen,
Weil doch in Fabeln alles spricht.
Es sind die, so ich reden lasse,
Machtwörter von der ersten Klasse,
Die in der Welt was rechtes schrein,
Die alten Feinde: Ja und Nein.

Es rüsten beide sich zum Streit.
Sie wollen nun als Helden fechten,
Und nicht, wie kleine Hadrer, rechten.
Kurz: sie bestimmen Ort und Zeit.
Nein trotzt auf kriegerische Freunde;
Ja täuscht, verlockt, besticht die Feinde.
Nein pocht auf Faustrecht und Gewalt;
Ja traut auf seinen Hinterhalt.

Nein tobt, und treibet jeden Mann,
Und stellt sich schnaubend an die Spitze;
Doch Ja, der Held von mindrer Hitze,
Winkt erst dem Feind, und red't ihn an.
Halt! spricht er, ehe wir uns schlagen,
Hab' ich dir noch ein Wort zu sagen:
Laß jene Balger etwas ruhn.
Wir müssen selbst das Beste thun.

Du Waghals, dessen Eigensinn
Nur selten oder spät zu brechen,
Man sagt, dein Eifer läßt sich schwächen;
Dich rühret Schmeicheln und Gewinn.
Dich hat die Heimat der Guineen
Oft zärtlich und gekirrt gesehen,
Wo mancher Kitzel in der Hand
Dir deine freie Zunge band.

Zum öftern pflegt ein doppelt Nein
Ein Ja ganz zierlich auszumachen.
Wie sollten denn um Nebensachen
Sich Blutsverwandten so entzwein!
Ein jeder kann das Seine prahlen.
Das Ja verhandle sich zu Wahlen.
Nein mag in die Gerichte gehn,
Und Recht und Zeugen widerstehn.

Nein soll, wie vormals Fabius,
Durch Zögern seinen Feind ermüden.
Dem Ja sei Cäsars Glück beschieden,
Der in der Eile siegen muß.
Wir wollen, in gewissen Fällen,
Uns beide meisterlich verstellen.
Am Hofe soll das Ja oft Nein,
Und Neinein wuchernd Jawort sein.

Nein, das den Werth des Vorschlags sah,
Beschloß, von nun an leeren Händen
Den Beistand nimmer zu verpfänden,
Und sprach zum ersten Male: Ja.
Die ganze Fehde ward geschlichtet,
Aus Eigennutz ein Bund errichtet,
Und beide dienen jetzt der Welt,
Nach Schweizerart, um baares Geld.

 

Stentor.

An Herrn J. J. D. Zimmermann.

Mein Zimmermann, zu dem die Musen eilen,
Die unereilt den wilden Strephon fliehn!
O lehre mich, durch wohlgeprüfte Zeilen
Mein schüchtern Werk der Tadelsucht entziehn;
Der Tadelsucht, die, Neidern zu gefallen,
Nach Splittern sieht, nur fremde Fehler merkt,
In deren Ton hier auch oft Kinder lallen,
Die noch kein Mark der Wissenschaften stärkt.

Sprich: Soll man nur, wie du, die Wahrheit lieben,
(Der sich mein Herz und meine Fabeln weihn)
Dem Schmeicheln taub, und dem, was man geschrieben,
Mit allem Ernst ein strenger Richter sein,
Durch weisen Fleiß von Fehlern sich entfernen,
Die Alten sich zu Mustern ausersehn,
Die Nachwelt scheun, und mit Horaz erlernen,
Wie Geist und Kunst wol zu verbinden stehn?

Das war genug zu jenen edlen Zeiten,
Als den Quintil die Wahrheit lehren hieß,
Den Ehrenmann, der, ohne zu verleiten,
Dem röm'schen Witz die rechten Wege wies.
Sein edler Geist, der aller Falschheit fluchte,
Und Redlichkeit und Wissenschaft verband,
Ersah mit Lust das Schöne, das er suchte,
Und suchte nicht die Fehler, die er fand.

Sitzt ein Quintil im Rath der kleinen Kenner,
Wo man so keck den frühen Machtspruch wagt?
Nein! jeder horcht im Schatten größrer Männer,
Und wiederholt, was man ihm vorgesagt.
Da richten sie nach Stimmen, nicht nach Gründen,
Wie Stentor that; man folgt dem stolzen Ton.
Fast jede Stadt wird einen Stentor finden,
Vielleicht noch mehr; und einen kennt man schon.

Der hatte sich durch List und Händedrücken
Bei Großen klein, bei Kleinen groß gemacht,
Und schien ein Mann, den, fast in allen Stücken,
Minervens Gunst mit klugem Salz bedacht.
Mit Celadon sang Thyrsis um die Wette;
Da sollte nun mein Stentor Schiedsmann sein.
Der wußte nicht, wer hier den Vorzug hätte;
Doch fiel ihm bald ein rechtes Kunststück ein.
Sein starker Mund rief gegen Fels und Klüfte:
Ihr Kenner! sagt's: Wer trägt den Preis davon?
Ist's Celadon? Sogleich drang durch die Lüfte,
Bei jedem Ruf, ein deutlich Celadon.
Drauf zeigt' er sich den Schäfern lächelnd wieder,
Und schrie: Vernehmt, was keiner besser weiß,
Was ich entdeckt, und zweifelt nicht, ihr Brüder,
Für dieses Mal hat Celadon den Preis!

Sie dankten ihm, und Stentor blieb bei Ehren.
So geht es jetzt fast überall;
Man glaubt Orakel anzuhören,
Und hört nur einen Widerhall.

 

Philippus, König in Macedonien, und Alster.

Oft ist der Witz ein scharfes Schwert,
Das plötzlich aus der Scheide fährt,
Und, den es schützen soll, verletzet.
Der Einfalt offnes Maul bleibt, ihr zum Vortheil, stumm;
Ihr Schweigen nutzet, und ergötzet;
Und jener Amme Wunsch wird billig hochgeschätzet,
Die zu dem Säugling sprach: Mein liebstes Kind, sei dumm!

Philippus Beispiel macht den Satz der Klugheit wahr:
Zu sinnreich sein bringt oft Gefahr.
Wie strafte diesen großen König
Ein Scherz, der ihm zu schnell entfiel!
Ein einz'ger Feind ist schon zu viel,
Und hundert Freunde sind zu wenig.

Philippus war bemüht, in Thracien zu dringen,
Und in dem Hinzug noch Methone zu bezwingen,
Als Alster, den man dort den besten Schützen hieß,
Sich diesem Könige zum Dienst entbieten ließ.
Ihn rühmten Hof und Land; von allen ward erzählet,
Nur dieser habe nie der Schüsse Ziel verfehlet,
Weil sein geschwinder Pfeil, dem er die Kraft ertheilt,
Oft Vögel in der Luft im stärksten Flug ereilt.
Wohl! sprach Amynta's Sohn, wann wir mit Staaren streiten,
So soll er ganz gewiß beim Angriff uns begleiten.

Das scheint fürtrefflich schön; denn wer bewundert nicht
Den göttlichen Verstand, so oft ein König spricht?

Der Schütze, seine Kunst nicht mehr verhöhnt zu sehen,
Eilt, den Belagerten rachsüchtig beizustehen.
Er flieht in ihre Stadt, verstärkt die Gegenwehr,
Und machet Sturm und Sieg dem stolzen Heere schwer,
Das plötzlich sich gescheucht und voll Bestürzung fühlet,
Weil Alsters scharfer Pfeil, der auf den König zielet,
Den ihm bestimmten Flug mit dieser Aufschrift nimmt:
Philippus rechtem Aug' ist dieser Schuß bestimmt.

Der König, der ihn nicht so fürchterlich geglaubet,
Bereut den Hechelscherz, der ihm sein Auge raubet,
Und schießt den Pfeil zurück, mit dieser Gegenschrift:
Du, Alster, kömmst ans Kreuz, sobald man dich betrifft.

Kaum ward der Friede drauf der frohen Stadt versprochen,
So ward auch Alsters Scherz durch seinen Tod gerochen.

 

Ben Haly.

An Herrn C. P. Krieger.

Gelehrter Kenner der Gesetze,
Bei dem im Herzen Recht, im Munde Wahrheit gilt;
Der nie mit müßigem Geschwätze
Hammoniens Gericht erfüllt!

Nicht nur die Einsicht trüber Sachen;
Auch ein durch Ernst gemäßigt Lachen,
Auch Witz und Dichtkunst steht dir an.

Erlaube mir, so gut ich kann,
Den rechtserfahrnen Muselmann,
Ben Haly dir bekannt zu machen.

Ein Türk', der von Byzanz auf ferne Reisen eilet,
Besucht zum Abschied seinen Freund,
Den er getreu zu sein vermeint,
Mit dem er oft sein Leid, und stets die Freude theilet.

Er spricht: Mich hat mit dir die beste Wahl vereint.
Du weißt, wieviel ich schon durch Fleiß und Glück erworben;
Nur etwas ist dir unbekannt:
Mein Schwager Amurat, der in Algier gestorben,
Hat mir den feinsten Diamant
Durch ein Vermächtniß zugewandt.
Hier ist er! Ich bemerk's, auch dich erfreut mein Glück.
Dir dank' ich für das Freundschaftszeichen.
Verwahr' ihn! dir allein darf ich ihn überreichen:
Nimm ihn für mich in Acht; ich komme bald zurück.

Es sei! versetzt Orchan, mein Selim kann gebieten;
Orchan wird jeden Augenblick
Dies Kleinod wie sein Auge hüten;
Er, dein Getreuer bis ins Grab.
Drauf folgt ein Abschiedskuß; der Reisende geht ab.

Allein, wo soll man Seelen finden,
Die nicht auf Eigennutz die Heuchlerdienste gründen?
Wo ist nicht Treu' und Glaube schwach?
Die Lust, wann wir die Zeit ersehen,
Den Nächsten schlau zu hintergehen,
Schleicht Bösen aller Orten nach:
Den Christen in ihr Betgemach;
Und Muselmännern in Moscheen.

Der frohe Selim kömmt in Pera wieder an,
Und rennt, sein Kleinod abzuholen,
Das er, zu treuer Hut, dem falschen Freund empfohlen.
Der aber lacht, und spricht: Ist Selim nicht ein Mann,
Der unvergleichlich scherzen kann? …
Was? Scherzen? Gab ich nicht? … Ja, weil ich's rühmen soll:
Du gabst mir einen Kuß, der war recht freundschaftsvoll …
Wo ist mein Diamant? … Dein Diamant! dir träumt …
Hier sind nicht viele Reden nöthig.
Fort! mit zum Cadi! nicht gesäumt! …
Ja, ja, mein Herr, ich bin's erbötig.

Sie eilen zum Ben Haly hin,
Das war des Cadi Nam'; und in des Sultans Reichen
War ihm an Billigkeit kein Haly zu vergleichen,
Dafern ich recht berichtet bin.
Der arme Selim sucht dem Richter seine Klagen
Mit vielen Worten vorzutragen.
Er denkt, ein langer Satz scheint manchem Richter schön.
Orchan lärmt zehnmal mehr. Dem Kläger fehlen Zeugen.
Er gibt zum öftern zu verstehn,
Bei einem Baume sei's geschehn.
Das hilft ihm wenig; Bäume schweigen.

Beim Allah! schwört Orchan: der Kläger schwatzt im Traum;
Ich kenne beide nicht, kein Kleinod, keinen Baum.
Hört! spricht der Cadi drauf, noch ist hier kein Beweis.
Kennt Selim noch den Baum? … Wie sollt' ich den nicht kennen! …
Verziehe nicht, dahin zu rennen,
Und hole mir sofort ein Reis.

Er geht. Ben Haly setzt sich nieder;
Und endlich fragt er mit Verdruß:
Wie kömmt's, daß man hier warten muß?
Kömmt denn dein Gegner noch nicht wieder?
Von Rechten hat er nichts gelernt.
Was will er, daß sein Baum beweise?
Ist dieser Baum so weit entfernt?
Braucht's, ihn zu finden, einer Reise?

Nein, einer Reise braucht es nicht;
Der Baum ist nahe g'nug … Entdeckter Bösewicht!
(Ruft Haly zürnend aus) vor einer halben Stunde
War weder Baum noch Diamant,
So wie du schwurest, dir bekannt;
Und nun verdammst du dich mit deinem eignen Munde.
Wohlan! daß jetzt, vor aller Welt,
Ein jeder das, was ihm gebührt, empfange!
Dem Selim werde flugs sein Kleinod zugestellt!
Orchan bereite sich zum Strange!

* * *

Der Türk' besaß die Klugheit nicht,
Die vielen Christen Häuser bauet,
Da mit so blinder Zuversicht
Kein Bruder hier dem andern trauet.
Der Irrthum alter deutscher Treu'
Ist mit der alten Zeit vorbei.
Wir sind der höhern Kunst Exempel;
Die Einfalt nahm den Handschlag an.
Was fordert jetzt ein kluger Mann?
Verschreibung, Zeugen, Pfand und Stempel.

 

Ruffin.

Ein schöner Herr, der Pflastertreter Krone,
Schon um fünf Uhr der Oper edle Zier,
Mit einem Wort: Ruffin, das Wunderthier,
Glaubt, daß in ihm die Weisheit sichtbar wohne.
Was macht ihn stolz? Der Thoren Alles: Geld.
Ein frommer Greis, den schon, seit vielen Jahren,
Fleiß und Verdienst und Mäßigkeit erhält,
Ward jüngst von ihm sehr höhnisch angefahren.

Der Alte sprach: Du machst mir nicht Verdruß:
Du bist nur reich, und trotzest mich vergebens:
Dir fröhnet nur ein eitler Ueberfluß,
Der Freund, doch nein! der Erbfeind deines Lebens.
Es ist dein Haus ein fürstlicher Palast:
Man sorgt, daß dir kein Leckerbissen fehle;
Du opferst oft so manches deiner Kehle,
Daß kaum dein Tisch der Schüsseln Menge faßt.

Mir aber ist ein andres Loos verliehen:
Wann kehrt bei mir der Schmeichler lächelnd ein?
Wann darf der Durst auf gar zu vielen Wein
Den Morgenschlaf zu zeitig mir entziehen?
Ich lebe nur in stiller Niedrigkeit.
Es wagt sich nichts zu meinen sichern Hütten,
Als Wahrheit, Recht, Unsträflichkeit der Sitten,
Gesunder Witz und Selbstzufriedenheit.

Wie thöricht ist dein Hochmuth in Geberden?
O Jüngling, Jüngling, stell' ihn ein:
Was ich bin, kannst du nimmer sein;
Was du bist, kann ein jeder werden.

 

Der großmüthige Herr und seine Sklaven.

Auf dem Aegäermeer wird einst ein Handelsmann
Von einem schnellen Sturm ergriffen.
Er wendet sich, so gut er kann,
Und darf nur langsam seitwärts schiffen.
Allein es mehret sich die Noth,
Er und die meisten Sklaven klagen;
Die alten hoffen auf den Tod,
Die jungen melden sich, die Rettung noch zu wagen;
Nur halten sie dafür um ihre Freiheit an,
Doch die wird allen abgeschlagen.

Bald aber reißt der Sturm Mast, Stamm und Segel nieder.
Da ruft er: Freunde, fasset Muth!
Wir sinken; doch ich bin euch gut;
Ich geb' euch jetzt die Freiheit wieder.

* * *

Wie kriechend äußert sich gemeiner Seelen Güte!
Wer karg ist, bleibt's bis in den Tod,
In jedem Stand, im Glück, in Noth,
Und nichts erhöhet sein Gemüthe.

 

Der Schwimmer.

Es wagte sich einst in den Rhein
Ein Baccalaureus, der nie zuvor geschwommen.
Vom Ufer mocht' er kaum fünf ganzer Schritte sein,
So steckt' er schon im Schilf, fing zappelnd an zu schrein,
Und ward, auf sein Geschrei, von Fischern aufgenommen.
Die brachten ihn ans Land; der Dienst war ungemein.
Er dankt dafür, und spricht: da schwimm' ein andrer hin!
Ich will, das schwör' ich euch, nicht eh' ins Wasser kommen,
Als bis ich ganz und gar im Schwimmen Meister bin.

 

Processe.

Ein vorgeladner Abt fragt einen klugen Alten:
Ihr kennt das ganze Recht; mich rügt ein Bösewicht;
Die Schriften bring' ich mit; gebt mir doch Unterricht:
Wie soll ich mich dabei verhalten?

Und wenn, versetzt der Greis, ihr hundert Bündel brächtet,
So ist schon überhaupt der beste Rath für euch:
Ist eure Sache gut, so schreitet zum Vergleich:
Und ist sie schlimm, mein Herr, so rechtet.

 

Mittel, bei Hofe alt zu werden.

An Höfen fällt es schwer, das Alter zu erreichen,
Das mancher schlechter Greis in niedern Hütten fand.
Dort wird der Glücklichste, nach kurzen Gnadenzeichen,
Mit Titeln wohl versorgt, oft plötzlich weggebannt.
Ein Alter hatte doch die meisten Lebensjahre
An seines Fürsten Hof ersprießlich zugebracht,
Und seinen ersten Bart und seine grauen Haare
Zu Zeugen frühen Ruhms und langer Gunst gemacht.
Der ward: wie dieses ihm so meisterlich gelungen,
Was tausend sonst verfehlt? einst insgeheim befragt.
Er sprach: Ich habe stets, auch für Beleidigungen,
Den Feinden meines Glücks gelassen Dank gesagt.

 

Johann, der Seifensieder.

Johann, der muntre Seifensieder,
Erlernte viele schöne Lieder,
Und sang, mit unbesorgtem Sinn,
Vom Morgen bis zum Abend hin.
Sein Tagwerk konnt' ihm Nahrung bringen:
Und wann er aß, so mußt' er singen;
Und wann er sang, so war's mit Lust,
Aus vollem Hals und freier Brust.
Beim Morgenbrod, beim Abendessen
Blieb Ton und Triller unvergessen;
Der schallte recht; und seine Kraft
Durchdrang die halbe Nachbarschaft.
Man horcht; man fragt: Wer singt schon wieder?
Wer ist's? Der muntre Seifensieder.

Im Lesen war er anfangs schwach;
Er las nichts, als den Almanach,
Doch lernt' er auch nach Jahren beten,
Die Ordnung nicht zu übertreten,
Und schlief, dem Nachbar gleich zu sein,
Oft singend, öfter lesend, ein.
Er schien fast glücklicher zu preisen,
Als die beruf'nen sieben Weisen,
Als manches Haubt gelehrter Welt,
Das sich schon für den achten hält.

Es wohnte diesem in der Nähe
Ein Sprößling eigennütz'ger Ehe,
Der, stolz und steif und bürgerlich,
Im Schmausen keinem Fürsten wich:
Ein Garkoch richtender Verwandten,
Der Schwager, Vettern, Nichten, Tanten,
Der stets zu halben Nächten fraß,
Und seiner Wechsel oft vergaß.

Kaum hatte mit den Morgenstunden
Sein erster Schlaf sich eingefunden,
So ließ ihm den Genuß der Ruh'
Der nahe Sänger nimmer zu.
Zum Henker! lärmst du dort schon wieder,
Vermaledeiter Seifensieder?
Ach wäre doch, zu meinem Heil,
Der Schlaf hier, wie die Austern, feil!

Den Sänger, den er früh vernommen,
Läßt er an einem Morgen kommen,
Und spricht: Mein lustiger Johann!
Wie geht es euch? Wie fangt ihr's an?
Es rühmt ein jeder eure Waare:
Sagt, wie viel bringt sie euch im Jahre?

Im Jahre, Herr? mir fällt nicht bei,
Wie groß im Jahr mein Vortheil sei.
So rechn' ich nicht; ein Tag bescheeret,
Was der, so auf ihn kömmt, verzehret.
Das folgt im Jahr (ich weiß die Zahl)
Dreihundertfünfundsechzig Mal.

Ganz recht; doch könnt ihr mir's nicht sagen,
Was pflegt ein Tag wol einzutragen?

Mein Herr, ihr forschet allzusehr:
Der eine wenig, mancher mehr;
So wie's dann fällt: Mich zwingt zur Klage
Nichts, als die vielen Feiertage;
Und wer sie alle roth gefärbt,
Der hatte wol, wie ihr, geerbt,
Dem war die Arbeit sehr zuwider,
Das war gewiß kein Seifensieder.

Dies schien den Reichen zu erfreun.
Hans, spricht er, du sollst glücklich sein.
Jetzt bist du nur ein schlechter Prahler.
Da hast du baare fünfzig Thaler:
Nur unterlasse den Gesang.
Das Geld hat einen bessern Klang.

Er dankt, und schleicht mit scheuem Blicke,
Mit mehr als diebscher Furcht zurücke.
Er herzt den Beutel, den er hält,
Und zählt, und wägt, und schwenkt das Geld,
Das Geld, den Ursprung seiner Freude,
Und seiner Augen neue Weide.

Es wird mit stummer Lust beschaut,
Und einem Kasten anvertraut,
Den Band und starke Schlösser hüten,
Beim Einbruch Dieben Trotz zu bieten;
Den auch der karge Thor bei Nacht
Aus banger Vorsicht selbst bewacht.
Sobald sich nur der Haushund reget,
Sobald der Kater sich beweget,
Durchsucht er alles, bis er glaubt,
Daß ihn kein frecher Dieb beraubt;
Bis, oft gestoßen, oft geschmissen,
Sich endlich beide packen müssen:
Sein Mops, der keine Kunst vergaß,
Und wedelnd bei dem Kessel saß:
Sein Hinz, der Liebling junger Katzen;
So glatt von Fell, so weich von Tatzen.

Er lernt zuletzt, je mehr er spart,
Wie oft sich Sorg' und Reichthum paart,
Und manches Zärtlings dunkle Freuden
Ihn ewig von der Freiheit scheiden,
Die nur in reine Seelen strahlt,
Und deren Glück kein Gold bezahlt.

Dem Nachbar, den er stets gewecket,
Bis der das Geld ihm zugestecket,
Dem stellt er bald, aus Lust zur Ruh',
Den vollen Beutel wieder zu,
Und spricht: Herr, lehrt mich bess're Sachen,
Als, statt des Singens, Geld bewachen.
Nehmt immer euren Beutel hin,
Und laßt mir meinen frohen Sinn.
Fahrt fort, mich heimlich zu beneiden.
Ich tausche nicht mit euren Freuden.
Der Himmel hat mich recht geliebt,
Der mir die Stimme wieder gibt.
Was ich gewesen, werd' ich wieder:
Johann, der muntre Seifensieder.

 

Aurelius und Beelzebub.

Es wird Aurel, der nichts, als Armuth, scheut,
Zum Mammonsknecht, zum Harpax unsrer Zeit.
Ihm ist der Klang von vielen todten Schätzen
Ein Saitenspiel, das Zählen ein Ergötzen.
Oft schläft der Thor, noch hungrig und mit Pein,
Vom Hüten matt, auf vollen Säcken ein;
Denn Geld und Geiz nimmt täglich bei ihm zu;
Geld ist sein Trost, sein Leben, seine Ruh',
Sein Herr, sein Gott. Stets nagt ein scharfer Neid
Sein blutend Herz. Jüngst mehrt' ein vielfach Leid
Des Wuchrers Qual und Unzufriedenheit.

Der Wittwen Fluch? Beraubter Waisen Ach?
Die Reue? Nein. Dergleichen Kleinigkeit
Gibt Reichen jetzt kein großes Ungemach.
Was wichtigers: Zu spät erfolgte Renten,
Ein drohender Protest, zu wenige Procenten,
Ein viel zu mildes Jahr, der zu fürwitz'ge Zoll,
Dies alles füllt sein Herz mit Unmuth, Zorn und Groll.
Er wird zuletzt verzweiflungsvoll.

Als er so großer Noth zu peinlich nachgedacht,
Ruft der Unsinnige sogar in einer Nacht
Den Satan an, und Satan schickt ihm gleich
Den größten Herrn aus seinem Reich,
Der jetzt, den Alten zu berücken,
In einer neuen Tracht erschien,
Wol zehnmal schöner, als wir ihn
In den Gemälden oft erblicken,
Wo ihm die Augen funkelnd glühn,
Und Hörner seine Stirne schmücken.
Er hatte weder Schweif noch Klauen,
Der Hölle zaubernde Gewalt
Gab ihm die menschliche Gestalt,
Und keinem durfte vor ihm grauen.
Er überkam, nach unsrer Stutzer Art,
Ein schönes leeres Haubt, ein wohl gepudert Haar,
Wobei zugleich dem Kinnchen ohne Bart
Ein Flügelwerk von Band, anstatt des Schattens, war.
Er selbst, wie seine Pracht, war ohne Fehl und Tadel,
Und Herr und Kleid von gleichem Adel.

Nur ließ man ihm (so lautet der Bericht)
Den einen Pferdefuß. Warum? Das weiß ich nicht.
Er war ja sonst, ohn' allen Zweifel,
Ein hübscher, recht galanter Teufel.

Bald fand der karge Greis den längst gesuchten Rath,
Als dieser Cavalier zu ihm ins Zimmer trat.

Mein Herr, wie heißen Sie? … Beelzebub … Willkommen!
Der Oberste der Teufel? … Ja …
Ich hatt' es nicht in Acht genommen,
Weil ich noch nicht auf dero Füße sah.
Sie setzen sich … Wie geht es in der Höllen? …
Wie lebt mein reicher Oheim da? …
Recht wie ein Fürst … Und wie befindet sich
Der Lucifer? … Ich bitte dich,
Die Complimente einzustellen.
Dich reich zu machen, komm' ich hier.
Ich bin dein Retter. Folge mir.

Sein Führer bringet ihn in einen öden Wald
Von heiligen bemoosten alten Eichen,
Den Sitz des Czernebocks, der Gnomen Aufenthalt,
Die Schlachtbank vieler Opferleichen.
Hier herrscht, fast tausend Jahr', ein schwarzer wilder Schrecken
In grauser Finsterniß. Den unwirthbaren Sitz
Verklärt, doch selten nur, ein rother schneller Blitz.
Hier sollte sich der Trost Aurels entdecken.
Hier blieb der Fliegenfürst und sein Gefährte stehn.
Er stampft dreimal: dreimal erbebt der Grund:
Es öffnet sich ein lichter, tiefer Schlund,
Und läßt im Augenblick so große Baarschaft sehn,
Als würde fast der Reichthum aller Welt,
Hier an Geschmeid' und Gold, den Augen dargestellt.
Sieh', spricht der Höllengeist, auf diesem Platz
Liegt ein Geschenk für dich, der Schatz.

Wie wird der Filz durch dieses Wort entzückt!
Kein ird'sches Paradies scheint ihm so schön geschmückt,
So reich an innerm Werth. Kein Thumherr, kein Prälat,
Der seiner Pfründe Zins in Rheinwein vor sich hat,
Kein Bischof, der erfreut, an einem Kirchweihfest,
Das erste Glas besieht, das er sich reichen läßt,
Weiß mit so merklichem, doch wohlbefugtem, Sehnen
Sein fromm und fett Gesicht durch Lächeln auszudehnen.
Er streckt frohlockend aus die hoffnungsreiche Hand.
Wiewol, o harter Zwang! Glück voller Unbestand!
Halt, ruft Beelzebub, dies ist dir zwar gegeben,
Allein vor morgen nicht zu heben.

Der Schatz versinkt auf dieses Donnerwort.
Gestrenger Herr! wie kurz ist meine Freude!
Betrogener Aurel! wie findest du den Ort?
Den Busch? die Kluft? den Schatz? … Er ist und bleibet dein.
Betrogen! Was? Ich ein Betrüger? … Nein …
Sei klug, und laß ein Zeichen dort,
Und nimm dir, wann es tagt, das Gold und das Geschmeide.

Gleich setzt er tiefgebückt sich und ein Zeichen hin.
Er jauchzt mit neuvergnügtem Sinn,
Und sagt aufs zierlichste mit vielen Worten Dank.
Beelzebub verschwand, standsmäßig mit Gestank.
Es springt Aurel um den bemerkten Platz,
Als ob er seinen Fund schon hätte;
Doch stößt er sich an einen Baum.
Aurel erwacht, (denn alles war ein Traum)
Und von dem vorgestellten Schatz
Bleibt nur das Zeichen in dem Bette.

* * *

Es ist der Geiz der Teufel vieler Alten,
Und der Beelzebub, der lockend sie bethört.
Ihr ungebrauchter Schatz ist aber nicht mehr werth,
Als was Aurel allhier erhalten.

 

Apollo und Minerva.

An den Verfasser der Trauerspiele: die Horatier und Timoleon.

Mein Behrmann, den Geschmack und Witz und Redlichkeit
Von niederträcht'gem Wahn entfernet,
Den auch ein innrer Reichthum körnet,
Der weder Wind noch Fluten scheut,
Ermüde nicht, in lehrenden Gedichten
Die deutschen Musen zu erfreun.
Der Dünkel meistre dich; es mag die Thorheit richten;
Nicht aber dich mit Witz und Kunst entzwein.
Der Einfalt lächerliches Lachen
Muß deine Seele nicht klein, träg' und irdisch machen.
Sei stets der Wahrheit hold, (sie nutzt vor tausend Sachen)
Und schäme dich nicht, klug zu sein.

Die Fabel, die ich dich jetzt lehre,
Zeigt unsers Pöbels Ekel an;
Und dennoch bleibt es wahr: Ein reicher, weiser Mann
Ist zwiefach seiner Eltern Ehre.

Der Gott der Aerzt' und der Poeten
Und Pallas wurden einst vom Himmel weggebannt,
Die Ursach' ist noch unbekannt,
Und scheint zu wissen nicht vonnöthen.

Als dieses Paar die Welt betrat,
Beriethen beide sich, was bestens anzufangen?
Apollo sprach: Ich schaffe Rath,
Mein Lebensöl muß Brod erlangen.
Minerva rief frohlockend aus:
Auch meiner Kunst bedarf ein jedes Haus.

Man waget den Versuch, und baut im nächsten Orte
Zwo große Storgerbühnen auf.
Apollo hat, als Arzt, viel Herrliches zu Kauf,
Und rühmet, was er hat, durch ausgesuchte Worte.
Sein Wunderelixir, das alte Haut verjüngt,
Den ächten Theriac, die besten Augensalben,
Ein Oel, das jede Krankheit zwingt,
Und Apotheken g'nug, zu ganzen und zu halben.

Die Tochter Jupiters nahm Seelen in die Cur,
Sie sprach: Mein Gegengift wehrt allen Vorurtheilen,
Mein Weisheitbalsam ist die Stärkung der Natur;
Er kann den schlimmsten Schaden heilen:
Des Aberglaubens Krebs, der viele Lehrer plagt,
Die Ueppigkeit, die Zehrung ganzer Reiche,
Den Wurm des Widerspruchs, der Haubt und Zunge nagt,
Den Neid, der kleinen Geister Seuche.

Die Mittel, die ich zubereite,
Vertreiben ungesäumt der Schwätzer Lügensucht,
Und die Vergessenheit, des rohen Undanks Frucht,
Die Taubheit und den Kropf, die Krankheit großer Leute,
Des Geizes Höllendurst, der Einfalt Eigensinn,
Den tilg' ich wundersam; so wahr ich Pallas bin!
Auch nehm' ich die Bezahlung nur
Nach glücklich angeschlagner Cur.

Apollo machte fleißig Kunden,
Die arme Pallas hatte Ruh'.
Nur ihm warf man das Schnupftuch zu,
Er rieth den Kranken und Gesunden.

Wo wird die Weisheit Kranke finden?
Ein jeder hält sich schon für klug,
Bescheiden, liebreich, fromm genug.
Der Hochmuth hilft ihm schon zu Gründen.

 

Apollo, ein Hirte.

Mein Herz gleicht den zufriednen Herzen,
Die Lieb' und freier Muth belebt,
Die gern in sichrer Ruhe scherzen,
Wann rauschend Glück den Stolz erhebt.
Die Ehre gönn' ich größern Leuten,
Und wünsche mir auf dieser Welt
Nur den Genuß der Zärtlichkeiten,
Die Neid und Argwohn nicht vergällt.

Was liebenswürdig ist, zu lieben,
Hat uns die paarende Natur
Mit unserm Blut ins Herz geschrieben,
Und das entfällt dem Alter nur.
Erfinder weiser Schwermuthsgründe!
Wenn man bei eurem Klügeln lacht,
So rechnet's der Natur zur Sünde,
Daß sie die Lust so reizend macht.

Verdruß und Tadel zu verhüten,
Will ich mich unbemerkt erfreun;
Nicht viel gehorchen noch gebieten,
Kein Sklav' und auch kein König sein;
Nicht bloß mit Schein und Farben prangen,
Die nur der Pöbel trefflich heißt;
Kurz: wenig fürchten und verlangen,
Dies ganz allein rührt meinen Geist.

Als einsten Phöbus von dem Himmel
Gezwungen seinen Abschied nahm,
Und aus der Oberwelt Getümmel
Zu seinem Freund Admetus kam;
Da wählt' er sich ein freies Leben,
Den angenehmen Schäferstand,
Den Sicherheit und Fried' umgeben,
Der Neid und Herrschsucht nie gekannt.

Hier konnt' er, zwischen Wald und Flüssen,
Der Ruhe Herz und Lieder weihn.
Er konnte dichten, lachen, küssen:
Bedarf man mehr, vergnügt zu sein?
Der Gott vergaß, bei muntern Chören,
Wann ihm ein holder Mund gefiel,
Die stolze Harmonie der Sphären,
Doch nicht sein sanftes Saitenspiel.

Die besten Lämmer auf den Feldern,
Die süß'ste Milch, den schönsten Strauß,
Die erste Frucht aus nahen Wäldern
Las man für diesen Fremdling aus.
Man fodert ihn zu allen Reihen;
Kein Tanz schien artiger geziert,
Als den er nach den Feldschalmeien
Mit einer Hirtin ausgeführt.

Oft ward im Busch, bei ihren Schafen,
Ein müdes Kind von ihm entdeckt,
Und, wann sie lächelnd eingeschlafen,
Von ihm bewacht, von ihm geweckt.
Oft wollten, um ihn zu gewinnen,
Ihm andre froh entgegen gehn,
Dann schalkhaft seiner Hand entrinnen,
Dann wieder ihm zur Seite stehn.

Er hörte manche Hirtin sagen:
Dem Phöbus sei zu viel geschehn,
Und Göttern etwas abzuschlagen
Sei auch an keiner Daphne schön:
Aus Eigensinn zum Baume werden,
Wann treue Sehnsucht uns erschleicht,
Das sei die schlimmste Wahl auf Erden,
Der keine sonst an Thorheit gleicht.

Dem Phöbus gab ein neu Ergötzen,
Was man zu ihm vom Phöbus sprach,
Das er mit schmeichelhaften Sätzen
Von Scherz und Regung unterbrach.
Man merkte sich die Götterlehre:
Ein jeder liebte, ward geliebt,
Und fand, daß nichts die Lust vermehre,
Die Eintracht, Lenz und Dichtkunst gibt.

So flohen ihn Gefahr und Sorgen,
Und so entzückte seine Brust
Ein frischer Scherz mit jedem Morgen,
Mit jedem Abend neue Lust.
Er dachte bei den Wasserfällen:
Den Nectar, Götter! lass' ich euch.
Was ist im Himmel diesen Quellen,
Was dieser Phyllis Busen gleich?

Der bärt'ge Zeus ersah die Freude,
Und des vergnügten Flüchtlings Glück;
Und er berief, aus bitterm Neide,
Ihn zeitig von der Welt zurück.
Dies lehrt uns, daß die frohe Stille,
Die Jugend, Witz und Kuß vereint,
Das Herz mit solcher Lust erfülle,
Die Götter selbst zu reizen scheint.

 

Die Küsse.

Als sich aus Eigennutz Elisse
Dem muntern Coridon ergab,
Nahm sie für einen ihrer Küsse
Ihm anfangs dreißig Schäfchen ab.

Am andern Tag erschien die Stunde,
Daß er den Tausch viel besser traf.
Sein Mund gewann von ihrem Munde
Schon dreißig Küsse für ein Schaf.

Der dritte Tag war zu beneiden:
Da gab die milde Schäferin
Um einen neuen Kuß mit Freuden
Ihm alle Schafe wieder hin.

Allein am vierten ging's betrübter,
Indem sie Heerd' und Hund verhieß
Für einen Kuß, den ihr Geliebter
Umsonst an Doris überließ.

 

Phyllis.

In einem Thal, wo den verjüngten Hain
Der Frühling schmückt, ein klarer Bach benetzet,
Fand Phyllis sich zur muntern Doris ein,
Die sich bereits ins Grüne hingesetzet.
Ihr schwarzes Haar, und ihre weiße Brust
Reizt' unverhüllt, und ließ den Westwind spielen;
Den leichten West beschäftigte die Lust,
Wenn jede sprach, sie flatternd abzukühlen.

Phyllis.
Ich komme hier, um jetzt recht schwesterlich
Mein ganzes Herz dir, Freundin, anzuzeigen.

Doris.
Nichts störet uns. Ich unterbreche dich
Durch gar kein Wort, bevor du selbst wirst schweigen.
Drum zögre nicht, gestehe mir's nur frei.
Du wirst ja roth, und schlägst die Augen nieder!
Mein liebes Kind, wovor trägst du denn Scheu?
Sprich, was du willst: kein Echo sagt es wieder.

Phyllis.
Erräthst du nicht, von wem ich reden will?
Erräthst du nicht, daß ich den Thyrsis meine?
Du kennest mich, und schwieg ich auch jetzt still,
So weißt du doch, ich sei schon längst die Seine.
Ich darf es dir, doch dir allein, gestehn,
Was für ein Zwang die Phyllis hingerissen,
Und wie, nachdem ich ihn zu oft gesehn,
Mein Thyrsis mir mit Recht gefallen müssen.

Ich weiß den Tag, und der vergißt sich nie.
Ich kam damals zu vollen sechszehn Jahren.
Er wünschte Glück, und wand mit froher Müh'
Den schönsten Kranz zu meinen blassen Haaren.
Er führte mich zu diesem Wald hinein,
Und spielt', und sang, und lockte Nachtigallen.
Wir setzten uns; er ließ von seiner Pein,
Und meinem Ruhm ein reizend Lied erschallen.

Er hatte sich an meine Brust gelegt,
Und sprach zu mir von tausend süßen Sachen:
Mein weibisch Herz, durch jedes Wort bewegt,
Vermochte kaum, den Sieg ihm schwer zu machen;
Er bat zu schön um Lindrung seiner Qual,
Ein glühend Roth umfärbte seine Wangen:
Er küßt', und seufzt', und küßte so viel Mal,
Bis wir zugleich zu seufzen angefangen.

Dort sah ich jüngst, und zwar an seiner Hand,
Im fetten Klee die sichern Heerden weiden;
Da fragt' ich ihn: Mein Thyrsis, ist ein Stand,
Den Liebende, den ich und du beneiden?
Nein, schwur er drauf, mir scheint kein Großer gleich,
Wann ich entzückt in deinen Armen lausche;
Und es bezahlt den Kuß kein Königreich,
Wann ich mit dir die treuen Mäulchen tausche.

Ist nicht dies Wort mehr schmeichelhaft, als wahr?
Ich zweifle nicht, ich glaube seinen Augen.
Man fürchtet oft die schlüpfrige Gefahr;
Kann aber Furcht mein Glück zu kränken taugen?
Man höret zwar, wie Daphne sich betrübt,
Die unverhofft den Damon falsch befunden.
Doch hätten die so schön, wie wir, geliebt;
Sie würden noch durch gleichen Zug verbunden.

Doris.
Die durch Bestand nicht Gegentreu erhält,
Die wird vom Glück zu grausam hintergangen:
Der wird zu bald die süße Lust vergällt,
Die ihrem Wunsch zu schmeicheln angefangen.
Die gleichet dem, der, zwischen Laub und Gras,
Nach Blumen greift, und eine Schlang' entdecket,
Die zischend schwellt, und, ungereizt, voll Haß
Den gelben Hals der Hand entgegen strecket.

Phyllis.
Wie pflegten mir, nach so beglückter Wahl,
In Thyrsis Arm die Stunden zu entweichen!
So seh' ich jetzt durch dieses grüne Thal
Den lautern Bach um Gras und Blumen schleichen.
Nur zwischen Scherz und Selbstzufriedenheit
Verfließt alsdann in heitrer Flut mein Leben.
Doch Thyrsis fehlt; nun trifft mich alles Leid,
Und selbst der Lenz kann mir nicht Freude geben.

Sein Scheiden, ach! war herber Schmerzen voll!
Wie kann ich dir, was wir gefühlt, beschreiben:
Sein langsames, mein zaghaft Lebewohl,
Den letzten Schwur, uns stets getreu zu bleiben!
Wie oft erfolgt' ein neuer Abschiedskuß!
Wie seufzt' er selbst bei meinem Händeringen!
Bald gab er Trost; bald wußt' er vor Verdruß,
Vor Lieb' und Gram, kein Wort hervorzubringen.

Doris.
Betrübe nicht, geliebte Schäferin,
Dein zärtlich Herz durch dieses Angedenken,
Und lege nur die Last der Sorgen hin;
Dir wird ihn bald die Liebe wieder schenken.
Ein Ackersmann quält und entstellt sich nicht,
Sobald die Luft ein feuchter Südwind schwärzet,
Wenn schon von fern ein holdes Sonnenlicht
Um Berg und Feld, um Laub und Saaten scherzet.

 

Der Hirten Schaar zog in den stillen Wald,
Und tränkte schon im Bach die feisten Heerden;
Doch Phyllis Aug' entdeckte sie zu bald:
Sie eilte fort, um nicht behorcht zu werden.
Doch Damon wagt's, ihr heimlich nachzugehn.
Er fleht sie sehr, den Aufbruch aufzuschieben;
Allein umsonst; sein Seufzen und sein Flehn
Wird durch den Wind schnell in die Luft getrieben.

 

Daphnis.

An einem Hügel voller Linden
Saß Amarill, und war bemüht,
Aus Blumen einen Kranz zu winden,
Und sang ein angenehmes Lied.
Sie, die so manches Herz gerühret,
Sie, vieler Seufzer einz'ges Ziel,
Ward hier vom Daphnis ausgespüret,
Der ihr vor allen wohlgefiel.

Wie manches kam ihm jetzt zu statten!
Die Lockung stiller Abendzeit,
Ein sichrer und verschwiegner Schatten,
Der Mai, ein Freund der Zärtlichkeit,
Ihr Mund und Auge reich an Freuden,
Ihr ihm schon oft verrathner Sinn;
Allein, der Schäfer war bescheiden,
Und ging nicht bis zur Schäferin.

Sie hatte das Geräusch vernommen,
Und ihren Hirten bald entdeckt.
Sie lacht', und hieß ihn näher kommen,
Und sprach: Was hast du dich versteckt?
Hältst du aus Schalkheit dich verborgen?
Muß ich vor dir von hinnen fliehn?
Du schweigest? Ich will nichts besorgen;
Dich macht die Liebe nicht zu kühn.

Du lernst die Furcht von deinen Schafen:
Doch hast du hier zu ruhen Lust,
So darfst du unbekümmert schlafen
In meinem Arm, an dieser Brust.
Es wird dir Morpheus Träume senden,
Die Scherz und Jugend fröhlich macht.
Ich aber will den Kranz vollenden,
Denn der war dir schon zugedacht.

Er dankt, gehorcht, und legt sich nieder,
Ihn streichelt ihre sanfte Hand:
Er streckt sich aus, und danket wieder:
Der Hirtenstab fällt in den Sand.
Nachdem er sich an sie gelehnet,
Und, sonder Ungemach und Pein,
Dreimal geseufzt, dreimal gegähnet,
Schläft Daphnis endlich schnarchend ein.

Sie rafft sich auf, um wegzugehen,
Nur sagt sie dieses noch zuletzt:
Die Zucht, die ich an dir gesehen,
Wird billig von mir hochgeschätzt.
Man muß der Tugend Lob ertheilen:
Wer schläft so schön, so ehrfurchtvoll?
Ich muß zu meinen Heerden eilen;
Sittsamer Schäfer, schlafe wohl!

 

Der Blumenkranz.

Dort, wo die Alster sich in engen Ufern krümmt,
Und rauschend ihren Lauf durch Busch und Wälder nimmt,
Wo deutsche Treue sich beim deutschen Handschlag findet,
Des Landmanns froher Fleiß für sich die Garben bindet
Und alte Freiheit noch den angeerbten Hut
Frisch in die Augen drückt, und unbefehdet ruht;
Da ist ein kühler Ort, dem keine Schönheit fehlet,
Den Amor hundert Mal der Eifersucht verhehlet,
Und dem allein entdeckt, der ihn zum Führer wählet.

Der Zephyr folgt mit Lust den kurzen Wellen nach,
Die hier in grüne Tiefen fallen;
Die Schäfer nennen's einen Bach,
Wir Dichter fließende Krystallen.
Ein dick' Gesträuch umschränkt die innre Spur,
Wohin oft Wunsch und Sehnsucht leiten,
Auf diesen Platz lockt uns die Liebe nur,
Und ihre Mutter, die Natur.

Hier saß Matild'. Es eilet ihr zur Seiten
Ein kleiner Schwarm verbuhlter Fröhlichkeiten:
Der schlaue Scherz, die süße Schmeichelei,
Die Hoffnung selbst, und Reinhold kömmt herbei,
Der sie so oft besingt, so unverstellt verehret,
Und in der Einsamkeit sie blos aus Liebe störet.

Auf seinen Wangen ist zu schaun,
Anstatt der Jugend Milch, ein lebhaft, männlich Braun.
Den Augen fehlt kein Geist, noch Ehrfurcht den Geberden.
Er hat, was man gebraucht, nie sehr gehaßt zu werden.

Dies ist des Reinholds Bild, der seiner Schönen Hand
Voll auserles'ner Blumen fand,
Woraus sie einen Kranz zu knüpfen angefangen,
Den unerkauften Schmuck, mit dem nur Hirten prangen.

Allein, sobald sie hier den muntern Freund erblickt,
Will ihr die Arbeit nicht, so wie zuvor, gelingen.
Fast jeder Stengel wird durch ihr Versehn zerknickt,
Und Reinhold wird versandt, ihr frische herzubringen.
Er thut es; doch umsonst, und siehet mit Verdruß
Die Blumen, die er reicht, so wie die ersten, brechen.
Dies, spricht er, ist zu viel! Ich will durch öftern Kuß
Die Unvorsichtigkeit bei jeder Blume rächen.
Sie lächelt, und schweigt still, fängt auch von neuem an.
Wiewol, wer kann vorher des Schicksals Tücke wissen?
Da ihr auch der Versuch noch minder glücken kann,
So wird der ganze Kranz, voll Ungeduld, zerrissen;
Und Reinhold gibt nunmehr gerechter Strenge Raum.
Wem wird im Küssen nicht die Rache süßer schmecken?
Er nähert sich, sie seufzt: er straft, sie murret kaum.
Hier schließt sich Busch und Wald, sie hilfreich zu verstecken.

Man glaubt, sie thaten dies, was einst Aeneas that,
Als Dido und der Held in einer Höhle waren.
Was aber thaten die? Wer das zu fragen hat,
Der ist nicht werth, es zu erfahren.

 

Der Stieglitz und der Sperling.

Der Schönen nach der Welt,
Die unser Lob erhält
Und, voller Dankbarkeit,
Uns holde Mäulchen leiht,
Die jeder, der recht liebt,
Ihr zehnfach wiedergibt;
Der weiht sich insgeheim
Ein jugendlicher Reim,
Den, ohne Neid und Groll,
Kein Alter lesen soll.

Du kennst den stillen Wald,
Der Freuden Aufenthalt,
Die Einsamkeit und Nacht
Nur Kennern schöner macht.
Dort, wo ich dir im Thal
Die letzten Küsse stahl,
Dort ahmet Laub und Bach
Den Schmätzchen rauschend nach;
Dort lockten Lieb' und Mai
Die Vögel jüngst herbei.

Man sagt, daß in der Schaar
Ein junges Weibchen war,
Ein Vogel deiner Art,
Nett, schalkhaft, hüpfend, zart,
Der kaum das Nest verließ,
Die ersten Federn wies,
Dem, der ihn artig fand,
Nur spielend widerstand,
Und dennoch meisterlich
Der Leidenschaft entwich.

Ein Stieglitz, dessen Tracht
Die Vögel neidisch macht,
Klagt seufzend seine Pein,
Und hofft erhört zu sein.
Ach! spricht er, lenkte sich
Doch deine Huld auf mich;
So würde meine Treu'
Mit jedem Tage neu,
Die deiner Artigkeit
Mein Herz auf ewig weiht!

Wenn meiner Töne Spiel
Dir jemals wohlgefiel;
Wenn vielen reizend klang,
Was dein Verehrer sang:
So soll der ganze Hain
Hinfort ein Zeuge sein,
Daß mir kein Lied entfällt,
Das nicht dein Lob enthält.
Der nahe Wiederhall
Vermehr' es überall!

Ein Sperling ruft ihm zu:
Ich singe nicht wie du.
Wer aber zweifelt dran,
Daß ich gefallen kann?
Die mir sich frei ergibt,
Wird auch von mir geliebt,
Und die geliebet ist,
Wird oft von mir geküßt,
Und die mein Kuß belehrt,
Ist hundert Lieder werth.

Wer glaubet, daß ein Kuß
Viel Süßes wirken muß,
Viel seltne Lust verspricht,
Mich dünkt, der irret nicht.
Das Weibchen sah allein
Die große Wahrheit ein:
Des Sängers Treu' und Kunst
Erwirbt nicht ihre Gunst.
Ein schneller Seitenblick
Verräth des Sperlings Glück.

Sie schwingt sich bald empor,
Kömmt ihrem Spatz zuvor,
Und fliegt mit frohem Sinn
Zur hohlen Weide hin,
Er nimmt sie in sein Nest
Und hält ein Liebesfest,
Dem keine Freude fehlt,
Weil die nur ihn erwählt,
Die in der ganzen Schaar
Die Allerschönste war.

Der Adler herrscht und raubt,
Das ist der Macht erlaubt;
Der königliche Pfau
Trägt seinen Schweif zur Schau;
Der muntre Kranich wacht;
Der Falk' siegt in der Schlacht;
Die kleine Nachtigall
Scherzt mit dem Wiederhall:
Ein Sperling liebt, und küßt;
Sagt, ob er glücklich ist?

 

Liebe und Gegenliebe.

Vom schweren Dienst der Eitelkeit,
Von theuren Freunden voller Neid,
Den Henkern unsrer Lebenszeit,
Eil' ich den Freuden und der Ruh'
An deinem vollen Busen zu.
Laß jetzt mein Herz von dir erlernen,
Die Sorgen scherzend zu entfernen.
Zum ird'schen Himmel wünscht' es sich
Nur dies dein Schlafgemach, und dich.
Der Gott der Liebe schließ' uns ein;
Sonst komme niemand! er allein
Soll Pförtner, Zeug' und Hüter sein.

Ich seh' den unzufried'nen Haufen
Nach Höfen und Palästen laufen,
Wo Gold und Schmelz und helle Pracht
Gefahr und Knechtschaft schimmernd macht.

Doch will auch ich von deinen Knieen
Zu solchem Sitz der Ehrsucht fliehen,
Und wünsch' ich mir ein höher Glück,
Als dieses Lächeln, diesen Blick,
So folge Qual und Ungemach
Dem Meineid zur Bestrafung nach;
Und, daß der Fluch vollkommen sei,
Seh' ich mich groß, dich ungetreu!

So zeigt, mit Schwüren und mit Küssen
Leander, wie man heftig liebt,
Dem, als bezaubert hingerissen,
Die Schöne dies zur Antwort gibt:

Was kann mich auf der Welt betrüben,
Willst du, mein Schatz, mich ewig lieben?
Du, dessen Huld mich stolz gemacht,
Mein Wunsch bei Tag, und Traum bei Nacht.
O würde, wie ich dir geneigt,
Durch mehr, als Weibermuth, bezeugt!
Mich schrecket nichts, denn, dir zu gut,
Vergießt Elmira gern ihr Blut,
Wenn ihre Grabschrift nur erzählt,
Daß sie den Tod für dich erwählt.

Hofft meine Sehnsucht nicht vergebens,
Du Trost und Kleinod meines Lebens,
So trennt den Bund der Zärtlichkeit
Kein steigend Glück, kein stürzend Leid.

Und sollten Schätze, Reich' und Kronen
Den Wechsel tausendfach belohnen;
So heiß' ich, aus getreuem Sinn,
Weit lieber deine Buhlerin,
Als eine große Königin.

Wie viel ist mir an dir verliehn!
Wird mein Verlangen nicht zu kühn,
So müssen sich noch unsre Schatten,
Mit wiederholter Eintracht, gatten.

Ihr Götter! scheint's euch selbst nicht schön,
Zwo Seelen so vereint zu sehn?

Sie seufzt, und reicht, zum Unterpfand,
Die weiße, weiche, warme Hand.
Ist dieses Paar nicht zu beneiden?
Doch, dauren auch der Menschen Freuden?
Nachdem er sich noch was verweilt,
Und ihr den Abschiedskuß ertheilt,
Eilt er von seiner Herrscherin
Den Augenblick zur Hofstatt hin,
Sie aber auch den Augenblick
In ihres Cleons Arm zurück,
Der damals, als Leander kam,
Zum Winkel seine Zuflucht nahm.

* * *

O schönes Beispiel gleicher Triebe!
O wahres Muster heut'ger Liebe!

 

Reue über eine nicht begangene Bosheit.

Ein Weib, die Lais ihrer Zeit,
Gerieth in seltne Traurigkeit,
Als ihr Verehrer fliehen mußte.
Mit Recht, sagt' ihre Nachbarin,
Liegt dessen Absein dir im Sinn,
Der dich so schön zu lieben wußte.

Die theure Nymphe sprach: Ach ja!
Sein Abzug geht mir etwas nah;
Doch darum kann ich mich nicht fassen,
Daß ich ihm, als er Abschied nahm,
Da er durch mich um Alles kam,
Den schönen Mantel noch gelassen.

 

Doris.

Als Doris, die freundliche Schöne,
Den Vorzug der Freiheit verlor,
Und man ihr, nach langem Gehöhne,
Den häßlichsten Eh'schatz erkor;
Da flohen die gaukelnde Freude,
Das Scherzen, der Liebreiz, die Huld;
Doch kamen im Hochzeitgeschmeide
Die Treue, die Pflicht, die Geduld.

Ihr Mann, den die Eifersucht nagte,
Erwies sich so grausam und hart,
Daß, was sie nur machte, nur sagte,
Ihm gleich zur Beleidigung ward.
Es glichen den Tagen die Nächte;
Auch dann nahm sein Argwohn nicht ab,
Noch, wann er die frostige Rechte
Zum Anwunsch des Schlafes ihr gab.

Ihr Eifer benetzte die Wangen;
Sie klagte dem Himmel ihr Leid:
Soll Treue nur Undank empfangen;
Was steht denn der Untreu' bereit?
Auf! rächender Himmel, erwache,
Ermüde, mein Elend zu sehn!
Du zögerst? So muß denn die Rache
Vielleicht durch mich selber geschehn.

Gesetze der Ehre, der Tugend,
Euch leb' ich mit Seufzen jetzt nach;
Doch ist die empfindliche Jugend
Nicht dieser Versuchung zu schwach?
Es drohet Verzweiflung dem Herzen,
Der Kummer verzehret den Leib;
Soll Unschuld denn alles verschmerzen,
Und bin ich nicht schön, und ein Weib?

Was Doris aus Rache vollstrecket,
Das hat mir noch niemand erzählt.
Ihr lächelnden Schönen, entdecket:
Was hättet ihr selber gewählt?
Ihr Mädchen, befraget die Frauen;
Zwar sind sie geheim und gescheit:
Doch manche verräth im Vertrauen
Die Rache, die Weiber erfreut.

 

Laurette.

Was können Witz und Liebe nicht,
Wenn beide sich genau vereinen!
Dann wird, wann uns ein Rath gebricht,
Der Anschlag von sich selbst erscheinen.
Denn Amor ist noch so verschmitzt,
Als wir in den Geschichten lesen,
Und, wann der Schalk ein Herz besitzt,
So muthig, wie er sonst gewesen.

Boccaz hat ihn genau gekannt,
Er lehret viel von seinen Streichen,
Und glaubt, es werde durch Verstand
Die Liebe stets den Zweck erreichen.

In Welschland war ein junges Weib,
Dem weder Reiz noch Regung fehlte;
Nichts übertraf den schönen Leib,
Als nur der Geist, der ihn beseelte.
Der schwarzen Augen schlauer Scherz,
Der Anstand lockender Geberden
Bezauberten ein jedes Herz
Und mußten Gismunds Meister werden.
Laurette wird von ihm verehrt,
(So wollen wir die Schöne nennen;)
Allein sie schätzet ihn nicht werth,
Ihm ihre Gegengunst zu gönnen.

Sie widersteht der Schmeichelei,
Und, was noch mehr, auch den Geschenken.
Warum? sie selbst ist nicht mehr frei,
Und kann an Guido nur gedenken;
An Guido nur, der ihr gefällt,
Und jenem schon zuvorgekommen;
Drum wird vor Gismund, und der Welt
Ein Ernst voll Keuschheit angenommen,
Ein unerheitertes Gesicht,
Ein Wohlstand, der in Ehrfurcht setzet,
Und Tugend, Ehrbarkeit und Pflicht
Viel höher, als das Leben, schätzet.
Umsonst ist seine Redekunst,
Umsonst sein Flehen und Versprechen:
Nichts, nichts erwirbt ihm ihre Gunst,
Nichts kann den frommen Vorsatz brechen.
So züchtig sind zu aller Zeit,
So unerbittlich viele Schönen,
Die doch den Wahn der Grausamkeit
In eines dritten Arm verhöhnen.

Doch Gismund wird auf einmal kühn,
Als man ihm heimlich kund gemachet,
Wie diese Lippen, die ihn fliehn,
Sehr oft den Guido angelachet.
Nachdem ihm auch die Kammermagd,
Die man, errathet wie? gewonnen,
Getreuen Beistand zugesagt,
Wird bald ein Mittel ausgesonnen.
Er eilt Laurettens Zimmer zu,
Die auf des Lieblings Schooße lauschet,
Und jetzt mit ihm, in sichrer Ruh',
Die allerbesten Küsse tauschet.
Sie hört ihn kommen. Sie erschrickt,
Und hatte Recht, sich zu erschrecken.
Ihr Guido muß, so gut sich's schickt,
Sich eiligst hinter's Bett verstecken.
Sie bebt, und glaubt, es sei der Mann;
Doch als sie Gismund kaum erkannte,
Fing der schon eine Predigt an,
Darin er sie nicht heilig nannte.

Er schwört, den strafbaren Betrug
Vor niemand länger zu verschweigen,
Sucht sie, ohn' einigen Verzug,
Sich nicht geneigter zu erzeigen.
Sie klagt: er droht. Sie seufzt: er lacht.
Sie fleht um Aufschub; doch vergebens.
Er will; sie endlich auch. Dies macht
Die Endschaft alles Widerstrebens.
Man sagt sich Lieb' und Eintracht zu,
Und gibt und nimmt von beiden Zeichen.
Ach Guido! was gedachtest du?
Was konnte deinem Unmuth gleichen?

Allein, nun setzt es erst Gefahr:
Nun gibt's die schlimmsten Augenblicke.
Der Mann, der hier nicht nöthig war,
Kömmt, eh' man es gedacht, zurücke.
Wie wäre, sonder Weiberlist,
Dies jemals glücklich abgegangen?
Jedoch, wo die beschäftigt ist,
Da sieht man leicht, was anzufangen.

Der Gismund rennt, auf ihr Geheiß,
Ganz trotzig, mit entblößtem Degen,
Dem Manne, der von gar nichts weiß,
Als sucht' er seinen Feind, entgegen.
Er knirscht, und ruft: Du sollst gewiß
Durch diese Faust noch heut' erkalten.
Drauf geht er ohne Hinderniß,
Und niemand sucht ihn aufzuhalten.

Lorenzo eilte, ganz entstellt,
Sogleich ins Zimmer der Laurette,
Und fand sein Liebstes auf der Welt,
Sein treues Weibchen, auf dem Bette.
Mein Engel, hättest du gesehn? …
Was denn? … Ich kann's vor Angst nicht sagen.
Ich zittre noch … Was ist geschehn?
Ach! Kind, was hat sich zugetragen? …
Der Gismund … Rede! … kömmt hieher
Mit bloßem … Wie? … mit bloßem Schwerte;
Und vor ihm lief, ich weiß nicht wer,
Der Sicherheit und Schutz begehrte.
Ich glaube, daß er auch allhier
In einen Winkel sich verkrochen:
Denn Gismund fand ihn nicht bei mir,
Und trollte sich mit vielem Pochen.

Das ist mir herzlich lieb, mein Schatz,
Erwiderte der Hörnerträger,
Es ist mein Haus kein Tummelplatz
Für Meuchelmörder, oder Schläger.
Drauf ruft er durch das ganze Haus:
Mein Freund, wo habt ihr euch verborgen?
In welchem Winkel? nur heraus!
Hier ist nichts weiter zu besorgen.

Mein Guido kömmt, und danket ihm,
In aller Demuth, für sein Leben,
Daß er vor Gismunds Ungestüm
Ihm eine Zuflucht hier gegeben.
Ihn will, zu größrer Sicherheit,
Der Alte selbst nach Hause bringen,
Und ist mit eigner Faust bereit,
Ihm, auf den Nothfall, beizuspringen.
Es waffnet sich der theure Mann.
Laurettens Furcht gewinnt ein Ende.
Die Liebesgötter sehn es an,
Und klatschen jauchzend in die Hände.

 

Wein und Liebe.

Nein, Liebe, nein! dir gilt nicht dieses Lied;
Es soll mit Bacchus Ruhme prangen,
Was mich erweckt, und was man hier ersieht,
Ist wichtiger als weiß' und rothe Wangen.
Ein jedes Glas, das diese Tafel ziert,
Verbannt das blinde Kind, und macht aus Freunden Brüder,
Und wer bei dir oft Herz und Witz verliert,
Dem gibt der Wein Verstand und Freiheit wieder.

Was hat vordem die Deutschen groß gemacht,
Von deren Muth auch Feinde melden?
Sie flohen dich, und zechten vor der Schlacht:
Und dieß allein, dieß machte sie zu Helden.
Das Alter selbst verjünget sich durch Wein,
Wann Eintracht, Lust und Durst mit vollen Stutzern winken;
Und würden nicht auch Götter sterblich sein,
Wenn Götter nicht stets ihren Nectar trünken?

Was macht gelehrt? Was nutzet einem Staat?
Was suchen alt' und neue Weisen?
Was fehlt dem Hof, der so viel Edles hat?
Was mußten auch die größten Dichter preisen?
Die Wahrheit ist's. Man trifft sie selten an;
Doch wird sie dir gewiß ein ächter Säufer sagen:
Und wer sie nicht beim Trunk entdecken kann,
Sucht sie umsonst den Schönen abzufragen.

Die Schönheit ist der Falschheit stolzer Sitz,
Und jedes Jahr schwächt ihre Stärke.
Doch thut der Wein, durch eingeflößten Witz
Im Alter erst die größten Wunderwerke.
Wie oftmals täuscht das Schmeicheln die Vernunft?
Wie sklavisch wird ein Mund, der lächelnd trügt, verehret?
Doch dieser Wahn verschont die freie Zunft,
Die stets ihr Glas in Einem Zuge leeret.

So wollt' ich einst, bei jubelvoller Lust,
Des Weines Lob der Welt erzählen;
Doch rührte bald ein andrer Trieb die Brust,
Doch mußten bald die besten Worte fehlen.
Nein, Bacchus, nein! dir galt nicht mehr mein Lied;
Die junge Phyllis kam gegangen;
Und man erblickt, wo so viel Liebreiz blüht,
Nichts Wichtigers, als ihre schöne Wangen.

 

Axiochus und Alcibiades.

Axiochus, ein Schalk von schmeichelhaften Sitten,
Und Alcibiades, der Stutzer von Athen,
Zween Freunde gleicher Art, bei Mädchen wohl gelitten,
Schlau, feurig, jung, galant, beredt und wunderschön,
Verstärkten da die Treu', wo manche sie verscherzen;
Was beiden reizend schien, hieß beiden auch gemein.
Fand einer keine Lust, den eignen Schatz zu herzen,
So stellte sich dafür des andern Mädchen ein.
Wie artig jede war, dient wenig zur Geschichte:
G'nug, daß die eine drauf ein Töchterchen gebar,
Die in den Windeln schon liebreizend von Gesichte,
Und Helenen vielleicht an Zügen ähnlich war.
Flugs sieht man beiderseits zur kleinen Doris eilen,
Ein jeder nennet sie sein wahres Ebenbild,
Und will das Vaterrecht nicht mit dem Freunde theilen,
Das Recht, das sie zugleich mit Lust und Neid erfüllt.
Jedoch, als Doris nur, der Mutter nachzuahmen,
Und Küsse zu verstehn, sich alt genug befand,
Entsagten beiderseits dem ernsten Vaternamen,
Und suchten Gegengunst, die Pflicht und Furcht nicht band.
Der eine sprach: du bist der Vater zu dem Kinde;
Dies ist dein Aug' und Mund. Was kann dir gleicher sein?
Halt! rief der andre drauf, auf mich, auf mich die Sünde!
Herr Schwager, glaube mir, sie stammt von dir allein.

 

Myron und Lais.

Der graue Myron hielt um eine Nacht voll Küsse
Bei der geliebten Lais an;
Doch weil sein Seufzen nichts gewann,
Errieth er, daß sein Haar den Abscheu wirken müsse.

Er schwärzet sein bereiftes Haubt.
Ein neuer Myron, nach den Haaren,
Nicht nach der Stirne, nach den Jahren,
Sucht, was er schon gesucht; doch wird ihm nichts erlaubt.

Wie schwer sind Weiber zu betrügen!
So sehr er Lieb' und List vereint,
So gleich, so ungleich auch er jenem Myron scheint,
Merkt Lais zweifelnd doch das Alter an den Zügen.
Allein, im Zweifel selbst sich schalkhaft zu vergnügen,
Spricht sie: mein junger Herr! es bleibt bei dem Entschluß,
Dergleichen Bitten zu versagen.
Ich habe, was ich ihm anjetzt verweigern muß,
Schon seinem Vater abgeschlagen.

 

Das Bekenntniß.

Ein feuriger Galan, der schlechten Dank erwarb,
Und nicht viel rühmlicher, als Pherecydes, starb,
Bekannte, was an ihm bereits unheilbar worden,
Dem Priester Francion vom Carmeliterorden,
Und sprach: Wie straft mich jetzt des Lasters Schändlichkeit!
Ach kennt' ich, so wie ihr, doch keine Lüsternheit;
So hätt' ich diesen Tod nicht Julien zu danken!

Wie? Julien? o schweigt! versetzt der Mönch dem Kranken.
Den Lügen bin ich gram; das ist des Ordens Pflicht.
Verleumdet Juliens gesunde Schönheit nicht.
Wär' ein so schnödes Gift bei Julchen eingerissen,
Der Pater Guardian, und ich, wir müßten's wissen.

 

Bruder Fritz.

An Herrn P. Carpser.

Versprechen machet Schuld; drum send' ich dir die Zeilen,
Die meine Dichterei zu deiner Lust entwarf.
Dafür entdecke mir: Ob sich ein Kranker heilen,
Und dem besorgten Arzt die Müh' erleichtern darf?

Freund, dem des Himmels Huld die schwere Kunst zu scherzen,
Die Ort und Hörer wählt, die Zeit und Stunde kennt,
Und die Gefälligkeit, das Vorrecht edler Herzen,
Und wahre Tugenden ohn' eitlen Schein gegönnt;
Jetzt rühm' ich nicht in dir dein hilferbötig Wissen,
Die kluge Fertigkeit, die Treue deiner Hand.
Das wird ein andres Blatt mit Dank erheben müssen;
Dieß aber macht dir nur den theuren Fritz bekannt.

Fritz war ein guter Mönch, ein Feind der frühen Mette,
Den auch der Bischof nicht an Weisheit übertraf.
Oft schlief er in dem Chor, oft trank er in dem Bette,
Und schlief auf seinen Trunk, und trank auf seinen Schlaf.
Ihn warf zur Sommerszeit ein hitzig Fieber nieder,
Und folterte den Mann auf seinem Polstersitz;
Sogleich besuchten ihn die feisten Ordensbrüder,
Und alle trösteten den matten Bruder Fritz.
Sein Abt, dem, sonder ihn, auch nicht sein Mundwein schmeckte,
Weil keiner so im Trunk Bescheid und Wunder that,
Berief den besten Arzt, dem er die Noth entdeckte,
Den Segen doppelt gab, und ihn um Hilfe bat.
Er sprach: Wählt ein Geschenk aus jenem vollen Kasten,
Nur lindert, kann es sein, des armen Bruders Qual.
Ich bete schon für ihn; ich will auch für ihn fasten,
Und dieses thät' ich doch für keinen Cardinal.
Der Doctor streichelt sich, und eilt in Fritzens Zelle.
Da wird des Kranken Harn mit stummem Ernst besehn;
Er fingert um den Puls, erwägt auch alle Fälle,
Die theils vorhanden sind, theils zu befürchten stehn.
Drauf spricht er: Kraft der Kunst, die ich, als Arzt, besitze,
Bemerk' ich hier den Durst, ein Zeichen böser Art;
So find' ich, zweitens, auch den höchsten Grad der Hitze,
Und die beschleunigt oft der Frommen Himmelfahrt.
Und dem Hippocrates getreulich nachzuleben,
Muß keine Neuerung die Heilungskunst entweihn.
Er heißt uns erst den Durst, und dann das Fieber heben;
Und folglich wird der Durst mein erster Vorwurf sein,
Immaßen … Ach, rief Fritz, befreit mich nur vom Fieber.
Hilft kein Hippocrates, so hilft der Hipocras.
O laßt mir selber jetzt die Cur des Durstes über;
Hochwürdiger Herr Abt, reicht mir das große Glas.

 

Philemon und Baucis.

Poeten wissen tausend Sachen,
Die in dem groben Theil der Welt
Der Wahn und Aberwitz belachen,
Und Einfalt für unmöglich hält.
Wir singen: Boreas muß schweigen;
Der Wald erstaunt; es horcht das Meer;
Und wenn wir uns recht wild erzeigen,
So kömmt der Mond gehorsam her.

Wer untersteht sich, uns zu schimpfen,
Als der nicht Midas Strafe weiß?
Wer macht aus Schiffen schöne Nymphen,
Aus Daphnens Haar ein Lorbeerreis,
Aus Byblis Zähren eine Quelle,
Aus Jupiter Europens Stier?
Wer führt den Orpheus in die Hölle?
Wer hat es wol gethan, als wir?

Daß Götter zu den Menschen kommen,
Wie Phrygien längst wahr befand,
Beschwuren sonst die alten Frommen,
Und ist nur Dichtern recht bekannt.
Wie zärtlich sie der Welt gewogen,
Lehrt aus Philemons güldner Zeit
Ovidius, der nie gelogen,
Und Swift, der Ruhm der Geistlichkeit.

Weil von der Unterwelt zu den gestirnten Höhen
Die Boten selten richtig gehen,
Fiel zween weisen Göttern ein,
Als Wanderer, um nicht erkannt zu sein,
Den Erdkreis selber zu besehen.
Kurz: es gesellte sich, aus großer Menschenliebe,
Zum Donnergott der Gott der Diebe.

Der schlaue Jupiter entging durch diese Flucht
Der alten Juno Eifersucht,
Die ihm den Nectar längst vergällte,
Und was er als ein Stier und Schwan,
Und in der Jugend sonst gethan,
Ihm täglich unter Augen stellte.
Dem Vater folgt Mercur mit kindlich-frohem Muth,
Doch ohne Federhut.

Sie hatten bald, was man die Welt genannt,
Das narrenvolle Rund bis dahin durchgerannt,
Wohin vielleicht nicht ich, noch du, mein Leser, kommen,
Bis an Mäanders fernen Strand.
Als Licht und Tag nun abgenommen,
Erblickten sie, zu ihrer linken Hand,
Ein hohes Schloß, das Ueppigkeit und Pracht
Dem Uebermuth zum Sitz gemacht.
Hier wohnt, und schwelgt ein trotziger Dynast,
Des armen Landes reiche Last,
Der Liebling eines Herrn, dem oft-geschätzte Horden
In treuer Blöße zinsbar worden.
Bei diesem suchten jetzt die Götter kurze Rast,
Sie stellten sich, nach wahrer Pilger Weise,
Vom Mangel ausgezehrt, ermüdet von der Reise,
Und flehten sehr um Streu' und Speise.
Vergebens flehten sie; man wies sie höhnisch ab;
Und als Mercur sich gar ins Schloß begab,
So fand auch er, je mehr er bat:
Nichts sei vermess'ner, stolzer, kühner,
Als kleiner Herren kleine Diener,
So oft man ihrer nöthig hat.

Sie eilen schnell in manches Reichen Haus,
Allein viel schneller noch heraus.
Noch etwas wird versucht: Sie klopfen an die Hütte,
Die einsam in dem Thale steht.
Hier wiederholt Mercur die Bitte,
Und hier nur wird er nicht verschmäht.

Hier lebet, ohne Mißvergnügen,
Und durch die Heilungskraft der Zeit
Von allen Regungen der Eifersucht befreit,
Ein unbeerbt, zugleich veraltend Paar,
Dem, durch des Schicksals seltnes Fügen,
Der langen Ehe Joch nicht unerträglich war.

Der Mann, Philemon, geht, und nöthigt sie herein,
Führt beide vor den Herd, heißt beide fröhlich sein,
Ruft das geliebte Weib, und Baucis kömmt auf Krücken.
Sie grüßet jeden Gast mit treuem Händedrücken,
Das endlich Jupiter, der wohl zu leben wußte,
Durch einen Kuß vergelten mußte.
So ist's, durch einen Kuß; jedoch nur auf die Wangen;
Nicht mit dem Nachdruck und Verlangen,
Womit er oft an Ledens Mund gehangen;
Und gleichwol flößt in ihre Brust
Der träge Kuß recht jugendliche Lust.
Sie stoppelt Scheit und Stroh schon hurtiger zusammen.
Ein Bündel Reiser wird auf dürren Kien gelegt,
Und, als sie Asch' und Kohlen aufgeregt,
Facht, bläst und hustet sie den ganzen Stoß zu Flammen.
Hierauf wird warme Milch, nebst Feld- und Gartenfrüchten,
In irdnen Schüsseln aufgetischt,
Bei ungleich-größrer Lust, als wo das Splitterrichten
Die theuren Bissen würzt, wo Fluch und Wein sich mischt,
Der Schelsucht Auge glüht, der Bosheit Zunge zischt.

Die Fremden besser zu erfreuen,
Umsteckt der milde Wirth den Tisch mit dichten Maien,
Sucht seinen Witz hervor, der, nach des Landmanns Art,
Mit Worten spielt, und kein Gelächter spart,
Und schwatzt vom Ackerbau, vom Wiesewachs, von Saaten;
Wie heuer recht nach Wunsch des Nachbars Korn gerathen,
Frau Baucis aber lehrt der Wittrung Eigenschaft,
Der Seuchen Art, der Kräuter Kraft,
Und sagt den neuen Tischgenossen,
Wie viele Jahr' in ihrer Eh' verflossen;
Wie dieses Dach von Schilf, und den geschwärzten Herd
Ihr langer Fleiß erbaut, und noch kein Fluch beschwert;
Was sie besitzen, was noch fehlt,
Das alles wird jetzt hererzählt;
Auch wie sie neulich erst was Herrliches geerbet:
Und was? Ein Trinkgeschirr, das noch nicht abgenützt,
Woran Silen, der sich auf Keltern stützt,
Und mit Satyren zecht, aus Buchenholz geschnitzt:
Auf dessen Deckel sei: Philemon, eingekerbet.
Sie fordert's, und er bringt's, voll Most,
Zum süßen Schluß der Abendkost.

Das frische Naß wird treulich eingesogen;
Doch füllet sich von selbst der Becher wieder an.
Die Alte sieht's bestürzt, es stutzt der Biedermann,
Der weder Freund noch Feind in seinem Trunk betrogen.
Nachdem er ihn von neuem ausgebracht,
Hat er auf jeden Gast nunmehr gedoppelt Acht,
Bis Jupiter sich kenntlich macht.

Er sagt: Wir sprechen nicht als Spötter;
Vernehmt die Wahrheit: Wir sind Götter.
Herr Wirth, Frau Wirthin, glaubt es nur:
Ich bin der Zeus, er ist Mercur.
Ihr zweifelt? Können Götter lügen?
Wißt: Ich kann donnern, er kann fliegen.

Philemon schielt ihn an. Ein Strahl vom innern Licht
Erheitert seinen Blick: er glaubt, und klügelt nicht.
Ein heil'ger Schauer fährt durch Baucis kalte Glieder.
Sie sehn im Gast den Gott, und fallen vor ihm nieder.
Ihr Götter! sagt der Greis, wie gütig nehmt ihr an,
Was euch die Dürftigkeit wohlmeinend reichen kann.
Es ist kein Sterblicher an Glück uns gleich zu nennen:
O hätten wir nach Wunsch euch jetzt bewirthen können!
Doch aller Ueberfluß im schönsten Speisesaal
Ist mangelhaft und schlecht zu einem Göttermahl.
Wo solche Gäste selbst die Tafel schmücken wollen,
Muß Erde, Meer und Luft die besten Schüsseln zollen.

Es tagt, und Majens Sohn führt das entzückte Paar
Den hohen Berg hinan, der in der Nähe war.
Hier spricht der Donnergott: Der Bosheit Lauf zu hemmen,
Soll der Mäanderfluß die Frevler überschwemmen.
Er winkt: der Strom gehorcht. Man sieht das Schloß, das Land,
Wo sich kein liebreich Aug' auf fremde Noth gewandt,
Von Wind und Flut bestürmt, mit Schrecken untergehen.
Philemons Wohnung bleibt auf einer Insel stehen;
Doch nicht als Hütte mehr. Was Schilf, was irden war,
Wird Marmor oder Gold; ihr Tischchen zum Altar;
Die Kann' ein Opferkelch; die Pfosten werden Säulen;
Und, mehr Bequemlichkeit dem Tempel zu ertheilen,
Ihr Bett ein Kirchensitz, der noch, nach alter Kraft,
Die Hörer gähnen lehrt, und oft den Schlaf verschafft.

Dieß große Wunderwerk erweckt den treuen Beiden
Verwirrung, stumme Lust und ehrfurchtreiche Freuden,
Erstaunen, Dankbarkeit und neue Zuversicht,
Bis unser Phrygier das Schweigen unterbricht:
Ach! möchte Jupiter mich Armen würdig finden,
In diesem neuen Bau die Opfer anzuzünden,
Des Lebens Ueberrest, als Priester, ihm zu weihn!
O sollt' ihm diese Hand den ersten Weihrauch streun!

Der Gott erhöret ihn, und will ihm auch vergönnen,
Nebst ihr noch einen Wunsch ohn' Anstand thun zu können.
Falls, ruft Philemon aus, ein Flehen dir gefällt,
Das jetzt die Liebe wagt, die uns zuerst gesellt;
Wird mir und Baucis einst der Tod zugleich erscheinen,
Und keines je von uns des andern Grab beweinen!
Der Wunsch der Zärtlichkeit, der Wünsche Widerspiel,
Die oft der Ehstand heckt, erreicht sein edles Ziel.
Der Götter Gunst verspricht's. Ein Donner läßt sich hören;
Der Blitz zertheilt die Luft; Zeus eilt durch alle Sphären.

Hievon verbreitet sich der bald erschollne Ruhm,
Und jedermann besucht das neue Heiligthum;
Zum Theil, Philemon selbst um alles zu befragen;
Zum Theil, aus frommer Pflicht ihm Gaben anzutragen,
Die er, voll vom Beruf, den ihm sein Glück bestimmt,
Mit priesterlicher Hand oft abweist, öfter nimmt.

An einem Feiertag, als er im Vorhof gehet,
Und Reisenden erzählt, woher der Bau entstehet,
Verwandelt sich sein Haubt; zu Blättern wird das Haar;
Den Leib deckt Rind' und Moos; und Baucis wird gewahr,
Und suchet, doch umsonst, ihm ihre Hand zu reichen.
Sie wird zum Lindenbaum, so wie ihr Mann zur Eichen.
Der wohlerfüllte Wunsch ist ihrer Treue Lohn,
Und jeder Vater zeigt die Bäume seinem Sohn.
Man siehet ihre Zweig' am allerschönsten grünen,
Und vielen Liebenden mit holdem Schatten dienen.
Der Ruf legt ihnen bald die Zauberwirkung bei:
Hier reize Laub und Gras zur süßen Buhlerei.
Man sagt gar, daß allhier auch spröde Schäferinnen
Das Schmeicheln, und zuletzt den Schmeichler liebgewinnen;
Daß manche, deren Stolz den Hirten widerstand,
Zum erstenmal ihr Herz hier voller Mitleid fand;
Daß einer Phyllis Kuß den Lycas hier beglücket,
Und er sie drauf gelehrt, was noch weit mehr entzücket.
Der nächste Lenz verrieth die ihm erzeigte Huld,
Der Baum, der arme Baum, nicht Phyllis, trug die Schuld.
Die Mutter hätte bald Philemon nebst der Frauen,
Wenn Zeus sie nicht beschützt, erbärmlich abgehauen.

 

Paulus Purganti und Agnese.

War nicht der Arzt Purganti zu beklagen?
Er hatt' in seinen alten Tagen
Ein schwaches Haubt, und einen schwächern Leib,
Auch überdieß, zum Zuwachs seiner Plagen,
Ein junges Weib.

Sie hieß Agnes, und war ein Bild der Zucht;
Es macht ihr großer Ruhm, des frommen Wandels Frucht,
Das ganze Kirchspiel stolz. Man sprach in langer Zeit
Bei jeder Wöchnerin, bewundernd ohne Neid,
Nur von Agnesens Ehrbarkeit.
Auf ihrem Bücherschrank stand niemals ein Roman,
Doch wol ein Quirsfeld, Kern, Schmuck, Albrecht, Wudrian.
Sie war insonderheit der Oper feind gewesen,
Und hatte, wie, vor ihr, fast niemand sonst gethan,
Den Cubach dreimal durchgelesen.
Asmodi selbst verlor das Herz,
Die starke Gläubige durch List zu überwinden,
Denn sie verfluchte wilden Scherz,
Und trotzte gar den Schwachheitsünden.
Oft ward von ihr, die Andacht zu entzünden,
Ein geistlicher Choral auf dem Clavier gespielt,
Und, wie man mir entdeckt, dem Spiegel zugeschielt,
Nur ihr Gesicht aufmerksam zu betrachten,
Um jeden Theil davon großmüthig zu verachten.

Allein, sie war ganz heimlich von der Art,
Die keusche Reden gern mit Liebeswerken paart.
Den ird'schen Trieb der Lüsternheit
Entsündigte des Eh'stands Schuldigkeit,
Und einer tugendhaften Brust
Wird immer jede Pflicht zur Lust.

Agnese, das getreue Weib,
Verpflegt des theuren Gatten Leib,
Sie weiß ihm von gesunden Speisen
Die trefflichsten stets anzupreisen;
Was aber schwächet oder zehrt,
Wird ihm mit vielem Recht verwehrt.
Sie wärmt und würzt des Mannes Wein,
Und schneidet ihm die Bissen klein,
Legt Mark und Nieren reichlich vor,
Drückt seine Hand, zupft ihn an's Ohr,
Um durch dergleichen Schmeicheleien
Den alten Paulus zu erfreuen.

Die Dankbarkeit ist eine schwere Last:
Zu vieles Zärtlichthun wird endlich auch verhaßt.
Der Alte fand sein Schätzchen zu geschäftig,
Und ihre Liebe viel zu heftig.
Er suchte bald in allen diesen Werken
Mehr Eigennutz, als Neigung zu bemerken.
Den tauben Ottern gleich, wann ihr Beschwörer spricht,
Hört er die süßen Worte nicht;
Der Name: Schätzchen, Engel, Leben,
Wird ihm zwar oft, doch stets umsonst, gegeben.

So oft, als mitten in der Nacht
Purganti schnarcht, Agnese wacht,
Und, durch ein falsch' Gespenst geschrecket,
Sich zum Gemahl, so nah' als möglich, strecket,
Und durch ein Mäulchen ihn erwecket,
Gibt diese Dreistigkeit ihm neues Ungemach;
Er sinnt den Gegenmitteln nach,
Um dem zu weibischen Bezeigen
In Zukunft bestens vorzubeugen.

Durch Macht und Widerstand? Ach nein!
Was könnt' ihm hierzu Muth verleihn?
Er krieget, wie der Fabius,
Der durch Verzug gewinnen muß.

Was soll man von dem Ritter sagen,
Der weder fliehen darf, noch schlagen,
Der, wann der Schranken offen steht,
Nicht kämpft, auch nicht um Gnade fleht?

Wo die Gewalt unbrauchbar ist,
Bedient' ein Weiser sich der List.
Der Arzt, der seinen Gegner scheut,
Kirrt ihn durch falsche Freundlichkeit,
Und er erwiedert oft der Frauen Morgenkuß
Ganz liebreich, sonder Ueberdruß.
Drauf fragt er: Was ist dir geschehn?
Du pflegst ja frischer auszusehn.
Sie muß ihm ihre Rechte reichen:
Hier sind, spricht er, gar schlimme Zeichen:
Ein Puls, der viel zu heftig schlägt.
Noch mehr! ein Auge voller Glut,
Und eine heiße Brust, die sich zu sehr bewegt!
Dieß, sonderlich die Brust, die nimmer ruht!
Bezeugt ein wallendes, ein angestecktes Blut,
Das einen schnellen Tod hervorzubringen pflegt.
So urtheilt Musitan. Der Brunnen scheint hier gut,
Der Spaer sonderlich, der rechte Wunder thut …
Der Spaer? Eben der! Kurz, es gedeiht zum Schluß,
Daß Agnes ungesäumt den Brunnen brauchen muß.

Doch fehlte sehr des Doctors Wissenschaft:
Unkräftig ist allhier der Wasser Wunderkraft.
Die in der Heilungskunst gewandt,
Sind andrer Meinung, als Purgant,
Und vom Galen zum Sternenkalb
Lehrt jeder Arzt, dies Mittel hilft nicht halb:
Zumal, wann solch ein brennend Gift
Des Körpers edle Theile trifft,
Und mit dem Kreislauf vom Geblüt'
Allmählich sich um's Herze zieht.

Agnese trinkt und leert mit Widerwillen
Zwölf Flaschen aus, bedient sich auch der Pillen.
Allein umsonst: nichts kann die Krankheit stillen.
Es meldet sich der erste Brand,
So wie zuvor, in Brust und Hand.
Sie ächzt und seufzt ohn' Unterlaß,
Und sagt, ihr fehlt sie weiß nicht was,
Und kömmt zum Eh'herrn oft gerannt,
Lechzt, klaget, flehet, girrt, und sieht ihn sehnend an.
Dies hätte mich gerührt; doch rührt' es nicht den Mann,
Der ist kaum ihres Flehns gewärtig,
So hält er zum voraus sich mit der Ausflucht fertig.

Anstatt der thät'gen Lieb' und Huld,
Spricht er zu ihr nur von Geduld,
Von Selbstverläugnung und Beschwerden,
Wann Leib und Fleisch geprüfet werden,
Und wie, seit Evens Näscherei,
Der Weiber Erbtheil Leiden sei;
Daß die Entzündung, die sie fühlt,
Sich durch kein mürrisch Winseln kühlt;
Sie müsse nur der Ruhe pflegen,
Die Augen schließen, sich nicht regen,
Sich immer auf die Seite legen,
Und ihre Kniee nicht bewegen.

Doch ende bald, Thalia, den Gesang:
Kein Märchen schickt sich gar zu lang.

Je mehr Purganti spricht, und lehrt,
Je minder wird sein Weib bekehrt.
Ihr Fieber äußert sich bald wieder,
Sie schlägt die Augen züchtig nieder,
Und lispelt: Schatz, ich wollte wol …
Was willst du? ruft er eifersvoll,
Beim Brunnentrinken? Bist du toll?
Du willst: du willst; doch ist gewiß
Kein Gift dir schädlicher, als dies.
Ach! ach! wann werden doch auf Erden
Die Weiber einmal klüger werden?
Ich werd' es thun; doch magst du wissen,
Du wirst vor morgen sterben müssen.

Agnes.
Was du mir sagst, mein Herz, ist wahr,
Auch ich erkenne die Gefahr.
Allein, was ist dies schnöde Leben,
Die kurze Wallfahrt? Mühe, Pein.
Muß ich nicht immer fertig sein,
Für dich, mein Kind, es aufzugeben?
Den Tod muß nur ein Weltkind scheun;
Ich aber will, du sollst es sehn,
Ihm lächelnd jetzt entgegen gehn.

* * *

Purganti stutzt, erwiedert zwar mit Küssen;
Jedoch den Mord verbietet sein Gewissen.
Er selbst wird kurz darauf ihr durch den Tod entrissen.
Seht, wie bei höchster Noth der Himmel Trost ertheilt!
Die fromme Wittwe traurt, freit wieder, wird geheilt.

 

Der Ursprung des Grübchens im Kinne.

Man glaube nicht, was mancher Dichter spricht:
Nun ruht mein Kiel; nun schreib' ich ferner nicht.
Wie selten weiß ein Dichter aufzuhören!
Apollo darf uns auch im Schlafe stören.
Kein Einfall wird von Barden unterdrückt,
So oft sie nur des Phöbus Ruf entzückt,
Und, falls sonst nichts den steifen Vorsatz beuget,
An Phöbus Statt, sich ein Verleger zeiget.

So geht's auch mir. Oft hab' ich selbst gedacht,
Der sei beglückt, der keine Verse macht,
Der vielen gleicht, die selber niemals dichten,
Und dennoch oft gereimte Zeilen richten.
Da wird mir schon die Poesie zur Qual,
Da schwur auch ich, und zwar zum ersten Mal,
Mich sollte nichts in dieser Welt verleiten,
Die volle Bahn der Dichter zu beschreiten.
Der stolze Schwur war viel zu früh gewagt;
Des Menschen Herz ist trotzig und verzagt,
Und meines wird durch süßen Zwang getrieben,
Was ich verwarf, bald desto mehr zu lieben.
Mich nimmt bereits die Regung wieder ein.
Was aber soll mein neuer Vorwurf sein?

Der holde Gott der Hoffnung und der Freuden,
Der, dessen Stand die Götter oft beneiden,
Weil man nur ihm des Lebens güldne Zeit,
Der Jahre Lenz, die schöne Jugend weiht,
Der, dessen Witz die Klügsten unterrichtet,
Der lächelnd herrscht, die schwersten Händel schlichtet,
Welt und Natur verherrlicht und beglückt,
Den zarten Leib mit Pfeil und Bogen schmückt,
In Federn prangt, und die er abgeleget,
Dem Hymen schenkt, der ihm die Fackel träget.

Cytherens Sohn, der wahre Menschenfreund,
Dem manche schön, und keine grausam scheint,
Vergnügte nur an seiner Psyche Wangen
Den öftern Wunsch, das heftige Verlangen.
Ihn labte schon die Frucht der süßen Wahl,
Der Wollust Kern, ein rechtes Freudenmahl,
So oft ihr Mund, zu dem er seufzend eilte,
Kuß, Scherz und Schwur mit seinen Lippen theilte,
Und ihre Brust nur seiner regen Hand,
Nur seinem Blick entzückend offen stand.

So ward die Lust durch jeden Tag vermehret;
So ward sein Witz durch lange Lust bethöret.
Wer läugnet noch, daß Schönheit Wunder thut?
Der Liebesgott verlor den Wankelmuth,
Sein himmlisch Recht, dem lockenden Ergötzen,
Dem freien Kuß kein eh'lich Ziel zu setzen.
Sein weiches Herz, geschwächt durch süßen Wahn,
Wird Psychen hold, und endlich unterthan.
Er hatte nicht, die mich beherrscht, gesehen;
Und das allein entschuldigt sein Vergehen.

Um Paphos ist der Venus Aufenthalt.
Dort schmückt den Strand ein ihr geweihter Wald,
Wo manches Paar durch sichre Büsche dringet,
Und jeden Kuß der Vögel Chor besinget.
Es stehet dort ein Tempel, dessen Pracht
Die Gegenwart der Nymphen edler macht,
Die sich hieher in starker Zahl begeben,
Zur Venus fliehn, und nur der Liebe leben.

Man glaubt, daß der den Bau errichten hieß,
Dem sie zuerst sich ohne Gürtel wies,
Als Zephyrs Hauch, der nie sich schöner kühlte,
Zum ersten Mal mit ihren Locken spielte,
Und, was die Welt an Liebreiz in sich hat,
Mit ihr zugleich an das Gestade trat.

Dort tönt ihr Lob in buhlerischen Chören;
Dort lässet sich die Taube girrend hören;
Dort stimmet noch der halberstorbne Schwan,
Zu ihrem Ruhm, die letzten Lieder an.
Am Tempel selbst grünt bei den Rosenstöcken
Ein heil'ger Kreis von zarten Myrthenhecken.
Dort dient man ihr; dort opfern Alt und Jung;
Die Spröden auch, doch in der Dämmerung.
Die Könige verlassen Königinnen,
Und suchen dort geliebte Schäferinnen.
Der Schäfer sieht's, verläßt die Schäferin,
Und rächt die That an einer Königin.

Da sollte nun der frohe Gott der Ehen
Sein größtes Werk beglückt vollendet sehen.
Was theils verliebt, theils liebenswürdig war,
Versammlete sich um das neue Paar,
Idalia, und, als Begleiterinnen,
An ihrer Hand, die zarten Huldgöttinnen.
Mit Heben kam die sanfte Schmeichelei,
Die Mittlerin vergnügter Buhlerei,
Und Phöbus selbst. Er fand in Psychens Zügen
Der Daphne Reiz und Macht, ihn zu besiegen.
Er sang, und seufzt', er schien gerührt zu sein;
Doch wirkte dies die Vaterhuld allein?
Es führten dort der Frühling und die Freude
Der Fluren Zug in buntem Feierkleide.
Der gute Zeus erschien bei diesem Mahl,
Ob Juno gleich ihm seinen Adler stahl,
Aus alter Furcht, er möcht' auf solchen Reisen,
Wo Venus herrscht, sich, wie er pflag, erweisen.
Der Gott des Weins, der schon beim Eintritt trank,
Lallt einen Wunsch zu jedem Lustgesang.
Mercurius kam gaukelnd hergeflogen,
Und Iris stieg von dem gefärbten Bogen.
Arcadien vermißte seinen Plan;
Mit diesem kam der feiste Comus an,
Um dessen Haubt die frische Rose blühte,
Der tanzend jauchzt', und bald von Nectar glühte.
Der braune Mars, in neuer Kriegestracht,
Wies Faust und Schwert Vulcan und dem Verdacht.
Auch ließ sich jetzt, auf nicht zu fernen Höhen,
Voll starker Lust, der Gott der Gärten sehen.
Der Nymphen Schaar, den leichten Zephyrus
Beschäftigten der Kuß und Gegenkuß.
Nur hatte sich Diana vorgenommen,
Zu diesem Zwei erst über's Jahr zu kommen.
Sie blieb vorjetzt, aus Lust zur Jagd, davon;
Wer jagte mit? Vielleicht Endymion.

Der Flöten Scherz, die Eintracht reiner Saiten
Verkündigen dies Fest der Zärtlichkeiten.
Man öffnet bald des Tempels güldnes Thor,
Cytherens Sohn führt seine Braut hervor,
Und nähert sich den jubelvollen Reihen,
Die froh-umkränzt der Liebe Blumen streuen.

Ein leicht Gewand spielt um der Psyche Leib,
Versteckt und zeigt der Welt das schönste Weib.
Die Freundlichkeit, der Anmuth Wunderblüte,
Schmückt ihren Mund, den Sitz der sanften Güte.
Die frische Brust nimmt aller Herzen ein,
Scheint weiß als Schnee, ist reizender als Wein.

Es sammlet sich mit fröhlichem Gedränge,
Auf Hebens Wink, der fremden Nymphen Menge,
Die insgesammt um diesen Vorzug flehn,
In Psychens Dienst, in Amors Gunst zu stehn.
Er wählt, die ihr, vielleicht auch ihm, zu dienen,
Die würdigsten, das ist, die jüngsten schienen.
Witz, Aug' und Herz treibt ihn von Paar zu Paar.
Bald rührt den Gott ein wallend, lockigt Haar,
Ein runder Arm, ein Hals, der fleischigt steiget,
Und bald ein Fuß, der mehr verspricht, als zeiget,
Bald mancher Mund, der, wann er scherzt, entzückt,
Und, wann er küßt, durch jeden Kuß beglückt.
Bald merkt er sich zwo Wangen, die vor allen
Berechtigt sind, durch Lächeln zu gefallen,
Und sucht und find't, was er stets gerne fand,
Manch' heitres Aug' und manche schöne Hand.

Der trägen Schaar der Augen, die nichts sagen,
Wird hier kein Amt von Amor angetragen;
Und jeden Mund, der ohne Kraft und Geist
Sich kindisch ziert, und nur die Zähne weist,
Die der Natur, den zarten Huldgöttinnen
Ein Scheusal sind, der Freuden Gegnerinnen,
Die schwache Brust, die mit dem Alter ringt,
Nach Buhlern seufzt, und sie zur Keuschheit zwingt,
Die Mißgestalt, die eitler Hochmuth leitet,
Die Pracht beschimpft, und stiller Hohn begleitet;
Die alle schickt Cupidens Eigensinn
Zum nahen Schwarm der spitzen Nasen hin,
Die, wohlgepaart mit hagern, welken Wangen,
Hier müßig stehn, und keinen Preis erlangen.

Was gegentheils dem Bräutigam gefällt,
Sieht sich von ihm den Reihen zugesellt,
Die seine Wahl, auf ihren Wunsch, betroffen,
Aus Psychens Wink, Befehl und Huld zu hoffen.

Indem er drauf, die er sich ausgewählt,
Den Würden nach, vertheilet, stellt und zählt,
Bezeichnet er, die ihm recht artig scheinen,
Der Nymphen Kern, die Lust und Witz vereinen;
Und ihren Ruhm bewährt ein Liebespfand,
Ein neuer Reiz, ein Werk von seiner Hand:
Denn jedem Kinn, das seine Wahl beglücket,
Wird von ihm selbst das Grübchen eingedrücket,
Das, wie man weiß, nur solche Schönen ziert,
Durch die noch jetzt der schlaue Gott regiert,
Durch die sein Recht sich ewig kräftig zeiget,
Den Neid beschämt, und täglich höher steiget;
An welchen man der Anmuth höchsten Werth,
Und Amorn selbst in ihren Grübchen ehrt,
Die jederzeit durch dieses Vorzugszeichen
Die schönsten sind, und dir, o Phyllis, gleichen.


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