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XI.

Mich in Rom, des Weltreichs alter Hauptstadt,
Fand ich wieder. Mehr als ein Jahrtausend
War verschwunden, seit das Haus des Donnrers
Mit dem Capitol in Schutt gesunken
Und die Siegeskronen und Trophäen,
Allen Erdenvölkern abgerungen,
Unterm Schutt der Tempel und Paläste
Tief begraben ruhten. Lange hatten
Wüste Banden auf den Trümmerhaufen
Sich bekämpft, und aus dem Laterane,
Wo die Priester eines neuen Gottes
Psalmen ihres düstern Glaubens sangen,
War der herrschsuchttollen Hildebrande
Bannstrahl über den erschreckten Erdkreis
Hingeflammt – doch nun wie anders Alles!
Mächt'ges Streben, jugendliches Ringen
Nach des Geistes lang vergrabnen Schätzen
Ueberall. Von Griechenland herüber
Mit den Flüchtlingen aus der Comnenen
Unglücksel'ger Stadt, ging frisches Wehen
Wie der Weckruf eines jungen Lenzes
Hin von Land zu Land und trug befruchtend
Samenstaub der Weisheit und der Dichtung
In die Seelen. Auf den sieben Hügeln
Regt' es sich und keimt' und sproßt' und blühte;
Lächelnd in der Schönheit altem Zauber
Stiegen neu die hehren Götterbilder
Aus der Erde, und der Kirche höchster
Schutzherr selbst, der Knecht der Knechte Gottes,
Ließ, bestrickt von ihren Wunderreizen,
Marmorhallen bau'n, sie zu empfangen.
Künstler mit dem Pinsel, mit dem Meißel
Pilgerten heran aus allen Landen,
An der Herrlichkeit sich zu begeistern,
Und Prälaten drängten, Cardinäle
Bildung dürstend sich um weise Griechen,
Um aus ihrem Munde der Hellenen
Halbverschollne Sprache zu erlernen.

Reich und adlig, hohem Stamm entsprossen,
Im Palast der Ahnen auf dem Monte
Mario lebt' ich. Auch in meiner Seele
War schon früh die Liebe zu den Musen
Wach geworden und die schönsten Stunden
Däuchten jene mir, wenn auf der Loggia
In der goldnen Frühe ich des Aldus
Bände vor mir aufgeschlagen hatte
Und die Kunden der erhabnen Vorzeit
Wie durch Zauber mir lebendig wurden.
Mir vorüber glitten der Scipionen
Und der Gracchen Schatten, all der Helden,
Die ihr Selbst dem Vaterland geopfert;
Langen Zugs die Welterobrer sah ich,
Wie voran den siegestrunknen Heeren
Im Triumph mit weißen Roßgespannen
Sie empor zum Capitole wallten:
Fast dann wollte, von den hohen Bildern
Uebervoll, das Herz die Brust mir sprengen,
Und mein Aug', in Thränen quellend, schweifte
Durch die Säulenreihen in die Tiefe,
Wo das ew'ge Rom, vom Sturm der Zeiten
Halb verweht, sich längs der gelben Tiber
Dehnte; schweifte über Trümmerhügel,
Mausoleen und lange Aquädukte
Bis wo fern im Goldduft der Sabiner
Berge schwammen, und in Freude strahlte
Mir der Blick, wenn wieder aus dem Schutte
Eine Säule mit dem alten Ruhme
Aufgestiegen, oder zwischen Hütten
Niedern Lehms ein mächt'ger Siegesbogen,
Eine Rennbahn, herrlich neuerstanden,
Auf die kleine Nachwelt niederschaute.

Reicher Güter Erbtheil war vom Vater
Mir geworden; mir auf Latiums Hügeln
Kelterten die Winzer würz'ge Trauben,
Mir beim hohen Tibur ward des Oelbaums
Frucht gepreßt; doch nicht, gleich andern Rittern
Unsrer Stadt, in Zucht von schönen Rossen,
Nicht in Prunk und wüsten Festgelagen
Sucht' ich meinen Stolz; der neugebornen
Künste Förderer zu sein, das däuchte
Mir der schön're Ruhm, nach dem der Edle
Geizen sollte. So mit farb'gen Bildern
Aus Ariosto's zauberwilder Dichtung
Ließ ich meiner Schlösser Hallen schmücken,
Und um der Gestalten bunte Fülle
Quoll und sproß, wie durch des Frühlings Triebkraft,
Eine Welt von Knospen und von Ranken,
Durch des göttlichen Urbiners Schüler
An die Wände hingebannt; rings stiegen
Vielverschlungne, blumige Gewinde,
Amoretten in den Kelchen tragend,
An den Pfeilern aufwärts und den Bogen,
Und in diesen Lenz der Säulengänge
Gossen Gärten ihrer Myrthenlauben,
Ihrer Lilienbeete und Fontainen
Duft und Klang.

Noch keine Herrin hatten
Meine Schlösser und nur Eine schien mir
Würdig, als Gebiet'rin drin zu walten.
Den Gemahl, den man ihr aufgedrungen,
Und das kalte Deutschland fliehend, hatte
Gräfin Adelgunde Rom zur Heimat
Sich erlesen. Hier im heitern Kreise
Von Gelehrten, Dichtern, Sängern rang sie,
Die Erinnrung früh'rer trüber Tage,
Deren düstrer Schatten sie verfolgte,
Durch der Musen holde Kunst zu scheuchen.
Ein Palast am Hang des Palatinus
Wo um der Cäsaren-Schlösser Trümmer
Disteln nun und wilde Rosen wuchern,
War ihr Wohnsitz. Dort in froher Runde
Sammelten sich Roms erles'ne Geister
Um des Nordens blaugeaugte Tochter,
Und der Zutritt ward auch mir gestattet.
O der schönen Stunden, wenn im Festsaal
Bald wir ihrem Saitenspiele lauschten,
Bald von Mund zu Mund die Rede gaukelnd
Schwebte, oder, ernster dann geworden,
Wir uns um den hochgelehrten Bembo,
Um den weisen Castiglione drängten,
Die des Livius neugefundne Bücher
Oder Diotima's Seelenlehre
Uns erklärten. Dort von Mund zu Mund auch
Gingen Kunden von dem neuen Welttheil,
Der mit mächt'gen Reichen, Riesenströmen,
Fremder Völker niegeahnten Wundern,
Aus des Westens Meer emporgestiegen,
Und wie ostwärts auch die Lusitanier
Zu Cipango mit den goldnen Dächern
Sich den Weg gebahnt.

Lang nur von ferne
Schüchtern zu dem hohen Weibe wagt' ich
Aufzusehn. Doch mählig nah und näher
Zog sie mich heran. In ihrer Augen
Himmelsbläue las ich ihrer Seele
Einverständniß mit der meinen; endlich
Thaute da in meinem Mund die starre
Rede, und daß sie für hier und jenseits
Meines Schicksals Lose in den Händen
Trüge, stammelnd ihr gestand ich. Schweigen
War die Antwort, aber ihre Blicke
Gaben mir, beredeter als Worte,
Bürgschaft dessen, was mein Herz verlangte.
An Papst Leo stellten wir die Bitte,
Daß er von den frühern Ehebanden
Adelgunde löse, und Gewährung
War zu hoffen. Unterdeß genossen
Wir am Palatin des Herbstes letzte
Wonn'ge Tage, sahn durch Lorbeerdunkel,
An gebrochnen Marmorsäulen ruhend,
Auf die röthlich funkelnde Campagna,
Wo Gespanne breitgehörnter Stiere
Her von Latiums duftumhüllten Bergen
Karren voll des süßen Mostes zogen
Und bei Tamburingeklirr der Winzer
Jubel durch die Rebengärten tönte.
Uns auch in des nahen Glücks Erwartung
Klopfte froh das Herz, und die Ruinen
Von des Nero goldnem Saal, wo Ginster
Aus des Marmors Spalten nun hervorsprießt
Und um halbverblichne Fresken zittert,
Widerhallten unserm Scherz und Lachen;
Nur bisweilen, so wie eine Schlange
Leise züngelnd zwischen Blumen vorzischt,
Stieg in meiner Herrin Seele stechend
Das Gedächtniß an vergangne Leiden
Wieder auf, und Nebel schweren Grames
Sah ich auf die schöne Stirn sich lagern.
Fast noch Kind durchs Machtgebot der Eltern
An den Grafen Wingolf festgeschmiedet,
Tiefen Jammer hatte sie erduldet.
Rauh und wild, und doch ein Knecht der Pfaffen,
Die durch Meßgeplapper die Vergebung
Seiner Sünden ihm erwirken sollten,
Hielt ihr Gatte sie wie eine Sklavin;
Jede Lust war ihr versagt; im Frühling
An der Thäler Grün sich zu ergötzen,
Winters sich die trüben Abendstunden
Durch das Spiel der Laute zu erheitern,
Sünde wurde das genannt, und während
Wingolf selbst mit wüsten Waidgesellen
In den Bergen jagte oder nächtlich
Zechgelage hielt, umspähten Priester
Jeden Tritt des unglücksel'gen Weibes,
Zwangen sie, den zarten Leib zu geißeln
Oder Nachts im här'nen Bußgewande
In der Schloßkapelle hinzuknieen.
Doch das Joch noch länger zu ertragen
Endlich nicht vermochte sie; ein Diener
Ließ die Flucht ins welsche Land gelingen.

»Scheuch dies Nachtstück früh'rer Tage! – sprach ich,
Wenn sie so der alten Trübsal Bilder
Mir entrollte – glänzt und blüht und duftet
Nicht um dich ein neues schönes Leben?
Aus Italiens immer heitern Lüften
Schlürf Vergessenheit der alten Schmerzen!«
Aber oft dann, angstvoll um sich blickend,
Rief sie aus: »Und bin ich dem Tyrannen
Wirklich auch entflohn? Hinweg vom Lager
Scheucht sein Schreckbild mich am frühen Morgen;
Aus den Lorbeergängen hier im Garten
Plötzlich seh' ich's mir entgegentreten,
Mich erfassen und mich ins Verderben
Reißen. Schütze mich vor ihm, Geliebter!
Schütze mich!« Und mit den beiden Armen
Krampfhaft mich umschlang sie, gleich als sollt' ich
Eines Unholds Krallen sie entreißen.
Doch Italiens freudenheller Himmel,
Rom mit seinen nieversiegten Reizen
Und mein tröstend Wort vertrieb allmählig
Das Gewölk der Schwermuth, das, von Norden
Her ihr folgend, düster ihre Seele
Noch umwitterte. Es ganz zu bannen,
In der Villen schatt'ge Laubenhallen,
Wo die Purpurfrüchte der Granate
Leuchtend aus dem Dickicht niederschauten,
Führt' ich sie und in der Farnesina
Lichte Säle, daß die Götterbilder,
Die dort eben unter Raffaele's
Zauberhand an Dach und Wand erblühten,
Sie erheiterten. O! wem zu Häupten
Die Olympier bei Becherklange
Lustberauscht ihr Festgelage feiern,
Muß bei ihrem schallenden Gelächter,
Das die stummen Fresken selbst durchzittert,
Nicht sein Gram verschwinden?

Also lös'ten
Sich in Adelgundens Brust die Sorgen
Und hinabgesunken schien für immer
Das Gespenst des Ehmals. Kalte Hauche
Wehten schon von den Sabinerbergen
Und, mit hohem Schnee beladen, glänzte
Des Sorakte Haupt. Da gab uns Bembo,
Der erlauchte Cardinal, die Kunde,
Wen'ge Tage nur, so werd' er selber,
Unser Glück auf ewig zu besiegeln,
Uns des heil'gen Vaters Breve bringen.
Eben mit Gewühl der Masken tobte
Durch die Straßen Roms der bunte Fasching,
Von den Fenstern stäubte, den Balkonen
Der Confetti Regen, und wie hätte
Da der Freudentaumel, drin bacchantisch
Alle Herzen sich berauschten, nicht auch
Uns in seine Wirbel fortgerissen?
Meiner Herrin kam zu einem Feste,
Wie es Rom noch nie zuvor gesehen,
Der Gedanke. Nach der Eltern Tode
Großer Schätze Erbin, nicht des Goldes
Brauchte sie zu schonen. Ihr Palast ward
Reich in Königspracht geschmückt, und während
Massen Schnee's auf Straßen und auf Dächern
Lasteten, erschloß in ihren Sälen
Sich ein Lenz von Duft und Blüthenfülle.
Gleich Colonia's weisem Meister Albert,
Der im eis'gen Winter einen Garten
Ueber Nacht geschaffen und den Kaiser
Unter Frühlingsblumenpracht bewirthet, –
Sprach sie scherzend – wolle sie den Gästen
Wonn'ge Rast in Zaubergärten bieten.
Als die Nacht herabgesunken, strahlte
Weithinleuchtend in der Girandolen
Glanz ihr Schloß vom Palatin hernieder,
Und herein zum Thor in die Gemächer
Wogten, all' in lust'gen Maskentrachten,
Roma's edle Herrn und Damen; selber
Cardinäle hatten ihren Purpur
Unter heiterm Festgewand verborgen.
Welch Gewimmel durch die hohen Säle!
Unter breitgeblätterten Bananen,
Palmenwipfeln, mächt'gen Lorbeerkronen,
Drin sich bunte Papageien wiegten,
Schritten Mohrenprinzen, Fabelwesen
Aus des Marco Polo Märchenländern,
Ließ Alcina sich auf goldnem Wagen
Durch ein weißes Einhorn ziehn. Von oben
Quoll der Schimmer tausendfacher Lichter
Auf der Damen Diamantschmuck nieder,
Und der Schall von Cymbeln und Clarinen
Schuf ein Zauberlabyrinth von Tönen,
Drin die Sinne sich berauscht verirrten.
Seitwärts führten goldbestreute Pfade
In ein Dickicht, wo des Oleanders
Rothe Blüthen durch das Dunkel glänzten,
Luden Grotten von Krystall die Müden,
Auf bemoostem Sitz bei Quellgemurmel
Auszuruhen.

Aller Gruppen Krone,
Die mit Faschinglust das Aug' ergötzten,
War nach meiner Herrin Willen eine.
Von den Sagen ihres Heimatlandes,
Die mit süßem Zauber ihre Kindheit
Einst umfangen, hatte sie die schönste
Sich erwählt. Nächst ihrer Väter Schlosse
In der Therevinger Waldgebirgen
Lag der Hörselberg, in dem Frau Venus
Mit den andern Göttern des Olympus,
Seit sie aus dem Reich des Lichts vertrieben,
Ihren Sitz hat. Dieses Märchen ließ sie
Auf dem Fest ins Leben treten. Kunstvoll
War ein Saal zur Höhle umgewandelt,
Schimmerndes Gestein in farb'gen Adern
Rankt' an Pfeilern und an Wänden aufwärts
Zu dem Stalaktitenschmuck der Decke,
Und, umringt von ihrem Götter-Hofstaat,
In der Mitte ruht' auf goldnem Thronsitz
Adelgunde, nicht die Heiden-Venus,
Nein wie Eyck, wie Dürer wohl auf Goldgrund
Sie gemalt nach ihrer Zeiten Sitte.
In erles'ner Rittertracht, der Stahlhelm
Mir entsunken, mit zerbrochnem Schwerte
Als Tannhäuser lag ich ihr zu Füßen.

Eben hatten sich des Saales Thore,
Der die Gruppe barg, erschlossen. Ringsher
Neubegierig drängten sich die Gäste
Zu der Schau, und wie von Geisterstimmen
Hallte lieblicher Gesang in Lüften;
Plötzlich vor uns, durch die Menge dringend,
Stand ein Mann in Franziskaner-Kutte,
Finster unter busch'gen Brauen rollten
Seine Augen und die Rechte drohend
Wider Adelgunde hob der Unhold.
Gellen Schrei's, kaum daß sie ihn erblickte,
Glitt vom Throne nieder meine Herrin
Und, in meinen Armen sie empfangend,
Angstvoll kniet' ich bei der Sinnberaubten.
Nur bei ihr zuerst war mein Gedanke,
Aber als, den Störenfried zu fassen,
Ich mich losriß, suchten meine Blicke
Ihn vergebens; in Verwirrung waren
Alle Gäste; keiner konnte sagen,
Wer der Mönch gewesen.

Leer bald standen
Säl' und Hallen; auf das Krankenlager
Mußt' ich meine Adelgunde betten,
Und aus ihren wirren Fieberreden
Ward mir Alles klar. Ihr Gatte Wingolf
War der Mönch gewesen. »Weh! da steht er,
Meines Lebens böser Dämon – rief sie,
Ihr Gesicht mit beiden Armen deckend –
Hülfe! Hülfe! In den Abgrund will mich
Der Verderber reißen.«

Nach und nach erst
Rang sich ihre Seele vom Entsetzen
Wieder los. Ein Traumbild sei's gewesen,
Vorgegaukelt den erhitzten Sinnen,
Sagt' ich ihr, und selbst fast mußt' ich's glauben,
Denn umsonst blieb allumher mein Forschen
Nach dem Mönch.

Zu neuem Leben blühte
An der Frühlingssonne milden Strahlen
Die Geliebte auf; der heil'ge Vater
Selber gab, den alten Bund vernichtend,
Am Altar St. Peters uns den Segen,
Und daß in der Berge frischem Lufthauch
Ganz mein Weib Genesung fände, führt' ich
Sie in der Sabiner Felsenwildniß,
Wo mit schwebenden Söllern und Terrassen
Mir ein Schloß am schroffen Abhang ragte.
Hier als Jüngling schon in Sommerwonne
War ich hingeschweift durch alle Schluchten,
Mich in wilde Einsamkeit begrabend,
Bis kein Ton als eines Ziegenhirten
Lied mir ferneher zum Ohre hallte,
Hatt' hinabgejauchzt in alle Thäler
Und, gestreckt auf steile Felsvorsprünge,
Künft'ges Lebensglück geträumt. – O schöner,
Herrlicher aus meiner Träume Himmel,
Als ich je geahnt, zu mir hernieder
Nun gestiegen war's! Mit der Geliebten
Arm in Arm wie wonnevoll nicht schritt ich
Durch des Schlosses Hallen hin und Gärten,
Wo der alten Götter Marmorbilder
Heiter aus den Nischen auf uns schauten,
Sah mit ihr von hangenden Altanen
Tief in Abgrundnacht den Teverone
Schäumen und darüber auf gezackten
Klippen Subiaco's Hausterrassen
Und San Benedetto's Kloster ragen.
Mittags unter Pinienschatten ruhend
Oder in der Dämmrung kühler Grotten,
In Geplauder und in Küssen tauschten
Seele wir mit Seele, und der Quellen
Murmeln, der Cikaden Schmettern tönte
Sanft in unsre Seligkeit. Versunken
Hinter uns war des Vergangnen Schrecken,
Und, die Stirn mit wildem Lotos kränzend,
Unsres Liebesglückes einzig dachten
Wir. Gleichwie vor uns an jedem Abend
Jenseits von Gebirge und Campagna
Und der Circe duft'gem Cap der Himmel
In des Lichtes goldner Fülle strahlte,
Also, lange sel'ge Tage kündend,
Lag die Zukunft vor uns da; kein Wölkchen
Schien den ewig reinen Glanz zu trüben.

Auch der Nächte noch, der heiter-klaren
Denk' ich, da wir von dem Hausbalkone
Aufwärts zu den Himmelslichtern blickten.
Von Copernico, dem weisen Meister
Aus dem fernen Polen, dessen Hörsaal
Ich in Rom besucht, ein Sehrohr hatt' ich,
Und mit Staunen schaute Adelgunde,
Halb noch zweifelnd, wie die lichten Funken
Groß und größer aus dem Dunkel tauchten
Und vor dem krystallbeschwingten Auge
Sich der Nebel Dunst zu Sternen lös'te.
Dann enthüllt' ich ihr des Meisters Lehre,
Erden seien das, um Sonnen kreisend,
Die dereinst, befreit von Körperbanden,
Sel'ge Geister, wir durchwandeln würden.
Und sie lauscht' in Andacht meinen Worten,
Aber sprach zuletzt, mit einem Kusse
Mir die Lippen schließend: »O Geliebter,
Nicht von andern Welten laß uns träumen!
Seliger als die, auf der wir weilen,
Kann doch keine sein von allen droben.«

Monde lang von aller Welt geschieden
Hatten wir gelebt; da aus dem Dorfe,
Das dem Schloß zunächst gelegen, schollen
Schreckenskunden uns zum Ohr. Der Bischof
Von Subiaco hatte Männer, Weiber,
Kinder selbst in Kerkernacht geworfen,
Weil sie nach des Pöbels tollem Wahne
Zauberkunst getrieben. Einen Sabbat
Jüngst auf hohem Berge der Abbruzzen
Hätten sie gefeiert und dem Dämon
Dort bei wüstem Mummenschanz gehuldigt,
Also ging die Sage. Einst am Morgen
Tönten Jammerrufe vor dem Schlosse
Und der Dorfbewohner viele drangen
Durch das Thor herein. Mit Händeringen:
»Hülfe, Hülfe,« riefen sie, »verbrennen
Will man unsre Frau'n. Durch Folterqualen
Hat man sie gezwungen, zu bekennen
Was ihr Herz nicht kennt; schon auf dem Holzstoß
Haben gestern ihrer zwei geendet,
Und jetzt eben auf dem Markt des Dorfes
Bau'n sie neue Scheiterhaufen – Euch nur
Kann der Opfer Rettung noch gelingen.
Eilt, Herr Graf, nach Rom zum heil'gen Vater,
Daß er dieses Bischofs blindem Wüthen
Einhalt thue!«

Schnell entschlossen war ich,
Riß mich aus des Weibes Arm und sprengte
Auf dem schnellsten Renner unaufhaltsam,
Bis beim Spätroth von des Monte Mario
Höh'n mir mein Palast entgegenglänzte.
Hin zum weisen Cardinale Bembo
Stürzt' ich und beschwor ihn, in der Nacht noch
Bei Papst Leo mich zu melden. Aber
Lächelnd und die weißen Locken schüttelnd
Mir den Ungestüm verwies der Höfling:
»Kennt Ihr so des Hofes Sitten? Morgen
Laßt mich sehen was zu thun! Mir selber
Erst nach Tagen mag's vielleicht gelingen,
Zutritt Euch im Vatikan zu schaffen;
Doch bestürmen Christi Stellvertreter
Werd' ich, glaubt! sobald er mir Gehör leiht,
Daß er Einhalt solchem Frevel thue.«

Also war es; viermal sank die Sonne
Am Janiculus, und keine Antwort
Hatt' ich noch; da endlich trat der wackre
Bembo zu mir ein: »Ich that mein Bestes,
Doch vergebens; kommt und seht ob selbst Ihr
Mehr erreicht!« Mit hast'gem Schritt ihm folgt' ich,
Bis wir in des Raffaële Stanzen
Vor Papst Leo standen. »Schon wozu Ihr
Kommt, erfuhr ich; doch wie kann ich helfen?«
Sprach der Greis, die Hand mir freundlich reichend.
»In das Recht des Bischofs einzugreifen,
Ziemt mir nicht; nach Pflicht und nach Gewissen
Mög' er thun was seines Amts. Von Ketzern
Wimmelt heut' die Welt, allein ich hoffe,
Ihr verabscheut diese freche Rotte.
Häresie schon ist's – Herr Graf, bedenkt es! –
An Magie und Teufelsbund zu zweifeln.«
Sprach es und entließ mich; im Hinabgehn
War es mir, des Vatikanes Hallen
Stürzten auf mich ein; in athemloser
Hast, kaum meiner selbst bewußt, aufs Roß mich
Warf ich, sprengte fort aus Roma's Thoren,
Ließ mir Rast nicht auf dem Ritt, bis vor mir
Jenseits von San Benedetto's Kloster
Hoch auf Felsen meine Villa ragte.
Von der Brust auf Augenblicke sank mir
Jede Sorge da; nur der Gedanke,
Die Geliebte wieder zu umarmen,
Füllte noch mein Herz und trieb in schnellerm
Strome mir das Blut durch alle Adern.
Plötzlich aus dem Dorf mit wirrem Haare
Angstbleich stürzte ihrer Zofen eine
Auf mich zu: »Entsetzen! Wehe, wehe!
Welchen Jammer müssen wir erleben!
Eben, Herr, zum Scheiterhaufen führen
Sie Frau Adelgunde, Eure Gattin.«
Wahnsinn, glaubt' ich, rede aus dem Weibe;
Doch: »Ihr glaubt nicht? Kommt, es selbst zu schauen!«
Rief sie aus, und wie verwirrten Sinns ich
Weiter sprengte, an des Dorfes Eingang
Trat ein Mönch in Franziskanerkutte
Mir entgegen – eben jener war es,
Der das Fest verstört durch sein Erscheinen,
Adelgundens böser Dämon; furchtbar
Lachend rief er aus: »Zur guten Stunde
Kommst du just, um deiner Gattin Tode
Beizuwohnen; ei du Thor! und hast du
Glauben können, ruhig zuschau'n würd' ich,
Wie das arge Weib, das mir entflohen,
Nun mit dir in Lüsten schwelgt? Zur rechten
Zeit hab' ich der Hexe böse Künste
Noch entdeckt. Mit eignen Augen sah ich's,
Wie im Winter zwischen Schnee und Eise
Blüh'nde Gärten sie hervorgezaubert,
Sah, wie sie darin mit Heidengöttern,
Lauter Teufeln, den verruchten Sabbat
Hielt. Nicht Ruhe ließ mir mein Gewissen,
Bis ich sie verklagt beim frommen Bischof,
Und alsbald auch auf der Folter hat sie
Die begangnen Gräuel eingestanden.
Eil', um selbst zu schauen, wie Frau Venus
In den Flammen Hochzeit hält!« Wie rasend
Stürzt' ich auf den Unhold ein, die Klinge
In die Brust ihm bohrend. Von der Leiche
Weiter dann ins Dorf! – sieh, auf dem Richtplatz
Welch Getümmel! Eben hin zum Holzstoß
Wird ein Weib geschleppt; o muß ich's schauen?
Adelgunde, du, die Lilienarme
Auf den Rücken festgeschnürt mit Stricken,
In der wilden Henkersknechte Mitte!
Mit erhobnem Schwert, sie zu befreien,
Durch die Menge drängt' ich mich – da rissen
Büttel mich mit starker Faust zu Boden:
»Ei! der kommt zur rechten Zeit; sein eignes
Weib hat ausgesagt, in letzter Mainacht
Sei er durch die Lüfte auf den Sabbat
Ausgefahren. Fort mit ihm zur Foltrung,
Daß er's selbst gestehe!« Und sie schleppten
Mich in finstern unterird'schen Kerker,
Zwängten mir den Leib in Eisenringe,
Die mit scharfen Spitzen ihn durchbohrten,
Und ein Richter mit verhülltem Haupte
Mahnte mich: gesteh! – dem Schmerz zum Trotze
In die Brust zurück der Laute jeden
Schlang ich – da in alle Glieder drangen
Tief und tiefer mir die glüh'nden Stacheln;
Widerstand versucht' ich, doch die Marter
Preßte von den Lippen mir die Worte,
Die sie heischten. Hört ihr sein Geständniß? –
Scholl es – fort mit ihm zum Scheiterhaufen! –

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