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Kapitel 8.
Haydn, Mozart und Beethoven, und Spohr noch

Etwas Musik gehörte auch mit dazu, mit etwas Klavier-, Violin- und Orgelspiel mußte ein Präparand auch »prästieren« können in der schrecklichen Aufnahmeprüfung. Küster Stute mußte deshalb wohl oder übel auch Musikstunden ansetzen und sie selber erteilen, da er ja das gesamte Lehrerkollegium seiner Anstalt in sich verkörperte. Das aber war für ihn höchst eklig. Mit seiner musikalischen Kunst und Wissenschaft war's nämlich nicht weit her. Vor seinem Orgelspiel graulte man sich geradezu, da leierte er Sonntags immer die gleichen Prä-, Inter- und Postludien herunter, die er einmal drin hatte in seinen steifen Fingern, und zumeist nur manualiter, ins Pedal verirrten sich seine Plattfüße eigentlich nur unter den Fermaten und dem Schlußakkord. Des Küsters Geigenspiel zum Gesang der Kinder in der Schule, wenn er seine miserable Geige einklemmte unter das bebartete Kinn, die langen Arme ausreckte und endlich lossägte, in krummer Haltung: das konnte in seiner Unreinheit einem Schäferhund die Seele aus dem Leibe winden.

Klavierstunden gab's zunächst, in wöchentlich einer Stunde für alle vier Präparanden zusammen. Die Orgel kam ja erst später in Frage. Der Küster besaß ein fürchterliches, altes Klavizymbel, schrill und verstimmt, und es fehlten schon verschiedene Saiten oder besser: Drähte. Und er besaß eine alte Klavierschule ohne Titelblatt, daß man den Verfasser gar nicht wußte. Auch sonst noch fehlten hier und da Blätter. Wir alle vier übten daraus. Die Leihzeit hatte man unter sich auszumachen, was natürlich oft schlimmen Hader setzte. Das »Pensum« von Stunde zu Stunde betrug regelmäßig eine Seite, die wurde so lange aufgegeben, bis »es ging«. Mit Arm-, Hand- und Fingerhaltung und dergleichen konnte es jeder halten nach Belieben.

Trotzdem machte ich bald große Fortschritte. Nicht lange währte es, und ich fand mich auch in den Baßnoten zurecht, und nun ging ich meine eigenen Wege und besuchte eigentlich nur noch zum Schein Küster Stutes Klavierstunden. Ich lieh mir alles zusammen, was im Dorfe an Noten aufzutreiben war. Das war nicht viel Gescheites. Tänze, Märsche, fade Salonstücke.

Bei Tante Nörchen aber machte ich einen wunderbaren Fund. Ihr seliger Studierter hatte ihr auch noch einen Stoß Noten hinterlassen – das fiel ihr ein, als ich ihr eines Tages meine Not klagte: ich hätte alles durch. Ihr seliger Studierter mußte einen guten Geschmack gehabt haben, denn der ausgegrabene Musikschatz bestand aus einer großen Anzahl Sonaten von Haydn, Mozart und Beethoven, in lauter einzelnen, vergilbten, staubzerfressenen und stockfleckigen Heften der Ausgabe Louis Holle, Wolfenbüttel.

Alle drei Großmeister und in vollgültigen Werken!

Mit Staub und Spinnweben sind die Hefte bedeckt, lagen sie doch auf dem Boden offen in einer alten Waschbalge, und stark modrig riechen sie, als ich sie ordne, und fast auf jeder Seite laufen Spinnlein, Asseln, Bücherskorpione ratlos und entsetzensvoll herum.

Die Sonate pathétique ist auch mit dabei. Am Kopf, neben dem Titel, steht geschrieben, schräg und micklig: »Diese Sonate ist die Räubersonate.«

Das sagt viel, gibt zu denken! Ich schaue hinein. Donnerwetter, gleich zu Anfang, im » Grave« die mordsgrausam vielen schwarzen Noten, in ganzen Bündeln! Jedoch Blut, Raub, Mord in diesen Tönen und deshalb Räubersonate? Ich forsche bis heute vergeblich nach dem Ursprung dieser Bezeichnung, und so mag sie wohl von Tante Nörchens seligem Studierten selber herrühren, der hatte vielleicht, ein phantasievoller Mensch, bei einem Musikstück sich eher zu viel gedacht als zu wenig.

Haydn, Mozart und Beethoven – ja, wahrhaftig, das ist nun die gefundene Zauberformel, das A und O, und alle sonstige Musik, pah, sie ist nicht wert, daß sie existiert! So tue ich sie ab, insgesamt, ich schlage verächtlich sie zusammen mit dem Schlagwort »Salonklepper«! Freilich ich verstand mich auf Zugeständnisse später, notgedrungen und so nach und nach. Weber, Schubert und auch noch Mendelssohn, Schumann ordnete ich schon im stillen mit ein und betrachtete sie als mit hinzugehörig, ich verteilte, versteckte sie gewissermaßen heimlich in den Falten der majestätischen Purpurmäntel der drei großen, allmächtigen Könige der Tonkunst: Haydn, Mozart und Beethoven.

Mit Todesverachtung übe ich die Sonaten. Die Räubersonate, ha, ist schwer, ich verrenke mir fast die Arme, zerbreche mir fast die Finger daran, bis ich sie endlich wirklich herausbringe. In meiner Weise allerdings, in meiner Auffassung. Die Räubersonate ist nun mein erkorenes Leibstück. Mit wildgenialischen Verrenkungen des ganzen Körpers spiele ich sie. Ich werfe den Kopf zurück, daß mir die Haare fliegen, wie dem anspringenden Leu die Mähne. Oder ich lasse auch im Espressivo den Kopf tief niederfallen auf die Brust. Bei jedem sf. zucke ich zusammen, wie getroffen von den Pfeilen des Apollo. Im ff. reiße ich mich fast auseinander, beim p. dolce zerschmelze ich innerlich, ich rutsche zusammen, ja krieche fast unter das Klavier. In meiner brünstigen Hingabe, in meinem heiligen Ernst merke ich natürlich nie, daß die Leute im Dorfe sich halbtot lachen, wenn sie mich am Klavier sehen. Man kennt bald keinen größeren Mords- und Deubelsspaß, als sich von Karlchen Berkebuschen seine berühmte Räubersonate vorspielen zu lassen, lediglich um ihn damit zu verulken. Wie ein guter und begeisterter Gimpel hüpft Karlchen Berkebusch auch immer heran. Nicht aus persönlicher Eitelkeit, vielmehr aus reinster, heiliger Sachlichkeit: nur damit man die unergründliche Tiefe, die überwältigende Schönheit und Größe der Räubersonate verstehen und mir nachfühlen möchte. –

Auch für die Violine setzte Küster Stute eine Stunde an, nach einiger Zeit. Das wollte nun aber nicht gehen. Alli fing gleich laut an zu heulen, und die Frau Küsterin flüchtete hinaus in den Garten. Schon in der zweiten Stunde kam sie hereingebürstet: keine Minute länger dulde sie diesen Unfug im Hause. So blieb dem Küster kein anderer Ausweg, er sah sich nach einem Violinlehrer um. Stengel, der Kapellmeister der Dorfmusik, gab danach die Violinstunden. Bei ihm war man's gewohnt, hier verlor unser Gewinsel sich in dem allgemeinen Tohuwabohu, unter dem »Nöttnött«, »Terengschnettereng«, »Lüsütelü«, »Dudeldideldi« seiner Gesellen und Lehrjungen, wie sie übten im Hause und in den Nebengebäuden, jeder für sich. Überdies lag im Interesse der Nachbarschaft Stengels Haus, wie die Abdeckerei, außerhalb des Ortes.

Stengels Violinstunden entsprachen ungefähr des Küsters Klavierstunden. Sie waren dafür billig, das »Honorar« für die volle Stunde betrug zwei Gute Groschen. Als man sich einigermaßen mit den Fingern auf den Saiten zurechtfand und der Bogen wenigstens die in Frage kommende Saite allein auch richtig fassen und abstreichen konnte, wurden aus alten, geschriebenen Noten, die nach Bier, Staub, Schweiß und Tabak rochen, die Dorftänze gefiedelt, die Stengel auf seiner Walze hatte. Zunächst natürlich zweite Geige: »Schrummschrumm, schrummschrumm«. Später aber auch erste. Nun spielte man die verschiedenen »Fünftehalbturigen mit Schottschen«, mit Rutscher, Walzer. Die verschiedenen »Kontra-Dreitritte«, »Kontra-Hinterums«, den »Windmüller«, die »Hubelbank«, die »Burenhochzeit«, den »Heirassa«, den »Voß vör de Eggen« und den »Siebensprung«. Ganz wie er seine Lehrjungen drillte.

Schon bald kümmerte ich mich aber auch bei Stengel nicht viel mehr um die Stunden, sondern ich geigte für mich, nach dem Gehör, zunächst immer wieder das Köstliche, Herrliche aus dem Gehegekonzert. Außerdem spielte ich aus den Klaviernoten des seligen Studierten die Melodiereihen des Diskantes, so gut es gehen wollte.

* * *

Eine goldene Zeit bricht an, ich finde einen Meister und zwei Genossen im Apoll.

Jul hatte sein Violinspiel eifrig fortgesetzt. Auch Schorse vom alten Stammgasthause hatte Violinstunden, auch er hatte viel Lust und Talent zur Musik. Wir drei: auf dem Parnaß finden und verstehen wir uns nun erst richtig! Freilich nur in den Ferien sind wir zusammen, und wir geigen unermüdlich, Violinduette, oder ich vertrete auch im Zusammenspiel das Klavier.

Unser »Musikjokel« jetzt! Ich bin natürlich dazu der Verführer. Trotz aller Anfechtungen aber und Verfolgungen – wir lassen uns nicht niederkriegen, die Leiden stärken, vertiefen uns nur in unserer Liebe und Begeisterung für die Musik. Wir verschanzen uns zuletzt richtig auf dem Parnaß.

Dazu der Meister. Ein Mann kam in mein Heimatsdorf, der hat mich musikalisch unermeßlich gefördert, das war der Herr Justus, ehemaliger Stabstrompeter bei den Northeimer Gardekürassieren. Er hatte in der Schlacht bei Langensalza geblasen zur letzten Attacke. Bei den Preußen weiterzudienen war ihm unmöglich, und aus Not – hatte er doch eine Frau zu ernähren – nahm er die erste beste Zivilversorgung an, die sich ihm bot. So kam er an das Amt meiner Heimat. Er brachte mit sein geliebtes kupfernes Klappenhorn, seine Geige, Bratsche, sein Violoncello und dazu seinen sehr beträchtlichen Notenschatz. Daran hing sein Leben. Ein Glück, daß die ihm sonst recht unähnliche Frau ihn hierin verstand und gewähren ließ. Sobald er den ersten Strich tat auf der Geige, oder den ersten Ton blies, mit dem ihm eigenen großen Gefühl, da blickte sie bewundernd auf zu ihrem Justus, wie eine gerührte Löwin zum flöteblasenden Orpheus.

Kaum hatte Herr Justus sich etwas eingelebt, schon im April, an einem warmen Abend, hörte man ihn blasen. Hinterm Gasthause der Witwe Striepe, in der Lindenlaube saß er, an jedem warmen Abend, und die weichen Töne seines Klappenhorns liebkosten zärtlich das Dorf. Volkslieder blies er, Opernmelodien, meist sehr gefühlvolle, melancholische, seiner Gemütsart entsprechend. Man wußte bald: einen guten Tropfen verschmähte er nicht, der Herr Justus, der große Gefühlsmensch, seine Töne blühten nach jeder Anfeuchtung förmlich neu auf. Manchmal sang er auch zwischendurch. Aber immer erst nach dem dritten Pastoren. Er besaß einen Bariton mit Tönen wie dunkelrote Rosen. Sein Leiblied ließ er immer ausklingen mit einem auf dem Horn frei hinzuphantasierten Marsch:

»Wenn dieser Siegesmarsch an das Ohr mir schallt,
Kaum halt' ich die Tränen zurück mit Gewalt,
Mein Kamerad, der hat ihn geblasen in der Schlacht,
Auch manchem schönen Mädchen zum Ständchen gebracht.«

Eines Abends – der Mond stand am Himmel, köstlich dufteten die frisch erblühten Syringen – da blies er die völlig überirdische Zauberflötenarie: »Dies Bildnis ist bezaubernd schön!« Und nun aber beherrsche ich mich nicht länger, ich klettere über den Zaun und schüttele ihm die Hand, ich bedanke mich, aus übervollem Herzen. Von meiner Liebe zur Musik erzähle ich ihm, und daß ich Musiker werden wolle ganz und gar, wenn ich jetzt auch nur gewissermaßen als Übergang mich auf den Schulmeister vorbereitete.

Schließlich unterbricht er mich, und er prustet, preßt, zischt und stottert: »Der volle Mond – will noch eins blasen. Kommen ›Sie‹« – es ist das erstemal, daß mir diese Ehre widerfährt! – »kommen Sie morgen im Schummern mal zu mir herein, mit Ihrer Geige.«

Ich tu's, klopfenden Herzens. Als ich ihm ein paar Takte vorgespielt habe, nickt er freundlich mir zu. Und jetzt aber geigt er selber, tief elegisch, fast von jedem Ton tropft eine Träne. Zuletzt spielt er ein Adagio von Ludwig Spohr. Ich bin hingerissen davon, und trotzdem gerate ich in einen inneren Kampf. Wie, dieses Adagio nicht von Mozart? Hätte er nicht ausdrücklich gesagt: »von Spohr«, als er die Geige ansetzte, ich würde es für Mozart gehalten haben. Das sage ich ihm.

»Spohr,« zischt er mich an, »was denken Sie, Spohr gehört auch mit dazu!« Und er schnauft, preßt, zischt, prustet und stottert, als wolle er ersticken, dunkelblau schwellen ihm die Stirnadern an. Wie er den Meister noch persönlich gekannt habe, erzählt er. Vorspielen hätte er ihm in Kassel einmal dürfen und sein Lob geerntet. Und auf ein goldgerahmtes Bildchen über dem Sofa deutend: »So sah er aus. Und hier, dies Buch, lesen Sie's. Sein Leben. Von ihm selber beschrieben.«

Die Sommerferien und damit die Freunde kommen. Mit der Geige in der Hand und einem Pack Noten unterm Arm hole ich sie von der Post ab. Sie springen heraus mit ihren Geigen, mit vielen neuen Noten. Ich lasse keinen zu Worte kommen: Herr Justus und nur immer wieder Herr Justus! Sofort zusammen hin zu ihm! Und auch Jul und Schorse nimmt Herr Justus als seine Jünger an. Als er wieder Spohr zuletzt spielt, stimmen die beiden begeistert mir bei: »Allerdings und Spohr noch!«

Herr Justus gab uns zunächst aus seinem Musikschatz die Sonaten von Mozart für Violine und Klavier. Blieb aber beim Duospiel immer einer unbeschäftigt. In den nächsten Ferien ergriff er deshalb sein Violoncello und spielte Trio mit uns. Danach mußte Schorse an die Bratsche, und nun war's vollständig, nun waren wir auf dem Gipfel. Die Idealform der Kammermusik, das Streichquartett – der seligste Himmel musikalischer Betätigung! Erstes Quartettspiel, ja, was das bedeutet, kann nur ermessen, wahrhaftig, wer's erlebt hat! Wie man zum ersten Male sich daran macht und die Pulte zurechtstellt, die vier Stimmen auflegt, die Instrumente einstimmt, die vier Bogen ansetzt, vorzählt und endlich den ersten vierstimmigen Zusammenstrich tut, um stracks damit zu entschweben dem Erdendunst – ad astra!

Wir spielten manchmal Quartett die Nacht durch, bis in die aufgehende Sonne. – Hienieden »unterm wechselnden Mond« gibt's ja nun einmal keine ungetrübten Freuden. Als wir jetzt sogar auch nachts von unseren Geigen nicht loskamen, machte man unerbittlich gegen uns scharf. Unsere Instrumente will man uns wegnehmen, die heißgeliebten. Heimlich auf dem Kornboden spielen wir deshalb Quartett. Der alte Klostertischler saß nämlich wieder in der Irrenanstalt, und Herr Justus hatte die Schlüssel in Verwahrung, überhaupt der Kornboden wurde amtlich nicht mehr benutzt. Hier sind wir sicher. In der grausigen Henkerkoje des alten Fron- und Gerichtshofes, und zwar in der wurmzerstochenen Truhe, wo einst der Nachrichter das Richtschwert aufbewahrte, da liegen jetzt unsere Geigen und Noten. Und darüber an dem unheimlichen Krampen, der – brr! – dem Henker zum Aufhängen des Rades einst gedient hatte, hängt unsere Bratsche. Wo einstmals schauerlich die Schreie gellten der Gefolterten – die Wände der Folterkammer hallen nun wider von den Tönen Haydns, Mozarts, Beethovens, und wo ehemals am Richtertisch Ein Hochnotpeinliches Halsgericht seines grausigen Amtes waltete, steht jetzt eine alte Tonne, worauf wir unsere zusammenlegbaren Notenpulte stellen. Nur zuweilen Mäuse und Ratten, sonst niemand stört uns hier.

Leider aber sollte ich mich überhaupt nicht mehr lange des Friedens freuen. Unheildrohende Wolken zogen herauf ob meinem Haupte. Nämlich der Küster hielt's nun nicht länger mehr aus. Wenn er sich's ja auch einbildete, daß ich meine großen Fortschritte in der Musik allesamt ihm zu verdanken hätte, dennoch nagte ihn die Eifersucht auf Herrn Justus. Die übrigen drei Präparanden fühlten sich beleidigt und zurückgesetzt durch mich, weil ich so gut wie gar nicht mehr mit ihnen verkehrte, und deshalb lagen sie dem Küster immerfort mit Klatsch in den Ohren über mein verrücktes Musizieren mit Herrn Justus und Julen und Schorsen. Noch dazu heimlich jetzt, auf dem Kornboden: der Alleswisser, der infame, war dahinter gekommen und hatte es schnöde verraten. Verschärfend kam noch hinzu, der Durchgefallene war unlängst abermals durchgefallen. Kurzum, der Küster zog nun wirklich andere Saiten auf, auch mir gegenüber.

Einmal unversehens nach der Stunde hält er mir eine Standrede. Demnächst würde ich siebzehn, und ich müsse mich zur Aufnahmeprüfung melden. Deshalb habe ich fleißig zu sein, mein Ziel scharf ins Auge zu fassen und alle Nebendinge beiseite liegenzulassen. So wie bislang könne es nicht weiter mit mir fortgehen.

Ich, voller Trotz, entgegne ihm: Ich könne auch ohne den Schulmeister Musikus werden. Überhaupt ich wäre bereits weit genug, um ganz und gar schon dafür zu gelten.

Das empört den Küster. Seine käsebleiche Nase wird rot und giftig wie ein Fliegenpilz, die Sprache verschlägt sich ihm, und nur die langen Arme lockern endlich sich auf, greifen zu und schmeißen mich hinaus.

Am Abend kommt der [Küster] und beschwert sich über mich. Das hatte ich vorausgesehen.

Ich trotze weiter. Ich wolle den Widerstand der schnöden Welt schon brechen. Alle großen Musiker hätten kämpfen müssen, um sich durchzusetzen, Haydn so gut wie auch Mozart und Beethoven, meine erhabenen Vorbilder!

Man ist entsetzt darob.

Als der Kampf am heftigsten tobt, gottlob! endlich kommt er, Herr Justus: ich hatte ihn gebeten, mir doch herauszuhelfen. Und ihm gelingt's, er stiftet Frieden. Freilich in anderer Weise, als ich's erwartete.

»Ich stimme Herrn Küster Stute bei. Lassen Sie sich's gesagt sein und von mir, Sie haben lange noch nicht genug gelernt, um jetzt schon für einen Musikus zu gelten.«

Das sagt mir Herr Justus. Der muß es wissen. So gibt's wirklich keine andere Möglichkeit hinzugelangen, als durch den Schulmeister.

Ich solle die Musik vorerst etwas mehr ruhen lassen, redet Herr Justus in Güte zuletzt mir zu. Fleißig solle ich sein, mit meinen Büchern Freundschaft schließen, um meine Aufnahmeprüfung zu bestehen.

Herr Justus – Herr Justus rät mir das! Mein Widerstand ist gebrochen.


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