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Mailand

Neunzehnhundertvierundzwanzig

Es war wieder das alte Wunder: durch graue, neblige, verhängte Welt – es regnete und schneite, war finster und trostlos – kam ich nach Göschenen. Dann Minuten durch das Dunkel: und die Welt ging auf. In blendender Helligkeit, in strahlendem Lichte liegt Airolo unter tiefem, grundlosem Himmel, in herrlicher Klarheit. Frühling, Primeln, Sonnengeflimmer im Geäste, Knospen überall. Blühende Bäume, singende Menschen, kristallene Wasser, Blumenwiesen und Schmetterlinge, blank und jung wie am ersten Tag: Weltschöpfung.

*

Mailand, im neuen Italien. Solidität und Ordnung. Mussolini ist der große Mann. Am Steuer seines Autos: der Typ des neuen Italieners.

In einem kleinen Café. Ein Deutscher sitzt nebenan mit Koffern, Frau und Schirmen bei Bier und belegten Brötchen. Er schimpft und fühlt sich von allen betrogen, schnauzt in verrücktem Kauderwelsch den Kellner an, in dem er nach hergebrachter Anschauung einen Halsabschneider sieht. Der aber grinst ihn gutmütig und hilflos an und möchte dem puderroten Zornnickel gerne helfen, schließlich gibt er es als hoffnungslos auf und geht seinen Dingen nach. Der Zahlkellner steht an der Kasse wie ein Kapitän auf der Kommandobrücke. Kleine Mädchen wandeln als Primadonnen herein, lesen im Corriere den Sieg des Fascio, und ihre Augen rollen über die Zeitung weg wie Wagenräder.

Bild: Gustav Wolf

Der Hafen von Genua (vom Righi)

 

 


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