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VII.

Thilo Rodenheim hatte einen bewegten Winter. Bis dahin war Adele eine heiter gefällige Gefährtin gewesen. Er hatte sie verwöhnen dürfen, wie ein so gutmütig verliebter Mensch wie Thilo nur eine Frau verwöhnen kann; sie hatte das gemeinschaftliche Programm ihrer Tage so vergnüglich ausgestattet, als es nur wieder eine dafür so begabte Frau wie Adele imstande war; schließlich hatte sie seine Zärtlichkeiten über sich ergehen lassen in einem passiven Gleichmute, jenachdem auch, wenn es ihr grade anstand, erwidert, ungefähr wie jemand einen Postavis unterschreibt, weil es nun einmal Brauch und Gesetz ist, daß man so sein bestimmtes Kollo empfängt. Thilo war Mann genug, den thatsächlichen Besitz einer Frau als das erste Erfordernis seines ehelichen Glückes zu schätzen. Da niemals ein ungestilltes Verlangen seine Begehrlichkeit nach des Lebens Gütern verschärft, noch eine unerfüllte Sehnsucht sein Denken über den Normalzustand hinausgetrieben hatte, war er vollkommen zufrieden und hätte geschworen, seine Frau und er seien das glücklichste Paar unter der Sonne!

Nun hatte sich plötzlich die Sache gewandelt; er und niemand konnte Adele etwas recht machen. Sie gingen mehr aus als sonst, die junge Frau fand es polizeiwidrig langweilig daheim; sie kam aber auch nicht vergnügt von den Gesellschaften zurück. Und wenn sie der Welt gegenüber die heitere Miene einer liebenswürdigen Gattin festhielt, im Hause folgte sie immer mehr der sich in ihr steigernden Stimmung, war erregt, launisch, unzufrieden, übermütig, unfreundlich. Der gute Thilo, der keine Ahnung von den mannigfachen Fäden hatte, wie sie Stimmungen und Verstimmungen verweben, konnte nicht anders denken, als seine Frau sei krank; er fragte den Arzt. Der war ein kluger Mann und meinte, es gäbe im Frauenleben öfter solche elektrische Zustände, die schlimmer aussähen, als sie seien; eine lösende Krisis werde schon kommen.

Thilo, dem im Grund noch nie etwas quer gegangen war, legte sich auch diesen Ausspruch in seiner Weise zurecht; übte mit der heitersten Miene Geduld; sagte freundlich ja, wo er am liebsten nein gesagt hätte; gab nach, wo er hätte wehren sollen.

Heute nun: – der Kaffee war gut; die Kinder waren lieb; man hatte gestern einen so netten Abend gehabt! Auch die Schneiderin hatte endlich einmal zufriedenstellend gearbeitet; sie hatten überhaupt so netten Verkehr – sie wollten zu nächstem Freitag bitten, – wenn es ihm recht sei –

Natürlich war Thilo alles recht; vor allem, daß seine Frau zufrieden war; er hoffte im stillen, die Krisis sei schon eingetroffen. Er fand es in der Ordnung, daß sie Kanstedt schon eingeladen habe, weil er heute doch Besuch machen gewollt, auch, daß er Besuch bei ihnen machte – man traf ihn so oft. Verträglich, wie lange nicht, setzten sie die Gesellschaftsliste zusammen auf.

Gewiß, er wollte auch die Rosen-Arrangements kommen lassen, sofort darum schreiben – Adele hatte in einem französischen Blatte gelesen, daß auf einer Abendgesellschaft bei einer Marquise de Lany in Paris Trauben und Rosen von den zu Lauben gewandelten Wänden des Boudoirs gepflückt worden waren. Es sei etwas kostspielig, erklärte die junge Frau, aber es sei so apart; ob es ihm nicht auch Vergnügen machen würde, seine Gäste mit etwas Apartem zu überraschen? – Natürlich machte auch dies Thilo Vergnügen, zumal seine angebetete Frau Rücksicht auf seine Wünsche nahm.

Vergnügt den Walzer aus »Nanon« pfeifend, nahm Thilo seinen Weg in die Kaserne, – er mußte in der Schwadron reiten lassen.

Thilo war ein herzhafter Soldat: heute aber hatten die Rekruten es sehr behaglich; ihr Lieutenant war in rosigster Laune, die auch ihnen zugute kam.

Als Thilo nach Hause kam, war die Scenerie bitter anders geworden. Schluchzend lag Adele auf der Chaiselongue, die Jalousieen waren geschlossen, sie konnte das Licht nicht sehen; die Kinder waren weit ab von ihrem Zimmer weggebracht; jedermann ging auf den Zehen. So ging auch Thilo auf den Fußspitzen zu ihr hinein.

Er streichelte ihre Hand, sie wies ihn zurück; – ob er absagen lassen sollte? Ja, sie wollte niemand bitten! – Doch, nein erst recht; es sollte brillant werden, sie wollte sich amüsiren wie nie! – Sie wollte auch ein neues Kleid noch bestellen; – Die junge Frau sprang auf; ihre Wangen röteten sich, die Augen blitzten, und er, oh er müsse ihr einen Schmuck kaufen, kostbarer als ihn gestern die Gräfin Berg getragen. –

Diesmal verwünschte Thilo die Launen seiner Frau, mit dem Fuß stampfend, im stillen; doch er war gutmütig:

»Hast du etwa darum den ganzen Rummel mit Thränen und Migräne angestellt, Dela?« fragte er schon wieder versöhnlich. »Was ist denn das?« – Damit hatte er ein Papier vom Boden genommen, das ihr eben entfallen schien:

»Kanstedt kommt nicht –.«

Adele erschrak – Thilo war arglos – sie aber mußte jetzt vorsichtig sein! Es kostete ihr nur einen Augenblick Ueberlegung, dann lächelte sie schon:

»Ich kann es einmal nicht vertragen, wenn mir jemand ›über‹ kommt; noch dazu solch kleine, häßliche Person!«

Diesmal verging dem Gatten jedes Lachen.

»Das konntest du billiger haben,« erklärte er fast heftig. »Du weißt, was in meinen Kräften steht, geschieht für dein Glück!«

Ohne daß sie es wollte, krümmten sich die Lippen in bitterm Hohn; sie zuckte die Schultern und wandte sich ab – er aber sah ihr traurig nach in seiner ehrlichen, treuen Liebe. Dann freute er sich kindlich, daß ihm zur rechten Stunde der Vater gestern drei tausend Mark zu einem Extravergnügen geschickt hatte. – Freilich – die Rosencoulissen allein kosteten schon schmähliches Geld – doch es muß sich machen lassen, damit brachte er jede peinliche Empfindung zur Ruhe. –


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