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Vierzehntes Kapitel.
Hausstand

Das junge Paar verlebte seine Flitterwochen auf der Insel Wight. Goring mietete ein Segelboot und sie waren mehr als die Hälfte des Tages auf dem Wasser, obwohl Peggy an diesem »Vergnügen« fast zu Grund ging. Sie war immer seekrank und fürchtete sich obendrein gräßlich, wollte aber ihrem Abgott seine Freude nicht verderben und saß stundenlang zusammengekauert unter dem nassen Segel, nichts als Wasser vor und in den Augen. Daß sie dabei in dem durchnäßten Lodenkleidchen und dem zerknüllten Strohhut ziemlich kläglich aussah, entging Goring allerdings nicht und er erinnerte sich sogar der Bemerkung, eines Kameraden, Segelfahrten in den Flitterwochen stifteten lebenslänglichen gründlichen Haß für die Ehe, allein er selbst fühlte sich in seinem Südwester, innerlich erwärmt durch einen gelegentlichen Schluck aus der Cognacflasche, ganz wohl, und die Vorstellung, daß Peggy je etwas andres für ihn fühlen könnte als Anbetung, war ja abgeschmackt.

Armes Kind! Trotz Todesangst und Uebelkeit gab sie immer heitere Antworten, wenn er sie anredete, und mühte sich, das blasse Gesichtchen zu einem Lächeln zu verziehen. Nach und nach gewöhnte sie sich auch mehr an diese Lebensweise, schnappte einige nautische Ausdrücke auf, lernte einen Wimpel von einem Segel, den Anker vom Kompaß, die Segelstange von den Backen unterscheiden und gewann sich die Herzen der Matrosen!

Schließlich nimmt ja alles ein Ende, auch der Urlaub, und Peggy sah mit geheimem Frohlocken dem Abschluß der Flitterwochen entgegen – endlich wieder festes Land unter den Füßen, ein Heim, das eigene sogar, die Möglichkeit, zu essen und ihrem Charlie bei Tisch gegenüber zu sitzen, was gegenwärtig ganz außer Frage war!

An einem nebligen, trübseligen Abend in den letzten Septembertagen wurden die Namen von Hauptmann Goring und Frau in die Schiffsliste des Postdampfers nach Kingstown eingetragen. Peggy wußte, was der Kanal leistet, aber was die irische See vermag, wenn sie schlechter Laune ist, das wußte sie noch nicht, und wohl nie mochte ein kläglicheres Geschöpf die Leiter hinabgeklettert sein, als Frau Hauptmann Goring bei der Ankunft in Kingstown.

In dieser Verfassung wurde sie erst dem Schnellzug und dann einem irischen Jarvey Offener zweirädriger Wagen. Anm. d. Uebers. überantwortet. Ein energischer Kutscher und ein ältliches Vollblut, das ihm fast die Zügel abriß, wirbelten sie durch ziemlich menschenleere Straßen, haarscharf um alle Ecken und hielten mit einem Ruck, der die Insassen um ein Haar aufs Straßenpflaster befördert hätte, vor einem hohen düsteren Haus, das nicht allzu fern vom vornehmen Stadtviertel gelegen war. Nr. 70 der Oberen Bourkestraße wurde unfehlbar an Offiziere vermietet, und da diese immer nur Zugvögel waren, für einen verheirateten Offizier überhaupt alles gut genug ist, hatte man sich Tapezieren, Tünchen und allen derartigen Luxus seit lange darin erspart. Nr. 70 war für Kasernen- und Geselligkeitszwecke günstig gelegen, für eine kleine Familie praktisch, denn es waren immer nur zwei Zimmer auf jedem der vier Stockwerke. Die Halle und die Treppe waren äußerst schmal, und die Besitzerin fand es höchst überflüssig, Geld darauf zu verwenden.

Um diese frühe Morgenstunde machte Nr. 70 gerade keinen verlockenden Eindruck, und der jungen Frau kam es vor, als ob der Hof mit Grabsteinen gepflastert wäre! Nach dreimaligem Klingeln wurde die Hausthüre behutsam geöffnet von einer umfangreichen ältlichen Dame, die ihre bloßen Füße keusch hinter der Thüre verbarg, im übrigen mit einem kurzen gestreiften Unterrock und einem Cape bekleidet war und sich als die Köchin vorstellte.

»Ach du liebe Zeit! Hab' geglaubt, es wär' die Milch!« lautete die Begrüßung. »Hat ja doch kein Mensch denken können, daß Sie so früh kämen, wo das Haus ›drüber und drunter‹ ist. Meinen Sie nicht, es wäre besser, Sie gingen erst in ein ›Ristorant‹, und für heut abend wollt' ich dann schon was kochen.«

»Fällt uns gar nicht ein,« erklärte Goring, sich an ihr vorbeidrängend und seine Reisedecke auf einen Stuhl werfend. »Warum ist kein Frühstück fertig? Wie können Sie sich unterstehen, so lang zu schlafen? Hat Ihnen Frau Catchpool nicht gesagt, daß wir kommen? Wo zum Kuckuck sind denn die andern Leute?«

»Du liebe Zeit, Herr Hauptmann, die waren gestern nacht auf dem Ball und schlafen jetzt aus!«

»Trommeln Sie gütigst die Herrschaften heraus oder ich werde ihnen Füße machen!«

Die Köchin starrte ihn ungläubig an und watschelte dann wie eine fette Ente davon.

»Ein gemütlicher Willkomm, Peg!« sagte Goring, nachdem er den Kutscher abgelohnt und entlassen hatte. »Komm jetzt nur herein und setze dich« – er führte sie in das schmale Vorderzimmer und riß einen Laden auf – »aber du sollst schon sehen, wir bringen's bald zurecht.«

Peggy sank hilflos auf einen Stuhl. Die Seekrankheit, die Droschkenfahrt und der Anblick dieser Köchin hatten ihre Kräfte völlig erschöpft.

»Gar nicht übel,« bemerkte Goring, sich mit Wohlgefallen umsehend. »Gibt ein ganz nettes Nest für mich – das Eßzimmer ist jedenfalls hier,« setzte er, eine Schiebthüre öffnend, hinzu. »Jawohl, mit Vorhängen, etlichen Teppichen und Kissen läßt sich da viel machen und ich gedenke hier Gesellschaften zu geben, daß die Leute Mund und Nase aufsperren sollen. Die Verheirateten in diesem Regiment sind fürchterlich philisterhaft, sie fordern einen nie auf, die Füße unter ihren Tisch zu strecken, aber wir werden schon Leben in die Bande bringen. Will sehen, wie du dich mit den Damen abfindest; ich habe mich nie um sie, bekümmert, denn das Leben ist viel zu kurz, als daß man langweilige Leute besuchen könnte. Ei, wer sind denn Sie?«

Ein dunkeläugiges Mädchen, etwa fünfundzwanzigjährig, in zierlichem Kattunkleid, Schürze und Mützchen, war mit fragendem Blick unter der Thüre erschienen.

»Ich bin Lizzie Doran, die Jungfer, Herr Hauptmann, und es thut mir sehr leid, daß wir uns so verschlafen haben. Frau Dogherty sagte, Sie würden nicht vor Abend kommen, und da sind wir zum Tanz gegangen, die Susanne und ich.«

»Schon gut – jetzt tummeln Sie sich aber! Bringen Sie Ihre Herrin auf ihr Zimmer und besorgen Sie ihr Thee und lassen Sie das Gepäck hinaufschaffen. Mein Bursche wird dann gleich kommen – das bitte ich mir aber aus, daß da nichts angebändelt wird!«

»Ich und anbändeln!« rief Lizzie mit dem Ausdruck gekränkter Unschuld. »Glauben Sie, ich hätte nichts Besseres zu thun, als mich mit einem Soldaten abzugeben? Sorgen Sie nur, daß er weiß, was sich schickt, ich weiß es schön, und falls es der grinsende Nußknacker ist, der gestern hier war, würde ich ihn nicht mit einer Feuerzange anrühren.«

»So, so, das genügt! Peggy, soll ich dich hinaufführen?«

»Nein, danke, es geht schon.«

Und Peggy schleppte sich schwankend die Treppe hinauf, von Zeit zu Zeit von Lizzie unterstützt, die ein nettes, gutherziges Mädchen zu sein schien, ihr Hut und Mantel und Stiefel abnahm, sie aufs Bett legte und ihre eiskalten Füße erwärmte. In überraschend kurzer Zeit brachte sie dann eine Tasse heißen Thee und geröstetes Brot.

»Ich weiß, mit der Butter geht's noch nicht, gnädige Frau,« bemerkte sie. »Ich war auch einmal in Liverpool! Aber in ein paar Stunden sind Sie wieder frisch und munter, und jetzt zieh' ich die Vorhänge zu, damit Sie ordentlich schlafen, und einstweilen machen wir das Haus zurecht und sorgen dem Herrn Hauptmann für ein Frühstück.«

Peggy stöhnte nur und Lizzie ging leise ab. Die junge Frau erwachte erst spät am Tag und fühlte sich köstlich erfrischt. Lizzie hatte eine heiße Suppe bereit, packte den Koffer aus und bereitete ein Bad, und als die Gebieterin gestärkt und erfrischt an die Besichtigung ihres Reichs ging, fand sie angenehme Überraschungen vor. Das Wohnzimmer war hell und freundlich, ein knisterndes Kaminfeuer und Blumen und frische Vorhänge machten einen heimeligen Eindruck. Das Sofa hatte zwar keine Federn, die Lehnstühle waren formlos, und der Geschmack vergangener Zeiten offenbarte sich in Wachsblumen und Perlstickereien, die durch Alter und Staub nicht schöner geworden waren, aber auf diesem Gebiete war ja Abhilfe möglich und ließ sich mit Aufstellung ihrer eigenen kleinen Schätze viel erreichen. Da sie weder eine erfahrene Hausfrau, noch ein verwöhntes Mädchen war, gefiel ihr das Haus im ganzen außerordentlich. Die Treppenläufer waren freilich zerschlissen und verblichen, die Spiegel hingen nicht nur schief, sondern gaben auch jedes Bild verzerrt zurück, die Klinke der Eßzimmerthüre blieb ihr in der Hand und eine Speisekammer fehlte gänzlich, aber das waren ja schließlich Kleinigkeiten!

Goring war ins Kasino gegangen, würde aber zu Tisch nach Hause kommen – die erste Mahlzeit im eigenen Heim! Peggy war sehr geschäftig, fand immer noch etwas an dem mit Blumen geschmückten Tisch zu verbessern, obwohl Lizzie alles sehr hübsch gemacht hatte, und wagte sich auch in die Nähe der unheimlichen Köchin, die den Küchenzettel nur so herunterschnurrte.

»Klare Suppe, Seezunge, Hammelbraten, Hund im Wickel ...«

»Hund im Wickel!« wiederholte Peggy entsetzt. »Was ist denn das?«

»Nun, man kann auch gefüllte Omelette sagen.«

»Ach so! Und zum Nachtisch?«

»Nachtisch? Ich habe nie Nachtisch gegeben, außer in Stellen, wo fünf Mädchen und ein Diener waren.«

»Aber schicken Sie uns Kaffee, recht starken Kaffee,« sagte Peggy nach einem ausdrucksvollen Schweigen.

»Kaffee? Herr Towle, bei dem ich zuletzt war, trank nie keinen.«

»Nicht? Der Herr Hauptmann verlangt ihn aber.«

»Selig sind die Anspruchslosen,« brummte die Köchin, während ihre Herrin hinausging, und der Kaffee kam nicht.

Trotzdem verlief die Mahlzeit glänzend, und das Essen war gut. Goring fand es recht hübsch, am eigenen Tisch zu sitzen, gegenüber die strahlende junge Frau.

»Endlich im eigenen Heim, Peggy! Ich hoffe, es wird dir riesig gefallen hier!« sagte er, sein Sektglas erhebend.

Mit seligen Thränen im Auge versetzte sie: »Du weißt, daß ich glücklich bin, wenn du es bist! Und ich will alles aufbieten, dir unser Heim lieb zu machen.«

»Laß dich nur ums Himmels willen nicht unterkriegen von der Köchin, Schatz!«

»O nein! Ich glaube, daß ich mit ihr fertig werde, und die Jungfer ist ein Juwel, so geschickt und gefällig! Aber denke dir, sie kann weder lesen noch schreiben. Das kommt doch nur in Irland vor.«

»Um so besser! Dann sind deine Briefe sicher vor ihr und sie zündet uns nicht das Haus an beim Lesen im Bett.«

»Auch das Hausmädchen scheint flink und anstellig zu sein; zwei nette Mädchen!«

»Hoffentlich findet Collins das nicht auch.«

»Warum soll er überhaupt ins Haus kommen?«

»Weil er meine Uniform, meine Waffen und mein Pferd zu besorgen hat, Kind! Wenn sie nett gegen ihn sind, wird er ihnen auch Messer und Silber putzen. Uebrigens – die Leute brennen, dich kennen zu lernen.«

»O Charlie, sag' nur das nicht – jetzt noch nicht.«

»Heute früh würdest du wohl keinen großen Eindruck gemacht haben – hm? Frau Catchpool, die uns die Wohnung und Köchin besorgt hat, wird nächstens antreten.«

»Wer ist sie denn? Eine Offiziersfrau?«

»Nein, das Glück hat sie nicht! Sie hat einen steinreichen tauben Mann, gibt viel Gesellschaften und geht überallhin. Dich wird sie in alles einweihen, dir namentlich zu Kleidern verhelfen, denn daß Dublin andre Ansprüche macht, als Nieder-Barton, siehst du ja wohl ein.«

»Es kommt mir so vor!«

»Du mußt dir gleich Visitenkarten bestellen, Briefpapier mit der Wohnung, dann müssen wir ein Pianino mieten und etliche anständige Palmen anschaffen.«

»Palmen – wozu?«

»Fürs Wohnzimmer natürlich. Ein Silbertischchen solltest du eigentlich auch haben.«

»Einen Tisch ... aus Silber, Charlie?«

»Nein, du Unschuld vom Lande! Ein kleines Tischchen, wo man allerlei Krimskrams aus Silber aufstellt, das haben jetzt alle Damen.«

»Da müßte ich gerade meine Löffel und Gabeln drauf legen,« rief Peggy lachend, »denn andre Silberschätze habe ich nicht. Machst du morgen Besorgungen mit mir, Liebster?«

»Nein, vormittags habe ich Dienst, aber um drei Uhr fahre ich dich in den Phönixpark und zeige dich der Welt. Dann werden die Besuche herbeiströmen.« In England macht nicht der Neuangekommene Besuche, sondern hat zu warten, ob er besucht wird. Anm. d. Uebers.

Der nächste Morgen verlief in emsiger Geschäftigkeit, denn die junge Frau war entschlossen, sich in ihre kleine Wirtschaft zu stürzen. Leider war sie höchst unerfahren, denn Frau Hanna hatte die hübsche Schwester geflissentlich ferngehalten von der rotgepflasterten heißen Küche. Peggy konnte buttern, Rosen okulieren und ein junges Pferd einfahren, aber vom Einkauf, der Auswahl der richtigen Fleischstücke und dem Haushaltungsbuch verstand sie blutwenig. Als sie in der Küche erschien, hielt ihr die Köchin eine ganze Reihe funkelnagelneuer Bücher hin und eine auf wappengeschmücktes Briefpapier geschriebene Rechnung, deren Betrag für die kurze Lebenszeit dieses Hausstandes erstaunlich war.

»Sechs Flaschen Porter?« las Peggy.

»Ja, für die Kohlenfrau, die harte Arbeit hatte, und den Kaminfeger.«

»Zündhölzchen, Seife, Soda,« laß Peggy weiter. »Ein Glas Kümmel, ein Glas Kornbranntwein?«

»Jawohl, gnädige Frau, den Kümmel zum Fensterputzen, den Kornbranntwein für die Thürklinken – gibt nichts, was so blank macht.«

»Und manchen Leuten schmeckt nichts so gut,« brummte Lizzie, die eben mit einen Theebrett hereintrat.

»Ich habe noch nicht viel Erfahrung,« räumte die jugendliche Gebieterin ein, »und kann nicht recht beurteilen, was Sie verbraucht und bestellt haben, werde mir aber Rats erholen.«

»Das können Sie bei niemand besser als bei mir, gnädige Frau, ich hab' Erfahrung gerade genug! Der Sünde fürchten würd' ich mich, auch nur eine einzige Kartoffel zu viel zu verbrauchen, und was meine Herrschaften sind, so hab' ich nur bei den feinsten Familien gedient, wie meine Zeugnisse ausweisen.«

»Kaffee haben Sie uns gestern nicht gemacht,« bemerkte Peggy, plötzlich allen Mut zusammenraffend.

»Nein, und da will ich auch keine Ausrede nicht brauchen, der ist mir rein aus dem Sinn gekommen.«

»Und in den Mund,« bemerkte Lizzie beiseite.

»Sorgen Sie, daß so etwas nicht wieder vorkommt! Vermutlich ist hier irgend ein Vorratsschrank – bitte, holen Sie mir all die Spezereien, die hier ausgeschrieben sind, daß ich sie mit dem Buch vergleiche, und geben Sie mir dann den Schlüssel.«

»Da ist kein Vorratsschrank nicht und kein Schlüssel,« versetzte die Dame peinlich berührt. »Und überdies habe ich immer überall alles unter der Hand gehabt, denn ich hab' nur in den feinsten Familien gedient, wie meine Zeugnisse ausweisen.«

»Ich möchte aber doch selbst nachsehen.«

Heftiges Klingeln an der Hausthüre.

»Gott du gerechter! Denen läuft wohl ein wütender Hund nach!« grollte Lizzie, aus der Unterwelt emporsteigend.

Nach kurzer Zeit kehrte sie mit der Meldung zurück, daß zwei Damen die gnädige Frau besuchen wollten.

»Es ist doch erst zwanzig Minuten über zehn Uhr,« klagte Peggy mit einem trostlosen Blick auf die Küchenuhr.

»Ja, in Dublin kommen sie oft so gräßlich früh,« belehrte sie Lizzie. »Ich hab' sie in den Salong geführt.«

Da gab's kein Ausreißen und auch zur Ueberlegung war nicht mehr Zeit. – Die ersten Besuche! Langsam und mit klopfendem Herzen stieg Peggy die Treppe hinauf und trat mehr wie ein Kind, das Schelte erwartet, als wie die Dame des Hauses in den »Salong«, wo sie eine große, magere Dame mit hochblonden Haaren und dicken, pechschwarzen Augenbrauen vorfand, die in einem Schneiderkleid, französischer Toque mit weißem Schleier mitten im Zimmer stand, und deren wundervolle leuchtende Gesichtsfarbe die arglose Peggy geradezu entzückte. Mit ausgestreckten Händen kam sie auf die junge Frau zu.

»Ach, meine liebe Frau Goring, entsetzen Sie sich nur nicht, daß ich so unmenschlich früh komme! Aber als alte Freundin Ihres Mannes darf ich mir schon etwas herausnehmen, und ich wollte Sie doch zu allererst begrüßen und fragen, was ich Ihnen helfen kann.«

»Sehr, sehr gütig,« erwiderte Peggy, »und ich werde Ihnen sehr dankbar sein für einige Anleitung.«

»Erst will ich Ihnen aber meine Cousine vorstellen – Fräulein Augusta Little, unter Freunden ›Gussie‹ genannt. Merken Sie sich, daß Sie von uns beiden keine ohne die andre einladen dürfen!«

»Bis man mich unter die Haube gebracht hat, heißt das,« bemerkte das Fräulein, Peggys Hand wie ein Schraubstock pressend.

Sie war ein zierliches Dämchen mit funkelnden dunkeln Augen, einer breiten Stumpfnase und wunderschönen Zähnen; ihr besonderer Ruhm bestand darin, daß in ganz Dublin niemand so laut lache wie sie. Peggy fand sie ganz bezaubernd in ihrer knallenden Herbsttoilette.

Sie selbst machte auf die Damen mit ihrem lieblichen, schüchternen Lächeln, der kindlichen Einfalt und der frischen, rosigen Haut den günstigsten Eindruck. Diese Unschuld vom Lande an sich zu fesseln, als vertrauteste Freundinnen dieses jungen, arglosen Geschöpfs aufzutreten, konnte den etwas trüb gewordenen Schimmer eigener Jugend und Tugend nur erhöhen. Frau Catchpool war die Gattin eines bedeutend älteren, wohlhabenden Kaufmanns, der sehr taub war und neben dem Geschäft nur eine Leidenschaft hatte, das Sammeln alter Stiche und Silbergeräte. Sie besaß ein schönes Haus, sah sehr viele Leute bei sich und kleidete sich außerordentlich auffallend. Mutterwitz hatte sie und ein scharfes Auge für alle geistigen und körperlichen Gebrechen und Mängel ihrer Mitmenschen; sie konnte eine ganze Gesellschaft in Atem erhalten: Gegen ihren Ruf war nichts Bestimmtes einzuwenden; sie wurde auch im Schloß empfangen, und doch hielt die wirklich gute Gesellschaft sich von ihr fern, weil sie für rücksichtslos, unfein und gewaltthätig galt.

Frau Catchpools kleine Soupers waren für Klatsch, Ausgelassenheit und Spiel berüchtigt. Sie hatte immer mindestens zwei Hofdamen bei sich, die ihren Geschmack und ihre Neigungen teilten, fuhr zu allen Rennen und ließ sich keine Gelegenheit zum Wetten entgehen – auch ein zünftiger »Buchmacher« mit Gemahlin befanden sich in Frau Catchpools Gefolgschaft. Trotz ihrer guten Küche und vielen Einladungen war die Dame allmählich Stufe um Stufe der gesellschaftlichen Leiter herabgeglitten, was zur Folge hatte, daß sie die Lauge ihres Witzes hauptsächlich über frühere Freunde ergoß. Sie hatte anfangs geglaubt, eine hübsche, wohlhabende, gut gekleidete Frau, könne sich in Dublin alles erlauben, und das war ein beträchtlicher Irrtum gewesen. Anfangs hatten ja ihre Absonderlichkeiten der Gesellschaft Spaß gemacht, bald aber hatte sich das Blatt gewendet; statt, wie sie gehofft hatte, dadurch tonangebend in den besten Kreisen zu werden, setzte man ihr den Stuhl vor die Thüre.

Sobald sie dies erkannt hatte, ließ sie jede Rücksicht fallen. Neuerdings war sie aber ihrer allerdings freien, aber isolierten Stellung müde geworden und machte verzweifelte Anstrengungen, wieder Boden zu gewinnen. Sie war unermüdlich in Besuchen bei Neuangekommenen, diese wurden aber von anderer Seite unfehlbar gewarnt und begnügten sich, ihren Besuch durch Karten zu erwidern; ihre verlockendsten Einladungen wurden höflich, aber bestimmt abgelehnt.

Diese junge Frau aber hatte von niemand einen Wink erhalten und mußte auf die »lieben Jungen«, die Frau Catchpools engeren Kreis bildeten, überraschend und fesselnd wirken. So sollte denn Peggy, das unerfahrene, harmlose, schüchterne Landkind, unter Frau Catchpools Flagge in die große Welt gelotst werden.


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