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23. Der dumme Hans

Es waren einmal drei Brüder. Der jüngste hieß Johannes und wurde nur der Dumme genannt.

Im selbigen Lande regierte ein König. Der hatte eine Tochter, und die sollte heiraten. Der König erließ ein Gebot, daß derjenige Jüngling, dem es gelinge, der Prinzessin den Ring vom Finger zu ziehen, ihr Gemahl werden würde. Alle jungen Leute des Landes sollten sich im Königspalast einfinden und versuchen, ihr den Ring zu entreißen.

Da zogen auch die älteren zwei Brüder mit ihren Eltern zu Hofe, um ihr Glück zu versuchen. – Hans war sehr betrübt, daß er nicht mitgenommen wurde. Da erinnerte er sich, wie er vor einigen Tagen auf dem Felde, wohin ihn sein Vater geschickt hatte, um aufzupassen, wer dort immer das Getreide zertrat, ein schneeweißes Pferd antraf, das die Verwüstung anrichtete. Wie er es aber angehalten, hatte es gesagt: »Laß mich los und versprich mir, niemand etwas zu sagen! Ich schenke dir zur Belohnung ein Pfeifchen, das dir nützlich werden kann, wenn du einmal etwas wünschst.« Hierauf war es verschwunden.

Daran dachte Hans jetzt und wollte das Pfeifchen probieren. Kaum hatte er es an die Lippen gesetzt, so erschien auch der Schimmel und fragte, was er begehre. »Den Ring der Prinzessin!« rief er. »Meine Eltern und Brüder wollten mich nicht mitnehmen.« – »Gut!« antwortete das Pferd. »Kleide dich wie ein Ritter! – So! Nun pfeife noch einmal!«

Im Nu kam ein Rappe zum Vorschein. »Besteige ihn und reite stracks zum Königspalast, wo dich niemand selbst von deiner Familie erkennen wird. Reite dann am Altan, auf dem die Prinzessin sitzt, vorüber, zieh' ihr ritterlich gewandt und flink den Ring vom Finger und kehre heim, ehe die Eltern zurück sind!«

Und so geschah nun auch alles. Um aber den Ring nicht sehen zu lassen, umwickelte er ihn mit einem Faden. –

Am Tage, an dem der unbekannte Ritter mit dem Ringe sich zeigen sollte, war wieder der ganze Hofstaat und Adel des Landes geladen. Nur Hans mußte wieder daheim sitzen. Kaum hatten sich aber die Seinen entfernt, legte er sein Hofgewand an, pfiff seinem Rappen, der ihn mit Windeseile zum Schloß trug. Er betrat den festlichen Saal, wo die glänzende Hofgesellschaft schon um den König und die Prinzessin versammelt war. Mit ritterlicher Verbeugung zeigte er den kostbaren Ring, den er nun selbst am Finger trug und behielt. Alsdann heiratete er die Prinzessin und bestieg später mit ihr den Königsthron.

23: » Giovanno lo stupido«, von der 20 jährigen Signorina Marghareta Pagano erzählt, hat viele Namensvettern in der M.-Literatur. – Das hilfreiche Pferd erscheint gleichfalls in zahlreichen M., besonders auch in Rud. Vogels »Frau Märe«, S. 89: »Wie Hänslein auf Reisen ging«. –


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