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Valencia. Ich sitze in einer Anlage, etwas abseits, und zeichne. Ein junges, dickes Mädel kommt herausfordernd auf mich zu. Munizipalgardisten stürzen pathetisch auf sie, arretieren die Widerstrebende mit viel Aufwand von Entrüstung und schleppen sie weg. Nach drei Minuten ist sie wieder da. Alles war Komödie: Ordnung muß sein! In den Gassen singende Nachtwächter mit Spieß und Laterne.

Alte Paläste, gigantische Kirchenportale. Familien sitzen im Kreise auf der Straße. Der Mozo schleppte mich nach einer Singhalle. Tänzerinnen voll Feuer und Leben. Ein zahnloser Alter, ganz weiß, schickt Küsse auf die Bühne, macht die Bewegung des Umarmens, und die oben erwidern ebenso. Begeisterte Zurufe. Auf dem Heimwege nachts 1 Uhr Kanonenschüsse, Feuerwerk, Beleuchtungen auf dem Platz vor einer Kirche: ein Priester wurde geweiht.

Um 8 Uhr morgens ist es schon heiß. Ein Wind von Nordafrika kommt bis hier herauf. Man glaubt oft, im Orient zu sein, die Lebensform ist stark maurisch, ebenso die Bevölkerung. Man sieht viele Menschen, die in Wirklichkeit Araber sind.

Bild: Gustav Wolf

Ein Küstenfahrer an der Mole von Alicante

 

 

Luxuriöses Leben und viel Reichtum. Bei uns kennt man nur Arbeit, Pflicht und nimmt den harten Lebenskampf als normal hin. Ja, man feiert wahre Orgien von Arbeit und lebt vielfach ganz dem Werke. Hier ist alles fröhlicher, einfacher, leichter. Man kommt als Deutscher mit harten und schweren Begriffen in diese Welt, mit unfrohem, gedrücktem Geiste. Öfters sagten mir Spanier, man erkenne jeden Deutschen an seinem finster-ernsten Gesichtsausdruck. Er wälzt Probleme und denkt nur ans Schaffen. Das alles ist hier aber unnötig. Das Leben ist reich und schön, auch für den Ärmsten. Er sieht und genießt und braucht keinen Ideenkomplex, um aus seinem Leben etwas zu machen.

Bild: Gustav Wolf

Am Kai von Alicante

 

 

Ich wohne in einer einfachen fonda. Da sind einfache Leute, keine Fremden. Die Bedienung ist von rührender Sorgfalt. Im Theater sitzt der Lastträger neben dem Vornehmsten.

Üppiges kirchliches Leben. Es scheint mir aber weniger religiöses Empfinden als Freude an Prachtentfaltung, Festen, aufgestapelten Reichtümern, auch an Schwelgen in Inbrunst und in Leid zu bezeugen. Denn auch die weltlichen Zeitschriften enthalten neben Bildern schöner Frauen, Fußballkämpfern und blutrünstigen Stierkämpfen, Schmerzensmänner und regelmäßig die lebensgroßen Photos von Ermordeten und von zerfleischten Verunglückten. Überall Freude am Schauspiel, am Spektakel, an unerhörter Pracht und erdrückendem Leid.

Alle versichern mir, daß sie die Deutschen besonders lieben und die Franzosen hassen. Aber das ist höfliche Art und bedeutet nichts. Ich sehe nichts Engherziges, Fanatisches oder Aggressives gegen Andersempfindende, ich sehe überall eine schöne Menschlichkeit. Sie lassen jeden leben wie er mag, sind gutmütig, fröhlich und harmlos wie Kinder. Und kindlich ist ihre Freude am Schauspiel, am üppigen Zeremoniell, an Darstellung von Grausamkeiten, Martern, entstellten Ermordeten und Schmerzensmännern. Seelisch steril, in technischen Dingen unfähig, in praktischen untüchtig.

Ein Strom von Gold fließt noch aus den früheren Kolonien zu ihnen und sie stellen ihn in den Dienst ihrer kindlichen Freuden.

Viele Blinde, Einäugige, Augenkranke. Viele Amputierte. Man geht leichtsinnig mit dem Leben um. Geburt und Tod überall.

Immer mehr sehe ich, wieviel Maurisches in der Lebensweise der Menschen hier ist, in Gestalt und Gesicht, im Bau der Häuser. Man lebt vom Glanze früherer Jahrhunderte, von überkommenem Reichtum, sitzt vor den prächtigen Klub- und Vereinshäusern und genießt – sich. Ganze Landstrecken haben rein jüdische Bevölkerung.


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