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Benjamin Franklin

Benjamin Franklin.

Franklins Vater war ein armer Handwerker, zuerst Färber, weil aber das Gewerbe in Boston, wohin er eingewandert war, wenig abwarf, so ergriff er das Geschäft eines Seifensieders. Er war in mancherlei Handarbeiten Meister, konnte die Werkzeuge verschiedener Handwerke handhaben und selber anfertigen. Doch – so erzählt der Sohn selber von ihm – worin er sich am meisten auszeichnete, dies war sein gesunder Verstand und sein richtiges Urtheil in Angelegenheiten des öffentlichen und Privatlebens. Er bekleidete zwar nie eine öffentliche Stelle, weil seine zahlreiche Familie und die Mittelmäßigkeit seines Vermögens ihn nöthigten, unablässig den Pflichten seines Gewerbes obzuliegen; dagegen kamen die an der Spitze der öffentlichen Angelegenheiten stehenden Männer öfter zu ihm, fragten ihn um Rath in Sachen des städtischen und kirchlichen Lebens und hielten sehr viel auf seine Meinung.

Die Eltern Franklins waren derb und kräftig. Die Mutter säugte ihre zehn Kinder selbst, und hatte nie eine Krankheit. Der Vater war von unverwüstlicher Kraft und Frische, von seiner ersten Frau hatte er sieben, von der zweiten zehn Kinder; unter diesen war Seitens der Söhne Benjamin der jüngste, aber gleichfalls begabt mit dem rüstigsten gesundesten Körper.

Der junge Benjamin hatte frühzeitig große Lust zum Seeleben; mit dem Wasser ward er bald vertraut, lernte vortrefflich schwimmen, und erregte später mit dieser Kunst in London großes Aufsehen. Die größten Strapazen ertrug er mit Leichtigkeit; Alles an ihm war gesund und frisch. Je zahlreicher die Familie Franklins war, desto weniger konnte auf ein einzelnes Kind Rücksicht genommen werden; jeder mußte schon früh auf eigenen Füßen stehen und für seinen Unterhalt sorgen. Als Benjamin das zehnte Jahr erreicht hatte, ward er aus der Schule genommen und mußte seinem Vater im Lichtziehen helfen; dann sollte er zu einem Messerschmied in die Lehre, da aber zu viel Lehrgeld verlangt wurde, so ging er zu einem älteren Bruder, der in Boston Buchdrucker war. In seinem zwölften Jahre schon unterzeichnete Benjamin seinen Lehrkontrakt. Zuvor hatte ihn aber der Vater in allerlei Werkstätten geführt, zu Maurern, Schlossern, Tischlern, Böttchern, damit sich der Knabe für irgend ein Handwerk entscheiden sollte. Solche Besuche weckten den praktischen Sinn, und kamen dem spätern Buchdrucker zu Statten, der allerlei Tischler- und Schlosserarbeiten in seinem Geschäft selber ausführte, wenn es Noth that. Und auch dem Naturforscher Franklin kam diese mechanische Geschicklichkeit sehr zu Statten, da er, was zu seinen Experimenten an Geräthschaften nöthig war, sich selbst anfertigte. Da Benjamin aber für keines jener Handwerke eine besondere Vorliebe zeigte, dagegen überaus gern Bücher las, bestimmte dies den Vater, ihn Buchdrucker werden zu lassen, welches Geschäft ja auch geistige Nahrung bietet.

In der lateinischen Schule schwang sich Franklin bald zum Ersten auf und that es allen Mitschülern zuvor. Der Vater nahm ihn aber fort, weil er die Studienkosten nicht auftreiben konnte. Benjamin suchte um so eifriger seinen Wissensdrang durch Lektüre zu befriedigen. Am liebsten las er Reisebeschreibungen, die seiner Vorliebe für das Seeleben neue Nahrung boten; großen Eindruck machten aber auch Plutarchs Lebensbeschreibungen, die er unter den Büchern des Vaters fand. Alles Geld, das er erhielt und oft mit großer Mühe ersparte, verwendete er auf den Ankauf von Büchern; alle Freizeit – der frühe Morgen und der späte Abend, ward der Lektüre gewidmet, und wenn der Bücherfreund sich Sonntags dem öffentlichen Gottesdienste entziehen konnte, that er solches nur allzugern. Als er einst wegen seiner Unwissenheit im Rechnen in Verlegenheit kam, nahm er sogleich eine damals bekannte Abhandlung über die Rechnenkunst zur Hand und machte das Werk mit der größten Leichtigkeit durch.

Die Franklin'sche Familie hatte sich der Reformation angeschlossen und war der bischöflichen Kirche zugethan; der Vater hielt streng auf Besuch des kirchlichen Gottesdienstes, doch Benjamin Franklin nahm bald eine freigeisterische Richtung, die mit den Satzungen der Kirche in Widerspruch gerieth, namentlich durch die Schriften der englischen Philosophen, die er eifrig studirte. Dagegen erfreute er sich an der sittlichen Größe des Sokrates, und dessen Weise zu disputiren ahmte er nach, um mit den Kirchlichgesinnten zu streiten. Durch solche Disputationen erlangte er eine große Gewandtheit in mündlicher Rede; aber auch die Ausbildung seiner Schreibweise ließ er sich sehr angelegen sein. Er machte fleißig Auszüge aus Werken, die ihm besonders zusagten, setzte Gedichte in Prosa um, und versuchte dann wieder aus der Prosa den Vers herzustellen. Oder er schrieb seine Gedanken über denselben Gegenstand nieder, von dem er gelesen hatte, und verglich dann seinen Styl mit dem Original.

Die Mäßigkeit in allen sinnlichen Genüssen und die Freudigkeit in aller Entsagung finden wir auch bei Franklin. Schon der Vater litt nicht, daß bei Tische über das Essen gesprochen und dasselbe einer Kritik unterworfen wurde, und der Sohn nahm die gleichen Grundsätze an, der Leibesnahrung keine Wichtigkeit beizumessen. »Als ich mein sechzehntes Jahr erreicht hatte,« so erzählt er, »fiel eines der Werke Tryons in meine Hände, worin er Pflanzenkost empfiehlt. Sogleich entschloß ich mich, seine Vorschrift zu befolgen. Mein Bruder war nicht verheirathet und führte keinen eigenen Haushalt, sondern ging mit seinen Lehrlingen zu einer benachbarten Familie in die Kost. Da ich nun keine Fleischspeisen essen wollte, so wurde ich oft wegen dieser Eigenheit ausgescholten. Ich hielt mich ganz an die Vorschrift Tryons und lernte besonders Kartoffeln, Reis und Schnellpuddings bereiten; dann sagte ich meinem Bruder, daß ich es versuchen wollte, mich selbst zu verköstigen, wenn er mir die Hälfte von dem, was er für mich an Kostgeld bezahlte, geben wollte. Er war es gleich zufrieden, und ich fand bald, daß ich von dem, was er mir gab, noch die Hälfte bei Seite legen konnte. Dadurch erlangte ich einen neuen Fond für den Ankauf von Büchern, und auch noch andere Vortheile gingen aus meiner neuen Lebensweise hervor. Wenn mein Bruder und seine Arbeiter die Druckerei verließen, um zum Mittagsessen zu gehen, blieb ich zu Hause, verzehrte mein spärliches Mahl, das nicht selten bloß aus einem Stück Zwieback oder Brod und einigen Rosinen, oder einem Kuchen vom Pastetenbäcker mit einem Glase Wasser bestand, und hatte dann den Rest der Zeit noch für meine Studien übrig. Meine Fortschritte in denselben standen auch ganz mit der Klarheit der Ideen und der leichten Auffassung im Verhältniß, welche das Ergebniß der Mäßigkeit im Essen und Trinken sind.«

Von seiner Reise nach Philadelphia, wo er als Gehülfe bei einem Buchdrucker, Namens Keimer, eine Anstellung fand, erzählt Franklin folgenden höchst charakteristischen Zug: »Eine Windstille nöthigte uns, oberhalb Block Island anzulegen, und die Schiffsmannschaft benutzte den Verzug zum Stockfischfang. Ich war bisher meinem Entschlusse treu geblieben, nichts zu essen, was vorher Leben besessen hatte und hielt demgemäß das Fangen eines Fisches für eine Art Mord, der ohne alle Ursache begangen würde, da das arme Thier keinem Menschen Schaden zufügte, noch das geringste Unrecht zu thun im Stande sei. Diese Gründe schienen mir unwiderleglich. Nun war ich aber früher ein außerordentlicher Freund von Fischen gewesen, und wenn mir einer der Stockfische aus der Bratpfanne mit herrlichem Wohlgeruch entgegen dampfte, so kam meine Neigung mit meinen Grundsätzen nicht wenig in's Gedränge. Demungeachtet zögerte ich eine Zeit lang, bis ich endlich einen der Stockfische öffnen sah und bemerkte, daß er einen kleinen Fisch im Bauche hatte. Dann sagte ich zu mir selbst: wenn du einen andern essen kannst, so sehe ich keinen Grund, warum man dich nicht auch essen soll! Demgemäß aß ich denn von dem Stockfisch mit größtem Wohlbehagen, und von der Zeit an fuhr ich fort, gleich andern Menschen zu essen, indem ich nur von Zeit zu Zeit zu meiner Pflanzenkost zurückkehrte. Du siehst hieraus, wie zuträglich es ist, ein vernünftiges Thier zu sein, das einen plausibeln Grund für Alles aufzufinden im Stande ist.«

Ueber den Verkehr mit Keimer heißt es also: »Er war ganz auf das Disputiren versessen. Ich hatte mir aber die sokratischen Sätze so angewöhnt und ihn durch meine Fragen so oft in Verlegenheit gebracht, indem ich anfangs weit von dem Streitpunkt entfernt zu sein schien, demungeachtet nach und nach auf diesen zurückkam und ihn in Verlegenheiten und Widersprüche verwickelte, aus denen er sich nicht mehr herauszuziehen vermochte: daß er bis zu einem lächerlichen Grade vorsichtig wurde, und kaum die einfachsten und gewöhnlichsten Fragen zu beantworten wagte, ohne mich vorher zu fragen: »Was würden Sie daraus folgern?« – Von da bildete er sich eine hohe Meinung von meinem Talente, daß er mich alles Ernstes einlud, gemeinschaftlich mit ihm eine neue religiöse Sekte zu gründen. Er wollte die neue Lehre durch Predigen verbreiten, und ich sollte die Gegner widerlegen. – Als er mir seine Ansichten auseinandersetzte, fand ich eine Menge Abgeschmacktheiten darin, die ich alle verwarf, obschon er sich erbot, dagegen einige von meinen Ansichten aufzunehmen. Keimer trug seinen Bart ungeschoren, weil Moses an irgend einer Stelle sagt: »Du sollst die Spitzen deines Bartes nicht beschädigen.« Gleicherweise beobachtete er die Feier des Sabbaths: dies schienen ihm zwei wichtige Punkte. Ich war gegen beide, versprach ihm jedoch, beide anzunehmen, wenn er sich dagegen zum Enthalten von thierischer Nahrung bequemen wolle. »Ich zweifle,« sagte er, »ob dies meine Konstitution zu ertragen vermag.« Ich versicherte ihn aber, daß er sich im Gegentheil besser dabei befinden würde. Er war ein großer Schwelger, und ich versprach mir vielen Spaß davon, ihn recht auszuhungern. Er sagte es mir endlich zu unter der Bedingung, daß ich ihm Gesellschaft leistete, und wir setzten es in der That drei Monate lang fort. Eine Frau aus der Nachbarschaft bereitete und brachte uns unsere Speisen, und ich gab ihr ein Verzeichniß von vierzig Gerichten, unter denen sich weder Fleisch noch Fische fanden. Dieser Einfall kam mir um so mehr zu gut, als ich dabei meine Rechnung fand, denn die ganzen Kosten unserer Lebensweise überstiegen wöchentlich nicht 18 Pence. – Ohne die geringste Beschwerde setzte ich meine Pflanzenkost fort, während Keimer schrecklich darunter litt. Erschöpft von dem Versuche seufzte er nach den Fleischtöpfen Aegyptens. Endlich konnte er es nicht mehr aushalten, er bestellte ein gebratenes Ferkel und lud mich und zwei unserer weiblichen Bekannten dazu ein; da aber das Ferkel ein wenig zu früh fertig wurde, so konnte er der Versuchung nicht widerstehen und aß es ganz allein auf, ehe wir ankamen.«

Von Philadelphia schiffte Franklin nach England hinüber und fand bald in den Druckereien von London willkommene Arbeit. Um sich die gehörige Körperbewegung zu verschaffen, arbeitete er zuerst als Drucker, obwohl er ein höchst geschickter Setzer war und als solcher auch mehr verdiente. Doch bei seiner großen Sparsamkeit erübrigte er viel mehr, als seine Mitgesellen, die ihn »das amerikanische Wasserthier« nannten, weil er gegen das unmäßige Biertrinken eiferte. Er trug zuweilen in jeder Hand eine große gesetzte Form Treppe auf und Treppe ab, und sprach dann zu den Biertrinkern, die ihm das nicht nachthun konnten: »Da habt ihr den Beweis, daß Bier keineswegs die Kräfte vermehrt. Wenn ich einen Pennylaib Brod esse und dazu ein Glas Wasser trinke, habe ich so viel Nahrungsstoff gewonnen, als in einer Pinte Bier enthalten ist.« – So suchte er überall mit gutem Beispiel auf seine Mitmenschen zu wirken.

Bei einer so großen Fülle von körperlicher wie sittlicher und geistiger Kraft waren freilich manche Jugendverirrungen schwer zu vermeiden, und Franklin hat in seinen biographischen Notizen uns treulich davon Bericht erstattet. Der erste Fehltritt, den er bereute, war, daß er seinen Bruder in Boston zu einer Zeit verließ, wo derselbe seiner Hülfe sehr bedurfte. Freilich war er äußerst hart und oft ungerecht von diesem seinem Lehrherrn behandelt worden. In Philadelphia hatte er sich mit Miß Read, einem braven liebenswürdigen Mädchen, verlobt; als er aber nach England kam, gerieth er in die Gesellschaft eines schlechten Menschen, der ihn um alle seine Ersparnisse brachte, und da er der Miß Read nicht mehr schrieb, verheirathete sich dieselbe, aber höchst unglücklich. Dies war ein zweiter Fehltritt, den er aber dadurch verbesserte, daß er bei seiner Rückkehr die unterdeß Geschiedene zur Frau nahm. Mit ihr hat er eine lange und glückliche Ehe geführt.

Franklin bekam in London Wollastons Werk »über die natürliche Religion« zu setzen, aber mit manchen Lehrsätzen dieses Autors war er nicht einverstanden, und so schrieb er eine metaphysische Abhandlung, worin er Wollaston widerlegte. Er druckte die Schrift selber, aber der Inhalt fand wenig Beifall und man nannte sie »gotteslästerlich«. Er suchte nachzuweisen, daß es eigentlich keine Sünde und kein Unglück in der Welt gebe, sondern Alles von Gott nothwendig so geordnet sei. Den Druck dieser Broschüre nennt Franklin seinen dritten Fehltritt.

Franklin hatte ein halbes Jahr in London verweilt, und kehrte im Jahr 1726 nach Philadelphia zurück. Unterwegs machte er die Bekanntschaft eines Kaufmanns Denham, der ihn sehr lieb gewann und zu seinem Buchhalter erwählte. Plötzlich ereilte aber diesen seinen Wohlthäter der Tod, und so sah sich der junge Franklin wieder auf die eigenen Mittel verwiesen. In Philadelphia nahm ihn sein alter Prinzipal Keimer wieder mit Freuden auf; bald aber merkte Franklin, daß die Lage dieses Mannes eine verzweifelte war und das Geschäft über kurz oder lang zusammensinken mußte. Dazu wurde sein Herr immer gröber und mürrischer, so daß er ihn freiwillig verließ und unter mancherlei Schwierigkeiten ein eigenes Buchdruckereigeschäft begann, indem er sich mit einem seiner Bekannten associirte. Der Erwerb war anfangs höchst gering, aber Franklins Fleiß unermüdlich; er legte noch einen Papierhandel an und hielt es nicht unter seiner Würde, die Papierballen selbst auf einem Schubkarren über die Straße zu fahren. Dabei vergaß er auch der geistigen Fortbildung nicht. Er stiftete eine literarische Gesellschaft junger strebsamer Bürger unter dem Namen »Junto«; jedes Mitglied mußte sich verpflichten, abwechslungsweise eine oder mehrere Fragen über irgend einen Gegenstand der Moral, Politik oder Philosophie vorzutragen, welche dann von der Gesellschaft besprochen wurden – und alle drei Monate einen Aufsatz über irgend ein selbstgewähltes Thema auszuarbeiten und vorzulesen. Die Debatten wurden von einem Vorsitzenden geleitet. Ferner gründete Franklin auch ein politisches Blatt, und die Aufsätze, die er selber für die Zeitung schrieb, waren durch die Klarheit, Gründlichkeit und angenehme Schreibart so ausgezeichnet, daß die Zahl der Abonnenten von Tag zu Tage sich mehrte. Schon in Boston, als er noch bei seinem Bruder in der Lehre war, hatte er für dessen Zeitung mehrere Artikel geschrieben, aber mit verstellter Handschrift, und sie dann jeden Morgen vor die Druckerei gelegt, so daß der Bruder glaubte, sie kämen von einem Fremden. Schon damals harte der junge Franklin großes Aufsehen erregt. Seine Schreibart war ein Muster von Einfachheit, und dabei verstand er es, den Gegenstand in allerlei Formen zu kleiden, bald als Erzählung, Fabel, Brief, Dialog, Gleichniß, wie es eben am besten sich fügte. Zuweilen war er beißend und spottend, öfters launig, nie steif und trocken, immer unterhaltend. Welche Fülle von Weisheit, gesunder Lebensanschauung und Menschenkenntniß steckt oft in einer simpeln Erzählung oder einem kurzen Briefchen.

Im Jahr 1732 begann Franklin einen Volkskalender, »der Almanach des armen Richard« genannt, worin er durchaus volksthümlich die trefflichsten Grundsätze zum Fleiße, zur Mäßigkeit und Einfachheit der Sitten entwickelte und zur Bildung seiner Landsleute außerordentlich viel beitrug. Er setzte diesen Almanach 25 Jahre lang fort, und im letzten Jahrgange stellte er alle seine Grundsätze in der Zueignungsschrift an den Leser zusammen unter dem Titel: »Der Weg zum Reichthum«. Diese Zueignungsschrift wurde in verschiedene Sprachen übersetzt und in mehreren Zeitschriften abgedruckt, ja auf einem besonderen Bogen herausgegeben, der unter Glas und Rahmen in den Stuben aufgehängt wurde. Sie enthielt vielleicht das beste praktische System der Wirthschaftlichkeit, das je bekannt gemacht worden ist.

Je mehr seine Mitbürger die ausgezeichneten Talente Franklins erkannten, desto mehr benutzten sie auch dieselben für das öffentliche Wohl. So erwählte ihn im Jahre 1736 die Versammlung der Generalstaaten von Pennsylvanien zu ihrem Sekretär, und darauf zum Abgeordneten für die Stadt Philadelphia. Da es für emporblühende Städte keine größere Gefahr als die des Feuers giebt, richtete Franklin mit besonderem Takt das Institut der Nachtwächter ein, bildete dann die erste Feuerkompagnie in Philadelphia, nach deren Muster bald zahlreiche Gesellschaften in andern Städten in's Leben traten. Von der Grenze her geschahen von Indianern und Franzosen öfters Einfülle auf das Gebiet Pennsylvaniens; da setzte Franklin ein Milizgesetz durch, das die Landesvertheidigung ordnete und die Ruhe wieder herstellte.

Während er so für das gemeine Beste wirksam war, vernachlässigte er doch nie seine wissenschaftlichen Studien; besonders erregten die elektrischen Versuche seine Aufmerksamkeit. Er hatte zuerst bemerkt, daß die Spitzen fähig sind, die Elektrizität anzuziehen und abzuleiten; sodann machte er die wichtige Entdeckung von der positiven und negativen Elektrizität, und daß die Entladung einer mit elektrischer Materie gefüllten Flasche nur die Wiederherstellung des Gleichgewichts der beiden entgegengesetzten Pole sei. – Man hatte bisher geglaubt, daß die Elektrizität sich in dem Ueberzuge des Glases sammle; er zeigte, daß die Poren des Glases selber ihr Aufenthalt seien. Dann ging er weiter, und behauptete, daß der Blitz nichts anders als ein elektrischer Funken sei, dessen schnelle lufterschütternde Bewegung den Donner hervorbringe. Und von dieser kühnen Annahme ging er sogleich zur Anwendung über, indem er an die höchsten Stellen der Dächer, Schiffsmaste etc. spitze Eisenstangen befestigte, die den elektrischen Strom entweder in die Erde oder in's Wasser leiten sollten. Noch war aber nicht der Beweis geführt, daß die kühne Hypothese von der Leitung der Wolkenelektrizität durch Metallspitzen begründet sei; sobald ein Versuch die Wahrheit jenes Satzes verbürgte, war ein unendlicher Fortschritt der Wissenschaft gesichert.

Franklin hatte zunächst im Sinn, auf einem hohen Thurm oder Berge ein Schilderhäuschen zu errichten, eine eiserne Stange aufzustecken, und nun bei einem heranziehenden Gewitter zu beobachten, ob elektrische Erscheinungen an dem Metall bemerkbar sein würden. In Philadelphia gab es aber damals noch keinen Thurm, und so erdachte der praktische Geist sich eine andere Auskunft. Es wurde ein Drache nach Art der Papierdrachen, womit sich die Jugend belustigt, angefertigt, aber nicht von Papier, sondern von Seidenzeug, das im Nothfall dem Regen widerstehen konnte. Eine Eisenspitze bildete den Kopf des Drachens; die Hanfschnur war ohnedieß ein guter Leiter, aber an ihrem Ende ward eine kurze Seidenschnur angebunden, um den Träger vor der etwa herabströmenden elektrischen Materie sicher zu stellen. Wo beide Schnüre zusammengebunden waren, ward ein Schlüssel angehängt, welchen Franklin gelegentlich mit dem Fingergelenk anrührte, während sein Sohn den in der Luft flatternden Drachen hielt. Die Gewitterwolken zogen heran, doch der Schlüssel ließ keinen elektrischen Funken springen. Schon gab Franklin den Versuch verloren, siehe, da richteten sich die Fasern der Hanfschnur empor, es sprangen mehrere Funken aus dem Schlüssel und eine Flasche wurde mit der Wolkenelektrizität geladen. Eine der großartigsten Entdeckungen in der Physik war gemacht und gegen allen Zweifel sicher gestellt.

Franklin dehnte seine Forschungen weiter aus, und machte interessante Versuche z. B. mit dem Turmalin. Dieser Stein besitzt nämlich die sonderbare Eigenschaft, bloß durch Hitze und ohne Reibung auf der einen Seite positiv, auf der andern Seite negativ elektrisch zu werden. Ferner ward durch mancherlei Versuche festgestellt, daß die Verdampfung Kälte erzeuge. Franklin brachte Aether, der schon bei gewöhnlichem Luftdruck der Atmosphäre schnell verdunstet, unter den Rezipienten einer Luftpumpe, und in diesem fast luftleeren Raum ging nun die Verdampfung so schnell von Statten, daß das in einer Flasche hineingesetzte Wasser in Eis verwandelt wurde. Diese Entdeckung wurde nun sogleich auf mancherlei Erscheinungen angewandt, die von den Physikern bis dahin nicht zur Genüge erklärt werden konnten, nämlich daß die Temperatur des in gesundem Zustande befindlichen menschlichen Körpers nie 96 Grad Fahrenheit übersteige, wenn auch die ihn umgebende äußere Atmosphäre zu einem weit höheren Grade erhitzt würde. Dies Phänomen fand nun seine Erklärung in der durch die Hitze vermehrten Ausdünstung, die eine verhältnißmäßige Verdampfung erzeugt, also wiederum Wärme bindet und Kälte erzeugt.

Ferner stellte der fleißige Mann noch mancherlei Versuche mit der Glasharmonika an, die er aus gestimmten kleinen Glasglocken zusammensetzte. Veranlaßt durch den Ton, welchen ein Trinkglas hervorbringt, wenn man den Rand desselben mit einem nassen Finger reibt, war ein Irländer auf den Gedanken gekommen, ein förmliches Instrument mit harmonischen Tönen herzustellen, aber durch den Tod an der Vollendung desselben verhindert worden. Auch über die Luftströmungen und Winde auf dem amerikanischen Festlande gab Franklin neue Aufschlüsse, und sein Name ward nun in allen gebildeten Kreisen Europa's bekannt. Die oxforder Universität ernannte ihn 1762 zum Doktor der Rechte. Und er war ein wahrer Doktor der Rechte des Volkes, die er mit allen Mitteln aufrecht erhielt und sicher zu stellen suchte. Zu diesem Zwecke war es ihm besonders wichtig, einen bessern Jugendunterricht zu organisiren, und seine Landsleute der geistigen Rohheit zu entreißen. Er hatte bereits eine öffentliche Bibliothek gegründet, in der jeder Bürger Zutritt hatte. Doch war ihm bald genug klar geworden, daß es an tüchtigen Lehrern fehle, welche das Volk erst fähig machen mußten, die geistigen Schätze gehörig aufzunehmen. So entwarf er einen Plan zur Errichtung einer Akademie für Philadelphia, die vorerst aus drei Klassen bestehen sollte, einer englischen, lateinischen und griechischen. Dieser Plan ward genehmigt und bald zur Ausführung gebracht, und die Anstalt wuchs fröhlich empor.

Der Blick des praktischen Mannes umfaßte mit gleich sicherm Takt die Angelegenheiten seines Wohnortes, wie des großen Gesammtvaterlandes. Die Provinz Kanada gehörte damals noch den Franzosen, welche sie zuerst kolonisirt hatten, und die mit den Indianern nun einen höchst einträglichen Handelsverkehr unterhielten. Dagegen war das Verhältniß der Eingebornen zu den britischen Kolonieen ein überwiegend feindliches, und diese Feindschaft ward von den Franzosen genährt. Franklin hatte längst die politische Nothwendigkeit erkannt, daß England sich in den Besitz von Kanada setzen müsse, und da seine mündlichen Rathschläge nichts gefruchtet hatten, verfaßte er eine Flugschrift, die unter dem Namen des Kanada-Pamphlets viele Leser fand und auf die klarste Weise die Vortheile einer Erwerbung jenes großen Länderstrichs darlegte. Da entschloß sich die englische Regierung, eine Expedition auszurüsten, deren Leitung dem tapfern General Wolf übertragen wurde. Der glückliche Erfolg dieses Feldzuges war, daß im Jahr 1762 Frankreich das Land Kanada an England abtrat.

Dr. Franklin, in gerechter Anerkennung seiner Verdienste, ward zum General-Postmeister aller britisch-amerikanischen Kolonieen ernannt, und dies war ein höchst einträglicher Posten. Derselbe hinderte ihn jedoch nicht, gegen das englische Ministerium entschieden aufzutreten, als dasselbe seine ungerechten Angriffe auf die alten Rechte und Freiheiten der Amerikaner begann. Trotz aller Warnungen, die selbst im Schooße des englischen Parlaments erhoben wurden, dekretirte man die drückendsten Abgaben auf Glas, Leder, Papier, Malerfarben, Thee – Maaßregeln, welche den amerikanischen Handel und Gewerbefleiß zu Gunsten der englischen Kaufleute niederhalten sollten. Franklin reiste alsbald nach London, und machte sowohl mündlich als schriftlich die dringendsten Vorstellungen, wie ungerecht und unpolitisch zugleich ein solches Verfahren sei. Er hatte sich Briefe zu verschaffen gewußt, welche Hutchinson, der Statthalter von Massachusetts, an vornehme Engländer geschrieben hatte und in welchen der unpatriotische Beamte (Hutchinson war geborner Amerikaner) der englischen Regierung den Rath ertheilte, die Widersetzlichkeit der Kolonieen mit Gewalt zu unterdrücken und deshalb noch mehr Truppen nach Amerika zu schicken. Franklin machte diese Briefe seinen Landsleuten bekannt und der Haß gegen den Statthalter ward allgemein. Die Vertreter der Kolonie verfaßten eine an den König gerichtete Bittschrift, worin sie die sofortige Absetzung Hutchinsons verlangten, und sandten sie an Franklin, der sie überreichte. In Folge dessen ward aber der Bevollmächtigte der Kolonieen vor den Geheimen Rath geladen und vom Ober-Staatsanwalt heftig angefahren, als ob er an allen Unruhen schuld sei. Doch wagte man nicht, ihm als politischem Verbrecher den Prozeß zu machen, und seine ruhige würdevolle Haltung machte auf alle Unparteiische den besten Eindruck. Der Geheime Rath des Königs war jedoch zu sehr im englischen Hochmuth befangen, erklärte die Bittschrift für grundlos, ihre Fassung für unziemlich und aufreizend. Das Gesuch wurde abgewiesen und Franklin seiner Stelle als Oberpostmeister entsetzt.

Unterdessen waren die mit Thee beladenen Schiffe der englisch-ostindischen Handelsgesellschaft in den Hafen von Boston eingelaufen (December 1773). Der Stadtrath verbot den Kapitänen die Ausladung, der Statthalter befahl sie. Da bestiegen als Indianer verkleidete Bürger die Schiffe und warfen die ganze Theeladung (542 Kisten) in's Meer.

Als die Kunde von dieser Gewaltthat nach England gelangte, erließ das Parlament (März 1774) die Boston-Hafen-Bill, welche gebot, daß der Bostoner Hafen so lange gesperrt bleiben sollte, bis die Stadt zum Gehorsam gebracht worden sei. Die Verfassung von Massachusetts ward als zu frei aufgehoben, dem Statthalter unbeschränkte Vollmacht eingeräumt und sogar die Gewalt verliehen, nach Gutdünken amerikanische Bürger wegen politischer Vergehen nach England vor Gericht zu senden. Dem General Gage, der an Hutchinsons Stelle zum Statthalter der Kolonie ernannt worden war, sandte die englische Regierung mehrere Kriegsschiffe mit einer Truppenverstärkung von vier Regimentern.

Gage löste die Abgeordnetenversammlung in Boston auf, konnte es jedoch nicht hindern, daß nun alle Kolonieen Bevollmächtigte zu einem Nationalkongreß erwählten, der sich zu Philadelphia im September 1774 versammelte und jene merkwürdigen Erklärungen erließ, in welchen sich der Anbruch einer neuen Zeit ankündigte. Zuerst ward eine Rechtfertigung des Widerstandes der Kolonie Massachusetts wider die ihr aufgedrungene Verfassung bekannt gegeben. Sodann eine Erklärung und Verkündigung der Menschenrechte veröffentlicht, worin Leben, Freiheit und Eigenthum des Menschen als unantastbares Recht desselben aufgestellt und die Verletzung dieses Rechtes Seitens der englischen Regierung nachgewiesen wurde. Ferner ward in einer Bittschrift an den König es ausgesprochen, daß die Unterthänigkeit der Amerikaner nur unter der Bedingung zu hoffen sei, daß man ihnen die gleichen politischen Rechte wie den Engländern gewährleiste. Endlich wurden noch Adressen an das Volk von Kanada, das unlängst zum britischen Reiche hinzugefügt war, und an das europäische Mutterland selber erlassen. Schließlich wurde der Beschluß gefaßt, jeden Verkehr mit England abzubrechen, so lange die gerechten Forderungen der Kolonieen nicht befriedigt würden.

Franklin hatte noch immer in London ausgehalten, dem König die Bittschrift des ersten amerikanischen Nationalkongresses überreicht, dem freisinnigen Lord Chatam (Pitt) beachtenswerthe Vorschläge gemacht über die wirksamste Art, die Kolonieen wieder zu beschwichtigen, sogar den Lordmayor (Bürgermeister) von London und einen großen Theil der Londoner Bürgerschaft für die Sache der Freiheit gewonnen. Vergebens erhoben im Unterhause die berühmten Redner Fox und Burke ihre Stimme zu Gunsten der Kolonieen und vergebens brachte Lord Chatam-Pitt seine Versöhnungsvorschläge im Oberhause ein. Sein Antrag ward vom Parlament verworfen und der König beharrte auf seinem Sinn.

So reiste denn Franklin im Jahre 1775 (3 Wochen vor dem Treffen bei Lexington 18. April 1775.) aus London ab mit dem Entschlusse, seine Landsleute zum beharrlichen Widerstande gegen eine Regierung, von der sie nichts zu erwarten hätten, anzufeuern. Er theilte diese Ueberzeugung mit den vorzüglichsten und einflußreichsten Männern des Kongresses, mit Adams, Hancock, Washington u. A.

Kaum in Amerika angelangt, wählte ihn das Volk zum Abgeordneten für den zweiten Nationalkongreß, der wiederum in Philadelphia (im Mai 1775) sich versammelte, ein Bundesheer rüstete und Washington zum Oberbefehlshaber desselben ernannte. Gleich den Eidgenossen auf dem Grütli gelobten sich alle Mitglieder des Kongresses feierlich, Gut und Blut für die Freiheit opfern zu wollen.

Mit Glück begann Washington seine Operationen und belagerte mit dem Bundesheere Boston, das General Howe im März 1776 räumen mußte. Nun zögerte der Kongreß nicht länger; er verkündigte im Namen der dreizehn vereinigten Staaten die Unabhängigkeit von England und fügte dieser Unabhängigkeitserklärung die Verkündigung der Menschenrechte hinzu. Franklin, Adams, Jefferson waren die Verfasser dieser Schriftstücke. Im Frühling des folgenden Jahres wurden die Grundzüge der neuen Bundesverfassung festgestellt, und damit ward der ganzen civilisirten Welt das erste Beispiel eines auf Grund der freisinnigen Ideen der Neuzeit aufgebaueten Staatswesens vor Augen gestellt.

Doch jede Freiheit will errungen sein. Gegen das mit aller Energie den Krieg fortsetzende England fühlte sich der junge Freistaat zu schwach; es fehlte an Geld, an Schiffen, an einem kriegsgeübten Heere, an Bundesgenossen. Vor Allem kam es nun darauf an, Frankreich, den Nebenbuhler des britischen Reichs, zu einem Bündniß mit den Vereinigten Staaten zu bewegen, und dies zu Stande zu bringen, ward (noch zu Ende des Jahres 1776) Franklin als Bevollmächtigter nach Paris gesandt.

Anfangs war am französischen Hofe wenig Neigung vorhanden, mit dem jungen Freistaate ein näheres Verhältniß anzuknüpfen; doch lagen die Vortheile, welche Frankreich aus einem Handelsverkehr mit Amerika erwachsen mußten, offen zu Tage und die Aussicht auf eine Schwächung der englischen Macht war zu verlockend für das französische Interesse, als daß man die Allianzvorschläge des amerikanischen Gesandten hätte von der Hand weisen können. Auch die Persönlichkeit Franklins wirkte günstig mit, den König (Ludwig XVI.) und seine Rathgeber für die amerikanische Sache Zu gewinnen. Das einfache anspruchslose Auftreten des 70jährigen Greises, der sein weißes Haar frei auf die Schulter herabwallen ließ, ohne Puder und Perrücke, der in einem schlichten Tuchrocke einherging und ohne Ordensstern und Fuhrwerk die Prinzen und Minister zu Fuß besuchte, dem das Alter die Jugendfrische nicht hatte rauben können: er machte in seiner ehrwürdigen Schlichtheit einen tieferen Eindruck auf die Pariser, als der Prunk des Hofes mit den glänzenden Uniformen und Equipagen. Seine Schriften und physikalischen Entdeckungen hatten ihn schon längst mit den vornehmsten Gelehrten Europa's befreundet und es gehörte bald auch bei dem Adel zum guten Ton, sich mit Franklin zu unterhalten. Das Volk aber erblickte in dem ehrwürdigen Manne eine Verwirklichung sowohl der Träume Rousseau's von der unverdorbenen Natur des Menschen, wie der Freiheitsgedanken seiner Philosophen.

Ein Sieg, den die Bundestruppen im Sommer 1777 bei Saratoga über den englischen General Bourgoyne erfochten, brachte das von Franklin so geschickt und ausdauernd angebahnte Bündniß zu Stande; im Februar 1778 ward der Traktat unterzeichnet und Amerika alsbald mit Geld und Hülfstruppen unterstützt. Im folgenden Jahre (1779) ward auch von Spanien und 1780 von Holland der Krieg an England erklärt, das nun seine Kräfte zersplittert sah, wenn es auch mit seiner Seemacht den Spaniern und Holländern die Spitze bieten konnte. Aber einem fortgesetzten Kampfe auf dem amerikanischen Festlande war es nicht gewachsen, und als der allzukühn vordringende englische General Lord Cornwallis zu Yorktown von Washington umzingelt ward und sich mit 6000 Mann ergeben mußte (Oktober 1781): da brachte die Oppositionspartei im englischen Parlament das Ministerium North zum Sturz, und das neue Ministerium war zum Frieden geneigt, der zu Versailles am 3. September 1783 definitiv abgeschlossen und von Franklin im Namen seines Vaterlandes unterzeichnet wurde. Die Kolonieen wurden als unabhängiger Freistaat von England anerkannt, das ein Gebiet von 20,000 Quadrat-Meilen mit drittehalb Millionen Einwohnern und 600,000 Sklaven verlor und obendrein noch die Kriegskosten zahlte.

So bewährte sich der lateinische Vers d'Alemberts, welcher von Franklin sagte:

Eripuit fulmen coelo, sceptruinque tyrannis.

(Er entriß dem Himmel den Blitz, das Scepter den Tyrannen.)

Mit diesen Worten hatte er den bescheidenen Mann schon bei seinem Eintritt in die französische Akademie bewillkommnet.

Inmitten der verwickelten diplomatischen Geschäfte wurden die physikalischen Studien von Franklin eifrig fortgesetzt, und eine merkwürdige Episode bildeten die Verhandlungen über den thierischen Magnetismus, veranlaßt durch das Erscheinen des Dr. Mesmer in Paris. Auf Befehl des Königs trat eine Kommission von Gelehrten zusammen, unter denen sich auch Franklin befand, um zu untersuchen, was an der Sache sei, und trotz aller Bemühungen Mesmers wurde seine neue Lehre als eitel Marktschreierei erkannt.

Im Jahr 1785 kehrte Franklin, hochgeehrt von Freund und Feind, nach Philadelphia zurück, wo Alles wetteiferte, ihm Beweise der Hochachtung und Dankbarkeit zu geben. Der ehrwürdige Greis, jetzt im 81. Jahre, setzte auf heimischem Boden rastlos das Friedenswerk fort und war hauptsächlich bemüht, der Union Stärke und Festigkeit zu geben. Dabei sann er unaufhörlich auf Verbesserungen in den ökonomischen und gewerblichen Verhältnissen seiner Mitbürger. Im Jahr 1787 bildeten sich zu Philadelphia zwei höchst achtbare Gesellschaften, die beide Franklin zu ihrem Präsidenten erwählten. Die eine hieß »die Philadelphiagesellschaft für die Erleichterung des Elends in den öffentlichen Gefängnissen«, die andere »die Pennsylvaniagesellschaft zur Beförderung und Aufhebung der Sklaverei der Neger und zur Verbesserung des Zustandes der afrikanischen Race«.

Die sonst so feste Gesundheit des Mannes sollte aber am Ende noch mancherlei Erschütterungen erfahren; seit mehreren Jahren hatten sich Gichtanfälle und höchst schmerzhafte Steinbeschwerden eingestellt. Im Frühling des Jahres 1790 kamen Brustkrämpfe dazu; sein Freund und Hausarzt Dr. Jonas berichtete über die letzte Krankheit des großen Mannes also: »Der Blasenstein, an dem er während mehrerer Jahre zu leiden hatte, hielt ihn die letzte Zeit fast ganz an's Bett gefesselt, und wenn seine Schmerzen den höchsten Grad erreichten, war er genöthigt, große Gaben Opium zu nehmen, um seine Marter einigermaßen zu lindern. In schmerzlosen Zwischenräumen jedoch unterhielt er sich nicht allein mit Lesen und freundlichem Gespräch mit seiner Familie und einigen Freunden, die ihn besuchten, sondern er besorgte auch öffentliche oder Privatgeschäfte für verschiedene Personen, welche deßwegen zu ihm kamen. Unter allen Umständen zeigte er nicht bloß jene Bereitwilligkeit und Geneigtheit Gutes zu thun, wodurch er sich während seines ganzen Lebens ausgezeichnet hatte, sondern er blieb auch ununterbrochen im vollsten Besitz seiner Geisteskräfte; ja nicht selten gab er sich gern Geistesspielen und der Erzählung unterhaltender Anekdoten hin.«

Etwa sechzehn Tage vor seinem Hinscheiden befiel ihn ein Fieber, das jedoch keine besonderen Symptome mit sich führte; erst am dritten oder vierten Tage beklagte er sich über Schmerzen in der linken Brust, welche stets zum äußersten Grade von Heftigkeit zunahmen und einen schmerzhaften Husten hervorriefen. In diesem Zustande entfuhr ihm unter der Last der Schmerzen manchmal ein Seufzer oder eine Klage, er äußerte dann immer, es sei ihm leid, daß er seine Qual nicht so zu tragen vermöge, wie er wohl sollte, und drückte zugleich seine dankbaren Gefühle für das viele Glück aus, womit ihn das höchste Wesen gesegnet und von einem kleinen niedrigen Anfange zu so hohem Range und Ansehen erhoben, so daß er nicht zweifle, daß seine gegenwärtige Krankheit väterlich darauf berechnet sei, ihn von einer Welt zu entwöhnen, auf der er den ihm beschiedenen Theil nicht mehr zu erfüllen im Stande sei. Dieser Körper- und Gemüthszustand dauerte bis fünf Tage vor seinem Tode, wo ihn seine Brustschmerzen und Athmungsbeschwerden völlig verließen, und seine Familie bereits anfing, sich mit der Hoffnung seiner Wiederherstellung zu schmeicheln, als plötzlich ein Geschwür, das sich in der Lunge gebildet hatte, aufbrach und so lange entlud, als der Patient noch Kraft hatte. Sobald aber diese nachließ, hörten auch seine Athmungsorgane allmälig zu wirken auf. Es trat ein sanfter Schlaf ein, und am 17. April 1790, Nachts 11 Uhr, hauchte er seinen letzten Athemzug aus, mit dem er sein langes und nützliches Leben beschloß, das er auf 84 Jahre 3 Monate gebracht hatte, denn er war geboren den 17. Januar 1706.

Nie vorher gab es in den Staaten Amerika's ein so großartiges, würdiges und bedeutungsvolles Leichenbegängniß, als dasjenige Franklins war. Die Trauer um den großen Mann war allgemein, der Volkszulauf unermeßlich; alle Glocken der Stadt waren gedämpft und die Zeitungen wurden mit Trauerrändern ausgegeben. Der Kongreß verordnete eine zweimonatliche Trauer in den Vereinigten Staaten; die ausgezeichnetsten Männer des In- und Auslandes wetteiferten, dem Hingeschiedenen eine würdige Lobrede zu halten; die Bibliothekgesellschaft zu. Philadelphia ließ ihm aus kararischem Marmor ein Standbild errichten.

Viele Jahre vor seinem Tode hatte er selber sich bereits folgende Grabschrift gesetzt:

 

Der Leib
des
Benjamin Franklin,
eines Buchdruckers
(gleich der Decke eines alten Buches,
aus dem der Inhalt herausgenommen
und das seines Titels und seiner Vergoldung beraubt ist)
liegt hier, eine Speise der Würmer;
doch wird das Werk selbst nicht verloren sein,
sondern es wird (wie er glaubt) einst wieder
erscheinen
in einer neuen
und schöneren Ausgabe,
durchgesehen und verbessert
von
dem Verfasser.

* * *

Wie diese Inschrift ganz den frommen und humoristischen, einfachen und anspruchslosen, so charakterisirt Franklins Testament ganz den sittlichen Mann, dessen Lebensodem die gemeinnützliche Wohlthätgkeit, die sittliche Hebung des Volkes auf realem praktischem Wege war. Hundert Pfund Sterling vermachte er den Vorstehern der Freischule zu Boston, wo er seinen ersten Unterricht empfangen hatte. Diese Summe sollte auf Zinsen angelegt und mit dem Zins eine Anzahl silberner Denkmünzen beschafft werden zur Belohnung für fleißige Schüler. Alle die kleinen Posten, die man ihm seit 1757 für Druckarbeiten schuldig war, vermachte er den Vorstehern des pennsylvanischen Hospitals. Von seinem Präsidentengehalte hatte er stets einen Theil zur Unterstützung von Schulen und Erbauung von Kirchen verwandt. »Ich habe mich überzeugt,« sagt er im Kodizill (Anhang) zu seinem Testamente, »daß unter den Handwerkern gute Lehrlinge am wahrscheinlichsten auch gute Bürger werden. Ich bin selbst in meiner Vaterstadt zur Handarbeit erzogen und später durch freundliche Gelddarleiher in den Stand gesetzt worden, mich als Buchdrucker in Philadelphia zu etabliren. Dies war die erste Grundlage meines Glücks und des ganzen Nutzens, den man meinem späteren Leben zuschreiben mag. Und deshalb wünschte ich, selbst nach meinem Tode, wo möglich zum Besten Anderer zu wirken, indem ich die Bildung und das Fortkommen junger Leute, die in Boston und Philadelphia ihrem Vaterlande nützlich zu werden versprechen, zu befördern trachte.« So bestimmte er für genannten Zweck 2000 Pfund Sterling zum Ausleihen an junge Handwerker, die noch nicht 25 Jahr alt sind und guten Leumund haben. »Damit aber einerseits so viel Personen als möglich Unterstützung erhalten und andererseits die Rückzahlung der Hauptsumme mehr erleichtert wird, so soll jeder Schuldner verpflichtet werden, nebst dem jährlichen Zins (zu 5%) den zehnten Theil von der Hauptsumme zurückzuzahlen; diese beiden Summen aber, Kapital und Zins, sollen gleich wieder an neue Anlehensuchende ausgeliehen werden. Da ferner anzunehmen ist, daß sich stets in Boston tugendhafte und wohlwollende Bürger finden werden, welche geneigt sind, einen Theil ihrer Zeit der Unterstützung junger Anfänger zu widmen, indem sie diese Anstalt umsonst beaufsichtigen und verwalten –: so steht zu hoffen, daß zu keiner Zeit ein Theil des Geldes todt daliegen oder zu andern Zwecken verwendet, vielmehr stets durch die anwachsenden Interessen vermehrt werden, also mit der Zeit der Grundstock so zunehmen wird, daß er die Bedürfnisse Bostons übersteigt; dann kann auch etwas für die benachbarten Städte erübrigt werden. Diese Städte haben sich aber verbindlich zu machen, den Einwohnern der Stadt Boston das jährlich an der Hauptsumme Entfallende nebst den Zinsen zu bezahlen. Wird dieser Plan so, wie es vorgeschlagen ist, ausgeführt, und hat es 100 Jahre lang guten Fortgang, so wird sich dann die Summe auf 130,000 Pfund belaufen, von denen ich die Verwalter dieser der Stadt Boston gemachten Schenkung nach ihrem Gutdünken 100,000 Pfund auf öffentliche Werke zu verwenden bitte, welche man für gemeinnützlich hält, wie etwa Festungswerke, Brücken, Wasserleitungen, öffentliche Gebäude, Bäder, Straßenpflaster, oder was immer dazu beitragen mag, das Leben in der Stadt den Bewohnern und Besuchern bequem und angenehm zu machen.«

Am Schlusse heißt es: »Meinen hübschen Knotenstock, mit dem goldenen kunstreich in Gestalt einer Freiheitsmütze gearbeiteten Knopfe hinterlasse ich meinem Freunde und dem Freunde des Menschengeschlechts, General Washington. Wäre es ein Scepter, er hätte ihn verdient und würde ihn auch bekommen.«


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