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Das Fettkraut ( Pinguicula vulgaris).

XVII. Capitel.
Die Form der Lippenblüthler.

Alle diese Familien nähern sich einander durch ihr Laub. Dagegen treten die lippenblüthigen Gewächse, deren Tracht vorzugsweise durch ihre Blüthen bedingt wird, zu eurer großen Gruppe in der Physiognomik der Gewächse zusammen. Es sind unter den wesentlicheren Familien die Acanthaceen, die Scrophularineen, die Labiaten, Lentibularieen und einigermaßen auch die Verbenaceen. Sie zeichnen sich fast sämmtlich dadurch aus, daß ihre Blumen aus einem einzigen Theile bestehen, von denen der obere überragende die Form eines Helmes annimmt, der untere eine Art von Lippe ( labium) bildet, wie bei Salbei, Minzkräutern, Taubnesseln u. s. w. Die Wasserform liefern die Wasserhelmgewächse oder Lentibularieen, z. B. in der reizenden Gattung Utricularia, deren schwimmende Stämmchen in ein wahres Chaos von feinen zierlichen Blättchen zerschlitzt sind und ein Blüthenährchen auf hohem Stiele aufrecht emporsenden. Das Fettkraut ( Pinguicula) derselben Familie führt dagegen gewissermaßen ein amphibisches Leben. Diese herrliche Pflanze bewohnt die feuchten torfigen oder moorigen Wiesen unserer Zone oft in unübersehbaren Strecken und gewährt da, wo ein mehr haideartiger, mit kurzem Gestrüpp bedeckter Boden sie auffallender hervortreten läßt, einen bezaubernden Anblick, der durch die dicht dem Boden anliegenden Blätter und die schönblaue Blume wesentlich gehoben wird. Bei den lippenblüthigen Gewächsen tritt, so zu sagen, eine symbolische Physiognomie auf; es ist, wenn man sich tiefer in diese prächtige Blumenform hineindenkt, als ob sich jeden Augenblick ihre Lippe öffnen müsse, um uns von dem geheimnißvollen Treiben ihres Inneren, vielleicht von der mysteriösen Liebe zwischen Staubfäden und Griffeln, welche in dem Schooße der Blume versteckt sind, ein Wörtchen zu verrathen. Die eigentlichen Labiaten reden jedoch eine andere Sprache. Sie zeichnet meist ein aromatischer Geruch aus, und wo sie, wie im Gebiete des Mittelmeeres, ihr Reich aufgeschlagen haben, da erfüllen sie in Verbindung mit Nelkengewächsen das Luftmeer mit ihren Wohlgerüchen und erhöhen damit die Schönheit einer schon durch Pflanzendecke, mildes Klima, prachtvollen Himmel, besseres Licht und klarere Luft so gesegneten Natur. Man vergißt gern, daß sie nur in bescheidenem krautartigem Gewände erscheinen.


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