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VIII.

Indeß ich regungslos noch, gleich Betäubten,
Vor mich ins Leere starrend blieb,
Ein Lachen hört' ich mir zu Häupten:
»Ei! schnell war ja gestillt dein Sehnsuchtstrieb;
Hellas, der Völker große Amme,
Das Mutterland der Freiheit und des Rechts,
Die Wiege jenes herrlichen Geschlechts,
Das nicht von Menschen, nein von Götterstamme
Entsprossen scheint, hat es an seinem Herd
So schlecht dir Gastfreundschaft gewährt?
Unmöglich das! nachdem du jüngst geklagt,
Das Leben sei ein stetes Siechen,
Wenn nicht verlebt im Land der Griechen,
Wie hätt' es dort dir herrlich nicht behagt?
Ein böser Zufall sicher hat
Dich wiederum zu uns verschlagen
Und voll Verlangen zu den Tagen
Des Perikles suchst du zurück den Pfad.
Wohlan, ich biete dir die Hand;
Der Trank ist fertig, schlürf davon,
Und zu Alcäus, zu Anakreon
Zieh nochmals ein ins heil'ge Griechenland!«

Ich sah ihn starr und schweigend an;
Er ging, und lang noch lag ein Bann
Auf meinem Geiste. Als sich die Gedanken
Mir sammelten, fast in der Flucht
Aus dieser Welt hätt' ich mein Heil gesucht.
Das ganze Dasein schien mir nur ein Kranken,
Von dem wir durch den Tod genesen,
Die Welt ein Sammelplatz unsel'ger Wesen,
Die wohl ein böser Dämon, sie zu strafen,
In sie hinabgestoßen habe.
Und ist der wüste Rausch nun ausgeschlafen –
Dacht' ich – wer bürgt mir, daß im Grabe
Mir die ersehnte Ruhe wird,
Und nicht mein Geist in neuer Hülle
Durch andre Sterne, öd wie dieser, irrt?
Empor zu jener Weltenfülle,
Die aus dem Nachtblau auf uns niederglänzt,
Wag' ich mit Zagen nur zu schauen;
So wie vor einem Nachtgespenst
Durchrieselt mich bei ihrem Anblick Grauen.
All diese Himmel über Himmeln
Mit ihren Sonnen, Monden, Nebelflecken
Und den Myriaden, die auf ihnen wimmeln,
Sind sie vielleicht nur Sitze neuer Schrecken,
Zu denen uns das finstre Thor
Des Todes führt? Die auf der Erde wir zuvor
Dahingeschleppt, der Leiden schwere Kette,
Schlingt sie vielleicht von diesem Ball
Sich weiter fort und macht das ganze All
Zur ungeheuern Jammerstätte?
O in des Daseins grausem Wogenschwall,
Der uns mit Flut und Ebbe fort und fort
Umkreis't, wo find' ich einen Port,
In den ich mich, der Sturmverschlag'ne, rette?

Vom Frühroth bis zum Abendstrahl
So saß ich da in düsterm Brüten.
Reizlos erschien mir Kaschmirs Thal
Mit allen seinen Düften, seinen Blüthen,
Als weilt' am Nordpol ich, dem frostumstarrten,
Statt in des ew'gen Frühlings Garten.
Da einst trat Ali zu mir: »Freund, du kannst
All diesem Gram, der dich verzehrt, entrinnen;
Mein Seherblick reicht tief nach innen
Und kund ist mir was du so eben sannst.
Verzweifelt scheint die Lage. Was das Heut
An Freuden und Genüssen beut,
Verschmähst du – nach gewes'ner Zeit,
Ich denke, nicht verlangst du mehr –
Und, glaube mir, die Zukunft ist so leer
Und öd' wie die Vergangenheit.
So mögen dir der Inder Weisheitslehren
Den Trost, nach dem du suchst, gewähren.
Zu einem Siedler biet' ich mein Geleit
Dir an, der dem verirrten Menschengeist
Durch dieses Lebens Sturmestosen
Den Weg zum Ew'gen, Wandellosen,
Zur niegetrübten Ruhe weis't.«

Fast mit Gewalt aus dem Gemach
Ins Freie zog er mich von dannen.
Hinschritten wir an einem Sprudelbach,
Zu dem geschwätz'ge Quellen niederrannen,
Und uns empfing mit mächt'gem Schattendach
Der Wald, der Wohnsitz des Anachoreten
In seiner kühlen Blätternacht.
Nie hatte noch zur grausen Lust der Jagd
Ein Feind des Friedens diesen Wald betreten,
Denn neugiervoll in unsre Nähe
Schlichen heran die schlanken Rehe,
Und freundlich schauten uns mit hellen
Aeuglein ins Antlitz die Gazellen.
Indeß wir vorwärts schritten, immer dichter
Schlang sich um uns der Banianenhain;
Nur hie und da noch fielen einzle Lichter
Verloren in die Schattennacht herein.
Bei jedem Windeshauche stoben
Duftende Blüthen sanft von oben,
Wo Ast mit Ast, durch Schlingkraut fest verwoben.
Hellgrüne Kuppeln über Kuppeln baute,
Und wunderbare, nie gehörte Laute,
Als kämen sie aus fernem Geisterreich,
Schwebten heran durch das Gezweig.
»Dort ist des Buddha-Schülers Andachtsitz!«
Sprach Ali, während leisen Schritts
Wir weiter durch das Dunkel gingen;
Und sieh! vor uns am Bachesufer saß
Ein Greis auf einer Bank von Kusagras.
Nur mühsam durch die Pflanzenschlingen
Vermochten wir zu ihm zu dringen;
Dann freundlich bot er uns die Hand zum Gruße:
»Willkommen mir, wenn ihr zur Buße
Und Weltentsagung zu mir kommt!
Hier habt ihr alles, was dem Menschen frommt;
Wohnt unter diesem Blätterzelte!«
Kurz folgte noch ein Zwiegespräch,
Als lernbegier'gen Schüler stellte
Mich Ali vor und schritt hinweg,
Ich aber wählte nahebei
Mir einen Platz zur Siedelei.

Baumfrüchte waren meine einz'ge Nahrung,
Die Quelle bot mir ihre Flut zum Trank,
Und täglich, wenn zu sich mich auf die Bank
Der Siedler lud, wie eine Offenbarung
Hört' ich aus seinem Mund die Lehre,
Wie man durch Bändigung der Sinne
Dem weiten uferlosen Meere
Des Erdenseins und seinem Leid entrinne.
Die ganze Sichtbarkeit in Zeit und Raum
Sei leer, bestandlos wie ein Traum,
Ein Scheingebild, das uns mit Trug umspinne;
Der gränzenlose Himmelsraum
Ein Schatten unsrer eigenen Gedanken,
Den sie hinaus ins Unermess'ne würfen.
»Dies ew'ge Streben und Bedürfen,
Dies Wünschen, Hoffen, dran wir ruhlos kranken,
Ein Abbild seines eignen Jammers hat
Es sich erschaffen in der Außenwelt,
Und, wenn wir ihm entronnen sind, zerfällt
Auch sie zugleich. So hat für mich das Rad
Der Schöpfung aufgehört zu rollen,
Seitdem ich Zügel angelegt dem Wollen;
Von Leid und Gram nichts weiß ich mehr.
Betritt auch du des Heiles einz'gen Pfad!
Erkenne klar, wie nichtig und wie leer
Das Dasein ist, wie Weltsysteme, Sonnen
Und Wandelsterne nichts sind als Phantome,
Als Blasen auf dem großen Strome,
Der, hin durch die Unendlichkeit geronnen,
Dem Nichts entgegenflutet. Aus dem Schooß
Des ew'gen Wechsels quillt ein stetes Werden
Und sprüht empor von tausend Schöpfungsherden;
Doch schwindet wieder hin so wesenlos,
Wie schwarze Punkte vor dem Blick
Des Fieberkranken auf und nieder flimmern.
So sanken tausend Himmel, tausend Erden
Schon in die große Nacht zurück,
Und in Atomen selbst, in Trümmern
Blieb keine Spur mehr, daß sie jemals waren.
So auch, wenn unser Erdenball
Zerronnen, wenn das unermess'ne All
Zerstoben ist, wird neues Leben gähren
Und neu die Welt sich aus sich selbst gebären,
Daß Ströme neuer Sonnen und Planeten
Mit Wesen, die in Weh verbluten,
Dahin durch neue Himmel fluten.
Nicht Halt noch Rast ist in dem steten
Geborenwerden und Vergehn;
Drum nochmals! aus den immer gleichen Gleisen,
In denen alle Dinge kreisen,
Ergreif' die Flucht! In heil'ger Agonie,
Jedwede Lebensregung dämpfend,
Selbst deine Herzensschläge niederkämpfend,
In diesem Walde mit den Büßern knie,
Daß Welt und Menschheit und Natur,
Ja selbst dein Ich bis auf die letzte Spur,
Als ob es nie gewesen sei, verschwinde!
Wer also, aus der Endlichkeit geflüchtet,
Sich selbst und alles Sein vernichtet,
Ich preis' ihn glücklich, denn ihm lichtet
Der Abgrund sich bis in die tiefsten Schlünde;
Nicht Haß noch Liebe, Tugend nicht noch Sünde,
Nicht Schmerz noch Lust mehr kennt sein Geist;
Er drängt zurück die Athemzüge,
Die noch an Leben mahnen, reißt
Von dieses Daseins großer Lüge
Die trügerische Larve ab,
Und stürzt dem All, das für ihn ausgekreis't,
Sich nach ins ungeheure Grab.
Willkommen, gränzenlose Leere!
Gepriesen werde, wer zu dir entronnen,
Wer Fühlen, Denken, Schmerz und Wonnen
In deinen unergründlich tiefen Bronnen
Versenkt und von der Erdenschwere,
Von den Befleckungen des Seins und Lichts,
Sich läutert in dem reinen Meere
Des weiten, uferlosen Nichts!«

Der Siedler, wenn er so gesprochen,
Fiel auf den Boden nieder wie gebrochen
Und blieb oft Tage lang in sich versunken,
Als hätt' er einen vollen Zug
Aus der Vernichtung Kelch getrunken.
Dann wiederum die Augen schlug
Er auf, begann von Neuem den zu preisen,
Der aus des Lebens schmerzensvollen Kreisen
Ins unbeweglich-immergleiche,
Selige Reich des Nichts entweiche,
Und sang, in Andacht hingekniet,
Ein heiliges Buddhisten-Lied.

Von seinen Lehren wie bestrickt,
Verlangen fühlt' ich schon, der Welt entrückt
Mich ganz in jenen Abgrund zu versenken,
Wo alles Fühlen aufhört, alles Denken.
Wie ich zu Hause dem Geschick geflucht –
Sagt' ich zu mir – so unter allen Breiten
Hab' ich umsonst das Glück gesucht;
Vergebens in vergang'ne Zeiten,
Nach denen ich mich früh gesehnt,
Floh ich zurück; statt Frieden und statt Freiheit,
Statt edlen Menschenthums, wie ich gewähnt,
Fand ich die traur'ge stete Einerleiheit,
Haß, Bosheit, Krieg, Gewalt vor Recht,
Die Schwachen von den Starken unterjocht
Und beide elend, Herr wie Knecht.
Hört auf, die ihr auf Menschenwürde pocht,
Für dieses ganz unselige Geschlecht
Noch Heil zu hoffen und in eitlem Wahn
Von Fortschritt nach erhab'nem Ziele
Zu fabeln und von weisem Weltenplan!
Dem Rade einer ungeheuern Mühle,
Das rastlos durch die Zeiten kreist,
Doch stets an gleicher Stelle bleibt,
Vergleichbar ist der Sterblichen Geschick,
Und das, was ihr als Weltgeist preis't,
Der blinde Zufall, der es treibt.
Vergebens vorwärts wie zurück
Schweift mir das Auge; nichts als schnöde
Willkür und Drangsal, eine weite Oede
In Zukunft wie in Vorzeit schaut mein Blick.

So blieb ich Wochen hinter Wochen
Bei jenem Siedler in dem Büßerwald
Und hoffte Tag für Tag, nun bald
Zu stillen meines Herzens Pochen,
Daß mit dem Ich der Quell von allem Wehe
Versiege und die Welt mir untergehe.
Doch, wie die wuchernden Lianenranken
Zu meinen Häupten um den Mangobaum,
So klammerten sich die Gedanken
Mir immerdar noch fest an Zeit und Raum;
Und weiter sann ich: »War befangen
Mein Geist nicht, wenn in Allem, was vergangen,
Was ist und was noch kommen wird,
Er nur das Finstere gesehen hat?
Klimmt nicht, wie viel sie auch geirrt,
Aufwärts vielleicht der Menschheit Pfad?
Von ihren frühsten Lebensstunden,
Als sie, der Thierheit kaum entwunden,
Der ersten Sprache Laut gestammelt,
Bis zu dem Tag, als in der Wasser Mitte
Sie um die ersten Herde sich gesammelt,
Sind unermeßlich nicht die Schritte,
Die sie gethan hat? Sah ich nicht schon dort,
Als jener Jüngling, jene Jungfrau kühn
Dem Hasse trotzten und dem Mord,
In ihr der Liebe Himmelsfeuer glühn?
Und weiter aus der Finsterniß
Der Stein- und Erzzeit, o wie riß
Sie durch den grau'nden Morgen der Geschichte
Sich hoch und höher stets empor zum Lichte,
Bis hell der Tag aufstieg am Horizonte
Und auf dem Alburs, auf dem Sinai,
Des Himalaya heiterm Gipfel sie
Im klaren Geistesstrahl sich sonnte?
Ja hat vom Himmel nicht ein Genius
Die Lippen ihr gelöst mit sanftem Kuß,
Daß sie des Veda Hymnen singen konnte?
Wie erst beflügelte sich ihr die Sohle,
Als sie von Asiens Gestade
Westwärts hinschritt die Wogenpfade
Und, von der Künste Aureole
Umleuchtet, von der Weisheit Glanz,
Auf den Gefilden Griechenlands
Nun herrlich dastand, wie noch nie zuvor!
O! Alles das hab' ich verkannt, ich Thor!
Das Auge war mit Blindheit mir geschlagen,
Daß ich die Leiden sah, die ich getragen,
Des Lebens ewige Begleiter,
Doch all das Große nicht, das mich umgab,
Das Herrliche, das Tod nicht kennt noch Grab!
Wird, so wie Hellas' Himmel ewig heiter,
Das, was sein Volk geschaffen, nicht den Söhnen
Der spätesten Nachwelt noch ihr Sein verschönen?
Was sein Empedokles gedacht,
Was sein Homer, sein Sophokles gedichtet,
Wo ist die Zeit, die es vernichtet?
Und seine Tempel, die in stolzer Pracht
Der Dorersäulen aufwärts stiegen,
Umleuchtet unzerstörbar ihre Trümmer
Nicht noch der ew'gen Schönheit Schimmer?
Wenn seine Städte auch im Staube liegen,
Ist seine Geisteswelt doch unzerfallen,
Stehn noch die Götterbilder seiner Hallen
Unsterblich vor uns, ewig jung,
Der glüh'nde Odem der Begeisterung
Durch ihre Marmoradern rinnend!

So dacht' ich, und schon keine Eingangspforte
Mehr fanden des Anachoreten Worte
In meinen Geist. Dann, weiter sinnend,
Sagt' ich zu mir: »Nein, diesem Lehrer
Will ich entflieh'n und seinem Lug!
Selbst, ließen nur durch Leiden, schwerer
Als jene, die ich sah und trug,
Die hohen Güter sich erwerben,
Die der Hellen als seinen Erben
Den kommenden Geschlechtern hinterließ,
Beim Himmel! werth war dieses goldne Vließ,
Um solchen Preis es zu erkaufen!
Und müßte man in Blut uns taufen,
Wie sollten vor dem Kampf wir feige
Ins Nichtsein flieh'n?«

Noch sann ich so,
Da plötzlich rauscht' es durch des Waldes Zweige
Und Ali stand vor mir: »Nun, ich bin froh,
Daß ich dich noch am Leben finde.
Verstoben längst in alle Winde,
Ins Nichts verdünstet und zerflossen
Nach der Buddhisten Vorschrift glaubt' ich dich.
Hast du dich ketzerisch entschlossen,
Zu retten dein verpöntes Ich,
Das, wie dein weiser Lehrer wollte,
In das Nirvana sich verflücht'gen sollte?«

»Hör' auf mit deinem Hohngelächter! –
Fiel ich ihm in das Wort – ich bin
Nicht mehr der starre Weltverächter
Und Lebenshasser von vorhin;
Du kommst mir eben wie gerufen
Und neu bewerb' ich mich um deine Gunst.
Geschaut hab' ich durch deine Kunst,
Nein miterlebt, wie Stufen hinter Stufen
Die Menschheit ihrer ersten Rohheit
Hoch, immer höher sich entwand,
Bis unter ihrer Bildnerhand
Olympia's Zeus in Götterhoheit
Sich aus dem Marmorblocke rang
Und Pindar ihr den Siegeshymnus sang.
Zwar noch in Hellas stand sie nicht am Ziele,
Geblieben waren ihr der Flecken viele
Aus ihrer wilden Urzeit noch,
Für wenig Freie lag das Eisenjoch
Der Knechtschaft schwer auf tausend Nacken;
Doch auf dem fernern Pfade nach und nach
Abstreifen wird sie Schuld und Schmach,
Bis sie gereint dasteht von allen Schlacken.
Begleiten laß mich sie denn weiter,
Wofern du mir wie sonst geneigt,
Auf daß ich Zeuge sei, wie auf der Leiter
Sie aufwärts, immer aufwärts steigt!«

Drauf Ali: »Ganz dir steh' ich zu Befehle;
Wir haben Ueberfluß an goldnen Zeiten.
Sprich! soll ich zu den Römern dich begleiten?
Erfreu'n wird sich an ihnen deine Seele,
Wie sie auch mir von je vor allen
Nationen auf der Erde wohlgefallen.
Besser als sie hat noch kein Volk gewußt,
Wie es gelingt, die andern zu betrügen,
Daß sie wie Schafe sich dem Joche fügen.
Genährt an einer Wölfin Brust,
Nicht Mitleid kannten sie und machten
Die Welt in hunderttausend Schlachten
Zu einem Sumpf von Blut – beglückt noch Jene,
Die auf dem Feld sogleich geblieben,
Und nicht, zur Hauptstadt heerdenweis getrieben,
Dem Bären, Tiger, der Hyäne
Beim Jubelruf des Volks zum Opfer fielen,
Oder, so wie die edlen Sieger heischten,
Als Gladiatoren bei den Circusspielen
Zu ihrer Lust sich gegenseits zerfleischten.
Trägst du Begehr? Glücklich mich werd' ich schätzen,
Zur Reise in die Aera der Cäsaren
Dir meine Hand zu bieten; von Barbaren
Da magst du zu des Volks Ergötzen
Dich im Theater schlachten lassen;
Und, unterwirfst du dem dich nicht im Guten,
Sieht man dich zagen und erblassen,
So geißelt man mit Eisenruthen
Dich in den Kampf bei schallendem Gelächter.
Empfange drum, dich fügend in dein Loos,
Mit Grazie den Todesstoß,
Und der Quiriten holde Töchter,
Sei sicher! werden mit den weißen Händen
Applaus, so viel du wünschen magst, dir spenden. –
Das Haupt dich seh' ich schütteln? Wohl!
So wähl' um ein'ge hundert Jahre später
Dir einen Wohnsitz aus am Capitol!
Cäsaren nicht, noch des Senates Väter
Mehr triffst du, noch Arenafechter dort;
Doch halb gestürzt, verödet stehen
Die Tempel, Hippodrome, Mausoleen,
Hin durch die Straßen rasen Raub und Mord;
Schon ist zur großen Schädelstatt
Das Reich der Römer umgewandelt worden,
Doch neue, immer neue Horden
Ausspeit der mitternächt'ge Norden;
Heere auf Heere, nie der Beute satt,
Wälzen Vandalen, Sueven, Gothen,
Alanen brausend sich gen Rom,
Und von des Völkerkampfes Wirbelstrom,
Ein großes Feld von Sterbenden und Todten,
Verschlungen wird die alte Welt.
Odin vielleicht, dem Gott der Asen,
Schuld geben wirst du dieses tolle Rasen,
Doch irrst du; Alarich, der fromme Held,
An Demuth und an Glauben stark,
Ist es, der hin von Mark zu Mark
Des weiten Reiches die Verwüstung trägt.
Kaum hat er die Paläste, Hallen, Thermen
Der Siebenhügelstadt in Schutt gelegt,
Und schon mit ungezählten Völkerschwärmen,
Die Fackel der Verwüstung in der Hand,
Verheerend stürzt er sich auf Griechenland;
Als hätten sich der Tiefe Brunnen
Erschlossen, brachen Skythen, Hunnen –
Wie nenn' ich die Barbaren all? –
Ein ungeheurer Wogenschwall
Aus ihren Wüstenei'n hervor
Und fluteten durchs Thermopylen-Thor,
Um sich den Gothen zu vereinen;
Erschlagen von der Axt der Wilden
Ward alles Volk, und in den heil'gen Hainen
Brach über ihren Kunstgebilden,
Zerschmettert von der Wüth'gen Keulen,
Der Tempel hehres Dach zusammen,
Staub wurden ihre Dorersäulen,
In Asche sank, verzehrt von Flammen,
Der altberühmten Städte Pracht,
Und, als sie endlich ausgelodert,
Blieb nichts, als eine weite Gräbernacht,
In der die Leiche Hellas modert –
Doch tröste dich darob! Es gab
In Griechenland ja nichts als blinde Heiden,
Und an dem Kreuz, das über ihrem Grab
Errichtet ward, dich magst du weiden!
Beginnt mit diesem heiligen Symbol
Für die Geschichte doch ein Jubeljahr,
Wo Liebe, Milde und der Menschheit Wohl
Die einz'ge Losung sind! Sogar
Der Halbmond Muhammeds, der um ein Paar
Jahrhunderte nachher emporgestiegen,
Hat kaum mit so viel Glaubenskriegen
Die Welt beglückt; der Wahrheit sei die Ehre!«

»Ruchloser Spott auf die Altäre
Des neuen Glaubens! – fiel ich ein.
Nie ohne Kämpfe siegt das Neue,
Und nach dem Wetter erst in voller Bläue
Erglänzt des Himmels glorreich-klarer Schein!
So auch durch Drangsal, Krieg und Blut
Nach Sturz von allen Erdenherrlichkeiten
Erst konnte sich des Lebens höchstes Gut
Die junge Christenheit erstreiten;
Düstre Gewitterwolken, wie beim Nah'n
Der Frühlings-, Nacht- und Tagesgleiche
Hingen zur Erd' herab, als der Orkan
Der Völkerwanderung die alten Reiche
Zu Boden wälzte und im Todeskrampf
Die Riesin Rom sich zuckend wand;
Doch, als geendet nun der Kampf,
Als öd das Haus des Donn'rers stand
Und götterlos das Pantheon
Auf Trümmerhügel niederschaute,
Da, auseinanderwallend, floh'n
Die Wetterwolken, wieder blaute
Der Himmel rein, und durch die milde Luft
Entschwebte, ein beschwingter Falter,
Der Menschheit Genius seiner Gruft.
Das war das schöne Mittelalter,
Des neuen Weltjahrs wunderbarer Mai!
Verschwunden waren Sklaverei
Und Götzendienst; es barsten alle Ketten,
Und siegreich über Grab und Tod
Und der gestürzten Tempel Trümmerstätten
Hob sich des wahren Glaubens Morgenroth.
Wie regten da die lebensvollen
Nationen sich in voller Kraft!
Gleichwie, vom Erdenherzen aufgequollen,
Durch junge Stämme Frühlingssaft,
So rannen Andacht, Heldensinn,
Ein warmer Strom, durch ihre Adern hin;
Von trübem Brüten und von Kränkeln
Nichts wußten sie gleich uns, den späten Enkeln.
Wie sehn' ich mich zurück in jene Tage,
Als farbenbunt wie eine Sage
Des Lebens Teppich ausgebreitet lag
Und in den Wäldern Eremiten
Am Fuß der Heil'genbilder knieten,
Als zwischen Glockenruf und Schwertesschlag
Des Minnesingers Lied erklang
Und mit dem heldenkräft'gen Ritterthume
Des Frauendienstes zarte Blume
Zum duft'gen Kranze sich verschlang.
Her denn mit deinem Zaubertranke,
Daß mir durch ihn mein Wunsch gelinge
Und sich mein Geist, der alterkranke,
An jenem Jugendquell verjünge!«

»Nur deines Winks war ich gewärtig –
Sprach Ali, als ins Haus wir wieder traten,
Nicht hab' ich dir zu dieser Fahrt gerathen; –
Allein du willst, so mach dich reisefertig!«
Er sprach's, und kaum noch von dem Elixir
Gekostet hatt' ich einen Tropfen,
So stockte meines Herzens Klopfen
Und alle Sinnen schwanden mir.

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