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19. Die Inaria von Salerno

Ein Landmann wollte Wein aus seinem Bergkeller holen. Da erblickte er eine schöne Frau mit einem nackten neugeborenen Kinde an der Brust. Aus Mitleid besorgte er ihr Windeln, Hemdchen, Kleider und Nahrung, ohne aber, ihrer Bitte entsprechend, seiner Frau oder sonst einer Seele etwas davon zu erzählen. In einigen Tagen war die Frau verschwunden und hatte die ihr geliehenen Sachen zurückgelassen. Da wußte der Bauer, daß es eine Inaria, eine luftfahrende Hexe, gewesen, die während einer Luftreise ihre schwere Stunde gehabt hatte.

Achtzehn Jahre später mietete sich der Mann eine Barke, um in Salerno Stoffe und Waren einzukaufen. Wie er durch eine Straße der Stadt schritt, hörte er plötzlich seinen Namen rufen. Er wunderte sich und ging weiter, da er ganz unbekannt zu sein glaubte. Weil er sich aber wiederholt rufen hörte, drehte er sich um und erblickte oben an einem Fenster eine vornehme Signora, die ihn einzutreten bat. Sie empfing ihn in einem prächtigen Zimmer. »Du erkennst mich nicht wieder?« – »Nein, Signora!«

In diesem Augenblicke erschien eine schöne Signorina. »Das ist meine Tochter, der du vor achtzehn Jahren Wäsche und Kleider besorgt hast. – Nun, und was führt dich hierher nach Salerno?« – »Ich wollte einiges Nötige einkaufen.« – »Sage mir, was du brauchst! Ich werde alles besorgen, weil du mir damals so viel Gutes erwiesen und besonders keinem Menschen ein Wort von meinem Elend verraten hast.« Und sie ließ die Barke mit den gewünschten Stoffen und Waren füllen und fügte dazu noch reiche Geschenke.


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