Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Fünfzehntes Kapitel.
Das Haus Robespierres

Die Sonne des Juli im Jahre 1794 versendete glühende Pfeile in die Straßen von Paris, und unter der Last dieser schwülen Hitze schlich ein Mann in der Straße St. Honoré von Haus zu Haus und fragte nach der Wohnung des Konventsdeputierten Maximilian Robespierre. Ein Vorübergehender bezeichnete ihm endlich das Haus des Schreiners Dupleix und eilte weiter zu kommen. Der ermüdete Wanderer ging in die Tür des Hauses, lehnte sich unten an die Wand und verschnaufte, auf seinen Stab gestützt. Da traten einige Leute von wildem Aussehen und verdächtigen Gesichtern auf ihn zu und fragten ihn kurz und herrisch, was er hier tue und was sein Begehren. Als hierauf der Fremde erklärt, daß er einzig nur gekommen, um mit dem hier wohnenden Robespierre zu sprechen, fielen die drei Männer über ihn her und machten Miene, ihn zu durchsuchen. Der Fremde stieß sie mit einem kräftigen Fluch zurück und rief: »Was zum Teufel wollt ihr von mir? Haltet ihr mich für einen Meuchelmörder, der verborgene Waffen bei sich trägt? Ich bin ein Patriot so gut wie einer und die Parteien gehen mich nichts an. Hier ist nur die Frage, ob ich Robespierre sprechen kann oder nicht.«

»Oho! nur gemach, Prahlhans!« sagte einer der verwegenen Kerle, die hier, mit Säbeln und Pistolen bewaffnet, Maximilians Leibtrabanten vorzustellen schienen: »Wenn du dich nicht gutwillig fügst, so werden wir kurzen Prozeß mit dir machen.«

Das Auge des Menschen mit der roten Mütze funkelte sehr widerlich, und er wollte schon von neuem Hand an den Fremden legen, als der zweite dieser Gesellen in friedlicherem Tone anhob: »Laß gut sein, Nikolas. Der Mann hier scheint mir ein gutes Kind zu sein, ein weit hergewanderter Sansculotte, der schon mehr Rücksicht verdient als die Tagediebe von Paris. Du glaubst nicht, guter Freund« – er wendete sich zu dem Fremden – »wie man hier auf der Hut sein muß, wenn man's einmal aus Patriotismus übernommen hat, den tugendhaften Robespierre zu beschützen. Sogar den Weibern darf man nicht mehr trauen; vor wenig Wochen erst wollte die Tochter eines Papiermachers den Retter unseres Vaterlandes ermorden. Aber wir waren auf dem Platze, und die Guillotine kam nicht zu spät wie bei der verfluchten Corday. Du jedoch – wie gesagt – scheinst mir ein wackerer Republikaner, und ich werde gleich die Bürgerin Dupleix fragen, ob der Repräsentant sichtbar ist oder nicht.«

Er entfernte sich in das Innere des Hauses, während seine beiden Kameraden wie lauernde Wölfe vor dem Fremden stehen blieben und nicht aufhörten, ihn von Kopf bis zu den Füßen zu messen. Die Galle überlief zwar den Wartenden, doch bezwang er sich mühsam in der Gegenwart dieser Leute, von denen er bereits in Paris vieles gehört hatte. Es waren Bursche, die sich wie Schmeißfliegen an das Schicksal des gefürchteten Diktators geklammert hatten und eine Ehre darein setzten, ihn gleich einer Leibwache überallhin zu begleiten, wie auch in ihrem Gefolge stets eine Schar von nichtswürdigen Weibern zog, die man allgemein nur Robespierres »Strickerinnen« nannte, weil sie mit dem Strickstrumpf in der Hand die Tribünen des Konvents anfüllten, um ihrem Götzen Beifall zuzujauchzen und fast den ganzen übrigen Tag in seinem Hause zubrachten, ihm die Klatschereien der Stadt zuzutragen. Die Namen von einigen dieser Megären sind von der Geschichte aufbewahrt worden; nicht minder die Namen Taschereau, Nikolas und Paul, derselben Leute, die gerade heute in Robespierres Wohnung die Wache hielten.

Taschereau kam soeben zurück und winkte dem Supplikanten, ihm über die Treppe zu folgen. Sie schritten beide durch ein kleines Vorzimmer in ein größeres Gemach, das mit altväterischem Luxus möbliert war. Grüne Vorhänge waren an allen Fenstern herabgelassen, im Hintergrund stand das Schreibpult, woran der Mann des Schreckens seine Konventsreden zu meditieren pflegte; und in der Mitte des Zimmers ein zum Frühstück gedeckter Tisch, mit mehreren Kuverts belegt, welche auf die Gäste zu warten schienen. Drei Personen befanden sich in der Stube. Robespierre selbst, der an der Tafel in einem Lehnstuhle saß, verschanzt hinter einem Korbe voll Orangen, von denen er begierig speiste; dann ein junges Frauenzimmer, die Tochter des Hausherrn, die mit dem Repräsentanten in den vertrautesten Verhältnissen lebte; sie lehnte sich gerade auf den Stuhl ihres Freundes und schien ihm eifrig zuzureden. An einem Fenster des Gemachs endlich saß ein anderes junges Frauenzimmer mit sanften einnehmenden Zügen: Robespierres Schwester.

Der Deputierte hielt einen Augenblick mit dem Speisen inne und sah durch seine grüne Brille die Eintretenden steif an. Dieselbe Eleganz im Äußern, die ihn schon in der Nationalversammlung ausgezeichnet hatte, herrschte noch jetzt in der Zeit des Sansculottismus bei ihm vor. Er trug die Haare sauber frisiert, feine Wäsche, einen königsblauen Frack und seidene Strümpfe. Er richtete schnell mit seiner heiseren Stimme die ersten Fragen an den Fremden, der ihm hierauf erwiderte, daß er der Pächter Dieudonné aus dem bretagneschen Dorfe St. Colombe sei und die weite Wanderung nach Paris unternommen habe, um sich nach dem Schicksal des Infanterieleutnants Viktor Dammartin zu erkundigen, der, wie er befürchte, noch in den Kerkern von Paris schmachten müsse.

»Was soll ich dabei tun?« versetzte Robespierre mit jenem Aufschluchzen der Stimme, das ihm eigen war, wenn ihn Ungeduld oder Zorn übermannte; »bin ich der Kontrolleur der Pariser Gefängnisse? Oder soll ich die Offiziere der republikanischen Armee nach ihrem Rang und Namen kennen? Ihr seid zudringlich, lieber Freund. Die Komitees haben in solchen Angelegenheiten die gehörige Weisung zu erteilen, nicht ich.«

Sans-Regret entgegnete mit besonderer Schlauheit: »Eben diese Komitees haben mich mit Härte und unbefriedigt abgewiesen. Die meinen, es lohne sich der Mühe nicht, um eines einzigen Menschen willen alle Register der Gefängnisse durchstöbern zu lassen, besonders da es wohl möglich sei, daß der Prozeß des Offiziers bereits geschlichtet worden. In der fürchterlichsten Ungewißheit glaubte ich daher recht zu tun, indem ich mich an dich, Bürger Repräsentant, wendete, der im Besitze aller Tugenden ist, folglich auch der Gerechtigkeit.«

Maximilian war offenbar von dieser Schmeichelei angenehm gerührt und sagte zu der nebenstehenden Dupleix mit spöttischem Ärger: »So machen's diese Komitees immer. Seit ich mich von ihnen zurückgezogen, geht alles den faulsten verdrossensten Weg. Wenn sie nur die Gefängnisse vollgestopft haben, so glauben sie alles getan, und versagen dem patriotischen Bürger die Gerechtigkeit, obschon wir vor dem Gesetze alle gleich sind.« Indem er mit seinen Fingern, die zufolge eines seltsamen Nervenreizes, der sich sehr oft bei ihm einstellte, zuckte, als berühre er eine Klaviatur, die Schalen der schon gespeisten Pomeranzen auf seinem Teller zu einer Pyramide aufhäufte und nach einer neuen Frucht griff, die ihm von der Dupleix zerschnitten dargereicht wurde, fuhr er fort: »Bürger Dieudonné! Du sollst dich nicht vergebens an mich gewendet haben; ich werde dein Begehren berücksichtigen. Wie heißt dein Freund? Dammartin? Dieser Name ist eine schlechte Empfehlung, weil er einer alten Aristokratenfamilie angehört.«

Sans-Regret antwortete schnell und etwas ärgerlich: »Der junge Mann hat für die Republik gestritten und ehrenvolle Wunden davongetragen.«

»Das ist etwas anderes,« sprach der Diktator trocken, und fuhr ebenso trocken fort: »Wie ich sie liebe, diese Wunden, fürs Vaterland empfangen, weil aus ihnen die Hoffnung der Zukunft emporblüht! Wie kommt aber der verdiente Offizier in die Kerker von Paris?«

In diesem Augenblick trat ein Mann in die Stube, der, schmutzig und nachlässig angezogen, in Gang, Haltung und Gesicht den unleugbaren Ausdruck einer raubsuchenden Hyäne trug. Ihm folgte ein anderer, von plattem Ansehen, aus dessen Rocktaschen ein paar Pistolen sahen. Robespierre begrüßte den ersten freundlich mit den Worten: »Guten Morgen, Fouquier. Hast dich lange erwarten lassen. Willkommen, Bürger Renaudin!« sagte er zu dem andern. »Nehmt Platz; ihr kommt gerade recht, um vielleicht diesem guten Patrioten eine gewünschte Auskunft zu geben. Langt zu, und du rechtschaffener Bürger, erzähle uns weiter von deinem Freund Dammartin.«

Sans-Regret schauderte innerlich zusammen, als er sich gegenüber dem furchtbaren Fouquier-Tinville sah, dem entsetzlichen Ankläger beim Revolutionstribunal, auf dessen Haupt schon tausend Blutschulden lasteten und dessen Dasein von Hunderttausenden verwünscht wurde, die unter seinem Beile ihre Eltern, ihre Verwandten und Freunde verbluten gesehen. Da der Invalide jedoch bemerkte, daß der gräßliche Blutmensch seine hämischen Augen durchbohrend auf ihn richtete, und Renaudin, einer der feilsten Geschworenen am Revolutionstribunale und ein unermüdlicher Helfershelfer des Tyrannen, nicht unterließ, seinerseits dasselbe zu tun, so faßte er sich so gut als möglich und begann seine Erzählung: wie der Leutnant Viktor als Adjutant des Generals Marceau unglücklicherweise in den Prozeß des Generals wegen der Rettung der Vendéerin geraten; wie indessen dieser Prozeß durch die kräftige Verwendung des Repräsentanten Bourbotte niedergeschlagen und Marceau bereits längst in Freiheit gesetzt wurde; wie es nur der Gerechtigkeit gemäß sei, daß somit auch der Adjutant freigesprochen werde, weil er in der Sache nur auf Befehl seines Obern, ohne zu wissen, wer die gerettete Person gewesen, gehandelt; wie jedoch Viktor noch nicht bei seiner Fahne eingetroffen und auch nichts von dem Schicksal der Vendéerin verlautet, die mit ihm gefangen; wie Marceau darüber untröstlich sei, und ihm, dem Freund endlich, alles daran liege, über das Los des Offiziers beruhigt zu werden.«

»Weißt du etwas von der Sache!« begann nun Robespierre zu dem öffentlichen Ankläger.

Dieser kratzte sich verlegen in den schwarzen, nach hintenzu gekämmten Haaren, zog die Schultern und antwortete mit höhnischem Lächeln: »Wahrhaftig – man müßte das Gedächtnis eines Elefanten haben, um im Kopfe zu behalten, welche Prozesse sich Tag für Tag vor unserem Richterstuhl drängen. Doch ist mir just so, als hätte ich den Namen Dammartin erst vor kurzem gehört. Der Greffier und Antonelle, der Chef der Geschworenen, müssen das wissen, oder erinnerst du dich vielleicht, Renaudin? Haben wir nicht etwa den Exadeligen schon mit einer Fournée auf den Revolutionsplatz oder nach der Barrière du Trone geschickt! Ich, meiner Treu, bin eher imstande, mir die Namen der Freigesprochenen zu merken als ...«

Er sah den Repräsentanten mit vertraulichem Blick an und die beiden Tiger lächelten sich im Einverständnis zu. Renaudin indessen sann nach, schüttelte den Kopf und versetzte: »Es sind so viele Konspirationen gegen die Republik vorgekommen, daß ich mich nicht mehr entsinne. Wir haben zwar alles mögliche getan, um die Kerker leer zu machen, aber sie füllen sich immer wieder an, so daß wir am Ende nicht Hände genug haben werden, um all' die Arbeit zu tun. Doch ist mir auch der Name des Offiziers irgendwo aufgestoßen, und es wäre sogar möglich, daß er auf deiner Liste steht, worauf die Individuen verzeichnet sind, die in den nächsten Tagen vor die Schranken kommen sollen. Zufällig trage ich sie bei mir, um sie dem Greffier zuzustellen, auf daß er damit vorläufig die bereits gedruckten Urteilsformulare ausfülle.«

Der Mensch zog die lange, zerknitterte und schmutzig gewordene Blutliste aus der Tasche; eine Reihe von mehreren hundert Namen, die größtenteils schon von Fouquiers Feder mit dem Zeichen der Vernichtung und des Todes begleitet waren. Fouquier riß das Papier dem Geschworenen aus den Händen, durchflog es mit seinem glühenden Stechblick und wies endlich mit seinen mageren Fingern auf den gefundenen Namen. »Richtig,« rief er triumphierend; »da stehts: Dammartin, genannt Viktor, ehemaliger Vicomte und Garde du Corps des Tyrannen; Mitschuldiger des Generals Marceau; angeklagt, eine Feindin des Vaterlandes dem Schwerte des Gesetzes entzogen zu haben, sowie auch der sträflichsten Teilnahme an der Orgie der Leibwache zu Versailles, am 3. Oktober alten Stils 1789. – Die Assignation und die Anklageakte sind ihm bereits ausgehändigt und morgen erscheint der Angeklagte vor dem Revolutionstribunal.«

»So weißt du denn nun, was du wissen willst, Bürger,« versetzte Robespierre mit kalter Gleichgültigkeit.

Sans-Regrets Blut war wie geronnen. Die schreckbarsten Ahnungen stiegen in seiner bekümmerten Seele auf, und mit einer sichtlichen Beklemmung fragte er schüchtern die beiden Machthaber, ob denn der wackere Offizier, der für die Republik wie ein Löwe gestritten, etwas zu fürchten habe, und ob es nicht erlaubt sei, ihn in seinem Kerker, um dessen Bezeichnung der Invalide bat, zu besuchen.

Robespierre entgegnete mit feierlichem Tone: »Tugend und Gerechtigkeit sind die Grundlagen eines jeden wohlgeordneten Freistaates. Wenn auf der einen Seite das Gesetz mit strenger Wage diejenigen richtet, die sich undankbar gegen dasselbe vergingen, so reicht es auf der andern Seite mit väterlicher Besorgnis dem Angeklagten alle nur möglichen Bürgschaften und Verteidigungsmittel, um sein Los sicherzustellen. Das Vertrauen, welches die Nation in diejenigen Männer setzt, denen sie die Handhabung der Gerechtigkeit auftrug, wie das nie genug zu lobende Institut der Geschworenen, – nicht minder die uneingeschränkte Freiheit der Verteidigung, sind hinreichend, jede voreilige Furcht niederzuschlagen. So viel im allgemeinen, guter Bürger. Meine Geschäfte bewegen sich in einer andern Sphäre, und ich kann daher nichts anderes tun, als Euch an die tugendhaften Bürger Ankläger hier zu verweisen.«

Er stand, der langen Audienz überdrüssig, schnell auf und drehte, mit dem Frauenzimmer redend, dem Invaliden den Rücken.

Sans-Regret sah schüchtern auf Fouquier, der mit einer Grabesstimme kurz und trocken hinzufügte: »Vor unserem Richterstuhl gilt nur das Recht. Ist dein Freund unschuldig, so sei er getrost; ist er strafbar, so resigniere er sich. Auf jeden Fall ist es unnötig, Bürger, daß du ihn in seinem Gefängnis aufsuchest. Die Gemütsbewegung bei dem Wiedersehen könnte ihm die Besonnenheit rauben, die er braucht, um an sein Verteidigungssystem zu denken. Du siehst ihn frühzeitig genug, morgen vor dem Tribunal. Es finden sich daselbst täglich viele gute Bürger ein, und es wird dir, denke ich, nicht an Platz fehlen. Gehe nun, wackerer Bürger, und vergiß nicht, dir von deiner Sektion eine Sicherheitskarte zu besorgen. Du trägst doch ein Zertifikat deines Bürgersinnes bei dir?«

»Dieses, und einen Paß, von meiner Gemeinde ausgestellt.«

»Laß doch sehen, Bürger.«

Fouquier durchspähte die Papiere und gab sie mit einem leichten Kopfnicken an den Invaliden zurück, der sich mit einer schweren Last auf dem Herzen entfernte.

Auf der Treppe kam ihm Mademoiselle Robespierre nach und fragte schüchtern und leise: »Du hast Trost gesucht, guter Mann, und wenig Trost gefunden. Willst du mir erlauben, dir diese Kleinigkeiten anzubieten?« Sie wollte ihm ein paar Assignaten in die Hand drücken. »Du scheinst den weiten Weg zu Fuß gemacht zu haben und wirst einer gewissen Bequemlichkeit bedürfen.«

Den Invaliden überraschte diese Barmherzigkeit in der Höhle des Tigers aufs höchste. Tränen für seinen Freund und Tränen des Dankes für die Mitleidige, die vor ihm stand, preßten sich nach seinem Auge, und doch durfte er kein Wort reden, um eben nicht in Weinen auszubrechen, denn unten im Hause versammelte sich schon all' das Gesindel, das gewöhnlich Robespierre in die Sitzung des Konvents begleitete. Heftig riß er eine Dreilivresassignate aus den dargebotenen, verbarg sie auf seiner Brust, durch Gebärden bezeichnend, daß er sie ewig als Andenken bewahren wolle, schüttelte der freundlichen Geberin die Hand und eilte die Treppe hinunter.

Als Robespierres Schwester wieder in dessen Zimmer trat, fand sie ihren Bruder mit Fouquiers Liste in der Hand und hörte, wie er gerade sagte: »Ihr arbeitet brav, meine Freunde. Nur immer zu: die Komitees müssen ersticken in all dem Blute, das sie zur Schlachtbank liefern.«

»Ich gebe dir mein Wort darauf,« antwortete Fouquier mit teuflischem Blutdurst, »von morgen an schicke ich alle Tage siebenzig Köpfe zur Guillotine, und was mir der Dekadi schmälert, bringe ich anderwärts ein. – Der Schlingel, der von hier wegging, fällt auch in meine Hand. Sein Fürwort für den Exadeligen und seine Papiere, die aus einem Departement herstammen, wo noch alle Behörden aristokratisch sind, machen ihn höchst verdächtig. Renaudin, besorge schnell, daß der Mensch beim Wohlfahrtsausschuß denunziert werde.«

Maximilian lächelte zufrieden und versetzte: »Du hältst wacker Schritt, Fouquier, und der ehemalige Vicomte?« –

»Muß in den Sack nießen, wie jeder andere. Bricht ihm nicht der Marceausche Prozeß den Hals, so tun es gewisse weiße Kokarden, von denen ich erst morgen näher hören werde. Indessen steht schon das Zeichen des Todes bei dem Namen des Cidevant, und ich kann nur bedauern, daß eine Wallung von Edelmut den Bourbotte bestimmte, den General Marceau unserem Tribunal zu entreißen.«

Robespierre gab den Weibern ein Zeichen, sich zu entfernen, und sagte leise zu Fouquier: »Die Ausschußmänner überheben sich allzu viel in der Ausübung ihrer Macht. Es wird Zeit, ihnen den Meister zu zeigen. Vorbereitet ist alles. Darum habe ich schon so lange nicht mehr die Ausschüsse besucht, darum habe ich all' die blutigen Maßregeln der verflossenen Tage auf die Schultern jener Intriganten gewälzt. Das Volk ist nun aufgereizt genug, es ist keine Frage, wie seine Wahl ausfallen wird, wenn es nur zwischen mir und jenen Komitees zu wählen hat. Ein Schlag und ...«

»Tue ihn bald!« sagte warnend und schlau der öffentliche Ankläger.

Soeben stürmte ein junger Mann herein, in nachlässigem Anzug, mit feurigem Blick und vielen Papieren in den Händen.

»Sieh da, St. Just!« rief Robespierre, ihm die Hand entgegenreichend.

Kaum, daß der junge Mann sie annahm, denn er begann allsogleich mit leidenschaftlicher Heftigkeit:

»Wie? Du stehst so ruhig hier, während im Konvent die Hyder der Verschwörung ihre hundert Häupter nach und nach aus der Tiefe streckt, um dich zu zermalmen? Komm, Robespierre! Verliere nicht die Zeit in müßigen Systemschöpfungen. Schon war ich im Konvent, schon habe ich von einigen Getreuen erfahren, daß die Clique mich nicht mit meinem Rapport zum Wort kommen lassen will. Die Tallieu, Le-Gendre, die Merlin und ihre Faktion [d. i. eine umstürzlerische Gruppe] wagen es, mit uns zu spielen! Willst du in der Untätigkeit untergehen wie Danton? Steht nicht die Macht bei dir, sie zu zerschmettern, wie wir den kecken Desmoulins zerschmetterten, der sich doch nur einen schlechten Spaß gegen mich erlaubte? Komm, eile! Fouquier, auf deinen Posten! Ein Wink von dir, Maximilian, und Henriot läßt, während wir die Verschworenen von der Tribüne niederdonnern, durch ganz Paris den Generalmarsch schlagen. Unsere treuen Bataillone müssen das Komplott im Schoße des Konvents selbst in Fesseln schlagen, und dann herunter mit den strafwürdigen Köpfen jener Schurken, lieber heut als morgen!«

Fouquier rieb sich teuflisch vergnügt die Hände und sprach: »Das wird eine große Lieferung werden. Geh' vorläufig zu Samson, Bürger Renaudin, daß er die Guillotine fleißig einöle. Er wird viel zu tun bekommen.«

Robespierre aber schüttelte, verächtlich lächelnd, den Kopf und erwiderte: »Du bist ein Brausekopf, St. Just: alles hat seine Zeit. Wenn der Apfel reif ist, fällt er von selbst. Du bist immer mein guter Schüler gewesen, folge auch heute deinem Meister. Keinen Aufstand, keinen Tumult, ich hasse das. Der Faden ist in meiner Hand und ich halte bereits das ganze Nest.«

»Du bist verblendet!« rief stürmisch St. Just; »schlägst du sie nicht, so treffen sie dich. Laß dich bewegen; wenn du auch die offene Gewalt scheuest, so laß die Verschworenen in der nächsten Nacht festnehmen. Im Namen der Freiheit, wäre ich denn von den Grenzen der Republik, von unseren siegreichen Heeren nur zurückgekehrt, um dein und unser aller Verderben zu schauen? Alles an alles! Das geht in Revolutionen nicht anders. Der geringste Zweifel an unserer Macht ermutigt die Feinde. Gib die Befehle und laß uns gehen.«

Robespierre schüttelte sich krampfhaft und versetzte mit ungeduldig bewegter Stimme: »Ich habe deine Gaskonnaden satt, St. Just. Ich weiß, daß wir Feinde haben, Feinde, die auf dem Berg sitzen! Ich weiß, daß ein Schlag unvermeidlich ist, aber meine Kombinationen haben mich nie getäuscht. Sie sollen die Maske abwerfen, die Verschwörer; dann sind wir da, sie zu fassen. Mehr als den Versuch wagt ohnedies die Canaille nicht.«

St. Just verstummte voll Verdruß. Fouquier schied, und Robespierre machte sich mit seinem jungen Freund und dem Gesindel, das ihn immer zu begleiten pflegte, auf den Weg zum Konvent.


 << zurück weiter >>