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Das Friedhofkreuz zu Baden

(Aus »Mären und Märlein« von Franz Mallebrein.)

Zu Baden auf dem Kirchhof
Da steht ein steinern Bild:
Vom Kreuze neigt der Heiland
Das Haupt verzeihend mild.

Schon manchem in der Trübsal
Gab Trost es und Vertrau'n,
Doch keinem wie dem Meister,
Der es in Stein gehau'n.

Ihm hatte hinterlassen
Sein Weib ein Töchterlein:
Es war das Bild der Mutter
Im ersten Morgenschein.

Ihr galt von nun sein Schaffen,
Sie war sein Traum bei Nacht;
Sein Einziges und Alles
Hat er in ihr bewacht.

Und als aufging der Morgen
Zu lichten Tages Höhn:
Wie war sie da erblühet
Zur Jungfrau reich und schön!

Da schlich in Freundes Maske
Der böse Feind sich ein
Und brach mit wilder Gierde
Die Blüt' so duftig, rein.

Dem Vater schwand das Sinnen
Im grenzenlosen Schmerz;
Den spitzen Meißel stieß er
Dem Räuber jäh ins Herz. – –

Es war geschehn. – Die Häscher
Erfüllten ihre Pflicht,
Und banden ihn und führten
Ihn vor das Blutgericht.

Dann hat im Ooser Torhaus
Er, weinend Tag und Nacht,
An Ketten festgeschmiedet
Gar lange Zeit verbracht,

Indes die Tochter ferne
Verging in Schmach und Scham,
Bis endlich sie, erlösend,
Der Himmel zu sich nahm. –

Nachdem das Todesurteil
War über ihn gefällt,
Da hat an seine Richter
Die Bitte er gestellt:

Daß sie ihm Zeit noch gönnten,
Zu hau'n ein steinern Bild:
Wie der Erlöser blicket
Vom Kreuz verzeihend mild.

Was hätten ihm die Richter
Nicht willig dies gewährt,
Da sie ja volle Gnade
So gerne ihm beschert!

Zurück in seiner Zelle,
Begann von nun an dort
Ein Zeichnen und ein Meißeln,
Ein Schaffen fort und fort.

Nicht gönnt er sich mehr Ruhe;
Ja tief noch in der Nacht
Er oft zum Bilde schleichet,
Betastend es bewacht.

Und als des Heilands Züge
Verklärte mehr und mehr
Der Strahl der ew'gen Liebe,
So sanft und doch so hehr;

Und ihm auf einmal wurde,
Als lebte es im Stein,
Und kündet' ihm Gott selber
Ein gnädig mild Verzeihn;

Wie war des Meisters Seele
So innerst tief beglückt!
Wie fühlt' er allem ird´schen
Verschulden sich entrückt! –

Das Bild – es war vollendet; –
Ein jeder wollt' es sehn
Und mußte schmerzergriffen
Vor Werk und Meister stehn.

Der Markgraf selber eilte
Herbei: »O Glück und Heil!
Daß mir dies Bild zu schauen
Noch zeitig ward zu teil.

Nicht sterben sollst – nein leben
Bei mir, – doch wär's ein Lohn,
Da du im Himmel selber
Geschauet Gottes Sohn!«

Der Meister aber sagte:
»Mein Leben ist dahin;
Ich bin bereit zu sterben,
Denn Gott hat mir verziehn.

Um eine Gnad' nur fleh' ich:
Daß ich 'ne Ruhstatt' find'
An dieses Kreuzes Fuße
Für mich und für mein Kind.«

Und als am andern Tage
Aufstieg das Morgenrot,
Da kniet' die Händ' gefaltet
Vor'm Bild der Meister – tot. – –

Dort auf dem alten Kirchhof
Erhebt sich Grab und Bild:
Noch heut' wird frommem Beten
Die Träne dort gestillt.


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