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Oden und Lieder.
Zweites Buch.


An die Freude.

Freude, Göttin edler Herzen!
Höre mich.
Laß die Lieder, die hier schallen,
Dich vergrößern, dir gefallen:
Was hier tönet, tönt durch dich.

Muntre Schwester süßer Liebe!
Himmelskind!
Kraft der Seelen! Halbes Leben!
Ach! was kann das Glück uns geben,
Wenn man dich nicht auch gewinnt?

Stumme Hüter todter Schätze
Sind nur reich.
Dem, der keinen Schatz bewachet,
Sinnreich scherzt und singt und lachet,
Ist kein karger König gleich.

Gib den Kennern, die dich ehren,
Neuen Muth,
Neuen Scherz den regen Zungen,
Neue Fertigkeit den Jungen,
Und den Alten neues Blut.

Du erheiterst, holde Freude!
Die Vernunft.
Flieh', auf ewig, die Gesichter
Aller finstern Splitterrichter
Und die ganze Heuchlerzunft!

 

Die Helden.

Der Aerzte Haubt, die sich zu Pferde zeigen,
Ein Chiron sprach zum durstigen Achill:
Der Thetis sei das Wassertrinken eigen!
Ihr Sohn trinkt Wein, wenn er mir folgen will.

Ihm folgt' Achill und leerte ganze Schläuche
Auf Brüderschaft mit andern Helden aus.
Geweihter Wein floß auf Patroclus Leiche,
Noch bess'rer Wein floß beim Begräbnißschmaus.

War Calchas nicht ein hocherfahrner Zecher
Und, halb berauscht, ein Held im Prophezein?
Er trank, er rieth, er weissagt' aus dem Becher
Und fand, wie wir, die Wahrheit in dem Wein.

Was that Ulyß, der, durch ein Abenteuer,
Alcinous, zu deinem Jahrschmaus kam?
Der weise Mann erwärmte sich am Feuer,
Bis man auch ihn an deine Tafel nahm.

Als Telemach, den Vater aufzusuchen,
Zum Nestor kam und diesen räuchern sah,
Sprach Pylos Fürst: Trinkt zu den Opferkuchen
Den Priesterwein, aufs Wohl von Ithaca!

Kaum hatt' er sich nach Sparta hinbegeben,
So red'te dort ihn Menelaus an:
Willkommen, Prinz! versucht von unsern Reben!
Herrscht väterlich und trinkt als ein Tyrann!

Minerva rieth mit warnenden Geberden
Dem Telemach die wilde Trunksucht ab,
Und trank doch selbst, um nicht erkannt zu werden,
Die Stutzer aus, die ihr Atrides gab.

Cambyses dankt und opfert dir, o Sonne!
Nicht, weil dein Lauf durch Stier und Wage streift;
Er nannte dich die Stifterin der Wonne,
Nur weil durch dich die edle Traube reift.

In Spanien blieb, bei der Liebe Winken,
Ein Scipio dem süßen Wein getreu,
Und gab gar bald, ihn ungestört zu trinken,
Das schönste Kind der Kriegsgefangnen frei.

Roms Phocion, das Muster alter Strenge,
Auch Cato hat zu seinem Trunk gelacht.
Er heiligte, bei der Geschäfte Menge,
Den Tag dem Staat und seinem Wein die Nacht.

Fürst Hermann trank, wie deutsche Helden pflegen,
Wann Land und Hof und auch Thußnelde schlief,
Dem Morgenstern aus seinem Helm entgegen,
Eh' ihn der Tag in Feld und Lager rief.

Die Ritterschaft des Artus zu verbinden,
Ersann er selbst Getränke voller Kraft;
Die Königin, um gleichfalls zu erfinden,
Erfand, beim Spiel, des Königs Hahnreischaft.

Was that der Held, der einst mit Haut und Knochen
Sechs Pilger fraß, der Fürst Gargantua?
Er war kaum halb der Mutter Ohr entkrochen,
So rief er schon: Ist nichts zu trinken da?

 

Der Wein.

Aus den Reben
Fleußt das Leben:
Das ist offenbar.
Ihr, der Trauben Kenner!
Weingelehrte Männer!
Macht dies Sprichwort wahr.

Niemals glühten
Rechabiten,
Edler Most, von dir!
Aber, Wein-Erfinder,
Noah, deine Kinder
Zechten so wie wir.

Ueberzogen
Regenbogen
Gleich das Firmament:
So ward deiner Freude
Mehr als Augenweide,
Ihr ward Wein gegönnt.

Deinetwegen
Kam der Segen,
Wuchs der beste Wein.
Nach den Wasserfluten
Konnte nichts den Guten
Größern Trost verleihn.

 

Der schlechte Wein.

Wein! den die Bosheit ausgedacht,
Des Wassers Ruhm empor zu bringen,
Der aus Verzweiflung trunken macht,
In dem wir Gift und Tod verschlingen,
In dem des Hefens Aufruhr tobt,
Den niemand als der Wirth uns lobt,
Den Wirth und Wirthin spart: von dir will ich jetzt singen.

Ein harter Fluch beschwert das Land,
Wo dieser Weinstock aufgeschossen;
Es hat in dem bestraften Sand
Ein Sohn des Vaters Blut vergossen,
Und, falls mich kein Gedicht berückt,
So ist der Winzer gleich erstickt,
Der seiner Beeren Kost zum ersten Mal genossen.

Auf, auf, ihr Keile! zeigt euch bald!
Auf, auf, entzündet euch, ihr Blitze!
Vereint die rächende Gewalt;
Doch trefft nur dieses Weinbergs Spitze,
Und macht, daß dieser Theil der Welt,
Den diese Pflanze recht verstellt,
Nicht ferner Heerlinge so schlimmer Art besitze!

 

Wett-Trunk und Wett-Lauf.

Glaub, Anacharsis hatte Recht,
Der, weil er sich zuerst bezecht,
Begehrte, daß man ihm des Wett-Trunks Preis ertheilte:
Was, sprach er, trug nicht der den Lohn
Im Wett-Lauf jederzeit davon,
Der dessen Ziel zuerst ereilte?

Freund, schien der Syracuser Wein
Dir gestern gleich zu stark zu sein,
Der dich noch eh', als mich, durch seine Kraft erhitzet;
So schäme dich der Züge nicht:
Du weißt, was Anacharsis spricht,
Und was er spricht, ist was dich schützet.

 

Das Dasein.

Ein dunkler Feind erheiternder Getränke,
Ein Philosoph, trat neulich hin
Und sprach: Ihr Herren, wißt, ich bin.
Glaubt mir, ich bin. Ja, ja! Warum? Weil ich gedenke.

Ein Säufer kam und taumelt' ihm entgegen,
Und schwur bei seinem Wirth und Wein:
Ich trink, o darum muß ich sein.
Glaubt mir, ich trink: ich bin. Wer kann mich widerlegen?

 

Die Ursache der Kriege.

Mein! sage mir, warum die Fürsten fechten?
Fragt Görgel den Gevatter Hein.
Der lacht und spricht: Wenn sie, wie wir, gedächten;
Sie stellten alle Händel ein.
Wenn sie, wie wir, nur oft zusammen zechten,
Sie würden Freund und Brüder sein.

 

Der ordentliche Hausstand.

Crispin geht stets berauscht zu Bette,
Und öfters, wann der Tag schon graut.
Sein Weib, die lächelnde Finette,
Lebt mit dem Nachbar recht vertraut.
Ihr ganzes Haus- und Wirthschaftswesen
Ist ordentlich und auserlesen.

Kaum rennt Crispin zum neuen Schmause
Und wittert angenehmen Wein:
So schleicht sein Weibchen aus dem Hause
Und führt den Nachbar selbst hinein.
Ihr ganzes Haus- und Wirthschaftswesen
Ist ordentlich und auserlesen.

Er lobet und beschreibt ihr klüglich
Den wohlgenoss'nen Rebensaft:
Sie aber rühmt ihm unverzüglich
Des Nachbars gute Nachbarschaft.
Ihr ganzes Haus- und Wirthschaftswesen
Ist ordentlich und auserlesen.

Die Nachmittags- und Abendstunden
Bringt sie mit ihrem Nachbar zu,
Und wann die Nacht sich eingefunden,
Befördert sie des Mannes Ruh.
Ihr ganzes Haus- und Wirthschaftswesen
Ist ordentlich und auserlesen.

Der gute Mann weiß nichts vom Neide:
Die gute Frau darf sich erfreun.
Er gönnt Finetten ihre Freude;
Sie gönnt Crispinen seinen Wein.
Ihr ganzes Haus- und Wirthschaftswesen
Ist ordentlich und auserlesen.

Die Weiber, die den Männern fluchen,
Wenn sie zu oft zu Weine gehn,
Die sollten dieses Haus besuchen
Und der Finette Beispiel sehn.
Ihr ganzes Haus- und Wirthschaftswesen
Ist ordentlich und auserlesen.

Den Männern, die auf Weiber schmählen,
Wenn sie der Nachbar sittlich macht,
O denen kann Crispin erzählen,
Der Wein ertränke den Verdacht.
Sein ganzes Haus- und Wirthschaftswesen
Ist ordentlich und auserlesen.

 

Mezendore.

Herr Nicolaus Klimm erfand
Mehr Länder als ich Reime,
So gar ein unterirdisch Land
Vernünft'ger Thier' und Bäume.
Die Ober- und die Unterwelt
Bewunderten den großen Held.
Er pranget im Register
Der Kaiser und der Küster.

Des Landes Name klinget fein,
Und schmeichelt recht dem Ohre.
Es heißet, (was kann schöner sein?)
Es heißet Mezendore.
Hier hat das thierische Geschlecht
Und jeder Baum das Bürgerrecht,
Wenn er, wie sich's gehöret,
Die Obrigkeit verehret.

Der Löwe bleibet allemal
Monarch des ganzen Staates.
Die Elephanten trifft die Wahl
Zu Gliedern seines Rathes.
Ein luftiger Chamäleon
Trägt stets das Canzleramt davon,
Und was er angefangen,
Vollführen Füchs' und Schlangen.

Die Ritterschaft bestehet hier
Aus Straußen und aus Pfauen.
Das Oechslein und das andre Thier
Läßt sich als Bürger schauen.
Das Schaf, der Hamster und das Schwein
Sind Bauern, oder könnten's sein.
Die sich dem Lehramt weihen,
Sind trockne Papageien.

Das Kriegesheer trotzt auf die Treu'
Geübter Tigerschaaren,
Das leichte Hirschvolk dient dabei
Statt streifender Husaren.
Die Flotten führt das Wasserpferd,
Der Raubfisch mit dem scharfen Schwert,
Den Säuger Schiffshalter, Schildfisch. Saugt sich an Schiffen und größeren Fischen an ( Echeneis). oft begleiten,
Hilft ihrer Seemacht streiten.

Die Kammer nährt aus weiser Huld
Zehn hochbetraute Bären,
Den Anlauf jeder alten Schuld
Gebietrisch abzuwehren.
Der Habicht nimmt die Steuern ein:
Den Dohlen muß der Reiche leihn:
Zu Pächtern setzt man Raben
Von ungemeinen Gaben.

Das Richteramt wird hier bestellt
Durch Menschen-gleiche Bäume.
Die Birke straft die junge Welt,
Der Lorbeer schlechte Reime:
Und weil hier Frost und Nüchternheit
Nur gar zu oft den Dichtern dräut;
So heißen sie die Reben
Sich und den Vers beleben.

Die Gänse schnattern vor Gericht
Laut schallende Recesse,
Damit der Kauz, als Schreiber, nicht
Den kleinsten Satz vergesse.
Allein, vor niederm Ding und Recht
Erscheinen Elster, Staar und Specht;
Die zanken sich und schreien
Auf Kosten der Parteien.

Allhier sind die Grammatici
Streitbare Ziegenböcke;
Die dünken sich kein schlechtes Vieh,
Das zeigt ihr stolz Geblöcke;
Ihr hocherfahrner langer Bart
Hegt auch kein Haar gemeiner Art
Und ihre Hörner siegen
In scharfen Wörterkriegen.

Der Unterthanen Unterschied
In Thieren, Bäumen, Pflanzen
Ist, weil der Staat nach Würden blüht,
Einstimmig in dem Ganzen.
Was hier ein Amt zu führen hat,
Dient sich und auch vielleicht dem Staat;
Der scheint bekanntern Reichen
Hierinnen fast zu gleichen.

 

Die Vorzüge der Thorheit, in einem Rund-Gesange.

Den Thoren ist ein Glück beschieden,
Das vielen klugen Leuten fehlt.
Die Herren sind mit sich zufrieden
Und haben immer wohl gewählt.
Was hilft es auch, nach Weisheit schnappen,
Die oft dem Wirbel wehe thut?
Den Thoren stehen ihre Kappen
So zierlich als ein Doctorhut.

Der Thorheit unverjährte Rechte
Erstrecken sich auf jedes Haubt:
Es ist im menschlichen Geschlechte
Ihr Anhang größer, als man glaubt.
Doch wenn sie nicht Vergnügen brächte:
So wär' ihr schon die Macht geraubt.

Der Thor, der allen Leuten glaubet;
Der Thor, der keinem Menschen traut;
Der, dem die Kargheit nichts erlaubet;
Der sich sein Tollhaus fürstlich baut;
Der Thor, der jeden Hof verachtet;
Der Thor, der nichts, als Höfe, liebt:
Ein jeder, wenn er sich betrachtet,
Sieht etwas, das ihm Hochmuth gibt.

Der Thorheit unverjährte Rechte
Erstrecken sich auf jedes Haubt:
Es ist im menschlichen Geschlechte
Ihr Anhang größer, als man glaubt.
Doch wenn sie nicht Vergnügen brächte:
So wär' ihr schon die Macht geraubt.

Ein Leitstern lichtbedürft'ger Künste,
Ein junger Metaphysicus,
Webt ein durchsichtiges Gespinnste
Und stellt und heftet Schluß an Schluß.
So glaubt er dir, o Wolf, zu gleichen,
Und hat dennoch, du großer Mann!
Von dir nur die Verbindungszeichen,
Und sonst nichts, was dir gleichen kann.

Der Thorheit unverjährte Rechte
Erstrecken sich auf jedes Haubt:
Es ist im menschlichen Geschlechte
Ihr Anhang größer, als man glaubt.
Doch wenn sie nicht Vergnügen brächte:
So wär' ihr schon die Macht geraubt.

Ein Schnarcher voller Schulgeschwätze
Hält sich für einen Kirchenheld,
Und gönnet dem Naemans Krätze,
Dem sein Systema nicht gefällt.
Doch halt … Ihr kennt der Eifrer Weise:
Ihr Anhang horcht und rächet sich.
O singt nicht, oder singt ganz leise;
Denn dies Geschlecht ist fürchterlich.

Der Thorheit unverjährte Rechte
Erstrecken sich auf jedes Haubt:
Es ist im menschlichen Geschlechte
Ihr Anhang größer, als man glaubt.
Doch wenn sie nicht Vergnügen brächte:
So wär' ihr schon die Macht geraubt.

Nicander wird durch vieles Klügeln
So klug als ein geheimer Rath.
In ihm kann selbst van Hoey sich spiegeln:
Er kennet mehr als einen Staat.
Er ist des deutschen Ruhms Vertreter;
Und wär' er nicht geheimnißvoll:
So lehrt' er euch, ihr Landesväter,
Wie jeder von euch herrschen soll.

Der Thorheit unverjährte Rechte
Erstrecken sich auf jedes Haubt;
Es ist im menschlichen Geschlechte
Ihr Anhang größer als man glaubt.
Doch wenn sie nicht Vergnügen brächte:
So wär' ihr schon die Macht geraubt.

Ein Domherr schöpft aus seiner Pfründe
Bald rothen und bald weißen Wein.
Das scharfe Salz gelehrter Gründe
Kann nimmermehr so schmackhaft sein.
Er spart sich dem gemeinen Wesen,
Und glaubet, was ein Alter schrieb:
Den Augen schadet vieles Lesen;
Und sein Paar Augen ist ihm lieb.

Der Thorheit unverjährte Rechte
Erstrecken sich auf jedes Haubt:
Es ist im menschlichen Geschlechte
Ihr Anhang größer als man glaubt.
Doch wenn sie nicht Vergnügen brächte:
So wär' ihr schon die Macht geraubt.

Die Sprache nach der Kunst zu zäumen
Uebt viele Dichter lebenslang.
Sie haschen blindlings nach den Reimen
Und stimmen ihrer Schellen Klang.
Vernunft und Wahrheit, seid gebeten,
(Dafern man ja an euch gedenkt)
Den stolzen Reimen nachzutreten,
Mit welchen uns Ruffin beschenkt.

Der Thorheit unverjährte Rechte
Erstrecken sich auf jedes Haubt:
Es ist im menschlichen Geschlechte
Ihr Anhang größer, als man glaubt.
Doch wenn sie nicht Vergnügen brächte:
So wär' ihr schon die Macht geraubt.

Ein Wuchrer, den der Geiz den Schätzen,
Den Flüchen und der Hölle weiht,
Geneußt auf Erden kein Ergötzen,
Als seines Mammons Sicherheit.
Er tobet, daß die Fenster klingen,
Wenn seiner Habsucht was entgeht:
Doch in vergnügter Eintracht singen,
Ist ihm ein Scherz, der übel steht.

Der Thorheit unverjährte Rechte
Erstrecken sich auf jedes Haubt:
Es ist im menschlichen Geschlechte
Ihr Anhang größer, als man glaubt.
Doch wenn sie nicht Vergnügen brächte:
So wär' ihr schon die Macht geraubt.

Ihr Heuchler, müßt es nicht vergönnen,
Daß man euch unempfindlich heißt.
Erlaubet uns, euch recht zu kennen,
So kennt man euren Lebensgeist.
Ihr krümmet seufzend eure Köpfe;
Doch euer Welthaß ist verstellt.
Ihr seid empfindliche Geschöpfe:
Ihr seid nur Thoren vor der Welt.

Der Thorheit unverjährte Rechte
Erstrecken sich auf jedes Haubt:
Es ist im menschlichen Geschlechte
Ihr Anhang größer, als man glaubt.
Doch wenn sie nicht Vergnügen brächte:
So wär' ihr schon die Macht geraubt.

Ihr unberufnen Weltbekehrer!
Entfernt euch, wo die Freude singt.
Seid, euch zur Lust, beredte Lehrer:
Nur schweiget, wo dies Glas erklingt.
Thut ihr das oft und ohne Zanken,
So mindert sich der Thoren Zahl,
Und wir besingen, euch zu danken,
Der Thorheit Lob nur noch einmal.

Der Thorheit unverjährte Rechte
Erstrecken sich auf jedes Haubt:
Es ist im menschlichen Geschlechte
Ihr Anhang größer, als man glaubt.
Doch wenn sie nicht Vergnügen brächte:
So wär' ihr schon die Macht geraubt.

 

Lob der Zigeuner.

Uraltes Landvolk, eure Hütten
Verschont der Städter Stolz und Neid;
Und fehlt es euch an feinen Sitten,
So fehlt's euch nicht an Fröhlichkeit.
Ihr scherzt auf Gras und unter Zweigen,
Ohn' allen Zwang und ohne Zeugen.

Ihr übet euch in steten Reisen;
Die Welt ist euer Vaterland.
Man lobte dies an alten Weisen,
Und nur in euch wird's nicht erkannt.
Warum? Ihr gleichet nicht den Reichen,
Die prächtig durch die Fremde streichen.

Zu große Furcht, zu großes Hoffen
Macht oft die Klügsten unruhvoll.
Euch steht das Buch des Schicksals offen:
Ihr weissagt, was geschehen soll.
Will man geheime Dinge wissen,
So wird man euch befragen müssen.

Es wird der Muth euch angeboren:
Wer kennt nicht eure Streitbarkeit?
Von euch wird keine Schlacht verloren,
Als wo ihr übermannet seid.
Dann suchet ihr zwar nicht zu fliehen,
Doch zierlich euch zurück zu ziehen.

Man weiß, ihr zählet wenig Freunde;
Allein ihr kennt den Lauf der Welt.
Die Größten haben ihre Feinde:
Verdiensten wird stets nachgestellt.
Wie mancher Römer wird gepriesen,
Den die Gewalt, wie euch, verwiesen!

Ihr rennet nicht nach hohen Ehren:
Ihr wünscht euch nicht an Titeln reich.
Kein Zwiespalt in geweihten Lehren,
Kein Federkrieg verhetzet euch.
Ihr seid (was kann den Vorzug rauben?)
Von Einer Farb' und Einem Glauben.

 

Die Verleumdung.

Stolzer Schönen Grausamkeiten
Sind noch immer ungemein.
Auch die Spröden unsrer Zeiten
Können ewig spröde sein.
Dennoch sagt und glaubet man,
Daß man sie erbitten kann.

Unempfindlichkeit und Tugend
Sind der Doris Eigenthum;
Beide schmücken ihre Jugend
Und die Jugend ihren Ruhm.
Dennoch sagt und glaubet man,
Daß man sie erbitten kann.

Dieser Vorzug lautrer Ehre,
Diese Strenge, diese Zucht
Stammen aus der Mutter Lehre,
Sind nur ihres Beispiels Frucht.
Dennoch sagt und glaubet man,
Daß man sie erbitten kann.

Redet nicht von Scherz und Küssen,
Wo ihr Martha kommen seht:
Ihr empfindliches Gewissen
Hasset, was so weltlich steht.
Dennoch sagt und glaubet man,
Daß man sie erbitten kann.

Liebe kann zwar Huld erwerben;
Aber bei Mirenen nicht:
Weil sie nimmer ohn' Entfärben
Von verliebten Dingen spricht.
Dennoch sagt und glaubet man,
Daß man sie erbitten kann.

Sylvia wird hoch gepriesen:
Denn sie hat in kurzer Zeit
Zehn Verehrer abgewiesen,
Und den eilften hart bedräut.
Dennoch sagt und glaubet man,
Daß man sie erbitten kann.

Edle Freiheit, mein Vergnügen!
Singet Chloris tausendmal;
Und es ist, sie zu besiegen,
Schwerer als die Kaiserwahl.
Dennoch sagt und glaubet man,
Daß man sie erbitten kann.

Tiefgesuchte Weisheitschlüsse
Sind Elmirens Zeitvertreib.
Der Begriff gemeiner Küsse
Reizen kein gelehrtes Weib.
Dennoch sagt und glaubet man,
Daß man sie erbitten kann.

Iris tändelt, scherzt und singet,
Höhnt und lacht der Leidenschaft.
Was auch sonst ein Herz bezwinget,
Hat an ihrem keine Kraft.
Dennoch sagt und glaubet man,
Daß man sie erbitten kann.

Flavia will nichts gestatten,
Was den Schein des Paarens hat;
Und sie zürnt auf ihren Schatten,
Weil er ihr zu sehr sich naht.
Dennoch sagt und glaubet man,
Daß man sie erbitten kann.

O die Welt kömmt auf die Neige!
Auch der Unschuld schont man nicht:
Weil der Unschuld oft ein Zeuge
Ihrer Lauterkeit gebricht.
Dennoch sagt und glaubet man,
Daß man sie erbitten kann.

 

Unverdiente Eifersucht.

Neulich sah man aus den Sträuchen
Den verschwiegenen Elpin
Heimlich von der Weide schleichen,
Heimlich in die Waldung fliehn.
Die Begierde, dort zu sehn,
Warum dieser Gang geschehn,
Trieb Myrtillen, nachzugehn.

Ach, Elpin ist zu beneiden!
Fiel dem schlauen Schäfer ein:
Ja, ihr folgt ihm, süße Freuden!
In den lustgewohnten Hain,
Wo in jener Schatten Nacht
Ihm vielleicht die Hirtin lacht,
Die mein Herze sehnend macht.

Mitten unter hohen Fichten
Traf Myrtill den Flüchtling an,
Der bereits in stillem Dichten
Voller Liebe saß und sann,
Bis ein fertiger Gesang
Muthig durch die Lüfte drang
Und den Hall zum Nachruf zwang.

Muster, sang er, wahrer Güte!
Herz, das Treu' und Huld belebt!
Gönne mir, daß mein Gemüthe
Einsam deinen Werth erhebt.
Sag' ich Neidern und der Welt
Minder als dein Lob enthält,
So vernehm' es Wald und Feld.

Mit wie zärtlichem Umfangen
Hat dein Arm mich oft ergötzt!
Und wie oft hat deine Wangen
Mein vergnügter Mund genetzt!
Selten hab' ich was begehrt,
Das, sobald ich mich erklärt,
Du mir nicht mit Lust gewährt.

O mit welchen treuen Küssen
Drücktest du mich an dein Herz!
Auch in eignen Kümmernissen
Scherztest du bei meinem Scherz.
Nur dein Lächeln und dein Kuß,
Die ich stets verehren muß,
Stillten allen Ueberdruß.

Deine kluge Huld erblicken,
Deiner Liebe Regung sehn,
Das allein darf mich entzücken,
Das allein bleibt wunderschön:
Schön in deiner Seltenheit,
Schön in meiner Dankbarkeit,
Schön auf unsre Lebenszeit.

Wahrheit, Zeugin meiner Triebe!
Leiste selber die Gewähr.
Sage: Für so große Liebe
Fällt die Gegenpflicht nicht schwer.
Sag' ihr stündlich, daß ihr Bild,
Das mein ganzes Herze füllt,
Mehr bei mir, als alles, gilt.

Eil' ich, wann es Tag will werden,
In die heerdenvolle Flur;
O so zeigen mir die Heerden
Gleiche Wirkung der Natur:
Was auch ich von ihr erhielt,
Was die Zucht der Lämmer fühlt,
Wann sie mit den Schafen spielt.

Nein, ich will mich nicht entfernen,
Weil mein Abschied sie betrübt;
Nein, ich will von ihr erlernen,
Wie man unaussprechlich liebt.
Ja, ich will dir, kühler Hain!
Hiemit ihren Namen weihn,
Dieser Fichte Schmuck zu sein.

Name, wachse mit den Rinden!
Wachse, Denkmal meiner Hand!
Werd' auch in entlegnen Gründen
Jeder Hirtenschaar bekannt!
Name, den ein Vorzug ziert,
Den von allen, die er rührt,
Keiner mehr, als ich, verspürt.

Endlich eilt Elpin zurücke,
Da den lauschenden Myrtill
Dessen neubesungnes Glücke
Oft zur Mißgunst reizen will.
Scheelsucht, Ungeduld und Wahn
Heißt ihn, sich der Gegend nahn,
Wo Elpin den Schnitt gethan.

Sein Verdacht aus tausend Sachen
Zielte schon auf langen Gram;
Doch er selber mußte lachen,
Als er zu der Fichte kam:
Denn sobald er sie besah,
Stand der Name Sylvia,
Seines Freundes Mutter, da.

 

Grenzen der Pflicht.

Aus Beifall und gewohnten Gründen
Nur Menschen recht vernünftig finden,
Das will die Pflicht:
Doch manche Menschen, die wir kennen,
Viel klüger, als die Thiere, nennen,
Das will sie nicht.

Die seltnen Fürsten Götter heißen,
Die sich der Menschenhuld befleißen,
Das will die Pflicht:
Doch die mit Götternamen zieren,
Die weibisch oder wild regieren,
Das will sie nicht.

Nicht widersprechen und sich schmiegen,
Wann große Männer prächtig lügen,
Das will die Pflicht:
Doch glauben, was sie uns erzählen,
Doch glauben, wo Beweise fehlen,
Das will sie nicht.

Der Neuern Kunst und Witz verehren,
Zumal, wann sie durch Muster lehren,
Das will die Pflicht!
Allein den großen Geist der Alten
Für unsrer Zeiten Antheil halten,
Das will sie nicht.

Der Welt das Wasser anzupreisen,
Erlaubt man Aerzten oder Weisen,
Das will die Pflicht:
Allein des Vorrangs dich berauben,
Du freudenvoller Saft der Trauben!
Das will sie nicht.

Die frommen Blicke nicht verschmähen,
Wo wir nur Zucht und Unschuld sehen,
Das will die Pflicht:
Doch deren Vorzugsrecht verkennen,
In welchen Lust und Jugend brennen,
Das will sie nicht.

Die scharfen Mütter nicht belachen,
Die schlaue Töchter stets bewachen,
Das will die Pflicht:
Allein der Töchter List verrathen,
Die das thun, was die Mütter thaten,
Das will sie nicht.

Den Alten, die uns bessern können,
Mehr Zehenden an Jahren gönnen,
Das will die Pflicht:
Allein zu ihrem längern Leben
Von unserm eine Stunde geben,
Das will sie nicht.

 

Die Aussöhnung.

Bavius.
Als dein Geschmack nur meine Verse wählte
Und ich bei dir noch keinem Witzling wich,
Da war gewiß, wann ich sie überzählte,
Kein neuer Fürst halb so vergnügt als ich.

Maevius.
Als noch dein Neid, o könntest du erröthen!
Nicht gar zu frei von meiner Muse sprach,
Da setzt' ich mir die gallischen Poeten,
Da setzt' ich dir die deutschen Dichter nach.

Bavius.
Mir ist es leicht Bewundrer zu erwerben,
Und selbst Strophill nimmt mich zum Muster an.
Ich will mit Lust, in Elegien, sterben,
Wenn ich nur ihn unsterblich machen kann.

Maevius.
Mich lobt Gelast, ich lob' auch ihn mit Freuden.
Wir nennen uns den Kern gelehrter Welt,
Und, so wie du, will ich zweimal verscheiden,
Wenn nur mein Tod ihm seinen Ruhm erhält.

Bavius.
Wie? wenn Minerv uns wiederum verbände
Und ich, den Bund auf ewig einzugehn,
Auf's neu' in dir den Geist, die Kenntniß fände,
Die ich seitdem nur im Strophill gesehn.

Maevius.
Mir schien Gelast der Sonne selbst zu gleichen.
Ich fand in dir nur wüste Dunkelheit;
Doch da wir uns die Hand von neuem reichen,
Bleibt dir mein Witz, selbst wider ihn, geweiht.

 

An den verlornen Schlaf.

Wo bist du hin, du Tröster in Beschwerde,
Mein güldner Schlaf?
An dem ich sonst die Größesten der Erde
Weit übertraf.
Du hast mich oft an Wassern und an Büschen
Sanft übereilt,
Und konntest mich mit beßrer Rast erfrischen,
Als mir vorjetzt der weiche Pfühl ertheilt.

Allein bedeckt vom himmlischen Gewölbe
Schlief ich dann ein.
Die stolze Thems, die Saal und Hamburgs Elbe
Kann Zeugin sein.
Dort hab' ich oft, in längstvergrünten Jahren,
Mich hingelegt,
Und hoffnungsreich, in Sorgen unerfahren,
Der freien Ruh' um ihren Strand gepflegt.

Wie säuselten die Lüfte so gelinde
Zu jener Ruh'!
Wie spielten mir die Wellen und die Winde
Den Schlummer zu!
Mich störte nicht der Ehrsucht reger Kummer,
Der vielen droht;
Ich war, vertieft im angenehmsten Schlummer,
Für alle Welt, nur nicht für Phyllis, todt.

Sie eilte dort, in jugendlichen Träumen,
Mir immer nach;
Bald in der Flur, bald unter hohen Bäumen,
Bald an dem Bach.
Oft stolz im Putz, oft leicht im Schäferkleide,
Mit offner Brust,
Stets lächelnd hold im Ueberfluß der Freude:
Schön von Gestalt, noch schöner durch die Lust.

Mein alter Freund, mein Schlaf, erscheine wieder!
Wie wünsch ich dich!
Du Sohn der Nacht, o breite dein Gefieder
Auch über mich!
Verlaß dafür den Wuchrer, ihn zu strafen,
Den Trug ergötzt:
Hingegen laß den wachen Codrus schlafen,
Der immer reimt und immer übersetzt.


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