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52. Der Jäger vom Feldberg.

. In der Nähe des Feldberges, über einer der einsamsten Schluchten des Schwarzwaldes, sieht man noch das zerbröckelte Gemäuer einer alten Burg, deren Namen verloren gegangen ist.

Der letzte Bewohner des Schlosses war ein reicher Graf, der jedoch, ausser dem Waidwerk, keine Lust kannte und keine Beschäftigung. Er hegte das Wild in seinen Forsten so reichlich, dass es die Felder der umwohnenden Bauern gänzlich verwüstete, und viele derselben Hungers starben. Einst, am Vorabend eines kirchlichen Festes, trieb er sich wie gewöhnlich bis tief in die Nacht im Walde herum, und verirrte sich von seinem Gefolge. Umsonst war er bemüht, einen Pfad zu entdecken, die Gegend wurde immer wilder, und zuletzt blieb ihm kaum noch die Kraft, sich durch das dichte Gestrüpp durchzuarbeiten. Endlich, um Mitternacht, gelangte er auf einen freien Platz mitten im Forste, wo er sich auf den Rasen niederwarf, um zu rasten. Da rauschte etwas durch's Gebüsche daher – er griff nach seinem Jagdspiess. Doch seine Hunde begannen ängstlich zu winseln, und als das Geräusch näher kam, sprangen sie heulend in das Dickicht. Dem Grafen, so keck er sonst war, kam die Sache nicht geheuer vor, zumal jetzt ein stattlicher Mann, einen Bogen in der Hand und ein Hifthorn an der Seite, keuchend und stöhnend aus dem Wald gelaufen kam. Hinter ihm drein ritt ein grosser Schwarm von Todtengerippen, alle auf gewaltigen Sechzehnendern. Der Mann suchte ihnen zu entrinnen, aber wohin er sich auch wenden mochte, von allen Seiten kam ihm ein Trupp von solchen Reitern entgegen, und sie jagten ihn wohl eine Stunde her und hin, bis der Graf in der Angst seines Herzens laut den Namen des Erlösers anrief, worauf die Gerippe auf den Hirschen alsbald verschwanden. Der Mann aber, den sie gejagt hatten, trat zu dem Grafen und sagte:

»Ich bin dein Ahne, und habe, wie du, mein Leben lang Wild und Menschen gequält. Wohl hundert arme Kerle, die in meinem Wildbann frevelten, liess ich lebend auf Hirsche schmieden, und die Thiere dann durch Hunde verfolgen, bis sie irgendwo niederstürzten, und der Unglückliche, den sie trugen, unter langsamen Qualen sein Leben verhauchen musste. Zur Strafe irre ich jetzt in meinen Wäldern umher, und jegliche Nacht verfolgt mich der Schwarm meiner Gemordeten, und ich dulde tausendfach, was ich an ihnen verübt. Gehe nach Haus, und sei menschlicher, als ich es war.«

Bei diesen Worten verschwand die Erscheinung. Der Graf war aber so vom Schreck niedergeschmettert, dass er sich nicht mehr von der Stelle bewegen konnte. Erst am Morgen fanden ihn seine Leute, allein seine Gesichtszüge waren so entstellt, dass sie ihn kaum mehr erkannten. Sie wollten ihn nach der Burg zurückführen; da that er ihnen seinen Entschluss kund, an dem Ort, an dem sie ihn gefunden, eine Kapelle zu bauen. Bis diese fertig sein würde, wollte er in einer nahen Höhle wohnen. Seine bewegliche Habe liess er unter die Armen austheilen, und alle Zugänge in seine Burg vermauern, damit kein menschliches Wesen sie mehr betreten könne und der Name seines Geschlechts verschwinden solle unter den Menschen.

* * *


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