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Die Sagen der Trinkhalle zu Baden-Baden.

1. Burkard Keller von Yburg.

. Auf dem alten Schlosse Hohenbaden wohnte gegen Ende des fünfzehnten Jahrhunderts eine verwitwete Markgräfin von Baden mit zwei Hoffräulein, einem Junker aus dem Geschlecht der Freien von Keller auf Yburg und der nöthigen Bedienung und Bewachung. Der Junker war ein lebensfroher junger Mann, zwar von etwas leichten Sitten, dem es aber bei seiner jugendlichen Schönheit und dem köstlichen Klang seiner allzeit sangfertigen Kehle nicht schwer fiel, sich die Gunst der Frauen zu erwerben. Eine hatte zuletzt sein Herz mit starken Banden umstrickt: Klärchen war's, des Waldmeisters rosiges Töchterlein. Dem Waidwerk nachgehend hatte er sie kennen gelernt und mit jubelndem Schalle hatten die Waldvögelein ihm seine junge Liebe ins Herz gesungen. Unter dem Vorwande der Jagd ging er fast täglich in den Frühstunden oder am Abend spät, um die Auserwählte zu schauen und sie im Waldesschatten zu herzen.

Einst, da er bei hellem Vollmondschein wie gewöhnlich durch den Forst hinwandelte und des Burgwächters Horn just Mitternacht verkündete, kam ihm plötzlich vor, als sitze wenige Schritte von ihm am Wege in einen Schleier gehüllt eine weibliche Gestalt. Abenteuerlustig wie Burkard war, schritt er furchtlos auf die Erscheinung zu. Allein je näher er kam, desto unbestimmter wurden ihre Umrisse, die in Nebel zerflossen, sobald er seine Hand nach ihr ausstreckte. Jetzt wandelte ihn doch ein leichtes Grauen an; aber da er ein muthig Herz besass und die Sache ihn reizte, so hielt er das Ganze für eine Täuschung seiner Sinne. Um sich Gewissheit zu verschaffen, ging er am folgenden Abend zu derselben Stunde wieder an dem Platze vorüber. Die Gestalt sass wie gestern auf demselben Fleck, nur hatte sie heute den Schleier zurückgeschlagen und leise spielte die Abendluft in ihrem langen, auf den Busen niederrieselnden Goldhaar. Burkard stutzte einen Augenblick, trat aber dann, sich selbst feige scheltend, auf sie zu und siehe da, sie löste sich zum andern Mal in einen lichten Nebelstreif auf. Ihm zu Häupten schwebte am abendlichen Himmel ein leises Wölkchen, noch im Verduften die entzückende Gestalt festhaltend.

Er theilte das Abenteuer dem Schlosskastellan, einem erfahrungsklugen Manne, mit und erfuhr von diesem, es sei in alter Zeit an der Stelle, wo er die Erscheinung gehabt, ein heidnischer Tempel gestanden; der mit dichten Tannen besetzte Platz sei verrufen und niemand aus der Umgegend wage es des Nachts dort vorüberzugehen.

Aber unser Junker gehörte nicht zu den Abergläubigen. Er liess des andern Tages an der Stelle, wo ihm das geheimnissvolle Wesen erschienen war, nachgraben und fand einen kleinen, römischen Altar, der nach der lateinischen Inschrift der Göttin der Liebe geweiht war. Eine Erdschicht tiefer fand man schliesslich das Marmorbild der Göttin selber. Die Arme und der Theil des Körpers abwärts der Brust fehlten und waren sichtlich abgeschlagen, dagegen konnte man keinen schönern, huldvolleren Mädchenkopf sehen. Der erste Frühlingstraum des Lebens schien um Stirn und Auge zu spielen, ein Schleier umhüllte nur einen Theil der reichen Locken, die den jugendlichen Busen leicht bedeckten. Burkard liess den Altar und das Marmorbild auf dem Platze aufstellen, wo sie ausgegraben worden, und so entstand der Name »Keller's Bild.«

In der Brust des jungen Mannes hatte aber die schöne Marmorgöttin eine wahnsinnige Liebe entzündet. Nicht lange vermochte er sein Herz zu meistern und zum dritten Male wanderte er um Mitternacht, als der klare Mond am Himmel stand, zum Bilde. Wieder sass die jungfräuliche Gestalt am Fusse des Altars, wie er sie schon zweimal gesehen. Aber diesmal zerfloss sie nicht wie sonst in Nebel; immer körperlicher wurde sie, immer schärfer die Conturen ihres lieblichen Körpers, je näher der Junker ihr kam.

Ein beherzter Knecht aus der Burg war ihm gefolgt und blieb in einiger Entfernung stehen. Er sah, wie Burkard mit dem strahlenden Weibe zu reden begann, immer inniger wurde das Gespräch, immer leidenschaftlicher des Junkers Gebaren. Und als er sie gar in seine Arme schloss, da fasste den Knecht Entsetzen, und zum Tode erschrocken floh er zur Burg zurück. Des Nachts war der Junker ausgeblieben und als man am andern Morgen im Walde nach ihm forschte, fand man ihn in einiger Entfernung vom Altar todt ausgestreckt. Um seine bleichen Lippen spielte ein Lächeln seligen Glücks. Das Marmorbild war und blieb verschwunden.

Keller's Oheim aus dem Geschlecht der Hundliss von Waldrams liess den Altar zerschlagen und an dessen Stelle einen Bildstock mit dem Zeichen der Erlösung errichten; auf dem Platze aber, wo man den Leichnam gefunden ein steinernes Kreuz.

* * *


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