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Zweiundzwanzigstes Kapitel.
Die Nacht im Biwak

Das Kloster del Bosco hatte – man dankte dem General Kellermann diese Fürsorge – Vorräte herbeigeschafft, um die hungrigen Sieger nach dem langen Kampf zu erquicken. In dem Hauptquartier des Konsuls ging es so lustig und geräuschvoll her, wie der erstrittene Erfolg es nur erlaubte; tausend Mutmaßungen für die Zukunft wurden geäußert, tausend Wetten eingegangen; denn noch war die Frage zu erledigen, ob am nächsten Morgen die Schlacht fortgesetzt oder ein beiden feindlichen Heeren notwendiger Waffenstillstand geschlossen würde.

Es war leicht zu bemerken, daß der Konsul selbst diese Ungewißheit teilte, obschon er in seiner Klugheit vorgab, bereits einen entschiedenen Plan gefaßt zu haben; was jedoch noch leichter aus seinem Betragen erhellte, war, daß er nicht geneigt sei, nur einen Teil des Sieges einem andern verdanken zu wollen, als gerade sich selbst. Mit einigen Worten, welche innige Wehmut mit vielem Glück ausdrückten, bekränzte er die Tumba des zu früh gefallenen Desaix; mit anderen, nicht minder emphatischen und gewählten Ausdrücken belobte er die Taten einiger Männer, die eben nichts anders getan als nur ihre Pflicht; affektierte jedoch die Verdienste anderer, die den Ausschlag gegeben, zu übersehen oder gar zu vergessen.

Kellermann war nicht zum Besten von ihm behandelt worden und stand, über solch' Betragen erbittert, mit Lannes und Murat in einer Ecke, wo der Übermut der drei Generale seinen freien Lauf nahm von Herz und Lippen.

»Es ist eine schreiende Ungerechtigkeit!« sagte Lannes, dessen Freimütigkeit bereits in der Armee zum Sprichwort geworden, »welch' ein Ansehen sich der Mensch gibt! Alles ist nichts, was er nicht getan hat: die heutige Schlacht eine Frucht seines Genies allein. Ob wir bei Montebello siegten oder nicht, das käme auf eins heraus. Stand ich nicht auch heute noch im Kartätschenfeuer den ganzen Tag? Hiebst du nicht wacker ein, Murat? Hast du nicht die Bataille durch deinen Angriff entschieden, Kellermann? Zum Lohn für dies alles wird uns kein Wort der Anerkennung, und dir, armer Schelm, der die Bataille gewann, ein kühles Lob, einem Verweis ähnlicher, während dem Bessières für sein stoisches Ausharren der Lorbeer aus vollen Händen ins Gesicht fliegt.«

»Ich bin der Ungerechtigkeiten schon gewohnt,« meinte Murat mit leichtem Achselzucken, indem er vor einem handgroßen Spiegel, der zufällig an der Wand klebte, Kragen und Halstuch zurechtzog; »der Konsul hat es seit längerer Zeit nicht besonders freundschaftlich mit mir im Sinn. Je nun, man muß warten. Wenn ihm einmal die Taschen vollgepfropft von Ruhm stecken, so fällt am Ende wohl auch für unsereinen etwas ab.«

»Was er von mir hält, gilt mir gleich,« bemerkte Kellermann mit spöttischem Lächeln; »bin nur neugierig, wie er sich im Bulletin mit mir aus der Affäre zieht. Berthier und Bourienne werden Arbeit vollauf haben, bis das Meisterstück gelingt.«

Lannes hob wieder an: »Der Mensch wird uns noch genug zu schaffen machen; ich habe ihn lieb wie einen Bruder und sehe mit Bedauern, wie der Hochmut anfängt, in ihm zum Riesen zu werden. Aber ich will nicht Lannes heißen, wenn ich nicht einmal vor ihn hintrete und ihm sage: ›Bedenke doch, daß du gerade nur ein Mensch bist wie wir anderen, die sich für die Republik und deinen Ruhm totschlagen lassen; denn wären wir nicht gewesen, so möchte der achtzehnte Brumaire übler für dich ausgefallen sein als ...«

»Stille!« unterbrach ihn Murat plötzlich und zeigte auf Viktor Dammartin, der aus des Konsuls Zimmer trat und sich der Gruppe näherte.

»Hast recht,« versetzte Kellermann halb leise, »der Adjutant ist einer von des Konsuls Enthusiasten; er schwört nur bei seinem Namen.«

Indessen redete Lannes den Adjutanten an und fragte, wie der Konsul gestimmt und was neues vorgekommen sei.

»Der Konsul hat mir ein Pferd geschenkt,« antwortete Viktor lächelnd. »Die wichtigste Neuigkeit für mich indessen ist, daß ich mit dem Frühesten mit Depeschen nach Mailand muß.«

»Es ist zu vermuten,« entgegnete Murat, »daß die Herren von Mailand sich großmütiger gegen Sie bezeigen werden, als der Konsul selbst.«

Viktor erwiderte mit einem Blick stillen Vorwurfs: »Ich weiß nicht, ob das wertvolle Geschenk für die Botschaft eines so entscheidenden Sieges meine Wünsche befriedigen möchte, wie der Besitz eines Pferdes, welches der Held des Jahrhunderts schon bei seinen ersten Waffentaten in Italien bestiegen.«

»Jeder hat seinen Geschmack,« meinte Murat; »dem einen gefallen Juwelen, dem andern Gold und der dritte ist zufrieden mit einem Stücken Papier oder einem Haarbüschel, wenn nur beides von geliebter Hand kommt.«

»Das mag sein,« antwortete Viktor halb launig, halb ernst. »Sie sprechen da von Eroberungen, General, deren ich mich nie habe rühmen können. – Hat jemand von den Herren mir einen Auftrag nach Mailand zu geben? Ich besorge ihn mit Vergnügen.«

Die Generale, Lannes ausgenommen, der dem Adjutanten einen Gruß an einen in Mailand garnisonierenden Waffengefährten mitgab, dankten für das Anerbieten und erkundigten sich noch einmal nach des Konsuls Laune.

Viktor versicherte, sie scheine sehr gut und der Konsul wünsche, Lannes einen Augenblick zu sehen. Wirklich kam auch ein zweiter Bote, um den General zu holen.

»Zum Teufel!« rief Lannes mit komischer Ungeduld. »Braucht er mich zu der Redaktion seines Armeeberichts? Ist er lustig oder mürrisch?«

Der zuletzt gekommene Offizier erwiderte: »Der Konsul singt und diktiert abwechselnd.«

»Singen?« fragte Lannes wie oben, »da ist es nicht ganz richtig mit ihm. Das Bulletin wird mehr Mühe kosten als er dachte, und wenn auf jede seiner falschen Noten nur eine Abweichung von der Wahrheit kommt, so werden wir morgen einen Bericht lesen, der uns im Zweifel läßt, ob wir in der Tat die heutige Schlacht mitgefochten oder ob sie sich hundert Meilen von uns ereignete.«

Lannes ging, die beiden Generale lachten und Viktor entfernte sich mit einem bittern Gefühl im Herzen. Murat spottete noch einige Zeit gegen Kellermann über den genügsamen Adjutanten, der, obgleich seit dem ägyptischen Feldzug dem Konsul angehörend, noch bis jetzt kein Avancement erlangen konnte, aber dennoch glücklich wie ein König sei, weil ihn der Held der Zeit mit einem Geschenk beehrt. Während dessen zürnte Viktor in seiner Brust den Männern, die des Konsuls Betragen in den Staub des Gewöhnlichen herabziehen zu wollen schienen.

Langsam durch die Schildwache und die dichte nächtliche Dämmerung dahinschreitend, versenkte sich Dammartin in die Geschichte des mazedonischen Alexanders, und vor ihm tauchten alle die Heldengestalten der dem griechischen König unterworfenen Feldherren auf, und er fand dieselben Figuren in dieser neuesten aller Zeiten wieder um sich her versammelt, ebenso tapfer, ebenso ergeben, ebenso leidenschaftlich und nicht minder begierig, den Ruhm stückweise an sich zu reißen, den des Königs Geist erworben, wie auch die Eroberungen, die er gemacht, nicht bedenkend, daß er freilich die Kräfte der anderen benutzen mußte, um zum Ziel zu gelangen, – daß aber nur durch seinen einzigen Willen, und Verstand die getrennten Elemente ein großes Ganzes bilden konnten.

Es war sehr natürlich, daß Viktor das Ende der Regierung des mazedonischen Fürsten, wie die Anarchie, die nach derselben eintrat, an sich vorübergleiten ließ, daß er jenen letzten Zustand des Alexanderreiches mit dem Zustande verglich, der in der französischen Republik eintreten mußte, wenn plötzlich ihr Oberhaupt fiel. »Gott segne Frankreich und erhalte ihm seinen Helden!« seufzte er mit der innigsten Überzeugung, befürchtend, es möchten sich nach dem Tod des Konsuls alle die Schwerter, die jetzt unter seiner Ägide für das Vaterland kämpften, gegen dasselbe kehren, um sich in seine blutigen Überreste zu teilen. Dann aber gingen Viktors Gedanken, politische Ansichten dahinten lassend, auf andere Gegenstände über, die seinem Herzen nicht minder nahe lagen und womit beschäftigt er in das Biwak trat, wo das Gros der Konsulargarde versammelt stand, bei wirtlicher Flamme, in schweigender Nacht.

Die Ruhe war hier mit der pünktlichsten Wachsamkeit gepaart. Posten zu Fuß und zu Pferd standen ringsum, gelehnt an die übrige Wachkette, die sich auf der ganzen Linie der Armee ausdehnte. Bataillon für Bataillon, Eskadron für Eskadron hatten für ihre Bequemlichkeit gesorgt, wie es Ort und Zeit erlaubten. Hier lag eine üppige Streu von Maisstroh, dort eine dürftige Schicht von elendem Heu; hie und da waren von wenigen in Eile gefällten Bäumen Baracken errichtet, worin die Offiziere der Ruhe pflegten. Die Mannschaft lag teils in Mäntel gehüllt auf dem Boden und vor ihr in Doppelreihen standen die Gewehrpyramiden, vom lodernden Feuer gerötet; teils saßen die Soldaten wach und aufmerksam auf ihren Tornistern, die geladene Flinte in der Hand. Die Halbschied der Reiterei war ebenfalls auf den Beinen, die Pferde an den Zügeln haltend und den gespannten Karabiner in der Faust; die andere Hälfte schlief indessen sozusagen unter den Hufen ihrer Rosse, die, an langen, ausgespannten Stricken befestigt, neugierig in die Flammen der Wachtfeuer blickten und bei jedem Geräusch ungeduldig die Ohren spitzten.

Vor den Bataillonsfronten steckten die Fahnen in der Erde, standen aufgetürmt die Trommeln, umlagert von der jugendlichen Schar der Trommelschläger; in der Mitte des länglichen Vierecks, worauf die Garden kampierten, stand das Feldgeschütz und daneben glimmten die Lunten der wachsamen Kanoniere.

Hie und da ruhten im Schatten zusammengetriebene Haufen von gefangenen Österreichern, teils schlummernd vor Ermüdung, teils sehnsüchtig durch die Finsternis hinüberschauend nach den Ufern der Bormida, hinter welchen ihre Landsleute standen.

Einzelne Gruppen leise sprechender Franzosen saßen um die Feuer; unter diesen, abgesondert von seinen Umgebungen, Sans-Regret, das Gewehr im Arm, die Grenadiermütze neben sich auf dem Boden und mit gesenktem Haupt die Erde anstarrend oder die verwundete, nur mit einem Schnupftuch nachlässig verbundene Hand. Viktor näherte sich dem Freund, der ihm dienstfertig ein Felleisen zum Sitz hinschob, welches ein nebenan schlummernder Soldat von einem österreichischen Kavallerieoffizier erbeutet hatte.

»Wie gehts, Alter?« fragte der Adjutant teilnehmend, und Sans-Regret entgegnete mit jovialischem Lächeln:

»Ei, sehr gut, mein Kapitän. Die Hand schmerzt ein bißchen, weil mir eine doppelt geladene Flinte darin zersprang. Nun ist aber keine Gefahr bei der Sache. Die Fingergelenke sind ganz geblieben und nur das Fleisch etwas wenig zerrissen. Doch habe ich mich bei der Gelegenheit der Wunde erinnert, die mir der Schurke zu Versailles an jenem denkwürdigen Oktobertag ungefähr an derselben Stelle beibrachte. Was hat sich seitdem alles begeben, mein guter Herr! Wir sind ganz neue Menschen geworden; ich aus einem Invaliden ein aktiver Grenadier, und Sie aus einem Diener des Königs ein verdienter Offizier der Republik, dem nur ein höherer Grad fehlt, damit auch die Welt an sein Verdienst glaubt.«

Viktor schüttelte den Kopf und versetzte: »Ich dürste nicht nach Rang und Würde, wenn ich nur dem Vaterland und seiner heiligen Sache nützlich bin. Zudem: welch' glücklicheres Los könnt' ich mir wünschen als das, durch meinen Dienst immer dem Mann nahe zu sein, der mit Recht Frankreichs Stolz genannt wird, die Hoffnung von ganz Europa! – Wenn du wüßtest, mit welcher Freundlichkeit der erhabene Mann jede noch so bittere Mühe zu vergelten versteht! Täglich nimmt meine Liebe und Bewunderung für ihn zu. Das Schicksal der Welt liegt in den Händen dieses jungen Helden, und glücklich sind wir zu preisen, daß wir an seiner Seite die Fackel der Aufklärung und der Freiheit durch Europa zu tragen berechtigt sind. Stelle dir vor, wie dieser große Genius selbst in den Stürmen des Krieges, unter der Last der Regierungssorgen, die doch allein nur auf ihm ruhen, auch die geringfügigsten Kleinigkeiten weiß, welche seine Umgebungen zu interessieren imstande sind. Denke dir mein Erstaunen, als er heute zu mir sagte, ganz mit der lächelnden Freundlichkeit, die du an ihm kennst: ›Sie werden morgen früh mit Depeschen nach Mailand abgehen; der dortige Gouverneur wird Sie unverzüglich mit einer Sendung nach Frankreich beauftragen, die es Ihnen möglich macht, Ihre häuslichen Angelegenheiten nebenbei zu ordnen und sich mit Ihrer Gattin zu vereinigen.‹ – Nun sage mir, woher weiß er von meiner Ehe? Wie kam dieser so unbedeutende Umstand zu seinen Ohren? Er bemerkte, wie sehr ich betroffen war, und schloß mit den Worten: »Ich liebe die heimlichen Ehen nicht. In Republiken muß alles frei und offen zugehen. Ich werde dem General Montchoisy bemerken lassen, daß es an der Zeit sei, nachzugeben, besonders, da doch einmal das Übel geschehen ist. Konnte er dem armen Croisier sein Wort geben, so mag ihm ein anderer Adjutant des Konsuls ebenso angenehm sein. Rechnen Sie sodann auf meine Teilnahme, sobald ich in Paris bin, und ich hoffe, nicht lange von der Hauptstadt entfernt zu sein.‹ – Welch eine Freude sich da meiner bemeisterte, endlich vor der ganzen Welt Adele mein nennen zu dürfen! Unter dem Schutz des gefeierten Helden mein Haus zu begründen!«

»Hm, es ist gerade so, als ob ein Monarch den Heiratskontrakt eines Offiziers unterschriebe,« erwiderte Sans-Regret trocken. »Glück zu, mein Kapitän. Sie werden ihm eine Frau verdanken, die Sie bisher nur inkognito besaßen, und der Rang eines Bataillonschefs kann Ihnen nicht mehr entgehen, ebensowenig als unserem Vaterland das Joch, welches ihm beschieden ist. Ach, lieber Viktor, mit der Freiheit ist es aus. Die schönsten Tage derselben haben wir schon gesehen. Ein Patriot, dessen Tugend das Rad der Gewaltherrschaft noch im Laufe hätte aufhalten können, Desaix, ist heute gefallen. Moreau ist, fürchte ich, zu sanft und kalt, um entscheidend aufzutreten, und Kleber zu weit vom Vaterland entfernt, um die Freiheit zu retten. Einer von den Genannten hätte dem aufstrebenden Despoten entgegenzutreten vermocht; zu keinem andern habe ich das Vertrauen. Indessen – was tut das mir? Wenn ich nicht mehr für das Vaterland allein und für seine Freiheit kämpfen darf, müßte ich denn ein Prätorianer werden? Ich setze mich zur Ruhe, schaukle Ihre Kinder und das meinige auf dem Schoß, oder baue mein eigenes Feld, da mich der Himmel wider Verhoffen in seiner Langmut mit Gütern dieser Erde reichlich gesegnet hat.«

»Sans-Regret!« sagte Viktor besorgt und rüttelte den Freund bei den Schultern, »versinkst du wieder in deine wachen Träume? Es versteht sich von selbst, daß du ein Glied meiner Familie bist, sobald du den Dienst verläßt. Aber was schwatzest du von deinen Reichtümern, von deinen Gütern?«

Der Grenadier sah lächelnd zu ihm empor, strich sich behaglich Zopf und Bart und entgegnete: »Ich wette, daß Sie meinen, meine Narrheit sei wiedergekehrt und ich träume entweder von den Feldern meines Schwiegervaters in der Bretagne, oder gar von den Strecken am Missouri, die mir einst durch eine Heirat hätten zuteil werden können. Dem ist jedoch nicht also. Ich bin zu vernünftig und nüchtern wie bei dem ersten Assaut, wo ich mein Fechtmeisterpatent holte. Sehen Sie hier den Beweis.«

Er zog aus seiner Tasche einen zerknitterten Brief und schlug ihn auseinander.

»Das Schreiben kam mir durch die Feldpost gestern zu, aber ich hatte nicht Zeit, weder gestern noch heute, es zu lesen. Vor einer Stunde tat ich es. Die Administration von Marseille meldet mir, daß mein einziger Bruder ohne Erben und nähere Verwandte starb und mir eine Verlassenschaft heimfiel, die, obschon von der Revolution hart beschnitten, dennoch nicht unbeträchtlich zu nennen ist. Sehen Sie, ich bin plötzlich ein reicher Mann geworden, und wenn schon die Schreckenszeit einen Teil meines Reichtums verschlang, so verschlang sie doch auch verschiedene Unannehmlichkeiten, die mich hätten abhalten können, mein Erbe in Empfang zu nehmen: das Parlament und sein Register, das Urteil, das mich zum Tod verdammte und die grausame Enterbung, die mein Vater in der Sterbestunde über mich verhängte; ich darf frei und frank nach der Vaterstadt zurückkehren und ohne Umstände ein reicher Mann werden. Freilich werde ich nicht alles vergessen können, und jener Strand, worauf einst geschah, was nie hätte geschehen sollen.«

Viktor verschloß ihm mit der Hand den Mund, um ihn von dem Andenken des unglücklichen Duells zu befreien das schon wieder wie ein lauerndes Gespenst vor ihm emporstieg, und sagte mit lustiger Gebärde: »Laß das, guter Freund, und empfange meinen Glückwunsch. Alles, was ich habe und je besitzen werde, ist an und für sich zur Hälfte dein, aber dennoch beruhigt mich für dich dieser Zuwachs von Reichtum, wenn wir schon beide ihn nicht besonders hochachten. Nun mag der Krieg über mich gebieten, nun mag Unglück mein Haus heimsuchen; – ich sterbe doch mindestens mit dem Bewußtsein, daß du nicht dabei darben mußt, der du alles für mich aufgeopfert hast.«

»Überflüssige Angst!« meinte Sans-Regret, den Offizier umarmend. »Ich gehe schon vor dir heim, mein lieber Viktor, und wünsche nur, daß du nicht im Sold eines Tyrannen dein Blut verspritzest. Gib acht, der Konsul wird kein Washington, aber auch du wirst einst zur Besinnung kommen und den Götzen würdigen lernen, den du jetzt blindlings verehrst.«

Der Adjutant des ersten Konsuls aber ließ sich von den kritischen Betrachtungen des Invaliden nicht beirren: und als ein kurzer Schlummer den Ermüdeten labte, da träumte sein noch immer wacher Geist von den kommenden Triumphen seines Helden, von glückerfüllten Friedensjahren und seliger Liebe.


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