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II. Capitel.
Die Palmenform.

Unter allen diesen Typen haben die Völker zu allen Zeiten der Palme den Preis zuerkannt. Dünn und schlank, mitunter kaum 2, oft aber auch 25 Fuß hoch, im Inneren mit Mark erfüllt, nimmt der einfachste Palmenstamm die Gestalt baumartiger Gräser, eine rohrartige an, nicht unähnlich den stämmigen Schäften der Bambusgräser. Dann befinden sich etwa 4-6 einfache Blätter auf je 10 Linien des Stammes. Bald aber erhebt sich der Stamm bei vielen Arten als freier, säulenartiger, wenn auch noch immer dünner, schlanker Schaft, an welchem die einfachen, meist handförmig getheilten Blätter sehr entfernt auf hohen Blattstielen ruhen. Immer höher erhebt er sich als cylindrischer Stamm, oft mit drohenden Dornen und Stacheln bewehrt, und immer mehr drängen sich die Blätter, oft 200–500, zu einem Schopfe am Gipfel zusammen. Die höchste Vollendung erreicht er endlich in seiner vierten Form, dem cocosartigen Stamme. Im Inneren angefüllt mit starken holzartigen Gefäßbündeln, erreicht dieser allein die Kraft und Härte des Stammes der Holzpflanzen. In dieser Palmengestalt erreicht zugleich die Klasse der Monokotylen ihre höchste Schönheit. Sie ist wesentlich auch in Blattstellung und Blattform bedingt: dort, wenn die Blätter sich auf den Gipfel des Palmenschaftes allein beschränken und einen Schopf bilden, der, das Spiel jedes Windes, in lieblichen Schwingungen fernem. Schafte den Charakter der Anmuth verleiht, hier, wenn das Blatt aus der gefiederten Form in die Hand- und fächerförmige übergeht. Um so schöner dann der Wipfel, je anstrebender die Wedel, deren Blättchen, luftig und leicht, um die sich langsam wiegenden Blattstiele mit dem Winde kosend herumflattern, wie bei der schönen Jagua-Palme an den Wasserfällen von Atures und Maypures in Südamerika. In dieser erhabenen Gestalt ist die Palmenform der schöne lebendige Ausdruck der Tropenzone, deren scheitelrechte Sonne die Stämme riesiger zu sich emporhebt, deren Wasserreichthum, verbunden mit glühender Wärme, dem Pflanzenkörper eine größere Säftemasse, üppigere Blätter, üppigere Blüthen, üppigeres Grün verleiht und in die Breite dehnt. Dieser Zone vorzugsweise gehört die Palmenform an. Sie hat sich ihr Reich zwischen 10° n. Br. und 10° s. Br. gewählt. Während sie hier bereits über 500 Arten lieferte, spendeten die Länder außerhalb der Wendekreise nur einige fünfzig. Nicht alle von ihnen leben jedoch so gesellig vereint, daß sie vorzugsweise die Physiognomie der Landschaft bestimmen könnten. Wälder und Gestrüppe bilden meist nur die stammlosen; in dichten Haufen, dann oft gesellig im Kreise vereint, wachsen die sprossentreibenden; die erhabensten leben vereinzelt. Entweder verhindern getrennte Geschlechter eine reiche Befruchtung und Samenbildung, um sich hierdurch häufiger neben einander ansiedeln zu können, oder fruchtfressende Thiere tragen neben dem Menschen zur Vertilgung des Samenreichthums bei, den sie wirklich besitzen. Nur wo des Menschen Hand und Interesse die Palmen in größeren Pflanzungen vereint, da erhält die Landschaft ihren Ausdruck lediglich von ihnen. So durch Cocos, Zuckerpalme, Catechupalme, Oelpalme, Dattelpalme u. s. w. Dann allerdings ist der Palmenhain vielleicht das Erhabenste, was die Erde trägt. In schwindelnder Höhe – erzählt uns Hermann Melville von den Cocoshainen Tahitis – wölben sich die grünen duftigen Bogen, durch welche die Sonne nur in kleinen blitzenden Strahlen sich Bahn bricht. Ueberall herrscht feierliches Schweigen, tiefe Stille. Gegen Mittag aber erhebt sich leise der kühlende Seewind, und nun nicken die Kronen und flüstern. Immer stärker wird die Brise, und die elastischen Stämme beginnen zu schwanken. Gegen Abend wogt der ganze Hain wie die ruhig bewegte See. Doch nicht selten wird der Wanderer durch das Fallen reifer Früchte erschreckt. Schwirrend sausen sie durch die Luft und springen oft noch viele Ellen weit auf dem Boden dahin. Aber auch die vereinzelte Palme wird der Landschaft eine seltsame Staffage sein. Wo sie, ein Wald über dem Walde, wie Humboldt sich ausdrückt, im Urwalde zerstreut erscheinen, wird das weniger der Fall sein, als wenn sie Savannen bewohnen und die Ränder des Urwaldes als Saum umgeben und gleichsam die erhabenen Lettern an seiner Stirn bilden, die uns schon von fernher den großen, schweigsamen und reichen Charakter des Urwaldes ankündigen. Im Allgemeinen ist aber das Lob der Palmenform von den Dichtern übertrieben gesungen worden und das Wort der Alten: »Niemand wandelt ungestraft unter Palmen«, hat sich schon oft bei nordischen Reisenden bewährt. Sarkastisch bemerkt Zollinger, daß mancher jener Dichter, der von der Schönheit der Dattelpalme in der Wüste träumt, in Egypten Nachmittags zwischen 12 und 5 Uhr Gelegenheit haben könne, unter den Palmen zu verschmachten. »Im Allgemeinen«, sagt derselbe, »wirkt die Palme fast am schönsten, wenn sie ihre ganze Individualität geltend macht, d. h. wenn sie für sich allein steht, wenn sie, wie Heine sagt,

Fern im Morgenland
Auf brennender Felsenwand
Einsam und schweigend trauert.

Unbeschreiblich schön ist oft der Anblick, wie auf hoher Felsenwand oder auf steilem Riffe einzelne Palmen sich schlank erheben und ruhig dem wilden Kampfe der Wogen zuschauen, die mit unwiderstehlicher Gewalt gegen die Felsen anbrausen, als wollten sie dieselben in ihren tiefsten Grundfesten erschüttern. Wir begreifen oft nicht, wie der stolze Baum sich festhält, und wie es kommt, daß ihn der Sturm nicht längst in die Tiefe schleuderte.« In der That gehören die Palmen zu den Riesenbäumen der Erde. Gegen 180-200 Fuß hoch thürmt sich die Wachspalme ( Ceroxylon andicola) empor und treibt aus ihrem Wipfel Blätter von 21 Fuß Länge. Im Ganzen erreicht die Cocos die durchschnittliche Höhe der meisten Palmen, nämlich 60-80 Fuß, während der mittlere Durchmesser des Stammes 6-8 Zoll, das mittlere Alter 100 Jahre beträgt. Dagegen werden die freilich meist kriechenden Rotangs wohl 500 und, wie Loureiro berichtet, 500 Fuß lang.

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Palmenhain der Mauritia flexuosa Brasiliens, nach v. Martius.

Auch die verwandten Formen der Zapfenpalmen und Pandangs üben dieselbe Bedeutung im Landschaftsbilde; sie gehören durchaus zur Palmenform und sind bereits in dem Abschnitte über die Juraperiode näher charakterisirt worden. Am meisten entfernen sich die Pandangs von der Palmenform durch ihre auffallende Verästelung, ihre in spiraligen Reihen gestellten schopfbildenden Blätter und die vielen Luftwurzeln, welche von Stamm und Aesten, wie bei den Rhizophoren (Wurzelträgern), herablaufen. »Der Stamm«, sagt Zollinger über die javanischen Arten, ist leicht bräunlichgelb, durch die Blattnarben verschwindend, aber dicht geringelt und so lose aus groben Gefäßbündeln zusammengesetzt, daß ein kräftiger Hieb einen schenkeldicken Stamm zu theilen vermag. Die Blätter sind zähe, am Rande häufig stachlig, meistens bläulichgrün und, vorzüglich die älteren, fast immer unweit über der Basis von Wind und Wetter geknickt, sodaß der längere Theil unordentlich nach unten hängt. Dessenungeachtet bilden die Pandanus eine große Zierde der Strandfelsen, der sandigen kleinen Buchten und der halbverwilderten Hecken.« Da sie fast durchgängig ächte Strandbewohner sind und sich nicht selten mit der strandliebenden Cocos vergesellschaften, so treten sie allerdings dadurch nicht unbedeutend in den Vordergrund des Landschaftsbildes. Indien und seine Inseln, die Südseeinseln, Neuholland, besonders die Mascarenen und Guinea bilden die wahre Heimat der Pandangs.


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