Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Augustina von Saragossa

Augustina von Saragossa

José de Palafox

José de Palafox

Palafox. Augustina von Saragossa.

Leben und Feldzüge des Herzogs von Wellington. Nach W. H. Maxwell, G. N. Wright und Alexander, von Bauer (Quedlinburg und Leipzig, 1840), 6 Bände. Arthur, Herzog von Wellington etc. Nach Elliot und Clarke (Leipzig, 1817). Chronik des 19ten Jahrhunderts (5ter und 6ter Band) von Dr. Venturini (Altona, 1811).


Große Ereignisse bringen plötzlich große Charaktereigenschaften zum Durchbruch und in's glänzende Licht der Geschichte, die ohne den weltgeschichtlichen Anstoß im Dunkel des Alltagslebens begraben worden wären.

Es ist wohl nie einer Königsfamilie größere Schmach zugefügt worden, als es durch Napoleon den spanischen Bourbonen geschah. Freilich gab der sittlich verdorbene, durch und durch faule Madrider Hof dem kühnen Gewaltherrscher Veranlassung genug zu gewaltthätigem Intriguenspiel. Der »Friedensfürst« Godoy, der verschmitzte Minister Karls IV., früher Offizier in der königlich spanischen Leibgarde, hatte durch die Schönheit seiner Gestalt die Aufmerksamkeit der Königin auf sich gezogen und war durch deren Einfluß zum Range des ersten Ministers und anerkannten Günstlings des Königs erhoben worden. Der bejahrte und verstandesschwache Monarch stand gänzlich unter der Botmäßigkeit der Königin, und diese war ihrerseits wieder ein Werkzeug in der Hand des listigen Godoy. Der Thronfolger Ferdinand, »Prinz von Asturien«, verabscheute den Günstling, der Alles daran setzte, den Zwiespalt in der königlichen Familie zu nähren und den König wider seinen Sohn einzunehmen; aber der Kronprinz war zu schwach, um die Verhältnisse beherrschen zu können. Jede Partei suchte bei Napoleon Hülfe, bei Dem, der bereit war, sie Alle zu verderben. Ferdinand ließ sich nach Bayonne locken; nach freundlichem Empfange führte ihn Napoleon zum Bankett, das zum Todtenmahl bestimmt war für die bourbonische Monarchie. Denn wenige Stunden, nachdem die Souveräne sich auf gleichem Fuße umarmt hatten, ward dem Prinzen eröffnet, die Bourbonen in Spanien hätten aufgehört zu regieren, und fortan müsse das Scepter der spanischen Monarchie in die Hände Dessen gelegt werden, der allein im Stande sei, der Krone Ansehen zu verschaffen.

Das spanische Volk, wenn auch durch Schuld der Regierung tief gesunken, war doch nicht so weit herabgekommen, um nicht zu fühlen, daß in der Schmach, die seinem Herrscherhause von einem fremden Eroberer angethan ward, ihm selber, seiner nationalen Würde und Selbständigkeit die größte Schmach bereitet werde. Das Unglück fachte den Funken des alten Heldensinnes wieder zur Flamme an. Es waren Anfangs nur die Heldenthaten einzelner Patrioten, die sich hervorthaten; aber sie zeigten dem Volke seinen wahren Charakter, erhoben das allgemeine Nationalgefühl und rissen endlich auch die Scheuen und Schwankenden mit sich fort.

Einer der wackersten Patrioten war Don Jose de Palafox y Melzi. Er war 1780 geboren, der Sprößling einer vornehmen aragonischen Familie. Früh zum Soldaten bestimmt, hatte er auf wissenschaftliche Bildung gar keinen Fleiß verwandt, sich's vielmehr in Madrid wohl sein lassen und an allen Zerstreuungen und Vergnügen der Residenz Theil genommen. Als Gardeoffizier begleitete er den Prinzen Ferdinand nach Bayonne, entfloh aber, als Bauer verkleidet, sobald er sah, daß es auf seines Fürsten Gefangennehmung abgesehen war. Er gelangte glücklich in Saragossa an, erfuhr hier aber zu seinem nicht geringen Schreck, daß der Generalkapitän von Aragonien sich auf Seite der Franzosen neigte. Dieser wollte das Volk entwaffnen, während die Patrioten am 25. Mai 1808 die Landleute von Saragossa aufforderten, sich der Sache des Vaterlandes anzuschließen und wider die Franzosen die Waffen zu ergreifen. In dieser Krisis ward schneller Prozeß gemacht, der schlechtgesinnte Generalkapitän sofort ergriffen, in's Gefängniß geworfen und an seine Stelle Don Joseph Palafox gewählt.

Ueber diesen Mann war auf Ein Mal ein neuer Geist gekommen. Er erließ sogleich eine beredte Proklamation, worin er seine Landsleute aufforderte, ihm zur Wiederherstellung der Freiheit behülflich zu sein.

Er erklärte, daß der französische Kaiser, daß alle Mitglieder seiner Familie, daß jeder französische General und Offizier für die Sicherheit Ferdinands VII., seines königlichen Bruders und Oheims persönlich verantwortlich sein sollte. Man war übereingekommen, für den äußersten Nothfall einen österreichischen Prinzen auf den spanischen Thron zu erheben, aber keinen Franzosen im Lande zu dulden.

Es war freilich schwer, aus ungeübten Landbauern und dem Kriegshandwerk völlig entfremdeten Stadtbewohnern ein Heer zu bilden, das sich den französischen Kriegsschaaren entgegen stellen konnte. Alle Hülfsmittel waren unzureichend. Das in Saragossa befindliche Militär war kaum 230 Mann stark, der Staatsschatz konnte nicht mehr als 2000 Realen aufbringen. Aber unerschreckt durch diese Schwierigkeiten, durch die Gefahren, die ihm droheten, kündigte er den Franzosen selber den Krieg an. Mit unglaublicher Schnelligkeit wurden Waffen geschmiedet. Pulver bereitet und die nothwendigsten Rüstungen in's Werk gesetzt, Spanische Regimenter in Pamplona und Madrid lösten sich auf und eilten nach Saragossa, wohin aber auch bereits General Lefebvre schon mit einem starken Truppenkörper sich in Bewegung gesetzt hatte.

Die Hauptstadt von Aragonien liegt in einer fruchtbaren Ebene am rechten Ufer des Ebro, über den eine steinerne, 600 Fuß lange Brücke führt. Von einer Kolonie des Augustus Caesar Augusta oder auch Caesarea genannt, empfing sie den spanischen Namen Zaragoza. Unterhalb der Stadt geht der aragonische Kanal in den Ebro. Eine Anhöhe, Monte Torrero genannt, auf welcher verschiedene den Schiffern gehörige Magazine und Werkstätten sich befinden, beherrscht die Stadt. Die massiven Häuser derselben sind gewöhnlich zwei Stockwerk hoch, mit starken Gewölben und Mauern versehen; auch die vielen Kirchen und Klöster sind alle von massiver Bauart und sehr hoch. Die Kirche Nuestra Sennora del Pilar (Unserer Lieben Frau zum Pfeiler) ist in ganz Spanien berühmt; man wallfahrtet zu dem wunderthätigen Bilde der heiligen Jungfrau, das auf einer Säule von feinem Jaspis steht. Die Mauern und Thore sind schlecht und auf eine Belagerung nicht berechnet. Die zahlreichen engen und unregelmäßigen Gassen führen nach den Marktplätzen und dem Kosso, der einzigen breiten und schönen Straße. Als die Franzosen zum ersten Mal vor Saragossa erschienen, belief sich die Bevölkerung auf 50,000 Seelen.

Palafox, der dem anrückenden Lefebvre mit seinen Truppen entgegenging, ward am 16. Juni geschlagen, seine Mannschaft versprengt, und er selber entkam mit Mühe in die Stadt. Sogleich verschanzten sich die Einwohner, und binnen 24 Stunden war das bisher offene Saragossa vor einem Ueberfall gesichert. Die Stadt ward eingeschlossen. Nach mehreren Angriffen erstürmten die Franzosen zwei Klöster und den Monte Torrero. Der Verlust des letzteren wurde der Feigheit eines Artillerieoffiziers zugeschrieben, von dem es hieß, er habe die Batterien zu schnell verlassen. Er wurde deshalb verurtheilt, sechs Mal Spießruthen zu laufen, wobei ihn die Soldaten mit ihren Ladestöcken schlugen und nach dieser Grausamkeit erschossen.

Die spanische Artillerie ward sehr mangelhaft bedient, da sich kein reguläres Militär in der Stadt fand; doch jeder Bürger oder Bauer griff wacker zu, so daß eine fortdauernde, obwohl unregelmäßige Kanonade unterhalten wurde. Die Landleute neckten ohne Unterlaß das Belagerungsheer und störten seine Belagerungsarbeiten. Aber bereits waren die französischen Werke auch so nahe gerückt, daß das Feuer der feindlichen Kanonen immer zerstörender wirkte. Auf dem Kosso flog das Pulvermagazin in die Luft und verbreitete ringsum Vernichtung. Der Platz wurde nochmals zur Uebergabe aufgefordert; der General Palafox wies alle Versuche zur Unterhandlung streng zurück. Seiner Weigerung folgte ein noch zerstörenderes Feuer und lebhafterer Angriff. Die Sandsack-Batterie am Portillothor war der Schauplatz eines schrecklichen Gemetzels, da sie wiederholt durch das feindliche Feuer zerstört und ebenso häufig unter der heftigsten Kanonade wiederhergestellt wurde.

An diesem Punkte war es, wo die Jungfrau Augustina von Saragossa, ein Mädchen von zwanzig Jahren, gleich einer Jeanne d'Arc, den sinkenden Muth ihrer Landsleute wieder belebte und durch eine heroische That das dem Untergänge geweihete Saragossa rettete. Sie trug den Kämpfenden Erfrischungen zu; als sie aber bei dem Portillothore ankam und sah, wie Alle, welche die Kanonen bedient hatten, zu Boden geschmettert waren und ein panischer Schrecken sich der Reserve bemächtigt hatte: stürzte sie über die Haufen Erschlagener, riß ihrem Geliebten eine noch brennende Lunte aus den leblosen Händen und feuerte damit sogleich eine Kanone ab. Dann sprang sie auf das Geschütz, mit welchem sie Verderben auf den Feind geschleudert zu haben glaubte, und that einen feierlichen Schwur, nicht lebendig vom Platze zu weichen, bis die Feinde ihres Vaterlandes vernichtet oder zurückgeschlagen seien.

Solcher Heldenmuth eines weiblichen Herzens verfehlte nicht seine Wirkung auf die Männer. Augenblicklich wurde die Batterie bemannt und ein wirksameres Feuer als vorher auf die Feinde gerichtet.

Die Wuth und Ungeduld der Belagerer steigerte sich mit jedem Angriff; Saragossa ward immer enger umzingelt. Oberhalb der Stadt war der Ebro durch ein Furth zu passiren, und unterhalb hatten die Franzosen, trotz dem Widerstande der Aragonier, eine Brücke geschlagen. Da sie auf diese Weise ihre Reiterei an's jenseitige Ufer bringen konnten, zerstörten sie die Mühlen, welche die Stadt mit Mehl versorgten, brandschatzten die Dörfer und schnitten so den Belagerten ihren Zufluß von Mundvorrath und Schießbedarf ab. In dieser mißlichen Lage legte der kluge und thätige Palafox in mehreren Theilen der Stadt Pferdemühlen an, und ließ von den Mönchen unter erfahrenen Aufsehern das nöthige Pulver bereiten. Aller Schwefel, der noch an Ort und Stelle war, mußte zusammengebracht werden; die Straßenerde ward sorgfältig ausgewaschen, um den Salpeter zu gewinnen, und Kohlen wurden aus Hanfstengeln gemacht, die in Aragonien zu ungewöhnlicher Höhe und Dicke aufschießen. Bald ward eine Pulvermanufaktur in Stand gesetzt, die täglich 15 kastilische Arrobas lieferte.

Vom 2. zum 3. August ward das öffentliche Hospital genommen und in Brand gesteckt; Kranke und Blödsinnige, Verwundete, die kaum sich bewegen konnten, stürzten schreiend und wehklagend auf die Straße. Da eilten, nicht achtend der Bomben und Kugeln, die ohne Unterlaß flogen, die mitleidigen Frauen herbei, um die Unglücklichen aufzusuchen und wo möglich zu retten. Am 4. August ließen die Franzosen eine furchtbare Batterie auf das Stadtviertel San Engracia spielen. Im Nu sanken die schwachen Lehmmauern ein und der Feind stürzte in die Stadt; das herrliche Kloster San Engracia selber ward angezündet und stürzte in Trümmer. Bis zum Kosso drangen die wüthenden Soldaten vor. Der französische General forderte nun die Uebergabe mit folgenden lakonischen Worten: » Quartel general – Santa Engracia – la capitulacion« (»Hauptquartier San Engracia, Kapitulation«). Es erfolgte mit gleicher lakonischer Kürze die Antwort: » Quartel general – Zaragoza – guerra al cuchillo« (»Hauptquartier Saragossa, Krieg aufs Messer«). » Palafox.«

Diese kräftige, für die Franzosen selbst überraschende Weigerung war der Ausdruck des Geistes, der alle Einwohner von Saragossa beseelte. Die Priester feuerten durch Gelübde und Beifall den Muth an zum Todeskampfe. Die Frauen pflegten nicht bloß die Verwundeten, sondern traten, auch wohl mit in die Reihen der Streiter, wenn's noth that. Man rief zur heil. Jungfrau vom Pfeiler und das Heiligthum schützte die Stadt, da es den Muth ihrer Bewohner aufrecht hielt. Die Aragonier behaupteten ihre Stellungen, warfen an den Straßeneingängen, wenige Schritte vor den französischen Kanonen, ihre Batterien auf, und der Zwischenraum ward bald mit Todten ausgefüllt. »Die feindlichen Batterien waren einander so nahe, daß ein Spanier unter dem Schutz der todten Körper, welche den Zwischenraum zwischen denselben gänzlich ausfüllten, nach einer französischen Batterie kroch und an einer der französischen Kanonen ein Seil befestigte. In dem hierauf folgenden Kampfe riß das Seil und die Saragossaner verloren ihre Beute gerade in dem Augenblicke, wo sie sich derselben sicher glaubten.« Southey. Da vorzüglich die Häuser selber zu Festungen dienten, häuften sich in diesen auch die Leichname und wurden dann aus dem Fenster auf die Straße gestürzt. Die Ausdünstung der vielen Todten ward immer unerträglicher; man fürchtete die Pest. Wer sollte sie aber beerdigen? Jeder, der sich auf der Straße sehen ließ, ward alsbald das Opfer einer Kugel. Da schickte Palafox an einen langen Strick gebundene Franzosen unter die Todten und Sterbenden, die Leichname ihrer Landsleute wegzuschaffen; eine Dienstleistung, die beiden Theilen erwünscht war.

Am 5. August, als die Franzosen mit aller Macht ihre Anstrengungen erneuerten, war den Aragoniern die Munition fast gänzlich ausgegangen. Als der tapfere General unter dem Volke einherritt, rief man ihm allerseits zu: »Wenn es an Schießbedarf fehlt, so haben wir noch Messer, den Feind anzugreifen.« Doch kam noch, wo die Noth am höchsten stieg, unerwartet Hülfe; kurz vor Einbruch der Nacht zog unter dem Befehl des Don Franzesko Palafox, des Bruders des Generals, eine Verstärkung von 3000 Mann mit Munition und Lebensmitteln in die Stadt ein. Die Vertheidigung ward mit neuem Eifer fortgesetzt. Ein am 8. August gehaltener Kriegsrath faßte folgende denkwürdige Beschlüsse: »Die Theile der Stadt, welche die Aragonier noch behaupten, sollen mit der bisher so ruhmvoll bewiesenen Festigkeit vertheidigt werden. Sollte der Feind am Ende die Oberhand gewinnen, so wird sich das Volk über die Ebrobrücke in die Vorstädte zurückziehen, und nachdem es die Brücke abgeworfen, die Vorstädte auf Tod und Leben vertheidigen.« Dieser Entschluß des Heerführers und seiner Hauptleute wurde vom Volk mit dem lautesten Beifall aufgenommen. Elf Tage lang war der blutigste Kampf von Straße zu Straße, von Haus zu Haus fortgesetzt worden, und die Franzosen hatten während der Zeit kaum ein Achtel der Stadt gewonnen. Die Frauen und Jungfrauen, Knaben und Mädchen wetteiferten mit den Männern. Die Gräfin Burita hatte einen Frauenverein gestiftet zur Pflege der Verwundeten, und mit Erstaunen sahen die Krieger ihre zarte Gestalt mitten im Kugelregen zu den Verwundeten eilen. Es sollen aber auch eben so viel Knaben und Frauen als Männer auf dem Platze geblieben sein.

Die Flucht Josephs, des von Napoleon eingesetzten »Königs von Spanien«, aus Madrid, der Rückzug des französischen Heeres auf Vittoria und das Anrücken der Heerschau von Valencia zum Entsatz der Stadt nöthigten den General Verdier, der an Lefebvres Stelle getreten war, in der Nacht des 15. August die Belagerung aufzuheben. Die Franzosen warfen ihr schweres Geschütz in den Kanal und zogen eilig ab. Saragossa war für dies Mal gerettet; jubelnd rief das Volk: Es lebe unsere l. Frau vom Pfeiler und General Palafox!

Doch nicht zu lange sollte die Freude der armen Saragossaner dauern! Die Franzosen hatten schnell genug wieder die Oberhand gewonnen, und nachdem die Patrioten bei Tudela eine große Niederlage erlitten hatten, schlugen die Flüchtlinge den Weg nach Saragossa ein, überall, wohin sie kamen, Schrecken und Verwirrung verbreitend. Die langsame Verfolgung gestattete die Ankunft der Kassen, des Gepäcks, der Kranken, Verwundeten und erschreckten Bauern, die sämmtlich mit den fliehenden Soldaten zugleich in die Stadt drangen. Belebt durch die Erinnerung an seinen früheren Ruhm forderte Palafox seine Mitbürger auf, den Gefangenen Gnade widerfahren zu lassen, ihr Leben zu schonen und sie nach entfernteren Gegenden zu schaffen; er wies die Nonnen an, sich von dem unmittelbaren Schauplatze der Gefahr zu entfernen und ihre Andachtsübungen da zu verrichten, wo sie nicht gestört werden könnten; er deutete den Reichen an, daß er keinen Unterschied der Person kenne, daß von Stund an Jedermann mit seiner Person und seinem Eigenthum dem Vaterlande geweiht sei, daß, wenn der Arme sein Leben und seine Kräfte opfere, der Reiche seine armen Mitbürger mit Nahrung und Kleidung versehen müsse; er erklärte, daß Diejenigen, welche die Preßfreiheit zum Nachtheil der Patrioten mißbrauchten, dem neuen Polizeirichter überantwortet werden sollten, und stellte es endlich Jedem frei, binnen drei Tagen die Stadt zu verlassen. Von dieser Freiheit machte jedoch kein einziger Einwohner Gebrauch. Da die Bürger schon bei der ersten Belagerung dem Schutz »Unserer lieben Frau vom Pfeiler«, die Saragossa zum Sitze gewählt hatte, ihre Rettung zuschrieben, so erklärte Palafox in seiner Proklamation, daß die Opfer, zu denen sie aufgeopfert würden, Gott und der jungfräulichen Mutter Gottes, ihrer himmlischen Beschützerin, angenehm sein würden; er suchte ihnen aber zugleich begreiflich zu machen, daß sie zu ihrer Rettung selbst mitwirken müßten, daß Gebete, um erhört zu werden, Aufrichtigkeit erforderten, und diese durch Werke bewiesen werde, und daß die Arbeit der Gläubigen auch stets vom Segen des Himmels begleitet sei.

Nach diesen Grundsätzen begann Palafox zu handeln. Um neue Mauern aufzuführen und kunstmäßig eine Festung zu schaffen, dazu war die Zeit zu kurz. Aber man benutzte das, was man hatte. Man schuf die Klöster in Citadellen um, besserte die alten Mauern aus, legte Schulterwehre an, bauete Schanzen, zog Umpfählungen und einen 15 Fuß tiefen und 21 Fuß breiten Graben um die Stadtmauer. Das von den maurischen Königen erbaute, später von den Fürsten von Aragonien bewohnte, dann als Gefängniß des schändlichen Inquisitionstribunals benutzte und zuletzt von Philipp V. in eine Festung umgeschaffene Schloß Aljaferia wurde bedeutend ausgebessert und die Zahl seiner Kanonen vermehrt; auch die Verbindung mit der Stadt durch eine doppelte Caponnière gesichert. In der Stadt selber wurden Thüren und Fenster in der Fronte der Häuser vermauert, die Wände aber mit Schießlöchern durchbrochen. Durch Oeffnungen in den Giebelmauern wurden zwischen den Wohnhäusern selber Verbindungen bewirkt; jede zusammenhängende Häuserreihe ward zu einer Schanze. In den wichtigsten Straßen zog man Querwälle (Traversen), hinter denen Geschütz aufgestellt ward.

Die Besatzung bestand aus 30,000 Mann nur wenig disciplinirter Truppen, und aus 20,000 Bauern, die durch ihren Muth ihre Unwissenheit in der Vertheidigungskunst ersetzen sollten. Pulver wurde in der neu angelegten Salpetersiederei angefertigt, so viel man für den Augenblick brauchte, um die Notwendigkeit eines Magazins und damit die Gefahr einer Explosion zu vermeiden.

Um dem Muthe der Zaghaften etwas nachzuhelfen, machte Palafox bekannt, daß jeder Feige, der von Uebergabe spräche, an den Galgen kommen würde. Selbst die Frauen waren freudigen Muthes; unter der Leitung der ehrenwerthen Gräfin Burita wurden sie in Kompagnieen abgetheilt, von denen jede einen Distrikt überkam, um die Kranken in den Hospitälern zu pflegen, den Kämpfenden Lebensmittel und Munition zuzutragen und durch ihre Gegenwart das Heer zur Vertheidigung zu ermuthigen.

Der britische Generalmajor Sir Charles William Doyle half dem General Palafox bei seinen Rüstungen, und noch als die Stadt zum Theil schon berennt wurde, warf er Tag und Nacht Lebensmittel und Munition hinein, so wie auch 11,000 vollständige Soldatenrüstungen. Dieser zeitgemäßen Hülfe verdankte hauptsächlich, wie Palafox in seinem Bericht an die Regierung sagte, die Stadt ihre so lange und rühmliche Vertheidigung.

Am 20. Dezember 1808 erschien das 30,000 Mann starke Belagerungsheer unter Marschall Moncey vor dem Platze; mit Moncey hatte sich Marschall Mortier vereinigt. Schon am folgenden Tage begannen die Franzosen ihren Angriff auf den Monte Torrero. Die Spanier, die Wichtigkeit dieses Platzes erkennend, hatten hier eine Batterie aufgeführt und 5000 Mann unter dem General St. Mark, einem gebornen Franzosen, zur Vertheidigung desselben aufgestellt. Durch einen unerwarteten Sturm ward in aller Frühe am 21. die Batterie genommen, und St. Mark gezwungen, sich nach der Stadt zurückzuziehen. Zu gleicher Zeit griff General Gazan die Vorstadt an, St. Mark eilte ihm jedoch entgegen und der Plan des Feindes wurde gänzlich vereitelt. Durch die Entsetzung der Vorstadt machte St. Mark sein Versehen auf M. Torrero wieder gut, ein für ihn persönlich glückliches Ereigniß, da es ihn vor der Volkswuth schützte und Palafox in den Stand setzte, die Einwohner von seiner Treue zu überzeugen.

Am 24. Dezember hatten die Franzosen die Einschließung von Saragossa vollendet; am 29. wurden schon die Laufgräben eröffnet, und der Oberst vom Geniekorps, Lacoste, der Adjutant des Kaisers, welcher die Belagerungsarbeiten leitete, hoffte die Vorstadt mit Sturm zu nehmen. Der Marschall Moncey schickte jetzt dem General Palafox eine Aufforderung, ungefähr in diesen Ausdrücken: »General! Das dritte Armeekorps umringt Saragossa auf dem rechten Ufer; das fünfte Armeekorps unter meinem Oberbefehle hat die Einschließung auf dem linken Ufer beendigt; Madrid hat kapitulirt und Seine Majestät der Kaiser geht an der Spitze einer zahlreichen Armee vor, um die Engländer zu verjagen und die übrigen Provinzen zu unterwerfen. Es würde mir schmerzhaft sein, eine reiche und mächtige Stadt und die wegen ihrer Tapferkeit so achtungswerthen Einwohner den Schrecknissen einer Belagerung preisgeben zu müssen.« Das Schreiben schloß mit dem Vorschlage zu einer Kapitulation, welche die Sicherheit des Eigenthums und die Achtung der Religion verbürgen sollte. Der General Palafox antwortete: »daß Madrid, wenn es kapitulirt habe, verkauft sein müsse; was ihn betreffe, so seien die Vertheidigungswerke noch unberührt, und würden sie auch zerstört, so würden das Volk und die Garnison von Saragossa sich eher unter den Trümmern der Stadt begraben lasten, als sich ergeben. Was die Hülfsquellen des Marschalls und den überlegenen Muth der Franzosen betreffe, so zeugten die derzeit vor den Thoren von Saragossa verfaulenden Leichen seiner Landsleute vom Gegentheil. Es sei unglaublich, daß sich elf Millionen Spanier feige dem Verlust der Freiheit unterwerfen sollten; sie, die sich entschlossen hätten frei zu sein, wären es auch. Der Marschall möge nicht davon sprechen, das Blut der Spanier schonen zu wollen; es sei rühmlicher für sie, es für eine solche Sache zu vergießen, als ehrenvoll für die Franzosen, sie dazu zu zwingen.«

Da auf diese Art die Unterhandlung abgebrochen war, so traf man auf beiden Seiten alle möglichen Anstalten, um die gegenseitigen Drohungen und Versicherungen wahr zu machen. Palafox machte wiederholte Ausfälle, von denen einige mit Erfolg gekrönt wurden, andere jedoch mißlangen und zurückgeschlagen wurden. Aber mit demselben unerschütterlichen Patriotismus proklamirte und vergrößerte er sein Waffenglück, ermuthigte die Belagerten zur Ausdauer, zur Verdoppelung ihrer Anstrengungen, und erklärte, wenn er Saragossa befreit habe, auch Madrid dem französischen Joche entreißen zu wollen.

Noch vor Ablauf des alten Jahres ward Marschall Moncey nach Madrid berufen, und bald darauf erhielten Mortiers und Suchets Divisionen Befehl, sich nach Calatayud zu begeben. Dieser unerwartete Abmarsch schwächte das Belagerungsheer um 9000 Mann und das in einem kritischen Moment. Junot übernahm den Oberbefehl über das dritte Korps, und sein Rang, hoffte man, würde die Gefühle der Eifersucht beschwichtigen, die gerade damals unter den französischen Generälen aufkeimten und für den Erfolg ihrer Operationen so nachtheilig waren.

Am 10. Januar 1809 fingen acht französische Batterien auf das Kloster San Joseph und die Redoute des Pilar zu spielen an; das Kloster ward zwei Tage lang gegen den wüthendsten Angriff vertheidigt, am dritten aber mit dem Geschütz durchbrochen, erstürmt und die wenigen noch am Leben befindlichen Vertheidiger niedergemetzelt. Nun begann der Krieg gegen die Häuser, und diese waren die stärksten Festungen, da jeder Schritt vorwärts mit Blut erkauft werden mußte.

Auf dem linken Ebroufer begann die Lage der Franzosen schwierig zu werden. In den aragonischen Bergen hatten sich zahlreiche Rotten gebildet, welche, ehe sich's die Feinde versahen, die französischen Zuzüge überfielen. Der Marquis von Lazan und Franzisko Palafox wiegelten die Dörfer auf, bewaffneten die Bauern, zogen die Linientruppen von Valencia und Catalonien an sich und bildeten aus allen diesen Bruchstücken eine nicht unbedeutende Hülfsarmee. Alle waffenfähige Mannschaft stieß zu ihren Fahnen.

Die Belagerer litten oft an Mundvorrath Mangel, und die französischen Soldaten wurden öfters auf halbe Rationen Brod gesetzt; an Fleisch fehlte es zuweilen gänzlich, denn kein Dorf gehorchte den Lieferungsbefehlen und doch durfte das Belagerungsheer keine zu großen Abtheilungen entsenden.

In dieser zweifelhaften und schwierigen Lage erschien der Marschall Lannes, der sich eben von einer langwierigen Krankheit wieder erholt hatte, am 22. Januar 1809 vor Saragossa, und übernahm den Befehl zugleich über das dritte und fünfte Armeekorps, wodurch größere Einheit und Energie in die Belagerungsarbeit kam. Seine Gegenwart beschwichtigte das Murren der Soldaten, die Eifersucht der Offiziere. Dem Marschall Mortier, welcher seinen Aufenthalt zu Calatayud verlängerte, schickte er Befehl zur Rückkehr. Mortier ging sogleich auf das linke Ebroufer und griff das Hülfsheer unter Franz Palafox an, das er zersprengte; er ließ die Division Suchet im platten Lande, um feindliche Zusammenrottungen zu verhindern und die Transporte zu schützen. Nun entstand in Saragossa selber Mangel.

Die Franzosen schlugen über die Huerba, welche vor dem Kloster San Engracia vorbeifließt, verschanzte Brücken; bis zum 27. Januar hatten 50 Feuerschlünde 3 große Sturmlücken geöffnet, und am Mittag dieses Tages ergriff die ganze französische Armee die Waffen zum Sturme. Das Kloster Engracia wurde genommen, auch das Kapuzinerkloster, aber nur mit vielem Blutvergießen, und die Häuser rechts und links vor San Engracia blieben noch immer von den Belagerten besetzt.

Das Bombardement hatte drei Wochen ununterbrochen fortgedauert; die Zahl der Todten stieg auf 350 täglich, ohne diejenigen, welche im Kampfe fielen, denn die ansteckenden Krankheiten nahmen reißend überhand. Die Häuser, welche man zu diesem Zweck bestimmt hatte, füllten sich mit Fieberkranken; aus Mangel an Matratzen verschmachteten die Sterbenden auf Stroh, und die ungesunde Luft wie der Mangel an Arznei und Erquickungen brachten auch den Verwundeten sicheren Tod, da selbst leichte Wunden in Brand übergingen. Es fehlte an Platz, die Todten zu begraben; man grub weite Löcher auf den Straßen und in den Höfen, vor allen Kirchen waren Leichname in großen Haufen aufgeschichtet und nur leicht mit Tüchern bedeckt. Wenn dann eine Bombe in diese Leichenhaufen fuhr und sie auseinanderriß, war das in der That ein furchtbarer Anblick.

Noch einmal forderte Lannes zur Uebergabe auf; mit den Worten: » Hasta la ultima tapia!« (»bis zur letzten Lehmwand!«) verließ Palafox den Kriegsrath. Der Häuserkrieg dauerte Tag und Nacht fort, es ward um jede Wand gekämpft. Zwei kleine Häuser von einem Stockwerk wurden erst nach zweitägigem heftigem Kampfe vom Feinde erobert. Oft, wenn man von den Kellern bis unter das Dach und vom Dach bis in den Keller sich mit abwechselndem Erfolg geschlagen hatte, sprengte der eine oder andere Theil das Haus in die Luft, um sich noch auf den Trümmern zu behaupten.

Zu den gefährlichsten Angriffen erboten sich Freiwillige von der Besatzung sowohl, als von der Bürgerschaft, und oft sah man darunter Mönche und Frauen. Jene trugen Munition herbei, gaben mitten im Feuer den Sterbenden ihren geistlichen Beistand und munterten die Soldaten nicht allein durch ihre Reden, sondern auch durch ihren Beistand auf. Diese brachten den Fechtenden, unter welchen sie ihre Söhne oder Männer fanden, in ihren Schürzen Erfrischungen und Packete mit Patronen; man sah vornehme Frauen ihre schwachen Arme mit der Muskete beladen zum Kampfe eilen und die Offiziere zum kriegerischen Muthe anfeuern.

In dem unterirdischen Kriege machten die Franzosen bald große Fortschritte, da es den Belagerten an geschickten Minenarbeitern fehlte. Die Spanier zündeten, wenn aller Widerstand vergeblich war, das Haus an; deßhalb überzogen sie die Wände mit Theer. Da jedoch wegen der massiven Bauart die Häuser nur langsam brannten, gewannen die Einwohner Zeit, sich hinter ihnen zu sammeln und auf die Eindringenden zu feuern. So konnten die Franzosen erst am 7. Februar ihren Angriff gegen den Mittelpunkt der Stadt richten; der Kampf entbrannte aber nun heftiger denn je. Die französischen Mineurs hatten eine Gallerie vom Krankenhause nach dem Franziskanerkloster geführt. Die Belagerten gruben ihnen entgegen, wodurch die ersteren gezwungen wurden, ihren Ofen, noch ehe sie unter die Mauern des Klosters gekommen waren, zu sprengen. Da sie denselben aber mit 3000 Pfund Pulver überladen hatten, war die Wirkung ebenso groß, als hätte die Mine weiter vorwärts gelegen. Die Spanier verloren 16 Mann und 1 Pionieroffizier; im Kloster war eine Bresche geschossen, die sogleich genommen wurde. Die Franzosen setzten sich in der Klosterkirche fest, indem sie hinter der Thür eine Brustwehr von Sandsäcken bildeten. Nun drang der spanische Oberst Fleury mit einigen Bauern, welche die Dächer des Klosters kannten, über die Dächer der benachbarten Häuser und besetzten den Glockenthurm, die Emporkirche und die Gesimse des Domes. Von dort ließen sie einen Hagel von Granaten und Kleingewehrfeuer auf die Soldaten regnen, die den Tag in der Kirche erwarteten und überrascht durch diesen unerwarteten Angriff die Kirche verließen, die von den Spaniern wieder eingenommen wurde.

Am 17. gelang es den Franzosen, einen Theil des Universitätsgebäudes durch Minen zu sprengen; aber auch hier noch, unter einstürzenden Mauern und brennenden Balken kämpften selbst die Kranken mit Wuth gegen den anstürmenden Feind. Fieberkranke übernahmen die Wachtposten in ihren freien Augenblicken, bis der Anfall der Krankheit sie wieder ergriff. In einem Hause hatte der Feind das Erdgeschoß erobert; die Spanier vertheidigten den ersten Stock; eine Mine warf die Wandmauer um und der Fußboden stürzte mit 12 Spaniern auf die Feinde herab. Beide Theile wurden unter den Trümmern begraben.

Am 18. bemächtigte sich der Feind der eingeschlossenen Vorstadt am linken Ufer des Ebro. Dieß entschied den Fall der Stadt, denn nun konnte von allen Seiten das Feuer auf ihre Mitte gerichtet werden. Auch war der Versuch des Don Franzisko Palafox, in die Stadt zu kommen, mißlungen, und damit alle Hoffnung auf Unterstützung abgeschnitten. Die Franzosen hatten aber doch nur erst 13 Kirchen und Klöster erobert und 40 waren noch zu nehmen. Es waren binnen 42 Tagen 16,000 Bomben in die Stadt geschleudert. Nun wurden 6 neue Stollen unter dem Kosso hindurch getrieben. Aber von den 30,000 Mann, die Palafox anfangs kommandirte, waren kaum 9000 Mann übrig, und diese unterlagen fast unter der Last ihrer Anstrengung. Mit jedem Tage verschlang die Pest mehr Opfer; Palafox selber lag krank seit vier Wochen in einem engen Keller und hatte den Oberbefehl an St. Mark übertragen müssen, der als Fremder mit Mißtrauen angesehen wurde. Die Besonnenen fühlten, es sei Zeit zur Uebergabe und die Junta von Saragossa knüpfte Unterhandlungen an. Lannes verlangte unbedingte Uebergabe, mußte sich aber doch zu einer milderen Uebereinkunft verstehen.

»Die Garnison streckt am 21. Februar acht Uhr am Portillothor das Gewehr, ist dann kriegsgefangen und wird nach Frankreich abgeführt. Offiziere und Soldaten von der Linie, welche dem König Joseph Der Name Ferdinand VII. durfte nicht erwähnt werden. den Eid der Treue schwören und in dessen Dienste treten wollen, können aufgenommen werden. Jedoch sind sie kriegsgefangen und werden nach Frankreich abgeführt, wenn ihre Aufnahme von dem Kriegsminister des Königs von Spanien nicht bewilligt werden sollte. Die in den Regimentern stehenden Bauern sollen nach ihrer Heimath zurückgeschickt werden. Die Offiziere behalten ihre Degen, Pferde und Bagage, die Soldaten ihre Tornister. Achtung gegen das Eigenthum und freie Ausübung des Gottesdienstes werden zugesichert. Die französischen Truppen besetzen am 21. um Mittag das Schloß. Alles Geschütz und alle Art von Munition wird ihnen übergeben; die Gewehre werden vor den Thüren jedes Hauses niedergelegt und von den Alkalden eingesammelt. Die Gerechtigkeit wird im Namen des Königs Joseph ausgeübt.«

Am 21. Februar Mittags marschirten ungefähr 15,000 schwache, blasse, hinsterbende Menschen von allen Waffengattungen aus der Asche und den Trümmern und übergaben ihren muthigen Feinden 40 Fahnen, und die Waffen, die sie selbst nicht mehr zu tragen im Stande waren. Der von den Franzosen eroberte Raum war, die Vorstadt ausgenommen, der vierte Theil des Flächeninhaltes der Stadt. Ueber 54,000 Menschen hatten binnen 60 Tagen das Leben eingebüßt, viel mehr durch die Seuchen, als durch das feindliche Feuer. Am Tage der Uebergabe lagen in der Stadt 6000 Todte unbegraben.

So endete die zweite Belagerung von Saragossa; in der Vertheidigung wie im Fall dieser Stadt wurde die Welt an die Zeiten Sagunts und der alten Numantia erinnert und den Völkern ein mit unvergänglichem Glanze strahlendes Beispiel gegeben, was Liebe zum Vaterlande und Hingebung an die Nationalität vermag. Die patriotische Regierung Spaniens erließ ein Dekret zu Ehren der heldenmüthigen Stadt, und diese besagte ausdrücklich, daß die Nation Palafox, sobald er seine Freiheit wieder erlangt habe, eine solche Belohnung verleihen werde, welche seiner unbesiegbaren Standhaftigkeit und seiner glühenden Vaterlandsliebe am würdigsten scheine.

Lannes, obwohl er sonst die Kapitulation ziemlich genau einhielt, brach doch sein dem Präsidenten der Junta, Don Pedro Maria Ric, mündlich gegebenes Ehrenwort, daß Palafox sich dahin begeben könne, wohin er nur irgend verlangte. Er ließ ihn zu Wagen nach Frankreich bringen, wo der tapfere Held bis 1813 im Kerker zu Vincennes gefangen blieb. Erst nach dem Abschluß des Vertrags von Valencay (vom 11. Dezember 1813) durfte er nach Spanien zurückkehren, und ward dann im folgenden Jahre nebst dem General Giron zum Oberbefehlshaber über die Armee ernannt, die damals in Aragonien nach der Rückkehr Napoleons von Elba zusammengezogen wurde. Als Generalkapitän der Provinz that Palafox den in Saragossa und andern Orten von der Bürgermiliz erregten revolutionären Umtrieben kräftig Einhalt, verlor aber durch die spanische Revolution von 1820 seine Würden, und zog sich in's Privatleben zurück. Seit 1823 lebte er als General in Madrid.

* * *

Dem Vorstehenden fügen wir noch folgende Nachrichten aus John Corr's Reise durch Spanien bei.

»Brigadegeneral Doyle, ein irländischer Offizier in spanischen Diensten, führte mich bei der berühmten Augustina Saragossa ein, die im Juni 1808 durch ihren Muth sich zur größten Heldin erhob.

Bei der zweiten Belagerung überbot sie noch ihre ersten Heldenthaten. Augustina schien, als ich sie sah, etwa 23 Jahr alt. Sie war sehr nett mit der schwarzen Mantilla bekleidet. Ihre Gesichtsfarbe war lichtgelb, ihre Züge sanft und gefällig, ihre vollkommen weibliche Sitten leicht und verbindlich. Auf einem Aermel hatte sie drei gestickte Abzeichen, welche an drei ihrer kühnsten Thaten erinnerten. General Doyle sagte mir, sie spräche nie von ihren Heldenthaten, immer aber und sehr lebhaft von den vielen, welche andere Tapfere bei diesen merkwürdigen Belagerungen gethan. Die drei genannten kriegerischen Abzeichen hatte ihr berühmter Anführer, General Palafox, ihr ertheilt. Ich lernte dies außerordentliche Weib den Tag vorher kennen, ehe ihr Admiral Purvis an Bord seines Flaggenschiffs (in Cadix) ein Tafelfest gab. Ein Offizier, der auch geladen war, erzählte mir, daß sie einen Jahrgehalt von der Regierung, nämlich die volle Artilleristenlöhnung bekomme, und daß sie demgemäß vom Admiral auch als ein militärischer Charakter betrachtet würde. Sie wurde auf dem Schiffe auch mit allen kriegerischen Ehren empfangen. Als sie das Verdeck bestieg, stellten sich die Seeleute vor ihr auf und manövrirten; sie schien ganz einheimisch, sah sie mit festem Blick an und sprach mit Bewunderung von ihrem kriegerischen Aussehen. Als sie die Kanonen untersuchte, bemerkte sie eine mit so großer Freude, wie andere Frauen etwa über einen neuen Kopfputz äußern würden. »Meine Kanone,« sagte sie, »war nicht so schön und rein wie diese.« Sie wollte eben Kaffee trinken, als die Abendkanone gelöst wurde; es schien der Knall sie ganz mit Wonne zu erfüllen, sie sprang auf das Verdeck und lauschte dem Widerhall. Abends tanzte sie mit der Gesellschaft, zeigte viel natürliche Anmuth und viel Sinn für Musik.

Verdienst erregt jederzeit so viel Neid, daß in Cadix auch viele Männer waren, die diese junge Heldin kalt »das Artillerieweib« nannten, dazu bemerkend, sie würden nun bald nichts als Weiberbataillons im Felde haben, wenn jedes romantische Weib wie Augustina belohnt würde. Meine Bekanntschaft mit ihr wurde mir durch folgenden Umstand noch anziehender. Brigadegeneral Doyle erzählte ihr den bedauernswerthen Zustand, in welchen Palafox vor und nach seiner Gefangenschaft gerathen sei. Sie hörte mit gespannter Aufmerksamkeit zu. »Ach, Augustina,« sagte er, »nun merken Sie auf die letzten Briefe Ihres Freundes, Helden und Generals, er wird durch sie mit Ihnen sprechen.« Hierauf las er einige kurz vor der Uebergabe an Doyle geschriebene Briefe, also lautend:

Saragossa, den 7. Februar 1808.

Mein theuerster Freund und Bruder!

Eben erhalte ich Ihren Brief – aber Niemand kommt mir auf irgend einer Seite zu Hülfe. Doch Sie kennen mich, Sie wissen, daß ich lieber sterbe, als mich mit Schande bedecke. Wenn Sie mir aber nicht helfen, was soll ich thun? Ach, mein Freund, dieser Gedanke bekümmert mich zwar, dennoch fehlt es mir nicht an Muth, zur Rettung meiner Ehre zu sterben. – Kommen Sie nicht schnell, sehr schnell, so empfangen Sie jetzt die letzte Umarmung Ihres Freundes und Bruders. Ich habe genug gesagt. Ueberbringer Ein Priester, der mit Lebensgefahr Saragossa verließ, um Doyle den Brief zu überbringen. dieses wird Ihnen sagen – ach, mein Freund und Bruder!

Es ist hier zu bemerken, daß Doyle vorzüglich ausersehen war, die Bewegungen des Feindes zu erkunden und den spanischen Schaaren Hülfe zu senden. Er bot alle seine Thätigkeit auf, aber vergebens. Zum Mangel gesellte sich Krankheit. Augustina bekam die Seuche, mit deren Opfern die Straßen bedeckt waren. Sie hatte sich zu sehr ausgezeichnet, um von den Franzosen nicht bemerkt zu werden. Sie wurde gefangen und in ein Militärlazareth gebracht, wo sie als vom Fieber todtkrank angesehen und deßhalb von ihren Wachen wenig beachtet wurde. Aber ihre gesunde Natur besiegte die schreckliche Krankheit, und sobald sie wieder zu Kräften kam, wußte sie die Wache zu täuschen und entging auf eben so außerordentliche Weise, wie sie Alles gethan, dem Feinde. Sie floh zu einigen Freunden und ging mit diesen zum Heer der Patrioten.

Hierauf las Doyle den letzten Brief, den er von Palafox bekommen, aus Pamplona datirt, wohin er auf seinem Wege nach Paris von den Franzosen eskortirt worden war.

Pamplona, am 3. März 1808.

Mein theuerster Doyle – mein Freund, mein Bruder! Um Gotteswillen senden Sie mir durch Ueberbringer, oder brieflich über Bayonne etwas Geld. Sie wissen, welche lange Reise ich vor mir habe, und es wird der Augenblick kommen, wo ich um Almosen betteln muß. Dieß ist der einzige Trost, den ich jetzt von Ihrem guten Herzen erhalten kann. Mein theuerster Freund, man hat mich bis auf's Hemd ausgeplündert. Adieu! Adieu!

Augustina's Gesicht, welches seiner Milde und Sanftmuth willen merkwürdig ist, gewann nun den gemischten Ausdruck von Mitleid mit ihrem Helden und von Rache gegen die Feinde. Ihre von Natur sanften Augen funkelten von Feuer und Leben, Thränen rollten von ihren Wangen, und ihre Hände zusammenschlagend rief sie: O, diese nichtswürdigen Räuber meines Vaterlandes, diese Unterdrücker seiner besten Patrioten! sollte mir einst das Kriegsgeschick einen von ihnen in die Gewalt geben, ich würde ihn sogleich an's Messer liefern!

General Doyle ward ergriffen von der Art, wie sie dieß aussprach; man fühlte, daß sie Wort halten würde, wenn die Gelegenheit sich böte. Bald darauf trat Augustina's Mann herein, der während der Belagerung schwer verwundet worden war, begleitet von einem Jüngling, Palafoxens Vetter. Bei der zweiten Belagerung war dieser Jüngling auf der hohen Schule, die er auf die erste Nachricht vom Einbruch der Franzosen verließ, um unter seinem edlen Ohm tapfer zu streiten.

Augustina nennt sich selber das Weib von Saragossa; sie trägt zuweilen die Zeichen des Artilleriedienstes, behält aber bescheiden ihren Frauenrock. Eines Abends, als sie allein in dieser Tracht, den Säbel an der Seite, auf einer Straße in Cadix ging, folgte ihr ein Mann, von ihrer Schönheit angezogen, in einiger Entfernung eine ziemliche Strecke. Ueber diese Unart entrüstet wandte sie sich um, zog ihren Säbel und sagte ruhig aber entschlossen, wofern er ihr noch einen Schritt folgte, werde sie ihn niederhauen. Die Liebe dieses wenig beherzten Lothario schlug augenblicklich in Furcht um; er floh, so weit ihn seine Füße trugen.«


 << zurück weiter >>