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15

Inzwischen hatte das Schicksal uns in der Montague Street eine böse Enttäuschung vorbereitet. Auf dem Tisch der Halle lag ein Brief mit dem Dienststempel Scotland Yards, und dieser Brief enthielt die kurze Mitteilung Inspektor Charles', daß Captain Armstrong vor sechs Monaten in Yukatan an gelbem Fieber gestorben sei.

»Pech!« knurrte Tarleton. »Aber das darf uns nicht mutlos machen. Wenn Armstrong tot ist, so haben wir immer noch sein Buch. Bücher werden von Verlegern veröffentlicht, und Verleger zahlen Honorare. An den Verleger von » Quer durch Sumatra« wird inzwischen Armstrongs Nachlaßverwalter herangetreten sein, und der Nachlaßverwalter müßte uns denjenigen nennen können, der die Habseligkeiten des Forschers erbte. Wollen wir wetten, Cassilis, daß etwa in Armstrongs Besitz verbliebenes Gift nach seinem Tode Eigentum der Dame mit den Leopardenklauen wurde?« Dann schwieg er, kniffte und faltete den Brief des Inspektors, ohne sich seines Tuns bewußt zu werden, und sagte nach einer langen Pause: »Und mit dieser Dame heißt es sehr, sehr sorgsam umgehen.«

Unmöglich für mich, ihm noch länger zuzuhören und nicht an die andere Aufgabe, die unser harrte, zu erinnern!

»Haben Sie schon irgendeinen Plan für die Wiedererlangung der Briefe, Sir Frank?« fragte ich ängstlich.

»Ah!« Er streifte mich mit einem verschmitzten Blick. »Sie haben ganz recht, mein lieber Junge, sich für diese Seite unseres Falles mehr zu interessieren. Lady Violet zu schützen ist viel wichtiger als Weathereds Mörder zu entdecken, eh? Die Lebenden kommen vor den Toten – ganz vernünftiger Standpunkt Ihrerseits! Wissen Sie wohl, daß ich nicht abgeneigt bin, Ihnen diese Arbeit anzuvertrauen? ... Wenn Weathered die Briefe in seinem Hause aufbewahrte, verfügt jetzt die Witwe darüber. Fahren Sie morgen früh mal nach der Warwick Street und bitten Sie Mrs. Weathered um eine Unterredung.«

Ich dachte an die ziemlich beschränkte Wittib, die offenbar so ganz von ihrer Tochter beherrscht wurde, und versprach wir von diesem Interview nicht viel.

»Ohne Miß Neobards Einwilligung wird sie sich schwerlich von den Briefen trennen«, bemerkte ich trübe. »Selbst wenn sie darüber verfügt.«

»Versuchen Sie Ihr Heil!« drängte der Gelehrte. »Mich würde es nicht wundern, wenn diese Frau, so naiv sie auch ausschaut, tiefer in die Geheimnisse ihres Gatten eingedrungen wäre als Betty mit ihrer ganzen Eifersucht. Stille Wasser sind tief – vergessen Sie das Sprichwort nicht. Trachten Sie danach, sie allein zu sprechen und ihr die Sachlage als Frau und Mutter vor Augen zu führen. Fragen Sie, was sie fühlen würde, wenn ihre eigene Tochter einem Arzt vertrauliche Briefe geschrieben hätte und die Briefe in die Hand eines Fremden gelangten. Ich gebe mich der Zuversicht hin, daß Sie – wie man so sagt – etwas aus Mrs. Weathered herausquetschen werden.«

»Und wenn es mir mißlingt?«

Tarleton preßte grimmig die Lippen zusammen.

»In diesem Fall werden wir ihr zeigen, daß ihre eigene Tochter keineswegs schon aus dem Kreis der Verdächtigen ausgemerzt wurde. Wir haben beide aus Betty Neobards Munde ein Geständnis gehört, das sie nicht unter dem Siegel der Verschwiegenheit abgelegt hat.«

Am nächsten Morgen machte sich mein Chef bald nach dem Frühstück zu Armstrongs Verleger auf, und ich rüstete mich für meine schwierige Aufgabe in der Warwick Street. Schwierig und peinlich war sie. Die Aussicht, einer Mutter die Verfolgung ihrer Tochter wegen eines Verbrechens androhen zu sollen, dessen ich sie nicht schuldig glaubte, stieß mich derart ab, daß ich mich von vornherein entschloß, Tarletons Wink nicht zu befolgen.

Die Jalousien von Weathereds Hause waren herabgelassen, was ich auf die drinnen erfolgte Aufbahrung der Leiche schob. Indes währte es merkwürdig lange, bis sich jemand auf mein Klingelzeichen meldete, und als der junge Butler mir endlich die Tür öffnete, bot er durchaus nicht den Anblick eines herrschaftlichen Dieners.

»Mrs. Weathered ist nicht da«, erklärte er mir ohne sonderliche Höflichkeit. »Die Beerdigung hat gestern stattgefunden, und die Damen haben die Stadt verlassen.«

»Und wohin sind sie gereist?«

»Ich habe den Auftrag, zu sagen, daß Briefe nachgesandt werden«, erwiderte er kalt.

Mehr bekam ich nicht aus ihm heraus ... allem Anschein nach waren Betty Neobard und ihre Mutter geflohen. Sobald ich meine erste Überraschung überwunden hatte, fühlte ich eher Erleichterung als Enttäuschung. Nun würde Tarleton persönlich die Sache in die Hand nehmen müssen, und ich vertraute seiner Verhandlungsfähigkeit viel mehr als der meinigen.

Während des Lunchs berichtete ich ihm von meinem Mißerfolg.

»Unsere Freundin Betty hat einen Schnitzer gemacht«, gab er zur Antwort, und der harte Zug um seine Mundwinkel verhieß nichts Gutes für die Flüchtigen. »Sie sollte doch wissen, daß sie sich nicht lange verbergen kann, wenn die Polizei sie ernstlich sucht. Möchte nur wissen, was sie ihrer Mutter eingeredet hat, daß diese in den Fluchtplan willigte.«

Mir schien, als hielte er etwas vor mir zurück. Jedenfalls murmelte er irgend etwas Unverständliches in seinen Bart und eilte plötzlich ans Telephon. Als er wieder am Tische Platz nahm, teilte er mir mit, daß er die Polizei auf ihre Fährte gehetzt habe, ohne jedoch die Briefe zu erwähnen.

»Im übrigen ist mir das Glück heute morgen holder gewesen als Ihnen, Cassilis«, setzte er hinzu, indem er sich ein Glas Wein einschenkte. »Von Armstrong befand sich zur Zeit seines Todes ein neues Buch im Druck, so daß seine Verleger in ständiger Verbindung mit dem Nachlaßverwalter stehen – oder vielmehr der Nachlaßverwalterin.«

Ich stutzte über diese Richtigstellung, weil Tarleton sie besonders betonte.

»Sie ist Armstrongs Schwester«, erläuterte er. »Seine einzige. Auch sonstige nähere Verwandte sind nicht vorhanden. Wenigstens hat er alles, was er besaß, dieser Schwester vermacht, wie ich mich heute durch Einsichtnahme in sein Testament in Somerset House überzeugte. Ob sie verheiratet oder Witwe ist, wußte der Verleger nicht, aber er nannte mir Namen und Adresse. Mrs. Amelia Baker, Carlyle Square, Chelsea.«

»Carlyle Square!« rief ich. »Also ganz nahe beim Domino-Klub.«

Mein Chef betrachtete mich einen Blick leichter Enttäuschung.

»Weiter fällt Ihnen nichts auf, junger Freund? Nichts hinsichtlich des Namens?«

»Amelia Baker«, wiederholte ich im Stillen. Baker ... ungefähr der gewöhnlichste aller englischen Familiennamen. Hunderte von Bakers mußten im Londoner Adreßbuch verzeichnet sein. Und desungeachtet hatte ich ein dunkles Gefühl von irgendeiner Verbindung, die ich nicht klar fixieren konnte.

»Hier!« Tarleton reichte mir die Namensliste über den Tisch, die ich vor drei Tagen hatte abschreiben müssen. Sie schloß: »Mrs. Baker, 35«.

»Aber selbst wenn es sich erweist, daß wir die Leopardin aufgespürt haben«, fuhr mein Chef fort, »sind wir noch den Beweis schuldig, daß sie Weathered ermordete. Der Kellner erzählte uns, sie habe das Fest vorzeitig verlassen, Stunden, ehe sich bei dem Doktor Vergiftungssymptome zeigten. Cassilis, vorschnell wie die Jugend ist, wollten Sie schon frohlocken, aber mir sagt mein Instinkt, daß ich noch viel tiefer schürfen muß, um endgültig die Wahrheit ans Tageslicht zu fördern. Kein Verbrechen ist so schwierig aufzudecken als das, bei dem eine Frau eine Rolle spielt. In diesem Falle stoße ich überall auf Frauen, und jede Frau ist für den gescheitesten Mann ein Rätsel. Und nun hören Sie, wie der Polizeibericht über die Mrs. Baker aus Weathereds Terminbuch lautet: »Witwe in unabhängiger Lebensstellung. Durchaus guter Leumund. Geschätzte Kundin bei einheimischen Geschäftsleuten. Hält sich zwei Dienstboten. Interessiert sich für wissenschaftliche Dinge. Schwester von bekanntem Forschungsreisenden. Pflegt zahlreichen Verkehr in Chelsea. Freunde unter Künstlern und Literaten. Liebt Tiere sehr, vor allem Katzen und Vögel. Ernstliche Erkrankungen der Dame nicht bekannt. Bei leichter Grippe vom nächsten praktischen Arzt behandelt. Mit Weathered ist keine Verbindung aufzufinden.« So – das ist der Rapport.«

Er enttäuschte mich schwer. Die mir vorschwebende Vision von einer wutentbrannten Frau im Leopardenkostüm, die finstere Rachepläne gegen einen Erpresser schmiedete, verging in Dunst. Diese harmlose, bejahrte Dame, die in guter Nachbarschaft behaglich ihre Zinsen verzehrte, sich mit Tieren vergnügte und künstlerische und intellektuelle Leute in ihr Heim zog, paßte nicht zu dem Bild, das meine Phantasie gezeichnet hatte.

Tarleton faltete den Bericht zusammen und steckte ihn in seine Tasche.

»Wir werden diese Dame aufsuchen und sehen, was wir herausfinden können«, schloß er.

Was gibt es da wohl herauszufinden? dachte ich mit einer gewissen Überheblichkeit. Und so dachte ich auch noch, als Tarletons Wagen vor einem Hause hielt, das – im Gegensatz zu den Nachbarhäusern – ein bißchen vernachlässigt aussah. Trotz der beiden Dienstboten hätte die Treppe dringend des Scheuerns bedurft, und die Farbe der Haustür bewahrte getreulich die Spuren schmutziger Finger. Auf Tarletons wuchtiges Klopfen und Schellen ließ sich endlich ein Hausmädchen blicken, das seinen Arbeitskittel auch nach Beendigung der morgendlichen Hausarbeit nicht abgelegt hatte. Die Diele, die wir betraten, glich mehr einer schlecht aufgeräumten Rumpelkammer als dem Vorraum eines Damenheims.

Offensichtlich hatte der Forschungsreisende auf seinen Streifzügen manche Schätze eingesammelt, die seine Schwester nicht gerade vorteilhaft aufbewahrte. Eingeborenenwaffen verschiedenster Art waren irgendwie an die Wände genagelt, so daß sie sich oft gegenseitig verdeckten. Hörner und Geweihe von allen möglichen Vierfüßlern krönten in unübersichtlichem Wirrwarr sämtliche Türen, und unsere Füße verhedderten sich in einem schmutzigen Büffelfell, das unordentlich zusammengeschoben auf dem Fußboden lag. Das Mädchen, ohne Obacht zu geben, ob wir folgten oder nicht, stampfte uns voran die Treppe hinauf und stieß oben die Tür eines Zimmers auf, das vermutlich auf die Bezeichnung Salon Anspruch erhob.

»Ich will sagen, daß Sie da sind.«

Mit diesem unfreundlichen Versprechen verließ sie uns, und Tarleton guckte mich, nachdem die Tür recht geräuschvoll zugeklappt war, schmunzelnd an.

»Das erinnert mich an einen Ausspruch, den einmal jemand über einen anderen berühmten Reisenden tat. »Sir Soundso ist ungeheuer begabt, mit Wilden zu verhandeln, weil er genau so wild ist wie sie.« Captain Armstrong scheint dieselbe Begabung gehabt zu haben – wenigstens gibt der Haushalt seiner Schwester Grund zu dieser Vermutung.«

Der Salon glich ebenfalls einem schlechtgeordneten Museum. In jedem Winkel traf das Auge auf Kästen mit ausgestopften Vögeln. Ein mangelhaft erhaltener Fisch von enormer Größe, dem ein Auge fehlte, verlangte eine ganze Wand für sich allein. Im übrigen war der Raum vollgepfropft mit wackligen kleinen Tischchen und jenen bei der vergangenen Generation so beliebten Nippesetagèren und Vertikows, jedes einzelne Stück mit Kuriositäten beladen: Muscheln, Eingeborenenschmuck, Perlen und primitive Messer in farbigen Lederhülsen. Was unsere Aufmerksamkeit natürlich am meisten fesselte, waren die Felle, die über den ganzen Boden verfügten und jede Bewegung schlechtweg unmöglich machten, sofern man sie nicht durch Hüpfen und Springen bewerkstelligte. Sämtliche in Afrika heimischen Tiersorten – mit Ausnahme des Elefanten – glaubte ich vertreten. Auch zwei Leopardenfelle entdeckten wir, und mein Chef wies triumphierend auf sie hin. Keins war in der üblichen Weise auf Stoff montiert. Die Besitzerin konnte sie aufgenommen und ohne die geringste Schwierigkeit über ihrer Schulter befestigt haben.

Mrs. Baker hatte es nicht eilig mit ihrem Erscheinen, vermutlich, weil auch um vier Uhr ihre Siesta noch nicht beendet war. Das Gewand, in dem sie sich endlich im Türrahmen zeigte, sollte wohl ein Teagown sein, obschon es stark an einen Schlafrock gemahnte. Strohgelbes, krauses Haar umrahmte ein frisches, vogelähnliches, vorwitziges Gesicht. Aber welchen Eindruck von Nachlässigkeit und Schlampigkeit Mrs. Bakers Erscheinung und Umgebung auch hervorrief – man vergaß sie über ihrer durchaus echten Herzlichkeit.

»Ich schäme mich, daß ich Sie habe warten lassen, Sir Frank!« rief sie, indem sie sich meiner Hand bemächtigte. »Aber lieber Gott«, schwatzte sie weiter, ehe ich ein Wort sprechen konnte, »da habe ich den Sohn mit dem Vater verwechselt! ... Wie geht es Ihnen, Sir Frank? Eine solche Ähnlichkeit zwischen Vater und Sohn habe ich noch nie erlebt!«

Mein Chef befreite seine Hand lächelnd aus der ihrigen.

»Sie schmeicheln mir, gnädige Frau. Dr. Cassilis ist – ich bedaure es sagen zu müssen – kein Verwandter von mir, sondern mein Assistent.«

Dies verwirrte Mrs. Baker in keiner Weise.

»Da habe ich mich schön blamiert«, lachte sie hell heraus. »Und dabei kenne ich Sie so gut! Dem Namen nach, selbstverständlich. Und wenn ich an all unsere Krankheiten denke, deren Urheber winzige, feine Insektchen sind ... ah, Sir Frank, die Menschheit kann Ihnen für Ihre Leistungen nicht dankbar genug sein!«

Ich zweifelte nicht, daß die Hausherrin Tarleton mit irgendeinem anderen Wissenschaftler gleicher oder noch größerer Bedeutung verwechselte – möglicherweise sogar mit dem unsterblichen Pasteur. Wie es auch sei – nimmermehr konnte dieses gutmütige Plappermaul bei der Tragödie im Domino-Klub mitgewirkt haben. Und wenn sie auch in jener verhängnisvollen Nacht dort geweilt hatte, Schuld an Weathereds Tod trug sie nicht.

Mit einer Behendigkeit, um die ich sie beneidete, hüpfte sie über die vielen Fallgruben, die den Fußboden bedeckten, und verstaute uns beide in zwei bequeme Stühle, während sie sich zwischen Kissenbergen auf dem Diwan vergrub.

»Ich hoffe, Sie werden mein herzlichstes Beileid zum Tode Captain Armstrongs auch noch nachträglich annehmen«, gelang es Sir Frank endlich einzuwerfen.

»Ah, Sie haben meinen Bruder natürlich gekannt!« rief des Toten Schwester strahlend. »«Wer kannte ihn nicht? Aber was für ein Mann war er auch! Der größte Forschungsreisende, der je gelebt hat. Er würde Amerika entdeckt haben, und Livingstone und den Nordpol, wenn das nicht schon andere vor ihm besorgt hätten.« Dann huschte ein trüber Schatten über das Vogelgesichtchen. »Ich weiß, in Geldsachen war er nachlässig. Das rührte von seiner großmütigen, gebefreudigen Natur her. Hat er einen der Herren etwa angepumpt?«

Diese Frage wurde in einem resignierten Ton gestellt, den ich verstand, sobald Tarleton und ich eine derartige geschäftliche Transaktion mit dem verschiedenen Captain Armstrong wahrheitsgetreu verneint hatten. »Gott sei Dank!« seufzte die gute Schwester. »Seit die Zeitungen seine Todesnachricht verkündeten, haben sich so viele seiner Freunde bei mir eingestellt, und ausnahmslos brachten sie eine Quittung Edgars für Geld, das er ihnen schuldete. Ich habe sie selbstverständlich alle befriedigt – aus meinen eigenen Mitteln, denn der arme Edgar hinterließ nichts.«

Ich warf meinem Chef einen erstaunten Blick zu. Aber er kannte die Welt besser als ich, wie seine Antwort zeigte.

»Daß seine Bücher, so wertvoll sie für die Wissenschaft sind, ihm keinen materiellen Gewinn bescherten, habe ich befürchtet.«

Mrs. Baker schüttelte trübselig den Kopf.

»Nicht ein einziges hat überhaupt die Unkosten wieder eingebracht. Ich mußte das Geld für die Veröffentlichung vorstrecken, und ich werde es wohl aufs Verlustkonto schreiben.«

»Immerhin besitzen Sie wertvolle Erinnerungsstücke an Ihren Bruder«, entgegnete mein Chef. »Diese Leopardenfelle zum Beispiel sind herrlich.«

»Ah ja.« Jetzt strahlte das Gesichtchen wieder. »Alles, was er von seinen Reisen heimbrachte, gab er mir. Es ist eine wundervolle Sammlung, nicht wahr? Die Leute sagen, ich solle sie der Nation schenken. Und ich glaube wirklich, daß ich dereinst dieses Haus mit seinem gesamten Inhalt als Stiftung hinterlasse.«

Wir konnten diese löbliche Absicht nur billigen, und hierauf schnitt Tarleton den heiklen Punkt an.

»Captain Armstrong würdigte mich nach der Rückkehr aus Sumatra der Ehre seines Besuchs. Er hatte von mir als einem Fachmann auf dem Gebiete der Gifte gehört und brachte mir eine Probe ...«

»Ich weiß, was Sie meinen, Sir Frank. Ich weiß. Den Giftschwamm, der rings um den Upas-Baum wächst. War das nicht eine wundervolle Entdeckung meines Bruders? Ich kann Ihnen sagen ...« Und plötzlich gab sie sich einen Ruck und versank in Schweigen.

»Bei seinem Besuch überredete ich ihn, mir die ganze Giftmenge zu verkaufen«, bemerkte der Gelehrte, ohne sich um dies jähe Verstummen zu kümmern. »Aber seither ist mir der Gedanke gekommen, er könnte ein wenig als Probe zurückbehalten haben. Träfe dies zu, so wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir auch den Rest abtreten würden.«

Mrs. Baker beäugte uns mit einer leichten Befangenheit.

»Ich weiß, ich kann Ihnen vertrauen, Sir Frederick; und wenn Dr. Castle Ihr Assistent ist, ihm bestimmt auch. Der liebe Edgar ließ mir eine kleine Flasche voll hier, schärfte mir aber ein, niemandem davon Mitteilung zu machen.«

Ich gewahrte, wie Tarletons Brauen bei dieser alarmierenden Nachricht auf und ab zuckten.

»Das war ein sehr guter Rat«, erwiderte er dennoch ruhig. »Jedoch da Ihr Bruder mir Vertrauen schenkte, hoffe ich dasselbe auch von Ihnen. Wollen Sie die Güte haben, mir die kleine Flasche zu zeigen?«

Mrs. Baker schnellte behend von ihrem Kissenberg fort.

»Ich bin sogar froh, wenn ich den Kram loswerde«, murmelte sie. »Sehen Sie, ich habe stets die Vorsicht beobachtet, ihn unter Verschluß zu halten.«

Sie nestelte ein dickes Schlüsselbund aus den Falten des Kleides hervor. Schlüssel waren es der landläufigsten Art, wie sie jedes Eisenwarengeschäft führt. Mit einem von ihnen öffnete sie die Tür eines kleinen Zierschränkchens und steckte den blonden Wuschelkopf in das Innere.

Dann ein Aufschrei.

»Barmherziger, die Flasche ist fort!«


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