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Einundvierzigstes Kapitel.
In Nieder-Barton

Und du bist also thatsächlich betrübt!« rief Kathleen Hesketh aus, als sie an einem schönen Juniabend mit Peggy den Park von Serlewood durchstrich.

»Ja, Kathleen, ich bin's!«

»Du weißt ja schon, daß ich alles wissen möchte – bitte, sag' mir, warum?«

»Weil –« die junge Witwe blieb stehen und sah ihre Freundin flehend an: »O Kathleen, wie hart du sein kannst!«

»Ja, wenn's sein muß. Das liegt in meiner Natur.«

»Nun denn, weil niemand außer mir ihn betrauert. – Ist das nicht zum Erbarmen?«

»Ja, das ist's. Was für ein ruchlos vergeudetes Leben!«

»Und einst würde ich das meinige für ihn hingegeben haben.«

»Und später hättest du nicht mehr mit ihm leben mögen!«

»Nein, um keinen Preis!« rief Peggy schaudernd.

»Und doch soll der arme Geoffroy zwölf Monate lang warten, bis du das schwarze Zeug abgelegt hast! – Das nenn' ich Widersprüche!«

»Wer ist frei davon?«

»Und Tante Sophie vergeht vor Ungeduld, bis du wirklich ihre Nichte bist. Sie sagte, niemand sei so zu ihrer Nachfolge geeignet wie Peggy; Peggy werde ihre Armen und ihre Tiere versorgen, Peggy solle ihre Spitzen und Diamanten tragen – wahrscheinlich öfter, als sie dazu kam, das arme Ding. Uebrigens höre ich, Goring habe dir sein Vermögen hinterlassen und du habest seine Schulden bezahlt? Das muß eine nette Arbeit gewesen sein!«

»Wirklich nett, wenn man das Geld dazu hat. – Den Rest habe ich den Londoner Spitälern zugewiesen.«

»Bitte, wer ist denn die Frau am Parkthor?« rief Frau Kathleen. »Das Gesicht kommt mir so bekannt vor!«

»Du kennst es auch – es ist Lizzie, meine Jungfer, jetzt Frau Collins. Geoffroy hat den Vorschlag gemacht, ihn als Wildhüter anzustellen, er ist sehr brauchbar.«

»Nun, da hat ja deine Lizzie eine gute Partie gemacht. Guten Abend, Frau Collins, wie geht es Ihnen?«

»Großen Dank, gnädige Frau, ausgezeichnet. Gnädige Frau befinden sich wohl?«

»Ach, Sie haben ja ein Kleines!« rief Frau Hesketh, in das offenstehende Pförtnerhaus blickend.

»Jawohl, gnädige Frau, sie schläft jetzt eben. Heißt Margarete Sophie nach meiner früheren Herrin und Fräulein Serle. Ihre beiden jungen Herren haben viel Spaß mit ihr.«

»Meine Jungen? Um Gottes willen, lassen Sie die Kleine nicht in deren Hände fallen!« rief die eigene Mutter besorgt.

»Keine Angst, gnädige Frau, kenne ja die jungen Herren.«

»Kathleen, die Glocke zum Thee,« unterbrach sie Peggy.

»Ach, das wird die Katzentischglocke sein,« meinte Kathleen, worauf beide Damen Frau Collins freundlich zunickten und umkehrten.

»Ich muß sagen, ich hätte Serlewood kaum wieder erkannt,« bemerkte Frau Hesketh im Weitergehen. »Du hast's wie mit einem Zauberstäbchen verwandelt.«

»Irische Uebertreibung!« warf Peggy ablehnend hin.

»Doch. Tante Sophie hast du von einer trübseligen Greisin in wollenen Tüchern mit einem falschen Scheitel in eine reizende alte Dame verwandelt, die mit der Jugend fühlt und alles Schöne empfindet. Die Gärten, die sonst als Simnons Privateigentum verriegelt und durch Unkraut vor uns gesichert waren, stehen uns offen; aus der alten Leichenkutsche hast du reizende Viktoria- und Coupéwagen gemacht. Du bist eine Fee, Peggy!«

»Falls du Erwiderung deiner Artigkeiten erwartest ...«

»Ich verzichte darauf. Die beiden bösen Fabeldrachen, Pulsifor und Darling – was ist denn eigentlich aus denen geworden?«

»Danke für die Nachfrage. Ehrwürden Pulsifor ist ziemlich munter, wenn ihn die Gicht nicht gerade plagt. Er lebt mit einer Großnichte in einem netten Haus im Dorf und wird an schönen Tagen im Fahrstuhl – natürlich stammt dieser von Fräulein Serle – hierhergebracht, dann humpelt er an einem Stock herum und hält Musterung über den Haushalt, das Silber vor allem.«

»Er muß uralt sein!«

»Freilich, und letzten Sommer wäre er um ein Haar vor Alteration gestorben. Wir hatten nämlich mit deinen Jungen in der Halle Croquet gespielt, weil's für Tante Sophie draußen zu feucht war, und den Spielplatz mit Notenheften abgegrenzt. Dieser Greuel griff ihn dermaßen an, daß wir ihm Cognac geben und ihn mit Branntwein einreiben mußten, und er sagte dann, danach werde ihn nichts mehr wundern, auch nicht, wenn er Fräulein Serle radfahren sehen sollte!«

* * *

Whiting, General Pollard und Major Kinloch hatten sich abermals zum Fischen im ›Weißen Hund‹ in Nieder-Barton zusammengefunden. Das ›Hotel‹ hatte sich in den fünf Jahren nicht wesentlich verändert, selbst die häßlichen rosa Blumenvasen hatte das Schicksal, wahrscheinlich aus Heimtücke, verschont.

Frau Banner hielt Verschönerungen der Einrichtung auch nicht für nötig, denn um Damen war es ihr ja nie zu thun, sie hat männliche Gäste unendlich lieber; jetzt aber beherbergt sie ausnahmsweise doch Damen unter ihrem Dach, und zwar Fräulein Serle mit ›Peggy Summerhayes‹, wie sie die Frau Major Kinloch beharrlich nennt, und einer geschäftigen Jungfer.

Es ist wieder Mai und Nieder-Barton wieder ein lieblicher Fleck Erde mit blühenden Weißdornhecken und duftenden Fliederbäumen, unter denen das alte Nest so träumerisch daliegt, als ob es seit der Ritterzeit einen Dornröschenschlaf schliefe.

Fräulein Serle und Peggy haben bei Travenors unter dem großen Nußbaum im Garten Thee getrunken in Gesellschaft der rührigen, rundlichen Hausfrau, die Hannas Posten wirklich vortrefflich ausfüllt und jetzt dem alten Fräulein ihre Milchkammer zeigt. Fräulein Serle ist natürlich entzückt von allem, was sie sieht, und schwärmt für das echte, wahre, einfache Landleben, das sie umgibt. Für Peggy ist das nichts Neues und sie wandert mit dem etwas gichtbrüchig gewordenen Rory hinaus auf die Wiese, wo man zum Fluß hinuntersieht, und blickt, die Augen mit der Hand beschattend, nach irgend jemand aus.

Nach kurzer Frist sieht sie denn auch drei Gestalten wie kleine Tupfen in der lichten, ihr so vertrauten Landschaft auftauchen und ihre lichte, schlanke Gestalt wurde von unten bemerkt, denn bald darauf ist ihr Gatte an ihrer Seite, während Whiting und der General, in ernste ›Angelgespräche‹ vertieft, ihre bedächtigen Schritte zum »Weißen Hund« lenken.

Frau Banner saß unter der Hausthüre, selbstverständlich in einer ziegelroten Bluse, die immer erneut wurde, und selbstverständlich mit einer Häkelei in der Hand. Sie hatte sich herausgesetzt, um ein wenig Luft zu schöpfen und Umschau zu halten, nachdem ihre Küche besorgt war, und mit Befriedigung sah sie ihre beiden Stammgäste herannahen, während ihr das andre Paar, das sie über den Hügel dahinschlendern sah, einige Sorge machte. – Sollten Kinloch und Peggy am Ende die Essensstunde vergessen haben? Hübsch sahen sie aus da oben, obwohl sie Goring noch hübscher gefunden hatte, dafür bezahlte aber Major Kinloch seine Rechnungen und störte die Hausordnung nie, was sehr dafür sprach, daß er doch der bessere von beiden war. Merkwürdig – wenn sie sich's recht überlegte, so hatte sie gerade an dieser Stelle den beiden Herren zuerst von Peggy Summerhayes erzählt, und nun war Peggy die Witwe des einen geworden und die Frau des andern.

Major Kinloch und seine Frau konnten sich nicht losreißen von der schönen Abendbeleuchtung und dem Schauplatz ihrer ersten Begegnung, als plötzlich ein großes Mädchen von etwa siebzehn Jahren mit einem Armkorb an ihnen vorüberrannte, sie freundlich angrinste und weiter lief.

»Das ist ja Maggie Jeal!« rief Peggy. »Wie groß sie geworden ist!«

»Und Brot scheint sie auch wieder zu holen. Gerade heute vor fünf Jahren hast du den Botengang für sie gemacht.«

»Ja, aber nicht in diesem Tempo,« meinte Peggy lachend.

»Gott sei Dank, nein, du ließt dir Zeit. Eigentlich bin ich dieser Maggie unbegrenzte Dankbarkeit schuldig, denn sie hat unsre Bekanntschaft vermittelt.«

»Ja, wenn sie auf ihr Brüderchen aufgepaßt hätte, statt ins Blaue zu starren, wäre ich vielleicht achtlos vorbeigegangen an dem Unbekannten und ...«

Sie zögerte einen Augenblick.

»Und – woran?« fragte Kinloch, sie an der Hand fassend.

»An meinem Glück.«

 

Ende.

 


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