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Ullis erstes Auftreten

Als Ulli am andern Morgen erwachte, sah sie sich verwundert um; dann setzte sie sich auf, zog die Kniee unter das Kinn und umschlang sie mit ihren Armen; das war die bequemste Stellung, um nachzudenken, und Ulli dachte gern nach. »Ich bin nur neugierig, wie aus mir eine Dame werden soll? Ob die beiden Dinger« – damit bezeichnete sie ihre Cousinen – »auch Damen sind?« Mit einem Seufzer: »So werde ich niemals aussehen! – Ich wollte, daß ich verstünde, was sie hier reden; sie sprechen die deutsche Sprache ganz fremdartig; sie haben auch sonderbare Gewohnheiten, z. B. das Anklopfen. Der Andreas wird mir sehr fehlen; mit dem könnte ich alles besprechen. Wie's ihm nur gehen mag!«

So spannen sich die Gedanken weiter, bis abermals an die Thür geklopft wurde und die Bonne eintrat; denn Ulli war ihrer Fürsorge übergeben worden, weil Frau von Holder sich mehr auf ihre Verschwiegenheit, als auf die der Jungfer verlassen konnte.

»Guten Morgen, gnädiges Fräulein,« sagte die Bonne.

Ulli blickte sie verwundert an. »Warum nennen Sie mich gnädiges Fräulein?«

»Weil's die gnädige Frau befohlen hat, und wenn Sie erst in den neuen Kleidern stecken, werden sie auch wie ein gnädiges Fräulein aussehen; aber gestern hat niemand in Ihnen eine Baroneß vermutet.«

»Ich habe auch niemals wie eine Baroneß ausgesehen,« versetzte Ulli ehrlich. »Mein Onkel hat mich sogar für ein Bauernmädchen gehalten. – Ja, wo sollte die Susanne schöne Kleider hernehmen? Papa konnte ihr kein Geld geben« ... Ulli stockte und wurde dunkelrot; es war ihr etwas Schreckliches passiert, und sie fürchtete, daß sie deshalb fortgeschickt werden könnte – sie hatte von der Armut ihres Vaters gesprochen. Doch, obgleich sie gewohnt war, sehr laut zu reden, schien die Bonne nichts gehört zu haben und damit tröstete sich Ulli. Aber die Bonne hatte alles recht gut verstanden und stellte sich nur, als ob sie mit dem Auslegen von Ullis Garderobe zu sehr beschäftigt wäre; es waren lauter neue feine Sachen, da kein Stück der alten Kleidung wieder angelegt werden sollte.

Eine solche Morgentoilette schien ein langweiliges Geschäft. In Wolfshagen war man bald fertig; da wurden weder mit Waschen noch Kämmen viele Umstände gemacht; die Bonne aber führte eine ganz andre Ordnung ein, und wenn Ulli sich weigerte, hieß es: »Das thut jede Dame.« Dann gab Ulli den Widerstand auf, weil sie eine Dame werden wollte.

Sehr viele Mühe verursachten die massenhaften langen Haare Ullis; bald bewunderte sie die Bonne, dann stöhnte sie wieder über die Arbeit; denn es waren besonders widerspenstige Haare. Aber nach beendeter Toilette führte sie Ulli im Triumph vor den Spiegel. Diese kam sich ganz fremd vor; die Zöpfe hingen lang im Nacken herunter; das Kleid reichte ihr bis an die Knöchel, wodurch sie größer schien, und die schwarzen Krepprüschen gaben ihr ein älteres Aussehen. Die ungewohnte Enge des Kostüms aber fiel ihr lästig. »Ich kann nicht atmen,« rief sie und streckte die Arme aus, daß die Nähte zu platzen drohten.

Die Bonne schrie erschreckt auf. »Sie werden ja das Kleid ruinieren, und dann müssen Sie hier gefangen bleiben; denn in Ihrem Fähnchen dürfen Sie der gnädigen Frau nicht mehr nahe kommen.«

»Aber ich muß ersticken! Ich kann mich in dem abscheulichen Kleide nicht bewegen! Ich werde es nicht aushalten!« stöhnte Ulli ungeduldig.

»Wenn man nur guten Willen hat, kann man's in schönen Kleidern immer aushalten. Sie werden in Ihrem Leben noch mehr ertragen müssen als ein enges Kleid. Wollen Sie eine Dame werden, müssen sie lernen, sich in die Dinge zu schicken, und dürfen nicht bei jeder Kleinigkeit in laute Klagen ausbrechen.«

Ulli blickte die Bonne finster an. »Dann will ich keine Dame werden; ich kann enge Kleider nicht leiden.« Und sie begann die Knöpfe wieder zu öffnen.

Da vernahm sie starkes Läuten. »Was ist das?« fragte sie eifrig.

»Das ist das Zeichen, daß das Frühstück bereit ist; aber wenn Sie das Kleid ausziehen, können Sie natürlich nicht dabei erscheinen.«

Ullis Magen sprach schon wieder vernehmlich. Hunger war ein so unangenehmer Zustand, daß sich ein enges Kleid am Ende doch eher ertragen ließ. Stillschweigend knöpfte sie es wieder zu und folgte der Bonne nach dem Zimmer, wo die Familie das Frühstück einnahm.

Ulli kam spät; außer dem ihren waren alle Plätze schon besetzt. Obenan die Tante, zu ihrer Rechten ein alter Herr, zu ihrer Linken ein junger Herr; dann eine fremde Dame und die Cousinen. Diese kamen Ulli, die zögernd an der Thür stehen blieb, zuvorkommend entgegen.

»Wie hast du geschlafen, Ulrike?« fragte Leonie, und Gabriele fragte: »Wie befindest du dich?«

Da keine Antwort erfolgte – Ulli kämpfte eben mit einem großen Entschlusse – kehrten sie auf ihre Plätze zurück. Die Tante rief ihr nur »Guten Morgen« zu und blickte sie prüfend an.

Das moderne, lange Trauerkleid hatte Ullis Aeußeres sehr verändert; vorteilhaft erschien es noch immer nicht. Sie war ein schönes Kind gewesen, aber ohne Pflege aufgewachsen, wie ein wilder Schößling; zudem befand sie sich jetzt in einer Uebergangsperiode. Alles an ihr war unharmonisch. Der Mund zu groß, die Nase dick und leicht gerötet, die Arme lang und mager, die Gestalt aufgeschossen und eckig und die Bewegungen jungenhaft. War sie verlegen, so zog sie die Brauen zusammen, was ihr einen finstern, trotzigen Ausdruck verlieh.

»Sei so gut und setze dich an deinen Platz, Ulrike,« gebot die Tante.

Aber anstatt auf ihren Platz, schritt Ulli energisch, als habe sie sich zu einer heroischen That aufgerafft, auf ihren Onkel zu; sie hatte sich vorgenommen, sehr höflich zu sein und Onkel wie Tante den schuldigen Respekt zu beweisen; unter »schuldigem Respekt« aber verstand sie einen Handkuß.

Der Bankier hielt in der Hand noch das Messer, mit dem er, als Ulli eintrat, ein weiches Ei enthauptet hatte; das machte Ulli nicht irre, sie bückte sich und drückte einen Kuß auf diese Hand.

Das Messer fiel zur Erde und der alte Herr fuhr erschreckt auf. »Was fällt denn dem Mädchen ein?« rief er; zu gleicher Zeit erhob sich auf der andern Seite des Tisches ein schlecht unterdrücktes Lachen, und die Cousinen hielten sich ihre Servietten vor das Gesicht. Frau von Holder warf der ganzen Tischgesellschaft einen mißbilligenden Blick zu; die jungen Damen erinnerten sich ihrer Verpflichtungen, und der alte Herr war gutmütig genug, sein Erschrecken zu bereuen.

»Guten Morgen, meine Tochter,« sagte er und nickte Ulli zu. »Laß dich nicht abhalten, deiner Tante die Hand zu küssen; sie wird nichts dawider haben.«

Aber Ulli konnte sich nicht zu einem zweiten Handkusse entschließen; ihre Respektsbezeugung hatte eine sehr unerwartete, durchaus nicht angenehme Wirkung gehabt. In tödlicher Verlegenheit verharrte sie noch lange regungslos und wagte nicht einmal, die Augen aufzuschlagen. Die Situation wurde kritisch.

Frau von Holder gab Gabriele einen Wink; sofort erhob sich das junge Mädchen, nahm Ulli bei der Hand und führte sie zu ihrem Platze.

Leonie hatte die Woche und servierte. »Wünschest du Thee oder Kaffee, Ulrike?« fragte sie, und da Ulli stumm blieb, goß sie ihr Milch ein, um zu zeigen, daß sie nach ihrem Benehmen Ulli nur für ein Kind halten könne.

Der Appetit war aber Ulli vergangen. Mit niedergeschlagenen Augen saß sie da und hatte das Gefühl, als ob alle nach ihr hinblickten und ihr Lachen nur unterdrückten. Sollte sie als eine Zielscheibe ihres Spottes sitzen bleiben, oder sollte sie fortlaufen? Beides war gleich furchtbar; am liebsten hätte sie geweint; doch vor diesen Leuten zu weinen, hielt sie für die größte Schmach. Eine qualvollere Stunde hatte sie in den fünfzehn Jahren ihres Erdendaseins nicht durchlebt.

Frau von Holder machte der peinlichen Situation ein Ende. Sie gebot ihren Töchtern, Ullis Frühstück auf deren Stube zu tragen, und führte ihre Nichte hinaus.

In dem Augenblicke, wo sie die Stube verließ, vernahm das arme Kind deutlich: »Das ist ja ein kolossaler Backfisch!« Sie wußte nicht, was ein ›Backfisch‹ bedeutete und fühlte sich tödlich beleidigt, denn sie hielt es für ein Schimpfwort; aber sie erkannte sofort, wer sie beleidigt hatte; es war der junge Mann, der neben ihrer Tante saß. Da war kein Halten, die Thränen stürzten ihr aus den Augen, und nun sie einmal im Zuge war, heulte sie ganz laut und hörte nicht auf mit Heulen.

»Ich kenne mein eigen Blut nicht wieder,« dachte die Tante.

Selbst das Hausmädchen, das ihre Stube aufräumte, warf einen höchlich verwunderten Blick auf die heulende Ulli, als es sich auf einen Wink ihrer Herrin entfernte.

»Nimm dich doch ein wenig zusammen, liebe Ulrike,« rief die Tante ungeduldig. »Es ist wirklich entsetzlich, so etwas anzuhören. Ein kleines Kind würde sich schämen, vor fremden Menschen so zu schluchzen. Die Domestiken müssen wahrhaftig glauben, man hätte dir ein Leid angethan. Sobald du vermeidest, auffallende Sachen zu thun, und sobald du nur die ersten Regeln des Anstands begriffen haben wirst, werden sich solche Scenen nicht wiederholen; sie dürfen sich nicht wiederholen.«

Indes waren die jungen Mädchen eingetreten und hatten Ullis Frühstück aufgestellt; als sie sich wieder entfernen wollten, gebot Frau von Holder: »Ihr werdet eurer Cousine Gesellschaft leisten.« Dann verließ sie kopfschüttelnd das Zimmer.

Obwohl die Cousinen ihr Frühstück nicht beendet hatten, erhoben sie doch keinen Einwand, sondern fügten sich in den unangenehmen Auftrag. Leonie führte Ulli an den Tisch und nahm mit ihrer Schwester an ihrer Seite Platz. Da Ulli unentwegt laut weiterheulte, war eine Unterhaltung unmöglich. Gabriele bestrich Ullis Semmel mit Butter, und Leonie belegte sie mit Fleisch; dann warteten sie ein Weilchen, und warfen sich gegenseitig verständnisvolle Blicke zu. Endlich ermahnte Leonie: »Willst du nicht versuchen zu trinken; ich glaube, das wird dir gut thun.«

Der Rat schien Ulli verständig und sie befolgte ihn; verschluckte sich aber, weil sie noch immer schluchzte, dermaßen, daß sie einen heftigen Hustenanfall bekam. Leonie und Gabriele wechselten einen erschreckten Blick, dann klopften sie abwechselnd und sehr behutsam Ullis Rücken.

Allmählich beruhigte sich diese und versuchte einen zweiten Schluck, und wäre sie jetzt allein gewesen, würde es ihr ebensogut wie am Abend zuvor geschmeckt haben; aber die Gegenwart ihrer Cousinen genierte sie außerordentlich. Diese fanden nun, daß es an der Zeit sei, die Unterhaltung zu beginnen. Die Unterhaltung war einem Frage- und Antwortspiel sehr ähnlich. Nachdem sie sich durch Blicke wieder verständigt hatten, begann Gabriele: »Leidest du öfters an Husten?«

»Ich hatte mich ja nur verschluckt.«

Gabriele deutete durch einen Blick an, daß Leonie jetzt an der Reihe wäre; diese war sehr schüchtern; sie räusperte sich und sagte dann leise: »Hast du manchmal Zufälle?«

»Was?« fragte Ulli, die sich bei der tauben Susanne an sehr lautes Reden gewöhnt hatte.

»Ich meine, ob du dich manchmal unwohl fühlst.«

»Niemals,« entgegnete Ulli bestimmt. Aus Angst sich bei einer Antwort zu verschlucken, fürchtete sie, einen Bissen in den Mund zu stecken; denn sie war gewöhnt, große Bissen zu nehmen; deshalb zog sie vor, die Buttersemmel zu benagen. Die Cousinen waren so höflich, ihr Entsetzen über diese schlechte Manier nur durch Blicke auszudrücken.

Gabriele hatte sich indes schon auf die nächste Frage vorbereitet. »Wie hieß deine Gouvernante?«

»Gouvernante?« wiederholte Ulli, als müsse sie sich das Wort erst klar machen. »So etwas habe ich nie gehabt.«

Neuer Schrecken der höflichen Cousinen. »Aber einen Hauslehrer hat dir dein Papa doch gehalten?« fragte Leonie etwas lebhafter.

»Ach wo!« rief Ulli verächtlich. »Ich kann Hauslehrer nicht leiden.« Sie dachte an den Dorfschulmeister und wünschte die Cousinen fort, denn sie verspürte Wolfshunger.

»Du solltest nicht so absprechend urteilen,« bemerkte Gabriele. »Es giebt auch unter den Hauslehrern sehr achtungswerte Menschen.«

»Mein Herr Hutzelmann aber war ein Esel,« fuhr Ulli unbekümmert fort; »und als ich's merkte, hat ihn Papa fortgeschickt. Wir konnten das Geld notwendiger brauchen.«

Es entstand eine Pause; die Cousinen waren über diese Äußerung so entsetzt, daß sie nicht sogleich weiter zu fragen vermochten. Ulli dachte: »Wenn sie doch gingen,« und blickte manchmal nach der Thür; aber weil es ihnen die Mama aufgetragen hatte, setzten die Cousinen die Unterhaltung fort.

»Wenn du keine Gouvernante und keinen Hauslehrer gehabt hast, kannst du nichts gelernt haben,« sagte Gabriele.

Ihre Unwissenheit hätte Ulli den Cousinen ungern eingestanden. »Es giebt Bücher,« entgegnete sie weise.

»Aus Büchern kann man aber nicht Französisch lernen.«

»Doch,« sagte Ulli und nickte mit dem Kopfe. »Das kann man.«

»Also, du sprichst Französisch?« fragte Gabriele erstaunt.

»Nein,« sagte Ulli kurz; denn sie fürchtete, die Unterhaltung möchte in dieser Sprache fortgesetzt werden.

»Aber Englisch hast du doch gelernt?« forschte Leonie.

»Nein,« sagte Ulli und blickte die Cousine trotzig an, denn sie glaubte, daß sie zum Narren gehalten würde.

»Und Klavier hast du auch nicht gelernt?«

»Nein.«

»Zeichnest du vielleicht?«

»Nein.«

»Ja, womit hast du dich den Tag über beschäftigt?«

»Das weiß ich so eigentlich nicht.«

»Mama erlaubt nie, daß wir unbeschäftigt sind. Müßiggang ist sehr schädlich, sagt Mama.«

Ulli blickte bald die eine, bald die andre Cousine an; sie fühlte sich beschämt, wie ein im Examen durchgefallener Kandidat. Da die jungen Mädchen aber mit ihren Fragen zu Ende waren, standen sie zu gleicher Zeit auf.

»Du scheinst keinen Appetit zu haben, Ulrike,« bemerkte Leonie, und sofort berührte Gabriele die elektrische Klingel.

Ullis Herz sank; sie fand aber nicht den Mut, für ihren hungrigen Magen einzutreten. Traurig sah sie zu, wie der Diener das Geschirr abräumte; weniger traurig, als die Cousinen sich entfernten; aber da auch alles Eßbare mit ihnen verschwunden war, nützte es ihr nichts, allein zu sein. Sie war nahe daran, in Thränen auszubrechen, da wurde schon wieder an die Thür geklopft.

Die junge Dame, die jetzt eintrat, trug ein ganz einfaches dunkles Kleid, schmale, weiße Streifen am Hals und an den Ärmeln, eine Uhr an feiner Kette, eine Brosche, das dunkle Haar glatt gescheitelt und fest aufgesteckt; Ulli glaubte, sie am Frühstückstische gesehen zu haben. Mit großen festen Schritten kam sie herein, schüttelte Ulli die Hand und anstatt: »Guten Morgen,« sagte sie: » How do you do

Ulli sah Miß Kirk, die englische Gouvernante, entsetzt an. »Was wollen Sie von mir? – Ich verstehe Sie nicht.«

» Don't you speak English

Ulli preßte verlegen die Hände aufeinander. »Es ist ganz umsonst; ich verstehe kein Wort.«

»O!« machte Miß Kirk, »o! Nicht Englisch? Dann wollen wir lernen Englisch.«

Ulli war aber gerade jetzt zu der Ueberzeugung gekommen, daß sie das einfältigste und unwissendste Geschöpf auf Gottes Erdboden wäre. Trotzig platzte sie heraus: »Ich kann nicht Englisch lernen; dazu bin ich viel zu dumm.«

»Was sind wir?« rief Miß Kirk belustigt, »dumm? – O! keine junge Dame darf das sagen von sich selbst.«

»Ich bin auch keine Dame,« erklärte Ulli.

»Ich will aber nicht glauben, daß Sie sind ›dumm‹. Wir wollen lieber machen einen Versuch mit Lernen. Wollen wir? Aber nicht hier. Mir gefällt nicht eine unaufgeräumte Stube. Kommen Sie nur, mein Kind. Ich habe Zeit für eine Lektion.«

Länger widerstand Ulli nicht; sie wünschte ja nichts sehnlicher, als zu lernen. Ohne Anregung und Unterricht hatte sie träumerisch dahingelebt. Sie wußte kaum, wie viel ihr mangelte. Jetzt gingen ihr die Augen auf, und nun schämte sie sich, denn sie hielt sich für unfähig; weil sie das aber verbergen wollte, gebärdete sie sich scheu und trotzig.

Ulli kannte die Kräfte gar nicht, die in ihr schlummerten. Ihr Geist war ein fruchtbarer Boden, der nur des Samens bedurfte, um reiche Ernte zu tragen. Keinen Blick verwandte sie von der neugewonnenen Lehrerin; jedes Wort grub sie in ihr Gedächtnis ein; keine Regel durfte wiederholt werden. Noch nie hatte Miß Kirk eine so aufmerksame Schülerin gefunden; die schnelle Auffassung Ullis erschien ihr sogar ungewöhnlich, und Frau von Holder berichtete sie: »Das Fräulein lernt mit hungrigen Augen.« Sie meinte damit allerdings den Hunger Ullis nach geistiger Nahrung und versprach sich von diesen Lektionen ein wirkliches Vergnügen.

Die arme Ulli aber war auch hungrig nach irdischer Nahrung. Die glänzenden Augen wurden auf einmal ganz matt, das Verständnis schnappte ab, Ulli riß den Mund auf und gähnte ganz laut.

»O!« rief Miß Kirk, »Sie wollen mich verschlingen.«

Ulli errötete. »Ich kann nicht mehr begreifen,« bekannte sie aufrichtig.

»Ich habe zu sehr angestrengt das kleine Fräulein. Wir schließen die Lektion. Nicht zu viel auf einmal, das ist eine Regel.«

Arme Ulli! Sie fand nicht den Mut zu sagen, daß sie hungerte. Niedergeschlagen schlich sie auf ihr Stübchen; aber was nützte es ihr, daß das Zimmer jetzt sauber hergerichtet war, wenn es nichts Eßbares enthielt? »Vielleicht wird sich die Bonne sehen lassen,« dachte sie, doch niemand kam; das Haus war wie ausgestorben. Ulli, an die keifende Stimme der alten Susanne gewöhnt, fehlte es ordentlich, daß sie hier niemand brummen und schelten hörte.

Hunger ist ein Tyrann; er peinigte das arme Mädchen mit Übelkeit, bis es seine Scheu überwand und hinaus auf den Korridor trat. Ulli war ganz unbekannt mit den Räumlichkeiten; sie wußte nicht, wohin sie geraten würde; aber sie konnte nicht länger still in der Stube sitzen. Endlich erreichte sie eine Treppe, die in das Souterrain führte, wo auch die Wirtschaftsräume lagen, und in die Küche leitete sie nun nicht der Instinkt, sondern ein höchst lieblicher Bratengeruch. »In einer Küche muß es etwas zu essen geben,« schloß Ulli mit der Logik des Hungers und öffnete die Thür. Bei ihrem Eintritt verstummte das Gespräch plötzlich, dessen Gegenstand sie selbst gewesen war; etwas verwirrt von den vielen Gesichtern, blieb Ulli schüchtern stehen. Die Köchin trat auf sie zu. »Was wünschen – das gnädige Freilein?« fragte sie eifrig.

»Ich bitte um ein Stück Brot; es thut nichts, wenn's auch trocken ist.« Ulli glaubte, ihre unangenehme Lage durch Bescheidenheit zu verbessern.

»Sie ist wahrscheinlich an trockenes Brot gewöhnt,« flüsterte die Jungfer dem Diener zu, der Silber putzte, und die Köchin überlegte, daß man mit einer Baroneß, die in die Küche kam und trockenes Brot verlangte, nicht viel Umstände zu machen brauche.

»Na warten Sie, mei kutes Freileinchen,« fing sie in ihrem sächsischen Dialekt an, »ich mache Sie gleich ein scheenes Butterbemmchen zurecht.« Und während sie an den Tisch trat, um Brot zu schneiden, rief sie über die Schulter zurück: »Setzen Sie sich auf die Bank, mei kutes Freileinchen; ich mache sie auch recht schnell.«

Ulli hatte wohl eine unbestimmte Vorstellung, daß diese Behandlung eine ungebührliche sei; aber sie war zu sehr an das enge Zusammenleben mit Dienstleuten gewöhnt, um sich verletzt zu fühlen; zudem war jetzt der Hunger und nicht der Stolz ihr Gebieter. Sie setzte sich auf die Küchenbank, wie ihr geheißen war. Ihr war so übel, daß sie die Dinge nicht mehr deutlich sehen konnte; aber daß Jungfer, Hausmädchen und Bedienter die Köpfe zusammensteckten, zischelten und kicherten, berührte sie doch peinlich, und sie beschloß, die Küche sofort mit dem Butterbrote zu verlassen – ohne dieses jedoch unter keinen Umständen.

Jetzt nahte die Köchin mit einem Teller, auf dem sich fettgestrichene und belegte Butterbrote präsentierten, und schon streckte Ulli begehrlich die Hand danach aus, als sich an der Thür ein Ausruf der Mißbilligung vernehmen ließ. Ulli fuhr zusammen wie ein ertappter Sünder; da stand die Bonne als strafende Gerechtigkeit ihrer unerlaubten Selbsthilfe.

»Wie kommen Sie denn in die Küche?« rief sie.

»Nu Herr Jeses, wenn der Mensch sie hungert, Madamchen, da findet er sie auch den Weg in die Küche,« bemerkte die Köchin verletzt.

»Das ist kein passender Platz für das gnädige Fräulein,« eiferte die Bonne.

»Wo man was zu essen kriegt, ist Sie für eine hungrige Seele egal ein passender Platz,« ließ sich die Köchin vernehmen.

Im nächsten Augenblick aber veränderte sich die Scene, ohne daß Ulli die Ursache erkannte. Die Jungfer schob rechts, das Hausmädchen links zur Thür hinaus; der Bediente begann mit ungeheurem Eifer das Silber zu putzen und das Küchenmädchen Gläser zu spülen. Zu gleicher Zeit verschwand der Teller wieder vor Ullis hungrigen Blicken; sie selbst aber wurde schleunigst in ein Kämmerlein befördert und sobald sich die Thür hinter ihr geschlossen hatte, vernahm sie die Stimme ihrer Tante, die soeben in die Küche getreten war.

Ulli fühlte sich viel zu elend, um sich zu wundern; die Übelkeit nahm zu, ein plötzlicher Schwindel ergriff sie, und als sie nach einem Halt faßte, verdunkelte sich alles. »Ich werde blind!« rief sie – was weiter geschah, wußte sie nicht.

Als sie wieder zur Besinnung kam, lag sie auf einem buntbezogenen Bette; die Tante rieb ihre Stirn mit Eau de Cologne, die Bonne rieb ihre Hände; beide betrachteten sie mit besorgten Mienen. Dann hörte sie die Stimme der Köchin: »'s ist Sie nichts weiter, als wie ein leerer Magen, gnädige Frau. Solche Zustände, das sage ich Sie, ereignen sich nur, wenn man Sie zu lange nichts gegessen hat.«

»Aber es ist doch unmöglich, daß meine Nichte aus Mangel an Nahrung ohnmächtig wird!« rief die geängstigte Tante. Die Köchin brachte schon eine Tasse Bouillon herbei. »Das ist Sie die beste Medizin, und e Butterbemmchen obendrauf, ich sage Sie, unser Freileinchen ist Sie gleich wieder kuriert, und springt Sie gesund umher.«

Nun berichtete die Bonne, wie sie Ulli getroffen habe, und da die Kur der Köchin anschlug, zeigte sich, daß Ullis Ohnmacht und Magenleiden wirklich schnell zu heilen waren.

»Was werde ich noch alles erleben müssen,« dachte die Tante. »Weder Leonie noch Gabriele haben mir während ihres ganzen Lebens soviel Not gemacht wie dieses Mädchen an dem einen Tage!«

Und es kam noch mehr! Wie konnte Frau von Holder das Mittagsmahl munden, wenn sie sehen mußte, wie Ulli die Suppe laut schlürfend aß, wie sie das Fleisch auf einmal zerschnitt und hastig hinunterschlang; ja wie sie sogar das Messer in den Mund nahm. Sie schämte sich grenzenlos und wagte kaum aufzusehen, um die Blicke ihres Mannes und ihrer Kinder zu vermeiden.

Ulli bemerkte nichts, weil sie vor Scheu die Augen nicht aufzuschlagen wagte; sie hatte gar keine Ahnung, daß man Speisen auf verschiedene Weise zu sich nehmen könne; alle Menschen hatten doch nur einen Mund. Niemals war sie bei den Mahlzeiten auf Anstand aufmerksam gemacht worden; ihr Vater hatte ihr teilnahmlos gegenüber gesessen, seine Tochter war ihm zu gleichgültig gewesen, um wegen ihrer Erziehung ein Wort zu verlieren. Im Gegenteil, da sie jetzt kein Lachen vernahm, glaubte sich Ulli ganz korrekt benommen zu haben.

Die Tante aber verschob die Ermahnungen für den nächsten Morgen; sie fühlte sich von den Erlebnissen dieses Tages schon vollständig erschöpft.

* * *

Leonie und Gabriele hatten wöchentlich mit einigen Freundinnen ein Kränzchen, wo abwechselnd einmal Französisch, einmal Englisch gelesen und gesprochen wurde; war Englisch an der Reihe, so präsidierte Miß Kirk; an dem französischen Tage fand sich die französische Gouvernante der Komtesse Büren ein.

Dieses Kränzchen, und zwar das englische, fand nun an diesem Nachmittage statt. Frau von Holder überlegte sich auf ihrer Chaiselongue, daß sie sich nicht stark genug fühle, Ulli in den Kreis der jungen Damen einzuführen; daß sie es ebensowenig vertragen würde, sich mit ihr zu unterhalten, und daß sie doch auch das arme Kind nicht den ganzen Nachmittag allein in ihrem Stübchen sitzen lassen könnte. »Am Ende finde ich sie dann im Pferdestall beim Kutscher,« dachte sie und beschloß, da Mantel und Hut für Ulli angekommen waren, sie mit der Jungfer in die Stadt zu schicken. Die Jungfer erschien als keine ganz passende Begleiterin; aber die Bonne hatte ihre Erkältung noch nicht überwunden. »Von zwei Übeln muß man das kleinste wählen,« dachte Frau von Holder und gab die nötigen Befehle.

Sie hatte keine Vorstellung, welch ungeahnten Genuß sie Ulli bereitete.

Ulli kannte keinen andern Laden, als denjenigen des kleinen Krämers im Dorfe Wolfshagen. Einigemal in ihrem Leben war sie allerdings an der Hand Susannes auf dem Markte des Städtchens gewesen; ein solches Ereignis bildete in ihrer Erinnerung eine Grenzmarke: die Erlebnisse wurden eingeteilt in die vor, und in die nach diesem Marktgange. Allerdings träumte Ulli stets von wunderbaren Reichtümern und Feengeschenken. Aber wie weit übertraf die Wirklichkeit diese Träume!

»Ulrike,« hatte die Tante gesagt, als Ulli angezogen vor ihr stand, »die Jungfer ist eine anständige Person, aber keine Dame; vergiß das nicht. Mit Domestiken führt man keine Unterhaltungen.«

Diese gute Lehre war schon bei dem ersten Schaufenster vergessen. Die Jungfer trug Hut und Mantel wie eine Dame; sie wurde für Ulli zu einer sehr unterrichteten Gefährtin, denn sie vermochte auf Ullis hundert Fragen stets eine Auskunft zu geben. Auf der Hauptstraße nahm Ulli auch ihren Arm, denn der Lärm und das Gedränge auf der Straße verwirrten sie.

»Ich bin hin,« erklärte am Abend die Jungfer ihrem Küchenauditorium. »So 'ne Strapaze mache ich nicht noch einmal durch. Meiner Baroneß stand der Mund nicht still. Von ihrem ewigen Gefrage bin ich ganz heiser geworden; die wollte ja nicht mehr als alles wissen. Na, wo die zu Hause ist, muß nicht viel los sein, hier weiß jedes Kind mehr. Im Scholzeschen Cigarrenladen hat sie den Türken für einen ausgestopften Menschen gehalten und war ganz närrisch vor Bewunderung; ich habe gar nicht gewußt, wie ich sie wieder fortbringen sollte.«

Arme, unwissende Ulli! Ein kleiner hölzerner buntangemalter Türke vermochte sie noch vollständig zu bezaubern, und ihre Phantasie, die wie ein wilder ungehemmter Strom hervorschoß, malte ihr sofort ein Land mit lauter solchen kleinen Türken aus, obwohl sie von den Liliputanern nie etwas gelesen hatte.

Je mannigfaltiger sich die hell erleuchteten und reich geschmückten Gewölbe aneinander reihten, je mehr wuchs Ullis Bewunderung; alles war ihr neu, fremd, staunenswert. Die Jungfer gab es fast auf, jemals die Augustusbrücke zu erreichen.

Als Ulli aber endlich die Brücke betrat, glaubte sie wirklich ein Märchen aus Tausend und eine Nacht zu erleben! »O wie schön!« rief sie und ihr Ausdruck wurde strahlend, wie der eines Kindes vor dem Weihnachtsbaume.

Zu ihren Füßen rauschte dumpf der schwarze Elbstrom, und darüber hastete der Menschenstrom hinüber, herüber; dazwischen Wagen an Wagen in zwei langen Reihen.

Am jenseitigen Ufer trat ihr links der dunkle Terrassenwall entgegen, oben wie unten mit einer Lichterreihe wie mit goldenen Fransen verziert; rechts aber schimmerte das Helbigsche Restaurant im hellsten Lichterglanze, der durch den Wiederschein im Wasser noch verdoppelt wurde. Dann betrat Ulli den herrlichen Platz; vor ihr in ernstem Schweigen lag der königliche Palast, rechts die katholische Kirche, deren Galerie mit den dunkeln Gestalten sich von dem Nachthimmel abhob, und nach der andern Seite stieg die breite Treppe zu der Brühlschen Terrasse auf, mit Schillings unsterblichen Bildwerken geschmückt.

Ullis Augen schienen sich zu vergrößern, ja ihre Seele selbst dehnte sich gleichsam aus, um alle die auf sie einstürmenden Eindrücke aufzunehmen.

»Auf dem Schloßplatze,« berichtete die Jungfer am Abend, »wurde es aber gefährlich; denn vor lauter Staunen sah und hörte mein Fräulein nichts mehr von Wagen und Menschen. Gefreut hat mich's aber doch, daß das Fräulein so auseinander gewesen ist und ein Mal über das andre geschrieen hat: ›Ach wie schön!‹ Wenn man so 'was alle Tage sieht, merkt man von der Großartigkeit gar nichts. Ich habe mich nur immer gewundert, warum soviel Fremde herkommen; aber heut' habe ich gedacht: ›Nein,‹ hab' ich gedacht, ›Dresden ist wirklich eine sehr schöne Stadt.‹ Dann passierte aber die unangenehme Geschichte mit dem jungen Herrn und ich kriegte von der Gnädigen meinen Text.«

Diese unangenehme Geschichte hatte auf der Wilsdrufferstraße gespielt, wo die Jungfer in einen Konditorladen trat unter dem Vorgeben, sich etwas gegen die Heiserkeit geben zu lassen; in Wahrheit aber, um schnell ein Stück Kuchen zu verzehren, während sie die arglose Ulli draußen warten ließ.

Ulli war damit sehr zufrieden, denn sie wurde nicht müde, die mannigfaltigen und anziehenden Gegenstände der Auslage zu betrachten. Plötzlich wurde sie angesprochen.

»Das sind schöne Sachen für eine Naschkatze, nicht wahr, Cousinchen? – Darf ich dir einige Bonbons kaufen?«

Ulli erkannte die Stimme gleich wieder; es war die ihres Vetters Eduard, der sie einen »kolossalen Backfisch« geschimpft hatte. Er war in Begleitung eines Freundes, der Ulli durch seinen Klemmer spöttisch lächelnd betrachtete. Sie merkte, daß dieser die Geschichte von dem Handkuß erfahren habe, und war empört, der Gegenstand des Spottes dieser jungen Herren zu sein; sie war mehr zornig als verlegen, blickte Eduard mit ihrem finstersten Blicke an und sagte: »Von Ihnen würde ich gar keine Bonbons annehmen.«

Sie war der Meinung, das sei eine recht großartige Antwort, während es doch nur eine unhöfliche war. Anstatt, wie sie gehofft, sich darauf zu entfernen, entgegnete Eduard: »Du bist zwar nicht gerade sehr ermutigend für meine Aufmerksamkeit, Cousinchen; indes kann ich dich doch nicht verlassen, ohne dich zu fragen: wie kommst du ganz allein hierher?«

Ulli wurde der Antwort enthoben, denn die Jungfer trat aus dem Laden, und als sie den jungen Herrn gewahrte, war es ihr klar, daß, wenn sie nicht klug wäre, ihre Naschhaftigkeit unangenehme Folgen haben könnte; sie beschloß deshalb, Ulli für ihr Vergehen leiden zu lassen.

»Aber, gnädiges Fräulein,« rief sie vorwurfsvoll und that nicht, als bemerke sie die jungen Herren, »warum sind Sie mir denn nicht in den Laden gefolgt? Ich denke immer, Sie stehen hinter mir. Na, die gnädige Frau wird sich schön wundern, wenn sie hört, was Sie wieder angestellt haben.«

»Die gnädige Frau wird Ihnen die Baroneß jedenfalls nicht ein zweites Mal anvertrauen,« mengte sich Eduard ein. »Wie können Sie wagen, die junge Dame ganz allein auf der Straße stehen zu lassen? In jedem Fall ein durchaus unpassendes Benehmen.«

»Ich habe ihr ja nur ein paar Bonbons gekauft; sie nascht so gern,« entschuldigte sich die Jungfer so leise, daß es Ulli nicht hörte. »Ach bitte, gnädiger Herr, Sie werden doch das Fräulein nicht verraten.«

Da ihr kein bestimmtes Versprechen darüber wurde, sondern Eduard sich mit seinem Bekannten entfernte, beschloß die Jungfer, eine Droschke zu nehmen, um vor Herrn Eduard das Haus zu erreichen.

Ulli saß in finstere Gedankenversunken im Wagen; sie schwor ihrem Vetter, der nur vorhanden schien, um sie zu beleidigen, Rache; wenigstens wollte sie nie mehr ein freundliches Wort mit ihm reden.

Unterdes hatte die Jungfer die Düte geöffnet und bot an. Selbst mit Rachegedanken kann man Bonbons nicht ausschlagen, und Ulli fand sie trotz der Bitterkeit ihrer Gefühle gegen den Vetter sehr lieblich.

In dieser Nacht träumte sie von einem Zaubergarten, worin die Blumen Gasflammen waren, wo auf den Bäumen Spielsachen wuchsen und an Rebgeländen Zuckerwerk hing. Der kleine Türke wollte Bonbons für sie abpflücken; aber er war leider zu kurz geraten, vergeblich streckte er die Ärmchen aus und sprang in die Höh', die Süßigkeiten hingen für ihn zu hoch. Da hörte Ulli ein schadenfrohes Gelächter, und hinter einem Busche kam Eduards Gesicht zum Vorschein. »Kolossaler Backfisch!« rief er ihr höhnend zu; darüber wachte sie vor Schreck und Ärger auf.


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