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1. Die Jünger und die Steine

Einst ging der Herr im Sonnenbrand
mit seinen Jüngern über Land.
Da lagen Steine auf dem Wege.
Und Jesus sprach in seiner Weise:
»Ein jeder trage einen Stein!
Ihr könnt sie brauchen auf der Reise.«

Die Jünger waren auch nicht träge
und steckten sie gehorsam ein,
just, wie sie waren, groß und klein.
Den allerkleinsten aber trug
St. Peter, der besonders klug
in allen Stücken wollte sein.

Wie sie nun lange Zeit schon gingen
und allen schier die Köpfe hingen
vor Hunger, Durst und Müdigkeit,
da kamen sie an eine Quelle,
die perlte silberklar und helle;
ein Baum warf ringsum seinen Schatten. –

Wie alle sich gelagert hatten,
rief Jesus mild: »Nun ist es Zeit,
hier soll uns laben Trank und Speise!«
Die Jünger, wie man denken kann,
sahn unsern Herrn verwundert an
und huben an ein groß Gezeter,
und weinerlich begann St. Peter:
»Ach, Herr, wir haben nichts zu essen!«

Der Meister spricht und lächelt leise:
»Habt ihr die Steine denn vergessen,
die ich zu tragen euch gebot?«

Nun gab's ein freudig Überraschen:
schnell griffen sie in ihre Taschen,
und sieh! Die Steine waren Brot,
das alle gleich sich schmecken ließen. –
Nur Petrus mochte es verdrießen,
daß er nicht fand ein wenig mehr,
zumal wie so von ungefähr
der Heiland ruhig auf ihn blickte
und leise sich die Jünger stießen. –
Doch schien's, er habe nichts bemerkt
und froh wie alle sich gestärkt.

Als man zum Weitergehn sich schickte,
schritt er voran in raschem Lauf.
Und Jesus, der voll Güte war,
sprach freundlich zu der Jünger Schar:
»Die Steine dort, ich bitte euch,
tragt sie doch hier den Berg hinauf!«
Und Petrus nimmt den größten gleich. –

Und wird es ihm auch noch so sauer,
diesmal, so meint er, ist er schlauer – –
der Lohn am Ende doppelt reich.
Wie soll das seinem Hunger frommen!
Doch wie sie oben angekommen
und warten auf ein neues Wunder,
spricht Jesus nur: »Tragt euren Schatz
vorsichtig nun den Berg hinunter,
und legt ihn auf den alten Platz!«
Worauf kein Wort er mehr verlor.
Doch Petrus schrieb sich hinters Ohr:
»Man soll bei jeglichem Beginnen
nicht bloß auf schnöden Vorteil sinnen.«


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