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30. Die Stiftung des Klosters Herrenalb.

. Mit grossem Jagdgefolge war Graf Berthold von Eberstein eines Morgens zum edlen Waidwerk ausgezogen. Berg auf, Berg ab, Thal aus, Thal ein ging die fröhliche Jagd unter dem schmetternden Schalle der Hüfthörner und dem Kläffen der Meute. Unermüdet folgte Graf Berthold den Fährten des Wildes, und je reicher die Beute wurde, die unter den Speeren und Pfeilen der waidgerechten Jäger verendete, desto leidenschaftlicher ward sein Eifer für das edle Werk. Als endlich der Abend hereinbrach, da hatte ihn ein stattlicher Edelhirsch weit abgeführt von seinem Gefolge, dass er den Klang der Hörner nicht mehr vernahm, nicht mehr den Laut der Hunde. Und wie er sich auch abmühte, sich wieder zurecht zu finden, die Gegend blieb ihm fremd, und immer dunkler und dunkler sank die Nacht herab. Er ritt in Kreuz und Quer durch den Wald, aber er verirrte sich immer tiefer in den pfadlosen Forst, und sein Gefolge vernahm weder den Ruf seiner mächtigen Stimme, noch das Schmettern seines Horns. So waren mehrere Stunden vergangen; schon hatte er die Hoffnung aufgegeben, sich bei der tiefen Finsterniss aus der unwirthlichen Wildniss herauszufinden, und er schickte sich eben an, unter einer breitästigen Buche sein Nachtlager aufzuschlagen, als der Schall einer Glocke an sein Ohr schlug. Frischen Muth schöpfend, folgte er diesem Tone, der ihn eine kleine Anhöhe hinauf und auf die freie Koppe einer Felswand hinaus führte, wo er den Schall der Glocke ganz in der Nähe vernahm. Graf Berthold gewahrte, als er umherschaute, unter sich im Thale, am Ufer eines schimmernden Baches eine Kirche, aus deren hellerleuchteten Fenstern lauter Chorgesang zu ihm herüberschallte. Er wusste nicht, wie ihm geschah, denn wie mit unsichtbarer Gewalt zog es ihn hinüber in die kerzenhellen Räume, sein Herz zu erleichtern an geweihter Stätte. Er band sein Pferd an einen Baum und stieg nicht ohne Beschwerde durch eine Kluft zwischen den Felsen hinab, und bald trat er in die Kirche, die von zahllosen Kerzen erstrahlte, während die Wände mit frischem Grün geschmückt erschienen, sodass der Tempel fast anzusehen war wie die hellerleuchteten Hallen eines stattlichen Forstes. Am Hochaltar stand der Priester im Festgewand und waltete des heiligen Amtes, duftende Weihrauchwolken stiegen zum Gewölbe des hohen Chores empor, und die andächtige Zuschauerschaar, alle im Mönchsgewand, begleitete die heilige Handlung mit ernstem Chorgesang, der dumpf dahinklang durch die tiefe, mitternächtige Stille. Graf Berthold fühlte sich dadurch in eine ungewöhnliche Stimmung versetzt. Eine himmlische Beruhigung sank in seine Seele hernieder und die brünstigste Andacht füllte sein ganzes Gemüth. Er sank auf die Knie und begeistertes Gebet floss über seine Lippen. Endlich ist die heilige Handlung zu Ende, und der Priester am Altar wendet sich segenspendend zum feierlichen Schluss. Wie er aber zum hehren Segenswort die Hände erhebt, da glaubt der Graf aus dem Munde des Priesters die Worte zu vernehmen: »Ziehe hin im Frieden und vergiss des Herrn nicht!« Und als er aufschaute, da war alles um ihn her verschwunden, der Priester, die Mönche und die Kirche, und er sah sich wieder allein am Ufer eines rauschenden Waldbaches, und im Osten verkündete der erste Schimmer den anbrechenden Tag. Graf Berthold konnte nun auch die Gegend unterscheiden, in welcher er sich befand. Es war das Thal, das die Alb durchfliesst. Er suchte sein Ross wieder auf und ritt der Heimath zu, konnte jedoch den Gedanken an das nächtliche Gesicht nicht los werden. Je mehr er aber über eine Deutung desselben nachsann, desto klarer ward es ihm, dass ihm dadurch die Weisung zugekommen, er solle an dieser Stelle ein Gotteshaus bauen, was er auch sogleich auszuführen beschloss. Die nöthigen Befehle waren bald gegeben, und da es der Graf auch an den nöthigen Mitteln in keiner Weise fehlen liess, so erhob sich in dem reizenden Albthale alsbald ein stattliches Mönchskloster, welches den Namen Herrenalb erhielt, wie das eine Stunde weiter stromabwärts zehn Jahre früher, 1138, von ihm erbaute Nonnenkloster den Namen »Frauenalb« führte.

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