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Plaza de Toros. Auf den Straßen bunte Reiter in altspanischer Tracht. Buden, Girlanden, Blumen, Flaggen, buntes Gedränge. Ein offener Zirkus von ungeheuren Maßen. Unübersehbare Menge, Geheul und Gejohle. Eine Militärkapelle dringt nicht durch den anbrandenden Lärm; Verkäufer, Geschrei. Über der Menge ein Vibrieren gelbroter Papierfächer in der Sonne. Der Riesenbau füllt sich bis zum letzten Platz. Unten spielen Burschen Toro und Torero. Geklatsch der von Reihe zu Reihe herauffliegenden Lederkissen. Der Lärm und die Pracht des Bildes sind unbeschreiblich. Zitternde Glut liegt über dem ungeheuren Menschenkrater. Und dann das grausame, entsetzlichherrliche Spiel, Blutopfer der Sinnlichkeit, Kitzel der Grausamkeit, Rausch der Kadaver. Buntes, betäubendes Bild, wie das der Kathedralen mit Schmerzensmännern und Märtyrerbildern. Sie lieben Gekreuzigte zu sehen, Gemarterte und Todeskampf. Alles wird ihnen Schauspiel und Bild. Und sie rasen vor Wollust.

Bild: Gustav Wolf

Eine der maurischen Wassermühlen, die im Guadalquivir bei Córdoba stehen (Molinos)

 

 

Trompetensignal, ein Tor geht auf: matadores, banderilleros, picadores, areneros und chulos und die zagales ziehen herein. Reiter und Fußgänger. Eine stolze Parade in überreich gestickten und geschmückten Gewändern, strotzend von Gold und Silber, behängt mit Troddeln und Schnüren, verneigen sich vor der Loge und ziehen wieder ab.

Ein Stier stürmt herein, ein prachtvolles Tier, bebend, wutschnaubend. Mit viel Grazie und Geistesgegenwart wird es mit bunten Tüchern gereizt. Mit bunten Bändern verzierte Pfeile werden ihm in den Nacken gerannt. Ein Reiter mit langem Spieße rennt es an. Der Stier nimmt Roß und Reiter auf die Hörner und wirft sie weg. Das Pferd rast mit aufgeschlitztem Leibe und auf der Erde schleifenden Gedärmen in wildem Entsetzen um die Arena. Die Menge jubelt. Und der Torero rennt dem Stiere den Degen in den Nacken. Der Stier stürzt zusammen, rennt auf, verblutet. Der Sieger umschreitet stolz die Arena in tobendem Jubel. Hüte und Mantillas fliegen ihm zu. Ein Gespann schleppt die Kadaver ab. Das Blut im Sande wird verscharrt, überstreut. Schon rennt ein frischer Stier in die Arena, und das Spiel beginnt wieder. Wieder und wieder.

Das Schauspiel ist unbeschreiblich schön, das Gewoge der Menge, das Zittern der vielen tausend bunten Fächer in der Sonne, die prächtigen Tiere, die goldstrotzenden Gewänder und das herrliche Spiel des Kampfes, Eleganz, Grazie, Gewandtheit und Geistesgegenwart. Es ist spannend, aufregend und läßt das Blut in den Adern stocken. Kraft und Kaltblütigkeit ergeben ein Kampfspiel von unerhörtem Reize. Ein gottverlassenes Spiel mit Kreaturen, Opfer niederer, sinnlicher Gier. (Grausamkeit ist die Tapferkeit der Feigen.)

Ich sehe den Torero mit letzter Anspannung dem Stiere entgegentreten und nach einigen Augenblicken sich, gebrochen, zurückziehen. Jubel und frenetische Zurufe der Menge stacheln seine Eitelkeit nochmals auf, und er geht wieder vor, ganz in Suggestion. Und ist nach Sekunden wieder am Ende seiner Kraft und gibt auf. Ich sehe wieder Situationen wie im Kriege, wo nicht klar war, wer der Tapfere war, der stehen blieb, oder der vorrannte.

Bild: Gustav Wolf

Der Matador (Stierkämpfer)

 

 

Blutiger Kampf als Belustigung! Ich wollte weg, aber es war unmöglich. So sah ich den zweiten Stier vier Pferden den Leib aufschlitzen, daß sie auf die eigenen Eingeweide traten und in Raserei verendeten, sah den Jubel der Menge, hörte die begeisterten Ausrufe der Frauen und Männer und fühlte mich den Pferden nahe, den Menschen aber unendlich ferne. Und ihre Bilder und Dome versanken, und ihre Liebenswürdigkeit und Freundschaft wurden mir wertlos.

Ich sah, wie die widerstrebenden Pferde mit verbundenen Augen vor den Stier gezerrt wurden, gezogen und gestoßen wurden. Und sah, wie den Picadores, da sie mit unendlicher Grazie und Tapferkeit dem Stiere entgegentraten, die Haare zu Berge standen und die kalte, schlotternde Angst ins Blut fuhr. Hatte einen abgrundtiefen Ekel.


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