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41. Burg Bosenstein, Gottschläg und Edelfrauengrab.

. Auf einem Vorhügel des Kapplerthals liegen die Ruinen der Burg Bosenstein. Einst herrschte hier das Geschlecht der Herren von Bosenstein auf stattlichem Schloss; aber ihr Stamm ist erloschen, und ihr Sitz ward zerstört. Bäume und Gesträuch wachsen in den Gemächern und auf den Mauern, und überragen den Schutt und Graus der zerstörten Pracht, und kaum vermag ein menschlicher Fuss das wilde Gestrüpp zu durchdringen.

Neben dem Hügel, dessen Spitze die Trümmer trägt, öffnet sich ein kleines Seitenthal, der Gottschläg genannt von dem Bache, der es durchströmt. Folgt man dem Lauf des Wassers aufwärts, so gelangt man, an einer Mühle vorüber, in eine wilde Felsschlucht, die nirgends einen Ausgang bietet. Von einer steilen, hohen Felswand stürzt sich hier schäumend und brausend der Waldbach herab, und ein grosses Becken von Granit, angefüllt mit allerlei buntem Gestein, fängt das Wasser auf; aber über demselben und hinter dem stürzenden Wasserstrahl wölbt sich seltsam eine wunderbare Grotte in einen Granitfels hinein. Das Ganze bietet einen überraschenden Anblick.

Auf dem Bosenstein hauste vor langer Zeit Ritter Wolf mit seiner Gattin, einer unfreundlichen, hartherzigen Frau, die das Gesinde plagte, und der nicht leicht Jemand etwas zu Willen machen konnte. Als sie einst am Ufer der Acher lustwandelte, kam ein zerlumptes Bettelweib mit sieben Kindern auf sie zu und sprach sie um eine milde Gabe an: ihr Mann sei ein Kriegsknecht gewesen und habe in fremden Landen seinen Tod gefunden, und nun wisse sie nicht, wovon sie die sieben armen Waisen ernähren solle; sie müsse zum Mitleid barmherziger Menschen ihre Zuflucht nehmen. Die Edelfrau liess die Wittwe scharf an und schalt sie, warum sie sieben Kinder in die Welt setze, wenn sie nicht wisse, wie sie dieselben ernähren wolle. Damit wandte sie sich um und liess die Frau stehen. Dieser aber riss die Geduld bei so schnöder Behandlung, und sie rief ihr nach: »Nun so wünsche ich, dass Du mit sieben Kindern zumal niederkommen mögest.«

Einige Zeit darauf fühlte sich die Frau von Bosenstein Mutter, und als einst der Ritter auf der Jagd war, wurde sie plötzlich von Wehen befallen und brachte sieben Knäblein zur Welt. Sie rief jetzt eine vertraute Magd und befahl ihr, sechs von den Knäblein in einem nahen Weiher zu ertränken. Die Magd that nach dem Befehl ihrer Gebieterin. Auf dem Weg aber begegnete ihr der Ritter, der eben von der Jagd zurückkam. Er fragte die Dirne, was sie trüge, und diese antwortete: »Es sind sechs Hündlein, die ich ertränken soll, weil die schönsten schon ausgesucht sind.« Da verlangte der Burgherr die Hunde zu sehen. Die Magd zauderte; als aber der Herr noch einmal befahl, da warf sie sich auf die Kniee und bekannte Alles. Er legte der Dirne Stillschweigen auf und brachte die Kinder bei wackern Leuten in der Gegend unter, wo sie erzogen wurden.

Nach sieben Jahren stellte er ein grosses Gastmahl an, und als man eben am vergnügtesten war, stand er auf und fragte: »was eine Mutter verdiene, die ihre eigenen Kinder tödte?«

Die Edelfrau, die in dem Augenblick ihres Verbrechens nicht gedachte, rief: »Eine solche Mutter solle man mit einem Laib Brod und einem Krug Wasser lebendig einmauern.«

Da traten auf ein von dem Burgherrn gegebenes Zeichen die sechs Knaben herein, und er sprach mit zornentbrannter Stimme:

»Du hast dein eigenes Urtheil gesprochen, denn diese, deine Kinder, wolltest du ertränken lassen. Dir geschehe, wie du gesagt hast.«

Die schuldige Burgfrau warf sich vor ihren Gatten zur Erde und bat um Gnade. Allein der Ritter erwiderte: »Du hattest kein Erbarmen mit den Kindern, darum findest du auch keines bei mir.«

Die Edelfrau ward jetzt in die Höhle an Gottschläg gebracht und eingemauert, wie sie selbst gesagt hatte. Von dieser Begebenheit bekam die Höhle den Namen Edelfrauengrab, den sie heute noch führt. Auch der Weiher ist noch vorhanden, in welchem die Knaben ertränkt werden sollten.

Noch existirt eine Gilt im Kappler Thal in Früchten und Geld, die Hundische genannt, die von diesem Vorfall herrühren soll, und die von Bürgern und Bauern, zum Geschlecht Hund genannt, bezogen wird.

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