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Herzog von Wellington

Wellington

Arthur, Herzog von Wellington. Sein Leben als Feldherr und Staatsmann Nach englischen Quellen, vorzüglich nach Elliot und Clarke (Leipzig 1817). The dispatches of field-marshall the duke of W. etc. by Gurwood (französisch, Paris 1840). Ueber den Feldzug von 1815 vergl. Gourgani: » Campagne de 1815« mit den Noten eines deutschen Offiziers (Berlin 1819). Ueber die Todtenfeier und »Nachrufe Seitens der englischen Journale« enthält die A. A. Z. genügendes Material in 1852. Nr. 261-67, 308, 21. 27. 28. 30. 81.


Im Herzog von Wellington – in dem Feldherrn nicht bloß, sondern auch in dem Diplomaten und Menschen – erscheinen die englischen Nationaltugenden in vollster Energie, und man kann es seinen Landsleuten nicht verdenken, wenn sie auf den Helden von Waterloo stolz sind, oder den Stolz sogar etwas übertreiben. Wenn auch nicht so glänzend und genialisch, wie der berühmte Marlborough, der Held von Blenheim, überragt er doch diesen durch den scharfen sicher berechnenden Verstand, durch die unermüdliche Ausdauer im Kampf mit Hindernissen, durch bewundernswerthe Sicherheit und Folgerichtigkeit in allem Thun und Lassen, durch die gediegene Freund und Feind imponirende Persönlichkeit, wie sie nur aus der sittlichen Strenge des Charakters hervorgeht. Trotz seines edlen Großmuthes und seiner Gerechtigkeitsliebe ist er aber auch darin ganz Engländer, daß er dem englischen Interesse rücksichtslos Bahn bricht, als Feldherr wie als Diplomat nur diesem huldigt. So ist der »eiserne Herzog« nebst dem Seehelden Nelson und dem Staatsmann Pitt ein Mauerbrecher geworden, der nicht nur Napoleons stolzen Bau zertrümmern half, sondern auch die Größe Englands im Rath der europäischen Mächte zu sichern und mit neuem Glanz zu umgeben verstand. Wohl kein Held hat so wie Wellington eine thatenreiche Laufbahn mit ungestörter Konsequenz vom Lieutenant bis zum ersten Minister und Rath der Krone zurückgelegt! Nachdem er in Indien zuerst dem stolzen Bau des britischen Thrones die feste Grundlage gegeben, dann in den Niederlanden sich mit dem Terrain vertraut gemacht hatte, auf welchem er den letzten Hauptschlag wider Napoleon führen sollte, begann er auf dem Wege des Völkerkriegs, auf dem allein der Uebermächtige zu bezwingen war, die hispanische Halbinsel zu bewaffnen, schritt von Sieg zu Sieg, klug wie Hannibal, edel wie Scipio, über Gebirge und Flüsse, bis es ihm gelang, von den Pyrenäen herab in die Ebenen der Garonne das Panier der Lilien zu tragen und als der Erste den Feind im eigenen Lande zu bekämpfen. Paris sah ihn als den Gesandten des Friedens, Wien unter den Gesetzgebern Europa's: da rief ihn die plötzliche Wiederkunft Napoleons an die Spitze des Heeres, mit dem er unter dem Beistände unsers Blüchers sich den schönsten Lorbeerkranz errang. Fortan war er in allen Kongressen der gefeiertste Diplomat und im eigenen Vaterlande der entscheidendste Rath im Kabinet. Ueberhäuft mit Ehren, Titeln und Besitzthum konnte er in seinem Alter ruhig die Früchte eines Lebens genießen, das, unterstützt von einer großen entwickelungsreichen Zeit, doch erst durch seine freie schöpferische Thatkraft zum Heldenleben geadelt ward.

Arthur Wellesley ward den 1. Mai 1769 Mit Napoleon in gleichem Jahre! zu Dungancastle in Irland geboren, als dritter Sohn des Earl (Grafen) von Mornington. Seine Kindheit scheint durch keinen hervorstechenden Zug die künftige Größe des Mannes bezeichnet zu haben, nur war eine frühe Vorliebe für das Waffenhandwerk nicht zu verkennen. Seine wissenschaftliche Ausbildung erhielt er auf der hohen englischen Schule zu Eton; aber er vollendete nicht den ganzen Kursus, denn er wurde bald auf die Militärschule zu Angers in Frankreich gebracht, deren praktische Richtung ihm besser zusagte. Er benutzte mit Eifer den vortrefflichen Unterricht Pignerols, des berühmten Vorstehers jener Schule, den man den neuen Vauban nannte; achtzehn Jahre alt trat er als Fähnrich in's 41ste Regiment.

Die Muße, welche die Friedenszeit bot, benutzte der junge Wellesley nach Kräften, um seine militärischen Kenntnisse zu vermehren. Ziemlich rasch ward er zum Lieutenant, Hauptmann und Oberstlieutenant befördert, und machte als solcher 1794 den niederländischen Feldzug mit, den Herzog York befehligte. – Das Yorksche Heer wurde schlecht geführt, auch vom Volke schlecht unterstützt, während die republikanischen Heere unter Moreau und Pichegrü, von einem schwärmerischen Eifer für Freiheit beseelt, ohne Kleider, Löhnung und Verpflegung, sogar ohne strenge Zucht doch die altgedienten Soldaten der verbündeten Mächte in die Flucht schlugen. Das gab dem Oberstlieutenant Wellesley Manches zu denken und zu beobachten, aber auch schon damals Gelegenheit, sich durch die kaltblütige Besonnenheit, womit er den Rückzug an der Spitze von drei Bataillonen deckte, auszuzeichnen.

Als die Truppen nach England zurückkehrten, erhielt der zum Oberst beförderte Wellesley Befehl, sich mit seinem Regiment nach Indien einzuschiffen (1795), wo sein Bruder bereits als Gouverneur in hohem Ansehen stand. Tippo Saib, der Beherrscher von Mysore, konnte es nicht verschmerzen, daß er 1792 der englischen Kompagnie die Hälfte seines Landes hatte abtreten müssen; er sann seitdem auf Rache, nahm französische Offiziere in seinen Dienst und bot Alles auf, die Eindringlinge – wie er die Engländer nannte – aus Indien zu vertreiben und ihren Ränken mit gleicher List zu begegnen; die Engländer kamen ihm aber zuvor, stürmten seine Hauptstadt Seringapatam (4. Mai 1799) und der unbesonnene aber tapfere Tippo Saib starb den Heldentod. Oberst Wellesley hatte bei der Belagerung und Erstürmung von Seringapatam so ausgezeichnete Dienste geleistet, daß er vom Obergeneral öffentlich Dank erhielt und zum Gouverneur der Stadt ernannt wurde. Durch seine besonnenen Veranstaltungen wurde die Fortschaffung der Sultans-Familie auf die zu ihrem Empfang bestimmte Festung Vellore nicht nur ohne alles Geräusch und Aufsehen, sondern auch so bewerkstelligt, daß das Gefühl der verbannten Fürsten sehr geschont wurde. Unnöthige Strenge war nicht Wellesley's Sache, und doch gebot seine Festigkeit Achtung und gewann sich Gehorsam. Als er später seine Heere nach Frankreich führte, zeigte sich noch mehr dieser Verein von Humanität und Strenge; seine Menschlichkeit erwarb ihm die Liebe der feindlichen Bürger, seine Tapferkeit die Ehrfurcht der Krieger.

Wellesley, zum Generalmajor ernannt, drang weiter vor gegen die Mahratten-Häuptlinge, welche ihren Peiswah (das Oberhaupt) aus seiner Hauptstadt vertrieben hatten. Durch eine ebenso schnelle als überraschende: Bewegung nahm er die Residenz des Peiswah und schlug das verbündete Mahrattenheer bei Assyn (24. September 1803). An der Stirn der feindlichen Stellung war ein Fluß. General Wellesley ging durch und stellte sein Fußvolk in zwei Linien auf, die britische Reiterei, als dritte Linie, im Rückhalt. Seine Absicht war, den rechten Flügel der Mahratten anzugreifen, indem er ihr Geschütz auf dem linken Flügel vermied; aber der Offizier, der die Pickets zur Rechten der ersten Linie befehligte, rückte, vielleicht in Folge eines Mißverständnisses, gegen des Feindes linken Flügel. Dieß machte sogleich in der ersten Linie eine Lücke. Das 74. Regiment, welches auf der Rechten der zweiten Linie stand, folgte natürlich den Pickets und Wellesley mußte also seine ganze Macht auf Eine Linie bringen. Der Erfolg war, wie zu erwarten. Der rechte Flügel, dem Feuer von etwa 100 Kanonen bloßgestellt, ward fast aufgerieben. Doch mit bewundernswerther Schnelligkeit suchte der Feldherr den Fehler wieder gut zu machen. Sein ohnehin geringes Geschütz konnte nicht gebraucht werden; er befahl, die Kanonen zu lassen und handgemein zu werden. Der Oberst Maxwell mit der Reiterei mußte seinen rechten Flügel decken, links war er durch die Natur des Bodens und den Stand der Feinde gedeckt, und so begann ein unwiderstehlicher Bajonettangriff, welcher die erste Linie der Mahratten durchbrach.

In diesem Augenblick machte die Mahrattenreiterei einen wüthenden Angriff auf das 74. Regiment, das zum Theil den rechten Flügel und die Nachhut decken sollte. Sogleich kam ein Theil von Maxwells Reiterei zu Hülfe, die Andringenden wurden zurückgeschlagen und unter blutigem Gemetzel bis hinter ihre Stellung geworfen. Nun ward der Angriff auf die zweite Linie des Feindes gemacht, auf die sich die in Verwirrung gebrachte erste Linie zurückgezogen hatte. Auch diese ward durchbrochen. Aber die Engländer drangen zu hitzig vorwärts; mehrere Haufen der Mahratten hatten sich listiger Weise zu Boden geworfen, sprangen plötzlich auf, richteten die Kanonen gegen die Sieger, und da zugleich das Fußvolk sich wieder gesammelt hatte, wurden diese zwischen zwei Feuer genommen. Die ganze Schlacht mußte noch einmal gefochten werden. Wellesley stellte sich an die Spitze des 78. Regiments und eines Bataillons von Seapoy's (indischer Miliz), griff die Mahratten, welche die Kanonen genommen hatten, an, und nach einem blutigen Kampf, in welchem ihm das Pferd unter dem Leibe erschossen, wurde, schlug er sie in die Flucht. Zu gleicher Zeit hatte Oberst Maxwell an der Spitze eines Dragonerregiments das feindliche Fußvolk zurückgeworfen, den Sieg jedoch mit seinem Leben bezahlt. Die Briten, trotz ihrer geringen Zahl, hatten einen vollständigen Sieg errungen.

Wir haben dieser ersten Schlacht des großen Feldherrn ausführlicher Erwähnung gethan, weil darin drei charakteristische Umstände hervortraten: 1) die Schnelligkeit, womit Wellesley seinen Angriffsplan ändern mußte, nachdem er schon in Ausführung gewesen; 2) die Entschiedenheit, womit Wellesley zum Angriff überging, ohne die Macht des hinter ihm ziehenden Nizam, der zu ihm stoßen wollte, abzuwarten; 3) der schnelle Entschluß, ohne die Kanonen zu wirken, die an der erforderlichen Schnelligkeit des Vorgehens hinderten.

Kalkutta errichtete ein Denkmal des für Englands Stellung in Ostindien so entscheidenden Sieges, schenkte dem Feldherrn einen kostbaren Säbel von 1000 Pfund Sterling an Werth, und seine eigenen Offiziere verehrten ihm eine kostbare goldene Vase als Ausdruck ihrer persönlichen Dankbarkeit.

Im Jahre 1805 kehrte Sir Arthur nach Europa zurück, mit dem Ruhm, daß er durch Einsicht und Tapferkeit ebenso sehr als durch kalte Besonnenheit und große Gewandtheit zu den großen Erfolgen, die seines Bruders Verwaltung auszeichneten, mitgewirkt habe. Er ward im folgenden Jahr zum Mitglied des Unterhauses gewählt, bald darauf dem Herzog von Richmond, der zum Statthalter von Irland ernannt war, als Sekretär beigegeben und nach Dublin gesandt. Die Kriegsereignisse ließen ihn aber nicht lange in Ruhe. Er erhielt Befehl, an dem Zuge des Lord Cathcart gegen Kopenhagen Theil zu nehmen. Die Engländer, nicht verlegen über die Mittel, wenn sie nur zum Zweck führen, führten plötzlich die dänische Flotte von Kopenhagen fort, um sie der Disposition Napoleons zu entziehen; Wellesley führte die Unterhandlungen und schloß die Kapitulation ab.

Da Napoleon bereits Deutschland, Italien, die Niederlande unter seiner Botmäßigkeit hatte, und nun auch die spanische Halbinsel zu unterjochen im Begriff war, boten die Engländer Alles auf, dem Gebieter des Kontinents entgegenzuwirken. Im Sommer 1808 hatte sich unter dem Befehl Arthur Wellesley's ein Heer versammelt, das am 12. Juli von Cork absegelte, am 20. desselben Monats in Coruña eintraf, wenige Tage nach der Schlacht von Medina del Rioseco, als die Spanier vor den Franzosen sich nach allen Seiten zurückzogen. Nach erhaltener Anweisung bot Arthur Wellesley den Spaniern zuerst seinen Beistand an, doch vergeblich. Die asturische Junta entgegnete, sie brauche von England nichts als Geld, Waffen und Schießbedarf. Die Staatsbehörden waren noch so verblendet, daß sie es mit den geübten Legionen Napoleons aufnehmen zu können meinten; riethen jedoch zu einer Landung in Lissabon. Wellesley segelte also nach Portugal, und fragte in Oporto an, wo das Volk sich auch schon erhoben und einen französischen Feldherrn sammt seinem Stabe gefangen genommen hatte. Der Bischof von Oporto, der an der Spitze der Vaterlandsfreunde stand, sprach wie die Junta in Galizien: es wäre Macht genug vorhanden, um die Franzosen zu vertreiben. Diese zweite Abweisung verminderte durchaus nicht Sir Arthurs guten Willen; er schiffte sein kleines Heer vor Oporto dennoch aus und berieth sich mit Sir Cotton, dem Admiral der englischen Flotte auf dem Tajo, wie dieser Strom der Gewalt der Franzosen entzogen werden könnte, welche sich um Lissabon ziemlich stark befestigt hatten. Vor Allem that Verstärkung Noth. Wellesley zog den Truppenkörper des General Spencer, der mit 6000 Mann vor Cadix lag, an sich, und hatte nun schon 13,300 Mann. Dann kamen Staatsbriefe von England, die noch sehr bedeutende Unterstützung versprachen.

Sogleich ward der Feldzug begonnen; es galt zunächst, die Franzosen aus ihren festen Stellungen, die sie in den Bergen genommen, zu vertreiben. Durch den Besitz der Gebirgspässe beherrschte der Feind Lissabon. Die erste Schlacht geschah bei dem Dorfe Rolissa (18. August 1808), wo sich General Delaborde verschanzt hatte; die Franzosen wurden geworfen. Gleich darauf trafen die Hülfstruppen aus England ein, und Wellesley nahm seine Stellung bei Vimeira, wo er den Feind erwartete. Delaborde hatte sich mit Junot und Loison vereinigt, so daß nun die ganze französische Macht auf die Engländer eindrang. Diese, 17,000 Mann stark (mit 1600 Portugiesen vereint), gewannen am 21. August unter der ausgezeichneten Anführung des unübertrefflichen Wellesley einen so entscheidenden Sieg, daß die Franzosen ganz Portugal räumten.

Das englische Ministerium, nach einer höchst verkehrten Ansicht, die Befehlshaber öfters zu wechseln, hatte Sir Henry Dalrymple mit dem Oberbefehl betraut, der nun nach der Schlacht von Vimeira jene Uebereinkunft mit den Franzosen abschloß, wonach deren Truppen auf Kosten der englischen Regierung nach Frankreich gebracht und all' ihr Geschütz und Gepäck einbegriffen auf englischen Schiffen transportirt werden sollten. Mit Recht ward dieser Vertrag im Parlament hart getadelt, und Wellesley ging nach England, um Dalrymple zu vertheidigen. Doch schon am 22. April 1809 landete er wieder in Lissabon, zur großen Freude der Portugiesen, die drei Nächte hintereinander illuminirten. Denn ein französisches Heer unter Marschall Soult war wieder vorgedrungen, hatte Oporto genommen und bedrohete die Hauptstadt. Kein anderer englischer Feldherr war der Gefahr gewachsen, außer Wellesley, dessen Werth man erst nach seiner Entfernung recht erkannt hatte. Er ward sogleich zum Generalfeldmarschall der portugiesischen Kriegsmannschaften ernannt, ging dann nach Coimbra, die vereinigten Heere zu mustern und am 7. Mai ward der Zug nach Oporto in's Werk gesetzt. Der meisterhafte Uebergang über den Duero am 11. Mai, mit ebensoviel Kühnheit unternommen, als mit Tapferkeit durchgeführt, zwang Soult zu eiligem Rückzuge. Ein Offizier, der unter Wellesley diente, schildert diese glänzende Waffenthat in folgender Erzählung:

»Alles wohl überlegt, ist der Uebergang über den Duero eine der glänzendsten und denkwürdigsten Thaten. Die Soldaten hatten einen Eilzug von 80 (engl.) Meilen von Coimbra in 3½ Tagen gemacht; alles Geschütz war da, obwohl die Straße theilweise so außerordentlich schlecht war, daß es ein Wunder schien, Kanonen herbeizuschaffen. Durch die Hitze und die lange Zeit, die wir wegen des behindernden Geschützes auf verschiedenen Zügen zubringen mußten, war die Beschwerde des Marsches außerordentlich. Der Duerostrom ist sehr reißend, die jenseitigen sehr hohen und steilen Ufer waren im Besitz des Feindes und wir kannten seine Macht und Wehrkraft nicht. Es blieb kein Mittel über den Fluß zu kommen, als in kleinen portugiesischen Kähnen, wie sie uns das begeisterte Volk mit eigener Gefahr von der französischen Flußseite zuführte; die zuerst übergesetzten Schaaren mußten warten, bis diese Kähne wieder hin und zurückkamen und die übrigen nachholten. Des Anführers Muth und Geistesgegenwart unterstützte den Muth seiner Krieger. Die feindlichen Batterien wurden bald genommen, viele Franzosen gefangen, der Feind selbst auf allen Punkten geschlagen. Leider waren von unsern Dragonern erst 60 übergesetzt und die Verfolgung mußte unterbleiben, wiewohl die Verwirrung unter den Franzosen groß war, denn sie waren völlig überrascht worden und hatten nichts von unseren Bewegungen erfahren. Soults Mittagsmahl war bereitet und Arthur verzehrte es. General Delaborde's Gepäck wurde am Stadtthore genommen. Die Portugiesen waren hocherfreut. Als wir durch die Straßen zogen, waren die Hausthüren noch verschlossen, weil man von den abziehenden Franzosen Plünderung befürchtete; aber die Balkone wimmelten von Menschen, und von einem Ende der Küste zum andern weheten uns in ununterbrochener Reihe weiße Tücher entgegen.«

Nachdem Wellesley die Franzosen ganz aus Portugal vertrieben, zog er sein Heer südwärts und nahm sein Quartier in Lissabon, wo er Anstalten traf, in Verbindung mit den Spaniern dem Feinde das Feld abzugewinnen. Er verabredete mit dem spanischen General Cuesta einen Zug nach Madrid, und nachdem sich die englischen mit den spanischen Truppen vereinigt hatten, kam es bei Talavera (28. Juli 1809) zur Schlacht, in welcher Wellesley zwar die Franzosen unter Marschall Viktor schlug, wegen Ungeschicklichkeit der spanischen Truppen aber seinen Sieg nicht verfolgen konnte, so daß er sich zum Rückzuge nach Portugal genöthigt sah. Als die Nachricht von der Schlacht bei Talavera nach England kam, wurde nicht nur dem Heere für seine Tapferkeit der gewöhnliche Dank votirt, sondern die Krone gab Sir Arthur noch ein besonderes Zeichen ihrer Gunst, indem sie ihn zum Burggrafen (Viscount) von Talavera, von Wellington und Freiherrn Douro von Wellesley in der Grafschaft Sommerset erhob. Er hatte seine Pflicht mit solcher Anstrengung gethan, daß er von einem Fieber niedergeworfen ward, das ihn zwang, einige Zeit nach Lissabon zu gehen, um dort die gesunde Luft zu genießen. Aber kaum wiederhergestellt, übernahm er schon im Oktober 1809 den Oberbefehl des Heeres.

In Spanien hatte Unkenntniß und Eifersucht der Heerführer, Eigennutz und Ränkesucht unter den Mitgliedern der Junta's es dahin gebracht, daß fast die ganze Halbinsel wieder von den französischen Heeren überschwemmt wurde; außer Cadiz waren alle festen Plätze gefallen und Massena konnte wieder mit Uebermacht nach Portugal vordringen. In der blutigen Schlacht bei Busaco (27. 28. September), in der auch die Portugiesen mit rühmlichster Tapferkeit fochten, behauptete Lord Wellington seine Stellung; um Lissabon zu schützen, hielt er es jedoch für gerathen, die Linien von Torres Vedras zu besetzen (vom 14. Oktober 1810 bis 5. März 1811). Sobald er nach der Schlacht von Busaco die Nothwendigkeit erkannte, sich zurückzuziehen, entwarf er einen Plan, sein Heer zu sichern, und die Franzosen zum Rückzuge zu zwingen, der wohl von Seiten der Menschlichkeit zu beklagen, aber von Seiten der Kriegsführung vollkommen gerechtfertigt war. In allen Orten, durch welche das Bundesheer zog, mußten die Einwohner ihre Wohnungen räumen, Alles, was sie von Lebensmitteln und beweglichem Eigenthum fortbringen tonnten, mitnehmen, das Zurückbleibende vernichten. Ein ganzer Landstrich ward zur Wüste. Massena schrieb an Berthier: »Der Feind verbrennt und verheert Alles, sowie er das Land räumt. Er zwingt die Einwohner, ihre Heimath bei Todesstrafe zu verlassen. Coimbra, eine Stadt von 20,000 Einwohnern, steht wüste. Wir finden keinen Mundvorrath. Das Heer lebt von Wälschkorn und einigen Pflanzen, die wir noch in der Erde finden.« Die Straße nach Lissabon war mit Wagen, Karren, Maulthieren, Pferden und Ochsen voll gepfropft. Weinende Mütter stürzten fort mit ihren schreienden Kindern, Mädchen und Frauen, Knaben und Greise zogen unter Verwünschungen ihres Geschicks im langen Trauerzuge dahin. Doch die portugiesische Regierung that alles Mögliche, um das Loos der Unglücklichen zu mildern, und die Einwohner von Lissabon wetteiferten in Opfern der Gastfreundschaft für die Flüchtigen.

Wellingtons Thätigkeit entsprach ganz der Wichtigkeit dieser Krisis. Er war äußerst mäßig bei Tische, schlief angekleidet, war jeden Morgen um 4 Uhr wach, ritt um 5 Uhr umher und beobachtete. Die edle Begeisterung, die ihn erfüllte, theilte sich Allen mit. Das ganze Land stand unter Waffen. Da die Besatzung von Lissabon zur Verstärkung des Heeres entsendet war, das noch durch 10,000 Mann unter dem Marquis Romano sich verstärkte, ward die Stadt von englischen Matrosen besetzt. Südlich vom Tajo ward zur Deckung der Schifffahrt eine Reihe von Verschanzungen aufgeworfen.

Massena, nachdem er 5 Wochen lang dem drückendsten Mangel Trotz geboten hatte, mußte den Rückzug antreten. Mit Nachdruck verfolgte ihn Wellington (nunmehr auch »Marquis de Torres Vedras«) Schritt vor Schritt, zwang die Besatzung von Almeida den Ort zu räumen und behauptete seine Stellung im Treffen bei Fuentes de Onora 5. Mai 1811. Massena brachte von mehr denn 80,000 Mann kaum 40,000 nach Spanien zurück, wo er sich mit den Streitkräften von Soult und Mortier vereinigte. Gegen diese überlegene Macht verhielt sich Wellington nur beobachtend; sobald aber Napoleon die besten Truppen aus Spanien nach Rußland abrief, überschritt Wellington die portugiesische Grenze und nahm Ciudad Rodrigo nach lebhafter Belagerung mit Sturm (12. Febr. 1812). Diese Heldenthat erwarb ihm durch Beschluß der Kortes die Ehre eines spanischen Granden und Herzogs von Ciudad Rodrigo; der Prinz-Regent von England ernannte ihn zum Grafen von Wellington. Am 7. April erfolgte die Einnahme von Badajoz, darauf, am 22. Juli, der große Sieg bei Salamanca, wo der Oberbefehlshaber der Franzosen, Marschall Marmont, schwer verwundet wurde. Wellington hatte sich, ein zweiter Fabius, vor Marmornts überlegener Kraft zurückgezogen, aber gleich sein Gepäck und Geschütz so geordnet, daß, wenn der Feind eine Blöße gab, sogleich zum Angriff übergegangen werden konnte. Kaum sah der scharf beobachtende Wellington, daß Marmont durch Ausdehnung seines linken Flügels einen Fehler beging, so stand sein Heer in kürzester Zeit zum Angriff bereit und ein glorreicher Sieg ward errungen. Die Folge war die Einnahme von Madrid (13. August). Nun rückte Wellington nach Burgos vor, das der tapfere Dubreton vertheidigte; allein der Sturm mißlang, die Franzosen sammelten neue Streitkräfte und zwangen das alliirte Heer zum Rückzuge. Wellington gab nie eine Blöße, benutzte aber jeden Fehler des nachsetzenden Feindes, ihm eine Schlappe beizubringen.

Hatten auch die großen Heere der Franzosen in Spanien meistens Glück, so war doch, weil das spanische Volk selber mit Krieg führte, das Land nie in ihrem Besitz; der kleine Krieg (die Guerilla's) that ihnen auf allen Punkten empfindlichen Abbruch und schwächte sie mehr, als der Kampf im Großen.

Der für Napoleon so verderbliche Feldzug nach Rußland hatte zur Folge, daß der französische Kaiser seine besten Truppen und Feldherren nach Deutschland rief; ganz Spanien jenseits des Ebro wurde freiwillig geräumt! Wellington nahm vorsichtig vorrückend das verlassene Land sogleich in Besitz; bei Vittoria erreichte er das französische Herr unter Marschall Jourdan und Josephs, »des Königs von Spanien«, Oberbefehl. Am 21. Juni 1813 ward der glänzende Sieg erfochten, der mit wilder Flucht der Franzosen endete, die all' ihr Gepäck, ihre Kanonen, 151 an der Zahl, Josephs Schatz und selbst den Marschallsstab Jourdans im Stich ließen. Auch die Kriegskasse ward genommen und den Soldaten preisgeben.

Der Prinz-Regent, sobald er den amtlichen Bericht über die Schlacht von Vittoria empfangen hatte, schrieb dem Sieger folgenden verbindlichen Brief:

»Mein theurer Lord! Ihr ruhmvolles Verhalten ist über alles menschliche Lob und meine Belohnung. Ich kenne keine Sprache in der Welt, die es würdig aussprechen könnte. Ich fühle, daß mir nichts bleibt, als mein Dankgebet zur Vorsehung zu senden, welche mit allmächtiger Güte mein Land und mich mit solch einem Heerführer gesegnet hat. Unter den Siegeszeichen Ihres unerreichten Ruhms haben Sie mir einen französischen Marschallsstab gesendet, ich sende Ihnen dagegen den von England. Das britische Heer wird ihn mit Jauchzen begrüßen und die ganze Welt wird die Tapferkeit anerkennen, welche so gebieterisch ihn forderte. Daß ununterbrochene Gesundheit und immer mehr Lorbeeren Sie auf ruhmvoller langer Lebensbahn krönen mögen, ist der stete und aufrichtige Wunsch Ihres aufrichtigen und treuen Freundes

Georg, P. R.«

Die dankbaren Kortes schenkten dem »Herzog von Ciudad Rodrigo« ein im Thal von Granada schön gelegenes Gut Solo de Roma.

Der Feind flüchtete sich über die Pyrenäen nach Frankreich, und hatte nur noch die festen Plätze Pamplona und St. Sebastian im Besitz. Napoleon, der in Sachsen den letzten verzweifelten Kampf für seine blutige Herrschaft zu kämpfen sich anschickte, sah die Gefahren, womit jetzt Frankreich von den Pyrenäen her bedroht war und wählte unter seinen Marschällen den einzigen, der fähig schien, das Unglück wieder auszugleichen – den kriegserfahrenen, gleich besonnenen und schlauen Soult. Dieser sammelte die Reste des französischen Heeres, bildete schnell ein neues und drang in die Pyrenäen vor, um Pamplona und St. Sebastian, welche Festungen von Wellington eingeschlossen waren, zu entsetzen. Der Held von Vittoria schlug ihn aber vom 24. Juli bis zum 1. August aus den Gebirgen zurück, nahm am 8. September St. Sebastian mit Sturm und überschritt am 7. Oktober die Bidassoa. Während er nun den Feldzug auf französischem Boden begann, fiel auch Pamplona (31. Oktober) und Spanien war von der französischen Herrschaft befreit!

Wellington hatte, bevor er sein Heer nach Frankreich führte, Soldaten und Offizieren die strengste Zucht anbefohlen, indem er darauf hinwies, wie es unbillig sei, dem Volke entgelten zu lassen, was eigentlich die Kriegsobersten verschuldet hätten. Es solle daher Privateigenthum geachtet, die Einwohner freundlich behandelt werden. Zugleich möge man aber stets wachsam und auf Ueberfälle gerüstet sein. Langsam und sicher rückte er zu Anfang 1814 gegen Bayonne vor, nahm im Auftrage des Herzogs von Angoulème, der seit dem Februar in seinem Hauptquartiere sich befand, im Namen Ludwigs XVIII. von Frankreich Besitz, und nahm seine Stellungen so geschickt, daß Soult die Ufer des Adour verlassen mußte. Bei Orthez kam es am 27. Februar abermals zur Schlacht, die Soults Rückzug in eilige Flucht verwandelte. Am 12. März ward schon in Bordeaux die weiße Fahne aufgepflanzt. Soult ward von einer Stellung zur andern geworfen; bei Toulouse nahm er die letzte Schlacht an und verlor sie (am 10. April). Gleich nach seinem Einzuge in Toulouse erhielt Wellington die frohe Botschaft, daß Paris von den verbündeten Mächten genommen sei und begab sich nun selber nach der französischen Hauptstadt, wo er am 5. Mai anlangte. Sein Empfang war höchst ehrenvoll, von Seiten der Monarchen wie der Offiziere und des Volks. Der Heldengreis Blücher empfing ihn mit Kriegers Willkommen und ehrte ihn mit Kriegers Bewunderung. Bei der Einfachheit seines Wesens vermied Wellington den Beifall mehr, als daß er ihn suchte. Aber trotz seinem anspruchslosen Aufzug begrüßte ihn, wenn er einmal erkannt war, das Zujauchzen der Menge.

Am 9. Mar verließ er Paris und ging nach Madrid, wo ihn Ferdinand VII. in seinen von den Kortes erhaltenen Würden als Herzog von Ciudad Rodrigo, Grand von Spanien der 1. Klasse, Herzog von Vittoria und Ritter des goldenen Vließes bestätigte. Von Madrid begab sich der Gefeierte nach London. Als er in Dover landete, begrüßten ihn die Kanonen von den Schiffen und Batterieen. Er fuhr in seinem offenen Reisewagen nach London; hier ward er in der Parlamentstraße erkannt, und wären seine Pferde nicht so schnell gewesen, so hätte ihn das Volk im Triumph gezogen. Das Unterhaus bewillkommnete ihn durch Abgeordnete. Als hierauf Wellington dem Hause persönlich dankte, erhoben sich alle Parlamentsmitglieder und empfingen den Helden mit begeistertem Zuruf. Der Sprecher hob in einer trefflichen Anrede die Eigenschaften hervor, welche den Charakter des Feldherrn auszeichneten und der Herzog dankte der Nation für die standhafte und außerordentliche Anstrengung, mit der sie den großen Kampf geführt und den Sieg ermöglicht hätte. Nach einer Zusammenkunft mit seiner Familie ging Wellington nach Portsmouth, um sich dem Prinzregenten vorzustellen, der sich dort aufhielt. Dieser suchte auch noch dadurch seine dankbare Anerkennung zu beweisen, daß er in Wellingtons Wappen ein Feld mit dem Georgs- und Andreaskreuz, verbunden mit denen von Georg und Patrick, als Zeichen der vereinigten Königreiche England und Irland setzte. Schon im Mai desselben Jahres hatte er ihm den Hosenbandorden und die Würde eines Herzogs von Wellington ertheilt, während das Parlament, das bereits für den Sieg bei Salamanca 100,000 Pfund bewilligt hatte, noch 300,000 Pfund zum Ankauf von Ländereien hinzufügte.

Am 5. Juli ward der Herzog zum außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Botschafter am französischen Hofe ernannt, und trat am 8. August seine Reise an in Begleitung seines ältesten Sohnes, des Marquis von Douro. Er besuchte zuerst die Niederlande und besah fast alle Hauptfestungen daselbst in Gesellschaft des Prinzen von Oranien, seines ehemaligen Adjutanten und Waffengenossen. Am 20. August traf er in Paris ein, und überreichte am 24. Ludwig XVIII. seine Beglaubigungsschreiben. Sein scharfes Urtheil, verbunden mit großer Besonnenheit und Ruhe, befähigten den Feldherrn auch zum Diplomaten. Doch gab es für ihn in Paris wenig zu thun; der Blick aller Regierungen und Staatsmänner war auf den Wiener Fürstenkongreß gerichtet. Wellington wirkte aus der Ferne auf die Verhandlungen, die dort gepflogen wurden. Er unterstützte vorzüglich durch militärische Gründe den Plan des britischen Kabinets, Belgien mit Holland zu vereinigen. Als nun die Eröffnung des britischen Parlaments den englischen Gesandten in Wien, Lord Castlereagh, nöthigte, nach London zu gehen, trat als erster Bevollmächtigter Englands der Herzog von Wellington an seine Stelle, im fünften Monate des Kongresses, am 1. Februar 1815.

»Die Ankunft von Wellington,« schrieb der russische Generallieutenant v. Nostiz, »ist die neueste interessante Kongreßerscheinung. Er soll Castlereagh ablösen, weil dieser das neue Parlament eröffnen muß, und man erwartet auch von diesem Umstand eine Beschleunigung in den Geschäften, weil der right honourable Lord doch mit einigen Nachrichten im Parlament auftreten möchte. Es thut mir leid, den Herzog von Wellington als Diplomaten zu sehen. Wer als Krieger so hoch gestanden, erniedrigt sich jetzt als Politiker; er sollte das Schwert nur führen, um den schlechten verwirrten Knoten zu durchhauen. Britannien sollte mit dem Sieger der Welt nicht so freigebig sein; mir scheint es aber auch, er wolle mehr imponiren, als wirken.

»Das erste Auftreten des edlen Lords war bei seinem Banquier Herz, wo er sich den Tag nach seiner Ankunft zum Essen bat. Da bei jenen Geldmännern sich jetzt alle Großen der Erde zusammenfinden, so war es kein Wunder, bei dieser Gelegenheit die ganze hohe Diplomatie vereinigt zu sehen. Metternich, Talleyrand, Löwenhielm, Castlereagh, Cathcart, Palmella, Gentz, General Koller, Czernitschef und einige wenige Artigkeitsgäste, zu denen auch ich gehörte.

»Wellington trat auf mit allen ersten Orden, weil er von dem Diner zu einer Soiree bei Castlereagh ging. Er ist von großer Statur, seine Haltung ist zuverlässig, einfach und fest, er trägt Kopf und Brust frei, hat eine sehr bestimmte römische Nase, eine hohe Stirn und frische, doch weder sehr glänzende noch strahlende Augen. Er läßt die Leute ruhig sprechen und hört aufmerksam zu; seine Antworten sind kurz, sein Widerspruch artig. Es liegt in dem ganzen Wesen des Mannes mehr Ruhe als vorspringende Größe und ein Ernst, der viel Gefälliges hat. Weniger angenehm ist sein sonst gehaltener und adeliger Blick, wenn er anfängt zu sprechen; er zeigt dann einen Mund, dessen schiefstehende Zähne die Harmonie des Ganzen stören. Doch ohne Zergliederung des Einzelnen ergreift einen das ganze lebendige Bild des Mannes durch den Ausdruck der Sicherheit und Einfachheit.

»Den Abend war Alles gespannt, den Lord auf der Redoute zu sehen; ein gedrängt voller Saal, in dem nur mühsam sich die dampfende Menge durchzog, bezeichnete diesen Tag als eine brillante Redoute. Da meine Größe mich das Gewühl übersehen läßt, so blieb ich oft stehen, sah den Leuten über die Köpfe und rief dann meinen Bekannten zu: »Da ist Lord Wellington!« Hunderte faßten gleich auf, was ich sagte, und es wogte nun die Menge ungeduldig hin nach der Richtung, die ich angegeben.«

Es war gut, daß Wellington nach Wien gekommen war, denn schon am 1. März traf die Meldung ein, Napoleon habe Elba verlassen und sei in Frankreich gelandet. Der Herzog, ohne weitere Anfrage in London, unterzeichnete sogleich die von den Mächten abgegebene Erklärung vom 13. März, welche gegen Buonaparte die Acht aussprach, und den darauf folgenden Allianztraktat vom 25. März zwischen Oestreich, Preußen, England und Rußland, worin sich jede Macht verpflichtete, 150,000 Mann wider den Feind Europa's in's Feld zu stellen.

Sofort begannen die Rüstungen und Wellington eilte nach Brüssel, dem Mittelpunkte des neuen Feldzugs. Das Heer, an dessen Spitze der Herzog trat, bestand freilich nur zur Hälfte aus Kerntruppen; es zählte 33,000 Mann Engländer, die 7000 Mann starke deutsche Legion, gleichfalls aus tüchtigen Kriegern bestehend; dazu kamen 20,000 Hannoveraner, zum Theil erst geworben, aber binnen zwei Monaten im Waffendienste wohl geübt; dann 10,000 Braunschweiger, treu und brav wie ihr heldenmüthiger Anführer, Herzog Wilhelm; ebenso stark mochten die Belgier und Holländer sein, doch weniger erprobt.

Napoleon, der am schnellsten sein wohlgerüstetes Heer von 170,000 Mann zusammengebracht hatte, warf sich zuerst auf das preußische Heer unter Blücher, das er ungeachtet des tapfersten Widerstandes bei Ligny schlug; der greise Feldmarschall lag unter seinem verwundeten Rosse, Freunde und Feinde setzten über ihn weg, er ward aber wie durch ein Wunder gerettet. Kämpfend zogen sich die Preußen vor der Uebermacht zurück. Auch Wellington war bis an den Wald von Soigne zurückgegangen und hatte eine vortheilhafte Stellung auf einer Anhöhe. Blücher hatte ihm versprochen, mit seiner ganzen Macht zu Hülfe zu eilen, falls Napoleon angreifen würde. Dies geschah am 18. Juni Mittags 12 Uhr mit einem Angriff des zweiten französischen Korps auf den Pachthof Hougomont. Das dortige Wäldchen ward von den Franzosen genommen, das Vorwerk hingegen von der englischen Garde und den Nassauern behauptet. Gegen zwei Uhr rückten vier verschiedene Infanteriekorps von Belle-Alliance, einem Meierhofe, gegen das britische Centrum vor. Von der Reiterei unterstützt durchbrachen sie das erste englische Treffen; die britische Kavallerie warf jedoch die französische, und das gut gezielte Feuer des ersten englischen Treffens trieb auch die französische Infanterie zurück. Darauf machte die ganze englische Reiterei einen kräftigen Angriff, ward jedoch bald zurückgetrieben und Marschall Ney rückte mit neuen Infanteriemassen auf der Straße von Brüssel gegen das britische Centrum vor. Napoleon setzte Alles daran, dieses zu durchbrechen. Schon hatte die französische Garde mehrere englische Kanonen genommen, als eine herbeieilende Batterie kongrevescher Racketen Tod und Verderben, unter den überraschten Feinden verbreitete. Sie flohen, und mit einem Kartätschenhagel rächte die englische Artillerie den augenblicklichen Verlust ihres Geschützes. Aufgebracht über den geringen Erfolg seiner Anstrengungen warf Napoleon seine Kürassiere auf die englische Linie zwischen den beiden Chausseen; sie sprengten zwischen den Quarré's durch, wurden aber von der englisch-niederländischen Reiterei wieder zurückgeworfen. Während dieses Reitergefechts hatte Napoleon schnell seine zahlreichen Feuerschlünde ganz nahe vor die englische Front auffahren lassen, und diese richteten große Verwüstungen an.

Wellington war überall, wo Gefahr drohte, sein nicht zu verwirrender Blick wußte stets das Rechte zu treffen, aber seine Linie war schon bedeutend geschwächt, der Sieg begann sich auf Seite der Franzosen zu neigen; er seufzte nach der Ankunft Blüchers. Der preußische Feldmarschall, nicht achtend der Strapazen seines Heeres und der eigenen Unfälle (es waren erst zwei Tage seit der Niederlage bei Ligny), war schon am Morgen aufgebrochen, aber auf manche Hindernisse gestoßen, die seinen Marsch hemmten! Erst Nachmittags halb fünf Uhr kamen zwei Brigaden von Bülow zur Stelle, und drangen durch den Wald von Soigne. Buonaparte, als er die Schaaren erblickte, fragte seinen Adjutanten, wer sie wären? Als dieser, mit dem Fernglase sie erkennend, antwortete, es schienen ihm preußische Truppen zu sein, erblaßte er, schüttelte den Kopf und sprach kein Wort. Bülow griff sogleich an; das sechste französische Korps, bisher als Reserve des rechten Flügels aufgestellt, rückte vor und es entspann sich ein blutiger Kampf. Napoleon verdoppelte seine Anstrengungen auf die Mitte der englischen Linien; das zweite Korps, die Reiterei und sämmtliche Garden setzten sich in Bewegung, um mit unwiderstehlichem Stoße durchzubrechen. Ruhig erwartete Wellington ihre Ankunft, brach dann mit sechs Bataillonen in Linie hinter der Höhe hervor, und erst, als diese dichtgedrängten Säulen ganz nahe waren, ließ er feuern und zwang den Feind, sich selber zu vertheidigen und auf den Rückzug zu denken. Unterdessen hatte der rechte französische Flügel über den linken englischen, der am schwächsten war, große Vortheile erlangt, wodurch auch die Verbindung mit den Preußen für den Augenblick aufgehoben war. Auf diesem Punkte schien also dem Feinde das Glück zu lächeln, als plötzlich die ersten Brigaden des ersten preußischen Korps unter dem General Ziethen vordrangen; in Sturmschritt und unter Trommelschlag griffen sie den französischen rechten Flügel an, und trennten das sechste französische Korps vom übrigen Heere, während 24 im Rücken des Feindes aufgefahrene Geschütze so gut wirkten, daß Alles floh. Die Flucht dieser Truppen traf gerade bei Belle-Alliance mit dem von der englischen Reiterei bei la Haye geworfenen Fußvolke zusammen, so daß die Unordnung unter den französischen Reihen immer allgemeiner ward. Vergebens stellte sich Napoleon an die Spitze seiner Garden, man hörte von allen Seiten den Ruf: Rette sich, wer kann! Infanterie und Kavallerie, Generale und Trainknechte stürzten in chaotischem Gemisch auf die Rückzugslinie, Geschütz und Gepäck verlassend. Mit Gewalt mußte man Napoleon vom Schlachtfelde wegreißen; kaum entging er der Gefangennahme. Denn Fürst Blücher war sogleich bereit, alle seine verwendbaren Truppen unter Gneisenau's Leitung zur Verfolgung aufzubieten, und der Feind floh, wo sich Preußen zeigten. In Gemappe fiel der Reisewagen Napoleons mit seinen Edelsteinen, seinem Silberzeug und andern Kostbarkeiten, sowie die Kriegskassen und das noch übrige Gepäck der Franzosen nebst 50 Kanonen den Siegern in die Hände. Im Ganzen waren 200 Kanonen, 2 Adler und 6000 Gefangene die Trophäen eines Sieges, zu dem in schöner Eintracht ( belle-alliance) Engländer und Deutsche zusammengewirkt, dessen Entscheidung aber unstreitig die Preußen herbeigeführt hatten.

Wellington sagt in seinem Schlachtberichte, Waterloo, den 19. Juni. 1815, in seiner gewohnten Unparteilichkeit und Gerechtigkeitsliebe: »Ich würde meinen eigenen Empfindungen und dem Marschall Blücher und der preußischen Armee nicht Gerechtigkeit widerfahren lassen, wenn ich nicht den glücklichen Erfolg dieses heißen schwierigen Tages ( arduous day) dem herzlichen und zeitigen Beistand zuschriebe, den ich von ihnen erhielt. Die Bewegung des Generals Bülow gegen die Flanke des Feindes war sehr entscheidend, und hätte ich mich nicht selbst in einer Lage befunden, den Angriff zu machen, der das endliche Resultat hervorbrachte, so würde jene Bewegung den Feind zum Rückzug genöthigt haben, wenn seine Angriffe fehlgeschlagen wären, und würden ihn verhindert haben, selbige zu benutzen, wenn sie unglücklicher Weise von Erfolg gewesen wären.«

Die ganze französische Heeresmacht war zersprengt; Napoleon brachte am 20. Juni die erste Nachricht nach Paris von seiner Niederlage, von dem Anzuge Blüchers und Wellingtons. Nous sommes ecrasés! (wir sind vernichtet!) war das Urtheil der Freunde Napoleons selber.

Die Freude über den Sieg bei Waterloo, wie die Engländer ihn nannten, bei Belle-Alliance, wie die Preußen ihn nannten, war außerordentlich; in ganz Europa wurden die Namen Wellington und Blücher gefeiert! Vor allen war England stolz auf seinen Helden, der mit dem Tage von Waterloo den Glanz aller seiner frühern Siege noch überstrahlte. Wie aber der Sieg bei Trafalgar die Klage über Nelsons Tod in den Volksjubel mischte, so auch nun der Fall des tapfern Picton, des ritterlichen Ponsonby und so vieler blühender Männer und Jünglinge, die bei Waterloo gefallen. Alle Adjutanten des Herzogs, einer nach dem andern, wurden getödtet oder verwundet, bis auf seinen alten Freund, den spanischen General Alava, der allein unverletzt ihm stets zur Seite blieb. Der Herzog selber hatte sich kühn in's Feuer gewagt und einem Adjutanten, der ihn auf die Gefahr aufmerksam machte, geantwortet: »Immerhin, aber ich will fallen oder wissen, was sie vorhaben!« Nur das große glücklich errungene Ziel vermochte ihn über die großen Opfer zu trösten. Es waren so viele Freunde um ihn her gefallen, daß man ihn am folgenden Tage fast stets in Thränen sah.

Man war in England verlegen über ein neues Zeichen der Dankbarkeit und der Belohnung. Von der Ritterwürde bis zum Herzogshute hatte er bereits alle Ehren empfangen; indeß fügte man der langen Reihe seiner Titel noch den Ehrennamen Fürst von Waterloo, und das Parlament legte noch 200,000 Pfund St. zu den früheren Gaben hinzu, um dafür eine Prachtwohnung wie Blenheim dem Helden zu errichten, welcher Marlborough übertroffen! Auch dem tapferen Heere bewilligte man freigebig Ehre und Lohn. Jedes Regiments das in der Schlacht gefochten, sollte den Namen Waterloo in seinen Fahnen führen und jeder Gemeine sollte den einen Tag als »Mann von Waterloo« wie für eine Dienstzeit von 2 Jahren in Anrechnung bringen, sei es bei seiner Solderhöhung oder seinem Jahrgelde. Unter dem Vorsitz des Lord Sommerville bildete sich ein Privatverein, der zu Ehren des Herzogs von Wellington auf dem Blackdown-Hügel bei Wellington in Sommersetshire eine Denksäule errichtete, worauf die Worte standen: »Dem, durch dessen hervorragendes Talent unsere tapferen, gut disziplinirten Krieger bei jeder Gelegenheit zum Siege geleitet wurden; dem Arthur Wellesley, Herzog von Wellington, ist diese Säule von seinen Landsleuten errichtet, als ein Denkmal ihrer Dankbarkeit und Bewunderung.« Am Fußgestell: »Er schützte Indien, rettete Spanien und Portugal, siegte bei Vimeira, Torres Vedras, Salamanca, Badajoz und Vittoria, bei Bayonne und Toulouse; er diente der Nation und befreite Europa bei Waterloo.« Endlich ward der »Waterloo-Verein« gebildet zur Versorgung der Wittwen und Waisen der bei Waterloo Gefallenen. – Die Monarchen Europa's wetteiferten in Verleihung von Titeln, Orden und Geschenken, und nie ist wohl ein Feldherr so glänzend belohnt worden als Wellington.

Auf die kriegerische Laufbahn folgte nun die überwiegend diplomatische. Wellington führte am 8. Juli Ludwig XVIII. in seine Hauptstadt ein, und das Volk bewillkommnete ihn mit Tanz und Gesang in gleicher Weise, wie es vor hundert Tagen den Einzug Napoleons gefeiert hatte. Dieser hatte schon am 28. Juni bei dem Herzoge von Wellington um Pässe nach Amerika gebeten, aber von ihm die Antwort erhalten, daß er hierzu von seiner Regierung keine Vollmacht habe. Bonaparte machte darauf den vergeblichen Versuch, mit zwei Fregatten aus Rochefort auszulaufen, bis er sich endlich am 12. Juli gezwungen sah, sich an einen der englischen Kreuzer, an den Kapitän Maitland von der Fregatte Bellerophon, auf Gnade und Ungnade auszuliefern.

Man hat Wellington beschuldigt, bei der Zurückgabe der von den Franzosen geraubten Kunstschätze sich sehr lau benommen zu haben. Doch war er ganz mit der Ausführung dieser gerechten Maßregel einverstanden und sprach sich auch ganz entschieden dafür aus. So schrieb er am 23. Sept, an Lord Castlereagh:

»Als der Traktat von Paris geschlossen worden, wünschten die verbündeten Monarchen auch in Rücksicht des Museums der französischen Armee eine Gefälligkeit zu erweisen, um dadurch noch mehr die Wiederaussöhnung mit Europa zu befestigen. Diese Umstände sind aber jetzt ganz andere geworden. Die französische Armee hat den Erwartungen der Welt nicht entsprochen, sondern die erste Gelegenheit ergriffen, sich gegen ihren Souverain zu erklären. Da diese Armee jetzt geschlagen und nach dem gemeinschaftlichen Beschluß aufgelöst ist, würde es unbillig sein, wenn die Souveraine nun ihre Unterthanen benachtheiligen wollten, um diese Armee wieder zu befriedigen, welche in dieser Hinsicht bloß National-Arroganz besitzt. Die Franzosen möchten die Kunstwerke gern behalten, nicht weil Paris der beste Platz für dieselben ist, sondern weil sie Trophäen ihrer ehemaligen Siege sind. Aber eben weil jetzt andere Nationen Sieger geworden sind, müssen jene Kunstwerke an die rechtmäßigen Eigenthümer zurückkehren. Zugleich müssen die Franzosen einsehen lernen, daß Europa für sie zu stark ist, und daß, wenn sie auch einmal Vortheile über eine oder die andere Nation erlangt haben, der Tag der Vergeltung doch wieder kommt. Meiner Meinung nach würde es daher eben so ungerecht als unpolitisch sein, wenn man den Franzosen die geraubten Kunstwerke ließe, und wenn man diese Gelegenheit nicht benutzte, ihnen eine gute moralische Lektion zu geben.«

Als Oberbefehlshaber über das Besatzungsheer, welches über die Ruhe Frankreichs wachen sollte, übte er einen großen Einfluß auf die innere Politik des Königs, den er für gemäßigt-konstitutionelle Grundsätze zu gewinnen suchte. In seiner Stellung hätte er sich aber entschiedener der von fanatischen Katholiken im Gard-Departement verfolgten Protestanten annehmen sollen; mit Recht ward er wegen dieser Gleichgültigkeit auch in England getadelt. Desto entschiedener betrieb er aber die Befestigungsarbeiten an der niederländischen Grenze, und desto thätiger zeigte er sich, die Forderungen der verschiedenen Mächte an Frankreich möglichst herabzustimmen, um so das Ausgleichungsgeschäft möglichst zu beschleunigen. Es war vorzüglich Wellingtons Stimme, welche 1817 die Verminderung des Besatzungsheeres und im folgenden Jahre den Beschluß zu Wege brachte, es ganz aus Frankreich zurückzuziehen. Wie ihm diese Verwendung für Frankreich das Vertrauen Ludwigs XVIII. und seiner Minister gewann, so konnte auch die französische Nation nur mit Dank die gute Disciplin, welche der Herzog mit eiserner Strenge aufrecht erhielt, anerkennen; aber trotzdem war der Mann, welcher der französischen Eitelkeit eine so blutige Wunde beigebracht und der nun als Beherrscher kalt und streng vor ihnen dastand, dem Volke ein Dorn im Auge, und der französische Witz konnte es sich nicht versagen, den Helden von Mont St.-Jean (wie die Franzosen die Schlacht bei Waterloo bezeichnen) vilain-ton zu nennen.

Nachdem Wellington England auf dem Aachner Kongreß vertreten hatte, nahm er seinen Sitz im Oberhaus und gehörte bald zu den bedeutendsten Führern der Tories. Auf dem Kongreß zu Verona erklärte er Englands Neutralität in der spanischen Sache, und begab sich noch zu Ende 1822 nach Paris, um den mit Spanien bereits begonnenen Krieg durch friedliche Vermittelung zu hindern, welche Vermittelung aber von dem französischen Kabinete abgelehnt ward. In der griechischen Angelegenheit ward er unter dem Ministerium Canning nach Petersburg geschickt, um, zugleich von Frankreich, Oesterreich und Preußen bevollmächtigt, dem russischen Kaiser zu eröffnen, daß die großen Mächte in der Absicht übereinstimmten, die Griechen gegen die Gewaltthätigkeit der Pforte zu schützen. Leider verließ Wellington, als er 1828 selbst erster Minister geworden war, Cannings freisinnige Politik und ward in der griechischen Angelegenheit lau. Dagegen setzte er, trotz dem Widerspruch der Tories, die Emanzipation der Katholiken, die er als das einzige Mittel zur Beruhigung Irlands erkannt hatte, durch, obwohl ihm seine Partei solchen Abfall nicht verzeihen konnte. Graf Winchelsea beleidigte ihn öffentlich und er mußte sich mit diesem auf Pistolen schlagen. Wellington verstärkte darauf sein Kabinet durch einige Whigs, besonders aber ward Sir Robert Peel seine Stütze, der später als liberaler Tory den Herzog sogar für seine Grundsätze des Freihandels zu gewinnen wußte. So wußte Wellington unbeschadet seiner Charakterfestigkeit doch seine Politik den Umständen anzupassen; wenn er auch zuweilen politische Fehlgriffe that, so bleibt immer sein redliches Bemühen, dem Vaterlande zu dienen, anerkennenswerth. Am 14. April 1832 protestirte er feierlichst im Hause der Lords gegen die Reformbill und die dritte Lesung war nicht zu erzwingen; da erhielt er den Auftrag, eine neue Verwaltung zu bilden, doch nun erhob sich das Haus der Gemeinen, die Stimmung des Volkes, besonders in London, ward so aufgeregt, daß Wellington nicht durchdrang und sein Gegner, Graf Gray, am 7. Junius die Reformbill glücklich durchsetzte.

Im November 1834 übernahm Wellington abermals die Bildung eines Kabinets, doch wurde dasselbe schon im folgenden Jahre wieder gestürzt. Im Jahre 1841, als Peel nach dem Sturz der Whigs sein Ministerium bildete, übernahm Wellington das Oberkommando über die gesammte Landmacht, zog sich dann 1846 bei der Auflösung des Kabinets wieder zurück, doch Lord John Russel bat ihn, trotz der politischen Gegnerschaft, seine Stellung zu behalten. Freunde und Gegner mochten nicht wohl den besonnenen Rath des »eisernen Herzogs« entbehren, besonders aber war er eine Stütze für die Krone, und wie früher König Georg IV. seinem vertrauten Rath die Ehre bewies, zwei Mal bei ihm zu speisen (was er sonst bei keinem Unterthanen that), so ehrte ihn Königin Viktoria dadurch, daß sie ihrem jüngsten Prinzen den gefeierten Namen des Siegesherzogs gab. Als Generalissimus der britischen Armee als Oberaufseher der fünf – Frankreich gegenüberliegenden – Häfen (» Lord Warden of the Cinque Ports«), als Konstable des Tover und des Dover-Schlosses und als Kanzler der Universität Oxford blieb er bis an sein Lebensende in höchstem Rang, Ansehen und Einfluß. Das Glück blieb ihm treu bis an den Tod, der rasch und schmerzlos am 14. September 1852 auf Walmerschloß bei Dover erfolgte, nachdem der Held ein Alter von 83 Jahren 4½ Monaten erreicht hatte.

Das Leichenbegängniß fand am 18. November Statt; es übertraf noch weit an Größe, Pracht und Glanz das immerhin sehr großartige des Seehelden Nelson im Jahre 1806. Die Straßen der ungeheuren Weltstadt waren schon Tags zuvor – denn das Volk strömte aus allen Gegenden des Vereinigten Königreichs herbei – so mit Fußgängern und Fuhrwerk aller Art angefüllt, daß es schwer, ja gefährlich war, die Straßen längs der Themse in der Altstadt und in Westminster zu passiren. Mitten in diesem Gedränge sah man Arbeitsleute in mannigfachster Beschäftigung, Gerüste aufführend, Fahnen und Kränze aufsteckend, schwarze Tücher befestigend. Die Ausstellung der herzoglichen Leiche auf dem Paradebett in dem mit kriegerischen Trophäen aller Art geschmückten großen Oktogon des Chelsea-Hospitals endigte erst am 17. November, Abends 5 Uhr; während dieses Tages hatten sie noch 65,073 Personen besucht. Vor dem Publikum hatten an diesem Tage die fremden Abgesandten Zutritt; nach ihnen schritten – wie einst die macedonischen Krieger an der Leiche Alexanders zu Babylon – 2000 britische Soldaten-Deputationen der verschiedenen im Mutterland anwesenden Regimenter, Reiter, Fußvolk und Kanoniere, langsam durch den Saal am Sarg ihres Generalissimus vorbei; ein ergreifender Anblick, denn mancher grauhaarige Unteroffizier, der noch in Spanien und Belgien gefochten, vergoß heiße Thränen. In später Abendstunde ward der Sarg nach dem Generalitätsgebäude gebracht. Für die Beschreibung des am folgenden Tage sich großartig entfaltenden Trauerzuges ist hier nicht der Ort; unter dem Geläut aller Glocken und dem Donner der Kanonen wurden die irdischen Ueberreste des Nationalhelden Mittags zwischen 1 und 2 Uhr in der Paulskirche in die Gruft gesenkt. In Preußen und selbst in außerpreußischen Städten, wo preußische Garnisonen lagen, wurden in den Kirchen beider Konfessionen zu Ehren Wellingtons Todtenfeiern veranstaltet und die Erinnerungen an die Freiheitskriege wieder lebendig.

Die »Times« sagte in ihrem Nachruf von Wellington: »Durch die Dankbarkeit Europa's und seines Volks auf die höchste Stufe von Rang und Macht erhoben, die ein Unterthan der britischen Monarchie erreichen konnte, trug er diese Würden und gebrauchte er diesen Einfluß in den strengsten Grenzen der Unterthanenpflicht. Kein Gesetz wurde je nach seinem Willen gedreht, kein Recht auch nur Haarbreit zu seiner Vergrößerung aufgeopfert. Kein Mensch, weder unter seinen Landsleuten noch unter seinen Gegnern, konnte sagen, dieser große Herzog habe ihm ein Unrecht zugefügt; denn sein ganzes Dasein war der Sache gesetzlicher Autorität geweiht. Obschon frei von jeder Spur von Scheinheiligkeit war seine Seele dem erhabenen Einfluß religiöser Wahrheit nicht verschlossen, und er beobachtete sogar mit Eifer den öffentlichen Ritus der englischen Kirche. Seine Wohlthätigkeit war prunklos, aber ausgedehnt; er unterstützte sein ganzes Leben hindurch eine unglaubliche Anzahl von Personen und nützlichen Anstalten. – Er hätte mehr Enthusiasmus entzünden können, besonders in den ersten und zweifelhaften Tagen seiner Feldzüge auf der Halbinsel; aber in seinem erfolg- und triumphreichen Streben nach Ruhm kam das Wort Ruhm nie über seine Lippen, selbst nicht in seinen Anreden und Tagesbefehlen an seine Soldaten. Sein ganzes Naturell war ein realistisches; er sah die Dinge, wie sie waren. Sein scharfer Blick und sein kühles Urtheil durchdrang alsbald die Oberfläche, an der sich so oft die Phantasie verwirrt und die Sympathie entzündet. Die Wahrheit, wie er sie liebte, ist nur auf einem rauheren Pfad und von strengeren Geistern zu erreichen. Im Krieg, in der Politik und im Alltagsleben hielt der Herzog unbeugsam fest an der sittlichsten Korrektheit in Wort und That.« Und die (radikalen) Daily-News: »Man kann von ihm noch wahrer als von seinem großen politischen Freund Sir Robert Peel sagen: er hat das Glück gehabt, so lange zu leben, daß die Welt Zeit hatte, alle ungünstigen Urtheile über gewisse Züge seines politischen Lebens zu versenken in einem einhelligen Wahrspruch über die wundervolle Größe des Mannes. Wenn er durch Geburt, durch Erziehung und Ueberzeugung ein Tory war, so war er wenigstens ehrlich, hochherzig und zugänglich für eine unbefangene Erörterung seiner Grundsätze. Er behauptete seine Meinungen wie er eine Festung vertheidigt haben würde, nämlich gerade so lange, als sie haltbar waren, und nicht länger. Er gab seine Stellung zeitig genug auf, um einen ehrenvollen Rückzug zu machen, und während seine Freunde sich nicht über ihn beklagen konnten, waren seine Feinde ihn zu achten gezwungen. – Der Herzog war so zu sagen ein Institut für sich selbst. Wenn er sprach oder schrieb, so gut als wenn er handelte, prägte er sein Bild auf das Werk wie auf eine Schaumünze. – Er besaß alle die Eigenschaften, welche die Engländer vielleicht nicht zu dem persönlich anziehendsten Volke beim ersten Anblick, aber die sie vorzugsweise zu einem historischen Volke machen und die ihren Namen noch in den letzten Jahrbüchern der Geschichte lebendig erhalten werden.«

Wellingtons Depeschen und Tagesbefehle sind von Oberst Gournay in zwölf Bänden gesammelt, wie die Briefe und Depeschen Nelsons in sieben Bänden – zwei Nationaldenkmale von höchstem Werth. Engländer selber haben das Urtheil abgegeben, daß Wellingtons Schreibart viel besser sei, als die des Pfarrersohns Nelson, der doch eine sorgfältigere Schulbildung vor ihm voraus hatte. Dagegen waren die Reden Wellingtons im Oberhaus keineswegs glänzend oder im Ausdruck auch nur korrekt; dafür wirkten sie durch ihren schmucklosen Nachdruck. »Es waren Hammerschläge«, wie Chronicle sagt.


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