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Das Ende des Verräters

Arnold Hemskerk hatte einen schönen Traum. Nach einer erfolgreichen Jagd lagerte er mit Freund Jan im Urwald. Umgeben vom dichten Rankenwerk der von hohen Bäumen niederhängenden Lianen, blickten sie auf die Erfolge zurück, die ihnen bei ihrer Arbeit zuteil geworden waren, und schmiedeten neue Pläne. Längst war ein Schmelzwerk errichtet; Straßen zogen sich von den verschiedenen Fundstellen durch den Wald zum Fluß, und kleine Frachtschiffe belebten das Wasser. Wieder einmal sah er deutlich das Zukunftsbild vor sich, das er sich auf der langweiligen Fahrt oft in wachen Träumen ausgemalt hatte.

Eine zudringliche Stechmücke rief ihn in die Wirklichkeit zurück. Er schlug die Augen auf und sah sich von dichtem Grün umgeben, doch keinen Menschen in der Nähe.

Langsam kehrte die Erinnerung wieder.

»Das Fiebergift steckte mir schon im Körper; die feuchten Kleider haben die Krankheit wohl nur zum Ausbruch gebracht,« überlegte er, während er in einem wohligen Gefühl sinnend die Augen schloß. »Was hätte ich aber ohne den treuen Jama anfangen sollen?«

Deutlich empfand er, daß er einer großen Gefahr entronnen war. Doch die verschwommenen Einzelheiten, die er sich mit Mühe wieder ins Gedächtnis zurückrief, gaben ihm keine klare Vorstellung der letzten Begebenheiten.

Dabei wurde er vollends wach. Er richtete den Oberkörper auf und betrachtete verwundert das aus belaubten Zweigen gefertigte Dach, unter dem er ruhte.

»Jamas Werk natürlich,« dachte er zufrieden. »Doch wo steckt der braune Freund?«

Wiederholt rief er seinen Namen, doch ringsumher blieb alles stumm.

»Von dem heftigen Fieberanfall ist nur noch eine Schwäche in den Gliedern zurückgeblieben; im übrigen aber fühle ich mich recht wohl,« stellte er erfreut fest, als er das schützende Dach verlassen und zur Probe einige Schritte getan hatte.

Als Jama bald darauf zurückkehrte, bekundete dieser rührende Freude über die unverhofft schnelle Genesung. Mit strahlendem Gesicht nahm er den Dank für seine fürsorgliche Pflege in Empfang.

»Herr, nun werden wir bald wieder in Pinang sein,« sagte er zuversichtlich, aber der Ingenieur zuckte nur ungläubig die Schultern.

»Das Fieber kann jeden Tag zurückkehren, denn ich habe kein Mittel, es zu bekämpfen,« erwiderte Arnold Hemskerk, da er Jamas Zuversichtlichkeit nicht zu teilen vermochte. »Wer weiß, wann eine Prau uns mitnehmen wird, und ob uns nicht Wong Tsau mit seiner Gesellschaft auflauert! Vielleicht müssen wir doch noch viel länger im Wald leben, als du meinst.«

»Nein, Herr,«erwiderte Jama mit lachendem Munde, »das brauchen wir nicht. Wenn du gesund genug bist, um es wagen zu können, fahren wir schon morgen auf dem Fluß.«

»Sprich weiter,« drängte Arnold ungeduldig. »Auch wenn ich krank wäre, würde ich lieber im schlechtesten Boot fahren, als in dieser Wildnis bleiben. Wer will uns mitnehmen?«

»Niemand; wir fahren allein.« Mit wichtiger Miene berichtete der Malaie weiter: »Als du gestern schliefst, bin ich zum Ufer geschlichen. Da lag unsere Prau noch im Fluß. Aber als ich heute früh dorthin zurückkehrte, war sie fort. Wohin ist Wong Tsau gegangen? Sicher zu dem Engländer. Dort wird die Prau bleiben.«

»Also können wir dort nicht vorbei, denn unsere Gegner müssen auf alle Fälle zu verhindern suchen, daß wir nach Pinang gelangen. Sicher stellen sie Wachen aus, die ein flußabwärts fahrendes Boot nach uns durchsuchen würden.«

»Das kann wohl sein, Herr; aber nur bei Tageslicht werden sie aufpassen, weil hier auf dem Fluß nachts alle Prauen festmachen.«

»Also müßten wir bei Dunkelheit an der gefährlichen Stelle vorbeizukommen suchen. Geld habe ich in der Eile nicht mitgenommen. Wer wird uns wohl umsonst solchen Gefallen tun?«

.

Aber auch dieser Einwand vermochte nicht das siegesgewisse Lächeln von Jamas Gesicht zu verscheuchen.

»Wir brauchen keine fremde Hilfe,« erwiderte er selbstbewußt. »Ehe die Sonne untergeht, wird ein kleines Floß am Ufer liegen, auf dem zur Not zwei Menschen sich von der Strömung flußabwärts treiben lassen können. Unsere Sitze werden nicht bequem sein und auch nicht trocken; doch das Wasser ist warm. Kommt die Prau in Sicht, halten wir an, bis es ganz dunkel ist, und in der Nacht fahren wir dann in der Nähe des anderen Ufers am Anlegeplatz des Engländers vorbei. Der Mond geht über unserer Seite auf; also bleiben wir im Schatten der Bäume. Erreichen wir so die kleine Pflanzung, die sich ein Europäer an der Flußmündung angelegt hat, dann sind wir in Sicherheit.«

Es bedurfte natürlich keines weiteren Wortes, um Arnold begeistert diesem Plan zustimmen zu lassen. Glück mußte man haben, wenn er gelingen sollte; doch da kein anderer Weg Rettung verhieß, war er sogleich entschlossen, diesen zu gehen.

Natürlich sparte er nicht mit Lobesworten, die ihm in Wahrheit vom Herzen kamen.

»Ich bin hergelaufen, dir zu helfen, Herr, aber ich sehe, du brauchst mich nicht mehr. Nun muß ich wieder zum Fluß zurück, denn ich habe heute noch viel Arbeit vor mir, und sie ist nicht leicht, wenn man nur einen Kris als Werkzeug hat.«

»Selbstverständlich werde ich dir helfen,« sagte Arnold rasch.

Der Malaie machte ein bedenkliches Gesicht.

»Du bist sehr krank gewesen, Herr, und die Fahrt wird dich anstrengen.«

»Darüber mach dir keine Sorgen! Schon als ich aufwachte, fühlte ich mich viel besser; aber nachdem ich dies von dir gehört habe, hielte ich es nicht mehr aus, hier untätig zu bleiben, während du für uns arbeitest. Laß uns etwas essen und dann gleich zum Fluß gehen!«

Hiernach wurde gehandelt. Arnold merkte zwar bald, daß er seine Kräfte überschätzt hatte; doch machte er sich nützlich, so gut er konnte. Zum Bau des Flosses geeignetes Holzwerk zusammenzutragen, das mußte er zwar Jama überlassen; aber beim Zusammenfügen der einzelnen Teile mit rohrartigen langen Ranken kam seine Hilfe doch sehr zustatten.

In Ermangelung einer Art blieb der Malaie bei der Auswahl des Holzes natürlich auf das beschränkt, was Stürmen, Blitzschlag oder dem Alter zum Opfer gefallen war, denn schon beim Schneiden der Rohrranken wurde der Kris bald stumpf.

Glücklicherweise lagen in der Nähe des Ufers einige dicke Bambusstäbe, die infolge der großen Hohlräume zwischen den einzelnen Gliedern sehr tragfähig waren. Sie bildeten mit starkem Astwerk die Grundlage des wahrlich nicht alltäglichen Fahrzeugs.

Vertrauenerweckend sah es nicht gerade aus, als Jama gegen Abend stolz mit seinem Werk liebäugelte. Aber es hielt der Belastungsprobe stand, und das war die Hauptsache.

Früh an: folgenden Tage wurde die Reise angetreten. Beide Männer mußten noch manchen Schweißtropfen vergießen, ehe es ihnen mit Hilfe langer Äste gelang, ihr Schiff in die Strömung zu bringen. Doch danach brauchten sie nur noch darauf zu achten, daß es sich in der Mitte des Flusses hielt und Hindernisse vermied.

Der Malaie fühlte sich jetzt ganz in seinem Element. Durchaus wollte er alle Arbeit übernehmen, und er gab sich erst zufrieden, als Arnold das aus dünnen Ästen bereitete, durch belaubte Zweige vor den Sonnenstrahlen geschützte Ruhelager bezog, auf das Jama besonders stolz war. Es bot einigermaßen Schutz gegen die Nässe, wogegen Jama mehr oder weniger im Wasser saß, was seine gute Laune jedoch nicht zu beeinträchtigen vermochte. Sein Mundwert stand selten still. Naturgemäß waren die Gedanken meist darauf gerichtet, ob man unbemerkt an den Feinden vorbeigleiten könne, und die Spannung wuchs, je mehr sie sich der Stelle näherten, wo der Engländer an Land gegangen war.

Arnold wunderte sich im stillen über den angeborenen Ortssinn des Eingeborenen. Beide befanden sich zum ersten Male in dieser Gegend, und auch er selbst glaubte, bei der Fahrt flußaufwärts die Augen gut aufgemacht zu haben. Aber wieviel besser hatte Jama das Landschaftsbild im Kopf behalten! Vor jeder Biegung schilderte er das folgende Stück, wobei er nie versäumte, an meist recht unbedeutende Ereignisse zu erinnern, die sich bei der Fahrt in entgegengesetzter Richtung zugetragen hatten.

»Nun müssen wir aufpassen, Herr,« sagte er, als sich wieder einmal der Flußlauf änderte. »Wenn wir jenen alten Baum mit den roten Blüten erreicht haben, müssen wir die Prau sehen.«

Ohne ein weiteres Wort miteinander zu sprechen, blickten sie mit angespannten Sinnen geradeaus, der Wahrscheinlichkeit zum Trotz beide im stillen hoffend, daß die Prau aus irgend einem Grunde fortgeschickt worden sei.

Aber Jama behielt recht. An der bekannten Stelle lag sie nahe am Ufer, zum Glück von dem Floß noch so weit entfernt, daß man eine Entdeckung nicht zu befürchten brauchte. Aus Vorsicht hatte der Malaie schon seit einiger Zeit sein Fahrzeug dicht unter Land gehalten, so daß man jetzt nicht viel Mühe hatte, es mit Hilfe mitgenommener langer Ranken an einem Baumstamm festzubinden.

Arnold folgte Jama ans Ufer, denn groß war sein Wunsch, wieder einmal einige Zeit festen Boden unter den Füßen zu spüren und die vom dauern auf demselben Fleck steifgewordenen Glieder regen zu können.

Nach einem kargen Nachtmahl legte er sich auf das von seinem Diener sorgsam bereitete Lager; doch zu schlafen war ihm nicht möglich. In wenigen Stunden sollte sich sein Schicksal entscheiden. Da war es kein Wunder, daß alle Gedanken den kommenden Ereignissen vorauseilten und beunruhigende Vorstellungen die Oberhand gewannen.

Zwei Stunden nach Mitternacht, als die Uferbäume auf dieser Seite des Flusses lange Schatten warfen, riet der Malaie zum Aufbruch. Lautlos glitt das Floß durch die Dunkelheit. Das Eintauchen der Stangen, die es vom Ufer abhielten, verursachte nicht mehr Geräusch als die von Zeit zu Zeit aus dem Wasser schnellenden Fische.

Der entscheidende Augenblick nahte. Im hellen Mondlicht waren jetzt alle Einzelheiten auf der Prau deutlich zu erkennen.

»Herr,« flüsterte Jama plötzlich in merklicher Erregung, »ich sehe einen Mann!«

Gleichzeitig mit ihm hatte auch Arnold den Chinesen entdeckt, der mit weit vornübergebeugtem Oberkörper auf dem Bordrand saß, anscheinend in tiefen Schlaf versunken. Sein Rücken war dem Flusse zugewandt. Es mochte ihm langweilig gewesen sein, nach Wong Tsaus Befehl stundenlang die glänzende Wasserfläche zu beobachten, auf der es doch nichts zu sehen gab. Der Gedanke, daß auch sein eigenes Leben in Gefahr schwebte, wenn es den Flüchtlingen gelänge, sich nach Pinang durchzuschlagen und die Polizei zu holen, schien sein Ruhebedürfnis nicht beeinträchtigt zu haben.

Gerade als das Floß an der Prau vorübertrieb, machte Arnold eine Entdeckung, die ihm unter anderen Verhältnissen gewiß einen Ausruf des Schreckens entlockt hätte.

»Jama, unter mir löst sich die Verbindung,« stieß er in angstvollem Ton hervor, denn schon merkte er, wie die Teile, auf denen er saß, auseinanderstrebten.

Der Malaie begriff sofort, um was es sich handelte. Ohne Zögern legte er sich schnell quer über das Floß und klammerte seine Hände an dem Holzwerk fest, so daß sein eigener Körper die Verbindung bildete.

»Jetzt hält es zusammen, bis wir vorüber sind,« keuchte Jama. »Aber du, Herr, mußt nun stoßen, sonst müssen wir doch noch schwimmen.«

Das war in mehr als einer Beziehung keine angenehme Aussicht. Der Holländer nahm daher sofort den langen Ast zur Hand und begann emsig, ihn nach Jamas Beispiel zu handhaben.

Eine Zeitlang ging alles nach Wunsch. Doch bevor die nächste Biegung des Flusses erreicht war, hielt Jamas Muskelkraft das schwache Werk nicht mehr zusammen.

»Herr, unser Schiff muß ins Dock,« sagte er vergnügt.

Wenn auch die vom Mond bestrahlte Prau noch zu erkennen war, brauchte man hier nicht mehr zu fürchten, von dort bemerkt zu werden. Daher fühlte sich auch Arnold jetzt von einem schweren Alpdruck befreit, und lachend nahm er den Scherz auf.

Mit vereinten Kräften machten sie sich sogleich daran, eine neue Verbindung der einzelnen Teile herzustellen, die größere Dauer versprach, damit nicht alle paar Stunden ein solcher Schiffbruch drohte. Zum Flechten geeignetes Rankenwerk gab es in Menge; trotzdem dauerte die Arbeit viel länger, als beide vorausgesehen hatten. Stunde auf Stunde verging, und Arnold war höchst überrascht, als der Malaie ihn darauf aufmerksam machte, daß die Nacht im Begriff stand, dem neuen Tage zu weichen.

Nun war allergrößte Eile geboten. Bei Tageslicht durfte man nicht wagen, sich den Späherblicken des inzwischen erwachten oder von einem gewissenhafteren Genossen abgelösten Wächters auszusetzen.

Gerade, als das Floß die Flußkrümmung erreichte, schossen die ersten buntfarbigen Sonnenstrahlen am Osthimmel empor. Frohlockend blickten die Flüchtlinge mit strahlenden Augen einander an. Sie verstanden sich auch ohne Worte. Noch eine kurze Spanne Zeit, dann lag der gefährlichste Teil der Fahrt hinter ihnen!

Da bemerkte Arnold, wie sich der Gesichtsausdruck des Malaien änderte. Die Hände als Schalltrichter an die Ohren legend, lauschte Jama einem Geräusch, das sein Herr erst nach längerem Hinhorchen wahrzunehmen vermochte, dann allerdings auch gleich richtig deutete.

»Sie sind erwacht und sprechen laut durcheinander; du glaubst doch nicht etwa, daß sie uns gesehen haben?«

Der Malaie machte ein bedenkliches Gesicht und zuckte die Achseln.

»Wir werden es bald erfahren. Die Chinesen schreien durcheinander, wie sie es immer tun, wenn sie ein Schiff klarmachen. Aber es könnte auch eine andere Ursache haben.«

»Das müssen wir mit Bestimmtheit wissen, ehe wir weiterfahren; sonst könnten wir eine sehr böse Überraschung erleben.«

»So dachte auch ich, Herr,« antwortete Jama und stieß das Floß auf das Ufer zu. »Wenn sie uns gesehen haben, müssen sie uns verfolgen, damit wir sie nicht verraten können. Auf dem Wasser sind wir schwächer als sie; aber ich glaube nicht, daß sie uns ein zweites Mal in den Wald folgen werden. Mögen sie es versuchen! Ich hoffe, nicht schlechter zu schießen als beim ersten Male, und diesmal stehe ich nicht allein. Mögen sie kommen, Herr! Wir werden sie empfangen, wie Leute ihrer Art es verdienen.«

Unter Zweigen, die weit über das Wasser hingen, wurde das Floß so gut versteckt, daß es aus einiger Entfernung von anderem alten Astwerk, das hier niedergebrochen war, nicht unterschieden werden konnte. Auch die beiden Männer, die sich gleich dahinter im Buschwerk verbargen, brauchten nicht zu fürchten, entdeckt zu werden. Durch eine schnelle Erkundung hatte der Malaie festgestellt, in welcher Richtung im Notfall am leichtesten durchzukommen sei. Nun kauerten sie nebeneinander, blickten in begreiflicher Spannung flußaufwärts, und die wenigen Worte, die sie sprachen, drehten sich allein um die Frage, ob sie gesehen worden seien oder der Lärm eine andere Ursache habe.

Wie hätten sie auch aus der Ferne erkennen sollen, daß es Wong Tsaus scheltende Stimme war, die den Morgenfrieden störte! Seitdem er keinen Europäer mehr über sich wußte, suchte er durch Barschheit seinen Befehlen Nachdruck zu verschaffen. Dieses Auftretens waren aber seine Leute rasch überdrüssig geworden, so daß Zank und Streit nicht mehr aufhörten und alle Ordnung außer Rand und Band ging.

Mit Sonnenaufgang hatte er abfahren wollen. Doch er allein war rechtzeitig aufgewacht, und als er außer den Bootsleuten, die das Fahrzeug zur Abfahrt klarmachen sollten, auch den Wächter schlafend fand, fuhr er mit einem derben Stock zwischen die faule Gesellschaft, worauf diese mit lautem Geheul sich widersetzte, ehe sie ihr Tagewerk begann.

»Sieh, Herr, die Prau bewegt sich,« flüsterte Jama, und seine Stimme zitterte vor Aufregung, als er dies meldete.

Arnold, dem die Tatsache natürlich nicht entgangen war, gab keine Antwort. Entschlossen blickte er dem Feind entgegen. Mit der Rechten hielt er sein Gewehr fest umspannt. Mochte die Übermacht der Angreifer auch noch so stark sein! Diesmal wollte er den Verrätern zeigen, daß der Europäer, der so töricht gewesen war, ihnen zu vertrauen, sein Leben nicht billig verkaufte.

Die Mitte des Flusses einhaltend, glitt die Prau dem Verstecke zu. Nur noch einige Minuten, dann mußte sich erweisen, mit welchen Absichten sie nahte.

Beiden Beobachtern hämmerte das Herz in raschen Schlägen. Sie erkannten Wong Tsau, der am Bug saß, während zwei andere Chinesen zu beiden Seiten mit Stangen das Fahrzeug steuerten.

»Nach Verfolgung sieht dies nicht aus,« dachte Arnold; gleich danach gab auch der Malaie dieser Ansicht mit verschmitztem Lächeln Ausdruck. Kein Zweifel: die dort flußabwärts fuhren, ahnten nicht im entferntesten, daß sie beobachtet wurden!

Doch was war das? Wie von einer Schlange gebissen, schnellte Wong Tsau in die Höhe und stieß dabei einen Warnungsruf aus, der seine Leute im Trab herbeieilen ließ. Alle folgten mit den Augen der Richtung, die des Führers ausgestreckter Arm ihnen wies.

Dort mußte etwas zu sehen sein, das alle in höchste Unruhe versetzte. Gleichzeitig versuchte jeder, seine Ansicht zu Gehör zu bringen.

Durch den Anblick der aufgeregt lärmenden, nach der Gewohnheit ihrer Art kein Glied ruhig haltenden Gesellschaft wären die Beobachter gewiß zum Lachen gereizt worden, wenn nicht der Wunsch, die Ursache dieser Bewegung kennen zu lernen, jeden anderen Gedanken verdrängt hätte.

Plötzlich horchten sie auf und blickten dabei einander an, wie wenn sie eine Bestätigung suchten, daß dies keine Täuschung sei. Das nahe Stimmengewirr übertönend, drangen ihnen Laute ans Ohr, die wohl in den Hafen von Pinang, doch nicht auf diesen Urwaldfluß zu gehören schienen: schnelles, taktmäßiges Motorgeräusch. Von Minute zu Minute nahm es an Stärke zu, so daß bald auch der letzte Zweifel schwand: hier nahten Menschen, die den Hilferuf eines Europäers gewiß nicht unbeachtet lassen würden!

Endlich hatte das Motorboot die Krümmung des Flusses so weit hinter sich gebracht, daß auch die Männer im Busch das schmucke weiße Fahrzeug erblickten. Aber zugleich wurde ihre Aufmerksamkeit auf die Prau gelenkt.

Dort mußte ein Machtwort die Losung ausgegeben haben, den Herannahenden scheinbar nicht die geringste Aufmerksamkeit zu schenken, denn nun änderte sich wieder das Bild. Jeder kehrte hastig zu seiner früheren Tätigkeit zurück. Am Bug der Prau blieb Wong Tsau allein stehen. Von den anderen waren wie vorher nur zwei Männer sichtbar, die mit trägen Bewegungen die ein wenig abseits getriebene Prau in die Mitte des Fahrwassers zu bringen suchten.

Das Motorboot schoß so flink heran, daß die Begegnung fast vor den Augen der verborgenen Zuschauer stattfinden mußte. Nur noch wenige Minuten, dann wollte Arnold hervortreten und die an Deck stehenden Europäer anrufen.

Er wunderte sich über die Zahl der weißgekleideten Gestalten. Wie mochte jener Jachtbesitzer auf den Einfall gekommen sein, seine Gäste gerade in dieser Gegend spazieren zu fahren? Waren es Liebhaber einer unberührten Urwaldlandschaft? Dann konnten sie allerdings auf ihre Kosten kommen.

Diese Gedankengänge wurden durch einen laut über das Wasser schallenden Ruf jäh unterbrochen. Deutlich war jedes Wort zu verstehen, denn der Motor hatte kurz vor dem Zusammentreffen mit der Prau gestoppt.

»Hallo, ich wünsche mit Ihnen zu sprechen!«

Man sah, wie Wong Tsau nach kurzem Zögern den Bootsleuten etwas zurief, worauf diese ihre langen Stangen schräg in das Flußbett stemmten und so die Prau fast stillegten.

Wenige Augenblicke später lagen die beiden Fahrzeuge Bord an Bord, das Motorboot auf der den heimlichen Beobachtern abgewandten Seite, so daß diese eine Zeitlang darauf angewiesen blieben, die Vorgänge zu erraten.

»Was wünschen Sie?« fragte Wong Tsau mürrisch.

Als Antwort machte der Engländer, der die Unterredung begonnen hatte, Miene, ohne Umstände auf die Prau zu klettern.

Doch nun kam Leben in die Chinesen. In Eile sprangen sie herbei, alle etwas Unsichtbares hinter sich verbergend.

»Halt,« schrie Wong Tsau, »ich erlaube niemand, dieses Schiff zu betreten! Zurück, Herr, oder ich schieße!«

Damit riß er einen Revolver aus seinem Gewand und richtete ihn auf Ellis, denn dieser war der Sprecher.

Der Polizeibeamte erkannte, daß er es mit einem verwegenen Burschen zu tun hatte, der ganz danach aussah, als ob er, unbekümmert um die Folgen, beim nächsten Schritt Ernst machen würde.

Auch hatte er gut bemerkt, daß die übrigen Chinesen bloß auf ein Zeichen warteten, die bereitgehaltenen Waffen zu benutzen. Wohl war seine Schar in der Überzahl, und der Verabredung gemäß brauchte er nur den rechten Arm zu heben, um deren Revolver losknallen zu lassen. Doch lag eine allgemeine Schießerei, bei der es auf beiden Seiten Opfer gegeben hätte, nicht in seinem Plan.

Die beabsichtigte Überraschung war an der Bordhöhe des unbeladenen Fahrzeugs gescheitert. Nun mußte man versuchen, auf andere Weise dieser Gesellschaft, die schon durch die Art ihres Auftretens ihr schlechtes Gewissen verriet, Herr zu werden.

Ohne sich im geringsten einschüchtern zu lassen, sagte Ellis mit ruhiger Überlegenheit: »Sie scheinen uns für Seeräuber oder Mitglieder eines gewissen Geheimbundes zu halten, von dem gegenwärtig in Pinang viel die Rede ist. Alles, was wir wünschen, ist die Antwort auf ein paar Fragen, die ich jetzt an Sie richten werde. Wenn Sie uns darin befriedigen, lassen wir Sie ruhig Ihres Weges ziehen.«

»Und wenn nicht?« fragte der Chinese mit höhnischem Lachen.

Er hatte den Revolver sinken lassen, hielt aber noch den Finger am Abzug. Mit einem schnellen Blick nach hinten maß er die Entfernung zum dortigen Ufer. Es war ihm trotz seines dreisten Gebarens durchaus klar, mit wem er es zu tun hatte, und daß es für ihn keine Rettung vor diesen Männern gab, wenn es ihm nicht gelang, in die Wildnis zu entkommen. Sprang er auf jener Seite über Bord, dann dauerte es immerhin einige Zeit, bis der Motor in Gang gesetzt, das Boot gewendet und um den Bug der Prau herumgeschwenkt war. Der hierdurch zu erlangende Vorsprung konnte einem guten Schwimmer genügen.

Dies alles schoß ihm bei seinen an Ellis gerichteten Worten blitzschnell durch den Kopf. Das Schicksal seiner zurückbleibenden Genossen kam ihm keinen Augenblick in den Sinn; an solche Rücksichten war er nicht gewöhnt.

Es entstand ein sekundenlanges Schweigen, wobei sich die Gegner fest im Auge behielten. Dann ging plötzlich ein Ruck durch des Chinesen Gestalt. Mit dem lauten Ruf: »Stirb, weißer Teufel!« feuerte er auf den Polizeibeamten seinen Revolver ab, und ehe die Kugeln der überraschten Europäer ihn erreichen konnten, war er mit katzenartiger Behendigkeit auf der anderen Seite über Bord gesprungen und damit ihrem Gesichtskreis entrückt.

Seine Berechnung erwies sich als richtig. Wenn auch die Kugel fehlgegangen war, entstand doch eine allgemeine Verwirrung, die ihm zugute kam. Die Europäer schrien auf den Eingeborenen ein, der den Motor bediente, und ehe dieser Malaie recht begriffen hatte, was man von ihm wollte, war kostbare Zeit verloren.

Ellis sah voraus, daß der Verbrecher entkommen werde, wenn man sich auf den Motor verließ. In einem kühnen Entschluß schwang er sich auf die Prau, um von hier den noch ein gutes Ziel bietenden Schwimmer unschädlich zu machen.

Die ihres Führers beraubten Chinesen dachten nicht mehr daran, ihm Widerstand zu leisten. Zum Teil ihre Waffen fortwerfend, wichen sie mit lautem Geschrei zurück. Zwei entschlossen sich nach kurzem Zögern, Wong Tsaus Beispiel zu folgen. Die des Schwimmens nicht kundigen drei anderen liefen auf das Heck.

Ohne ein Wort zu wechseln, hatten Arnold Hemskerk und Jama in ununterbrochener Spannung verfolgt, was sich vor ihren Augen abspielte. Als aber der Verräter, ihr Todfeind, in den Fluß sprang und, von zwei anderen gefolgt, gerade auf sie zugeschwommen kam, durchzuckte sie beide der gleiche Gedanke. Das Schicksal gab Wong Tsau in ihre Hand! Diese Bösewichter durfte man nicht ungestraft entkommen lassen! Lieber wollte auch Arnold eigenhändig Vergeltung üben, statt, wie er vorgezogen hätte, dies dem Gericht zu überlassen! Gleichzeitig rissen sie die Gewehre hoch und legten an.

.

Doch schnell ließen sie die Waffen wieder sinken.

»Was ist das?« stieß Arnold aufs höchste überrascht aus.

Auf der Prau war der Engländer aufgetaucht. Aber ehe er zum Schuß kam, zerriß ein gellender Schrei, den nur wahnsinnige Todesangst eingeben konnte, die Luft. Der Schwimmende schien sich verzweifelt gegen einen unsichtbaren Feind zu wehren. Mit Anspannung aller Kraft hob er Kopf und Brust aus dem Wasser, warf dann die Arme in die Luft und setzte noch einmal zu einem jämmerlichen Hilferuf an. Doch der erstickte nach dem ersten Laut; Wasser schoß in den geöffneten Mund. Deutlich war zu erkennen, daß der Schwimmer von einer unwiderstehlichen Gewalt in die Tiefe gezogen wurde.

Die Spannung löste sich bei Jama in einem tiefen, befreienden Aufatmen. Sich mit leuchtenden Augen an seinen Herrn wendend, sagte er im Ton höchster Befriedigung: »Herr, das Schicksal hat ihn erreicht. Er hat dir einen solchen Tod gewünscht; nun muß er zur Strafe auf die gleiche Art sterben.«

Auch Arnold dachte daran, wie er beinahe selber einem Krokodil zum Fraß gedient hätte; doch in ihm überwog bei dem entsetzlichen Anblick so sehr das Grauen, daß daneben ein Gefühl der Befriedigung über diese gerechte Vergeltung in seinem Herzen nicht aufzukommen vermochte.

Als die beiden anderen Chinesen ihren Genossen unmittelbar vor ihren Augen verschwinden sahen, wandten sie sich unwillkürlich zur Prau zurück. Von den Gefahren, zwischen denen sie schwebten, flößte ihnen augenscheinlich die von dort drohende weniger Angst ein als die Aussicht, gleichfalls von einem Krokodilsrachen erfaßt zu werden.

Doch auch sie sollten diesem Schicksal nicht entgehen. Bevor Ellis zu einem Entschluß gekommen war, ob er sie an Bord steigen lassen solle oder nicht, erblickte er von seinem erhöhten Standpunkt durch das klare Wasser zwei Ungeheuer, über deren Absicht kein Zweifel möglich war.

Obwohl er diesen beiden Männern einen Augenblick vorher sicherlich nichts Gutes gewünscht hatte, siegte jetzt ein Gemeinschaftsgefühl, das alle Menschen solchen Untieren gegenüber verbindet. Sein lauter Warnungsruf war indessen nicht imstande, die Unglücklichen vor dem Schrecklichen zu bewahren. Vor den Augen der entsetzten Beobachter verschwanden sie unter der Oberfläche, wobei ihre Arme in verzweifelter Abwehr das Wasser aufwühlten, ihre vor Schreck gelähmten Zungen jedoch mit keinem Laut ihre Todesangst erkennen ließen.

Cornelis Hollebeek und einige andere Herren waren neben Ellis aufgetaucht, bisher jedoch von den beiden im Busch verborgenen Männern unbemerkt geblieben. Erst als sich jetzt deren Augen von der Unglückstelle abwandten, blieben sie auf ihren weißen Gestalten haften.

Da bemerkte Jama, daß in der Haltung seines Herrn plötzlich eine auffallende Veränderung vor sich ging. Er streckte den Kopf vor, riß die Augen auf und sprang dann mit einem gewaltigen Satz ins Freie.

»Mynheer Hollebeek – Cornelis Hollebeek!« rief er, und seine Stimme überschlug sich fast vor freudiger Erregung.

Der Angerufene stutzte, aber er brauchte natürlich nicht lange Zeit, um zu erraten, wen er vor sich sah.

»Ausgezeichnet, da haben wir ihn ja schon,« rief Ellis, nachdem die vielstimmige Begrüßung verklungen war, die den Zuruf beantwortete. »Schnell mit dem Boot zu ihm hinüber!«

Er war schon im Begriff, mit den anderen die Prau zu verlassen, blieb jedoch mit einem Blick auf ihr Achterende kurz stehen und sagte wie bedauernd: »Beinahe hätte ich vergessen, daß ich in erster Linie als Beamter diese Fahrt mitmache. Es wird nicht schwer sein, die drei Burschen im Schach zu halten. Das Herz scheint ihnen ohnedies in ihre weiten Beinkleider gerutscht zu sein.«

Als die Polizeibeamten mit vorgehaltenen Revolvern gegen den Feind vordrangen, kamen ihnen schon die Chinesen in einer Weise entgegen, die klar erkennen ließ, daß sie sich auf Gnade oder Ungnade ergaben.

»Wir haben nichts Böses getan,« jammerten sie um die Wette und streckten dabei den Europäern ihre schmutzigen Handflächen entgegen.

Alle drei zitterten am ganzen Leibe. Das schreckliche Ende ihrer Genossen, dessen Zeuge sie gewesen waren, und nun auch noch das unerwartete Auftauchen der Männer, gegen deren Aussagen sie nicht bestehen konnten, hatten ihnen den letzten Rest von Mut geraubt.

»Wieweit ihr mitschuldig seid, wird sich später herausstellen,« sagte Ellis kalt. »Habt ihr etwa nicht gewußt, daß Wong Tsau den Holländer töten wollte?«

Sie blickten einander betroffen an, und kleinlaut antwortete der Älteste von ihnen: »Ja, Herr, wir haben es gewußt; aber wir mußten Wong Tsau gehorchen, sonst wären wir selber getötet worden.«

»Wie Li San,« ergänzte Ellis und durchbohrte sie dabei mit einem Blick, vor dem sie die Augen niederschlugen.

»Auch das weißt du, Herr?« kam es im Ton voller Hoffnungslosigkeit zurück. »Aber laß uns nicht für etwas büßen, was andere getan haben!«

Wer die drei Jammergestalten so gesehen hätte, wäre nie auf den Gedanken gekommen, daß sie noch vor wenigen Minuten zu allen Schandtaten fähig waren. Doch Ellis kannte ihresgleichen viel zu gut, als daß ihr Winseln etwas anderes als Verachtung in ihm hätte wecken können. Diese Burschen waren nicht kaltblütig verstockt bis zum Äußersten wie andere chinesische Geheimbündler, mit denen er zu tun gehabt hatte; sie gehörten zu der häufigeren Art der Feiglinge, die in der Hoffnung, die wohlverdiente Strafe abwenden oder mildern zu können, ohne Bedenken die eigenen Genossen preisgeben, was die Arbeit der Polizei natürlich sehr erleichtert.

Auch Ellis benutzte ihren inneren Zusammenbruch, um aus ihnen herauszuholen, was später vielleicht nicht so leicht zu erfahren war. Nach einigen weiteren Fragen, die den Gefangenen untrüglich offenbarten, daß sie vom »Bund der fünf Glückseligkeiten« für die Preisgabe seiner Geheimnisse keine Rache zu fürchten brauchten, gaben sie ohne Zögern jede gewünschte Auskunft.

Während des Verhörs band er ihnen mit Hilfe eines seiner Begleiter die Hände, was sie widerstandslos geschehen ließen. Der andere Herr trug unterdessen die auf der Prau befindlichen Waffen zum anderen Ende, damit ihr Anblick nicht die Chinesen zu Dummheiten verleite, wie Ellis sagte.

»Wer sich vom Fleck rührt, hat sich die Folgen selber zuzuschreiben,« warnte er überdies mit einem nicht mißzuverstehenden Hinweis auf seinen Revolver, worauf die Gefangenen mit den Köpfen wackelten und lebhaft beteuerten, daß ihnen jede böse Absicht fernliege.

»Da kommt das Boot schon zurück. Herr Hemskerk kann von Glück sagen, daß er diesen Halunken, die ihn so sicher in der Falle hatten, noch entwischt ist. Gehen wir, ihn zu begrüßen!«

Arnold und sein Diener standen inmitten einer Gruppe, von der immer mehrere zugleich Fragen an ihn richteten. Bereitwillig gab er Auskunft. Doch mit seinen Gedanken war er nicht bei dem, was er sagte. Die freundschaftliche Teilnahme dieser außer Cornelis ihm unbekannten Herren tat ihm ja wohl; ganz rückhaltslos vermochte er sich jedoch nicht der Freude über seine Rettung hinzugeben.

Noch während er die sich ihm entgegenstreckenden Hände schüttelte, hatte er in Cornelis Hollebeeks Gesicht gelesen, daß seine Befürchtungen über das Schicksal seines Freundes nur zu sehr begründet waren.

Kaum wagte er noch, Jans Namen auszusprechen, aber er mußte Gewißheit haben. Cornelis unter den Arm fassend, fragte er so leise, daß in dem allgemeinen Stimmgewirr niemand es hörte: »Ist er wirklich tot?«

Ein Seufzer, ein trauervoller Blick, langsames Kopfnicken, das war die Antwort. Er verstand, daß der Bruder seines Freundes in dieser Umgebung nicht über das reden mochte, was er in dieser Stunde doppelt bitter empfinden mußte: für den eigenen Bruder hatte er nichts tun können!

Aber der junge Pflanzer war weit davon entfernt, die allgemeine Befriedigung über den glücklichen Ausgang des Unternehmens durch ein trübes Gesicht zu vergällen. Nur Arnold ließ er ahnen, was in ihm vorging; im übrigen nahm er an der Unterhaltung teil und wandte sich auch freundlich an Jama, nachdem Arnold mit lobenden Worten ausgesprochen hatte, wie viel er diesem treuen Menschen verdanke.

Nun legte das Motorboot neben der Prau an, wo Ellis mit seinen beiden Begleitern schon bereit stand, auch ihrerseits die Geretteten zu begrüßen. Gespannt lauschte dann jeder, als er über das Ergebnis des Verhörs berichtete.

»Von Ihnen, Herr Kampen, hängt es nun ab, was weiter geschieht,« schloß er, indem er sich an den Genannten wandte. »Sie haben Ihr Boot zur Verfügung gestellt, um Herrn Hemskerk zu retten, oder … hm … falls dies nicht mehr möglich gewesen wäre, die geschehenen Übeltaten zu rächen. Nach meinem Gefühl ist die Aufgabe nur halb erfüllt, wenn wir nicht das ganze Nest ausheben und vor allem den vielgenannten Haydock der strafenden Gerechtigkeit überantworten. Noch steht nicht ganz zweifellos fest, welche Rolle er bei dieser Geschichte gespielt hat; jedenfalls aber ruht auf ihm ein schwerer Verdacht. Die Chinesen erzählen, Wong Tsau habe ihn fesseln lassen, dann aber wieder befreit. Ich bin daraus nicht klug geworden und möchte mich schon darum mit eigenen Augen überzeugen, wie es sich damit verhält. Übrigens soll er in den letzten Tagen Zinnlager entdeckt haben, die ihren Besitzer schnell zum reichen Mann machen müssen, wenn die Schilderung nur einigermaßen auf Wahrheit beruht.«

Kampen erklärte sich sogleich bereit, sein Boot weiter zur Verfügung zu stellen.

»Mich lockt beides,« sagte er, »das Abenteuer und das Zinn, auch wenn ich selbst keinen Vorteil von der Ausbeutung dieser Lager haben werde. Aber es befinden sich Geschäftsleute unter uns, die vielleicht nicht länger als vorgesehen von Pinang fernbleiben können.«

Diesen Einwand ließ Ellis nicht gelten. Natürlich müsse man die Prau mitnehmen, doch das Schleppen flußaufwärts könne keine Schwierigkeit verursachen, so daß der Zeitverlust kaum der Rede wert sei. Es fiel ihm nicht schwer, die Gesellschaft seinen Wünschen geneigt zu machen, bestand sie doch aus unternehmungslustigen jungen Männern, die sich diese Gelegenheit, etwas so Außergewöhnliches zu erleben, nicht entgehen lassen mochten.

So wurde denn die Prau in Schlepp genommen. Eine Viertelstunde später lag sie wieder an der gleichen Stelle, von der sie bei Sonnenaufgang abgefahren war.


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