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7. Die Madonna als Geburtshelferin

Eine arme Frau sah hilflos ihrer Niederkunft entgegen. Ihr Mann war nach Amerika gefahren, um mehr Geld zu verdienen, und keine Nachbarin wollte der Ärmsten beistehen. –

Da erschien in der Stunde der Not an ihrem Bette eine schöne Frau in weißem Gewande mit himmlischem Lächeln und großen azurblauen Augen von sonnigem Glanze, ihr Beistand zu leisten.

Als das Kind geboren war, wickelte sie es in Windeln und brachte der jungen Mutter gute Suppe und alles Nötige, bis sie außer Gefahr war. Dann verschaffte sie ihr eine große, vornehme Wohnung und hinterließ ihr noch eine reichliche Geldsumme, zu kaufen, was sie nur wünschte. Aber sie mußte ihr versprechen, keinem Menschen etwas von ihrem Beistande zu erzählen, sonst würde sie, sowie das Kind sterben. –

Da wurden die Nachbarinnen sehr eifersüchtig und neidisch. Und als der Ehemann heimkehrte, tuschelten sie, das ginge wohl nicht mit rechten Dingen zu. Dieser Reichtum rühre gewiß von einem »reichen Freunde« her.

Der leichtgläubige Mann quälte die arme Frau, ihm zu erzählen, wer ihr so großartig beigestanden hätte. »Das zu sagen, ist mir verboten«, antwortete sie bestimmt. Der Mann geriet in Jähzorn und eiferte: »Jetzt glaube ich, daß die Nachbarn recht haben!«

»Was sagen sie?« – »Sie sagen, daß du alles wohl nur von einem reichen Freunde erhieltest, mit dem du während meiner Abwesenheit verkehrtest.«

»Oh, welche Schande! Welche Schmach du mir antust! Ich bin unschuldig. Gott weiß es!«

»Warum willst du mir dann die Wahrheit nicht gestehen?«

»Ich kann nicht! Wenn ich sie sage, müssen wir beide, das Kind und ich, sterben.«

»Das sind nur leere Ausflüchte. Jetzt will ich erst recht alles wissen!« Und die unglückliche Frau sah sich gezwungen, das Geheimnis von der schönen Signora zu offenbaren.

Als aber der Gatte sich auch dann noch nicht beruhigen wollte, rief auf einmal das Kind, das kaum erst fünfzehn Tage alt war: »Vater, du bist ein Barbar gegen meine arme, unschuldige Mutter. Glaube mir, die heilige Maria hat ihr Beistand geleistet! Nun sterben wir beide.« – Und in wenigen Tagen verschieden sie wirklich. –

Da ging der verzweifelte Mann hinaus in den Wald, sich das Leben zu nehmen. Doch wurde er zum Glück durch eine Stimme davon abgehalten: »Suche den Tod nicht auf diese Weise, wenn du deine Frau und deinen Sohn im Paradiese Wiedersehen willst!«

Und der erschrockene Mann ging mit aufrichtiger Reue nach Hause und führte fortan einen frommen, Gott wohlgefälligen Lebenswandel in treuem Gedenken an die lieben Verstorbenen, die er durch eigene Schuld verlor.


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