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3.
Der alte Heinke.

In seinem bescheidenen Stübchen, das aber nicht der Behaglichkeit entbehrt, sitzt der 73jährige Mann, der sein arbeitsreiches Leben fast ganz der einen Herrschaft gewidmet hat. Aber er ruht auch heute nur aus, wenn die Winterstürme gar zu arg wehen, und sein Husten sich wieder einstellt. Sonst beaufsichtigt er noch das Melken mittags und abends, gibt das Futter vom Schüttboden herunter und sieht überall in den Ställen zum rechten. Ist er ans Zimmer gebannt, so ist er gleichwohl nicht müßig, dann arbeitet sein eng mit der Wirtschaft verflochtener Geist, und seine Hand führt den Stift und die Feder, er stellt Berechnungen aller Art auf, die den Ertrag der Felder beleuchten, und zieht Vergleiche zwischen Jetzt und Einst. Kommt man zu einem Plauderstündchen zu ihm, so sitzt der alte Mann im warmen Schlafrock in dem hohen Lehnstuhl, der längst vom Herrenhause zu ihm herüber gewandert ist, und freut sich dankbar »der Ehre«, die man ihm antut.

Seine Gefährtin schläft längst den letzten Schlaf, er wird aus der Herrschaftsküche versorgt und seine verwitwete Schwiegertochter hält ihm die Stube und Wäsche in Ordnung, da die andern Kinder draußen in der Welt ihre Arbeit suchten. Und die Enkelchen kehren oft und gern beim Großvater ein, der ihnen manche gute Lehre fürs Leben gibt, ihnen Geschichten erzählt und manchen Groschen für sie übrig hat.

Das ist das ruhige Ausklingen eines pflichttreuen arbeitsreichen Lebens. Als Kutscher begann Heinke seine Dienstzeit bei der Herrschaft. Seine Zuverlässigkeit, von der strengen, festen Hand seines Herrn gestützt, hob ihn bald zu Größerem empor. Er wurde Großknecht, später Vogt. Durch seine Hand liefen all die Samenkörner, welche dem fruchtbaren Boden in Hoffnung und Glauben übergeben wurden, sein Auge wachte über den Futterrationen der Pferde und Rinder, wie auch über der Wage, welche die Erträge des Gutes dem Händler zuwog.

Er suchte seine Handschrift zu verbessern, übte sich im Rechnen und Buchführen, und seine Notizen und Angaben wurden stets richtig befunden. Die Leute verstand er in einer ganz besonders verständigen Weise zu behandeln und zu erhalten. Seine Herrschaft stand ihm so hoch, daß er überzeugt war, nie und nirgends konnte es jemand besser haben, wie bei ihr, und diese Überzeugung wußte er vielen anderen erfolgreich zu suggerieren.

AIs er längst seine eigene Familie gegründet hatte und mit vielen Fäden in der Gegend verknüpft war, zögerte Heinke doch keinen Augenblick, seiner Herrschaft in eine andere Provinz zu folgen, und alles Jammern der Frau nützte nichts, er blieb seinem Herrn treu. Freilich kamen dann in der Ferne wohl manchmal schwere Stunden, wo er sich seines Opfers bewußt ward, einmal hat er auch dem Drängen der Seinen nachgegeben und ist in die alte Heimat zurückgekehrt, aber nach Jahresfrist ging es mit vollen Segeln zur Herrschaft zurück, und sein Herr erhöhte in der Freude darüber abermals seine Stellung und setzte ihn auf einem der Güter als »Wirtschafter« ein, wo er dann in Treue bis zum Zeitpunkt seiner Pensionierung gewaltet hat. Es hat ihm an äußeren Anerkennungen natürlich auch nicht gefehlt, die Herrschaft sorgte dafür, daß alles, was für so außergewöhnliche Dienste auch von oben herab als Belohnung gewährt wird, ihm gespendet wurde, und stolz trägt Heinke seine Auszeichnungen bei festlichen Gelegenheiten. Aber er und seine Frau blieben schlichte, bescheidene Leute, ohne Ansprüche an äußeren Aufwand. Nur eines wars, was ihr Leben zu verbittern bestimmt schien, die Kindererziehung verstanden sie nicht. Die Söhne sollten höher hinaus, wurden verwöhnt und nicht in allen steckte der gute Kern des Vaters. Aber der alte Bauernspruch: »Jeder schlägt nach seinem Großvater«, bewährt sich hier vielleicht wieder einmal, und all die Treue und Zuverlässigkeit, all die Arbeitskraft und Genügsamkeit kommt in einem der Enkel noch einmal zum Ausdruck. Möchte der Alte das noch erleben, wir wünschen es ihm.

Freilich will ich zum Schluß noch erwähnen, daß Heinke an seinem Herrn ein seltenes Beispiel von Pflichttreue hatte und daß dessen Strenge, bei aller fürsorgenden Güte, ihn in dienstlichen und persönlichen Angelegenheiten hielt und führte. Man hielt damals strenge Zucht, auch bei den besten Leuten.


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