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Musik

Der Ursprung der Musik ist das Lachen. Nicht die Arbeit schuf den Gesang, sondern Rhythmus und Odem der jubelnden Bejahung des Lebens erzeugte die Intervalle; Töne sind Nuancen von Jubeln.

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Daß auch das Leid Ausdruck fand in Tönen, widerspricht nicht der Frohsinnurnatur der Musik. Auch das Lachen hat Tränen und kann schmerzhaft sein.

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Die Musik ist des Menschen eigenste Eigentümlichkeit: es gibt keine Klangharmonie in der Natur. Die heilige Dreieinigkeit des Dreiklangs hat er allein empfunden als ein Symbol der Weltenharmonie.

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Der Vogelsang, das Rauschen der Quellen, der Wind in den Zweigen, um Hecken und Ecken – enthält nur zufällig harmonische Akkorde. Diese erfand der Mensch allein. Jene oft gefeierten Töne können, nacheinander erklingend, chromatische Motive liefern, sie enthalten aber nicht die innere harmonische Logik seelischer Spannungen.

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Je chromatischer daher eine Musik wird, desto realistischer ist sie. Die Chromatik in der Melodie ist in der Musik das, was der Naturalismus in der Dichtkunst bedeutet. Eine schlimme Art der Rückkehr zur Natur.

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Der Heiligkeit der Akkordfolgen der klassischen Musik fügte die Moderne die Sinnlichkeit der schillernden Klangfarbenreize hinzu. Die alte Musik ging nackt und keusch, die moderne trägt durchsichtige Schleier der Lüsternheit.

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Nie hat ein geistiges Feld eine so schnelle Beackerung gefunden wie die Musik. Vollständige Evolution in 200 Jahren! Was Wunder, wenn Zeiten kommen werden, wo das Ackerland brach liegt. Auch Gehirnprovinzen können durch Überkultur ernteunfähig werden.

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Die große Masse hat von der Musik nichts als Sinnenreiz durch Rhythmik und Melodik. Der Kulturwert der Musik ist wenigen erschlossen. Wann kommt die Zeit, wo der sogenannte Gebildete Musik (Partituren) lesen kann, wie ein Buch? Wie viele Musizierende sind in diesem Sinne Analphabeten!

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Eine sanfte Lockung in eine höhere Welt, eine große Hoffnung auf überirdische Vollkommenheit läuft jeder musikalischen Wirkung parallel. Was ist Ergriffenheit anders, als das Innewerden einer seligen Möglichkeit über dies Leben hinweg?

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Das logische Gefüge der Musik läßt sich von vielen begreifen; der Zauber der Klänge ist wenigen ganz geoffenbart.

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Die Dreieinigkeit des Dreiklangs gerät ins Schwanken durch das Teufelchen des dissonanten Tones. Dieses kleine Anhängsel (Sexte, Septime usw.) zwingt die Throngeborenen, einen kleinen Platzwechsel vorzunehmen. Und immer neue Kobolde springen auf. So wogt der Dreiklang durch alle Himmel und Höllen.

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Was dem Strome der Fels, dem Licht das Medium, den Kräften der Widerstand – das ist dem Akkord die zugefügte Dissonanz. Die Töne schäumen auf, brechen sich und fließen doppelt wohlig in neuer Gleichgewichtslage: das ist das stürmende Wolkenspiel der Musik.

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Musik ist eine transzendente Sprache. Die Seele spricht: das Körperliche wird zum Medium geistiger Schönheiten.

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Durch die Musik erhielt das Wort einen Schein von Sternenglanz und Sonnenhelle. Jeder Sänger hat das Gefühl einer geadelten Seele. Nicht der Kehlkopf singt, die Seele singt.

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Musik hat höchsten Kulturwert. Es gibt unmusikalische Gesinnungen, ja ein Benehmen kann unmusikalisch sein. Man kann alles Häßliche unmusikalisch nennen, weil alles Schöne Musik in sich trägt.

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Musik ist die Beschreibung der Welt ohne Worte und Begriffe. Sie ist eine Philosophie der Gefühle.

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