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18. Das Vehmgericht im neuen Schloss zu Baden.

. Unter dem neuen Schlosse in Baden ziehen in fast labyrinthischen Windungen und Richtungen eine Menge unterirdischer Gewölbe hin. Sie bestehen theils aus engen, langen Gängen, theils aus Gemächern von verschiedener Grösse und Form. Mehrere dieser Gänge und Kammern konnten durch dicke steinerne Thüren von innen geöffnet und geschlossen werden.

Wie die Sage erzählt, die Geschichte aber mit Recht sehr bezweifelt, soll hier einst der Sitz des heiligen Vehmgerichts gewesen sein. Das grösste Gemach wird als dasjenige bezeichnet, in welchem die Freischöffen Gericht hielten, und noch sieht man die steinernen Sitze an den Wänden. Hier sassen sie und sprachen Recht über Frevler und geheime Verbrecher; hier meldeten ihnen die Freifronen die Vollziehung der aufgetragenen Strafen mit Strick und Dolch, oder es wurden Klagen erhoben über neue Unthaten, oder die Vorgeladenen, die sich nicht gestellt vor den Schranken des heiligen Gerichts, wurden verurtheilt und ihre Bestrafung den heimlichen Rächern übertragen. Andere Gemächer waren zum Aufenthalt für die Geladenen während der Berathungen des Gerichts bestimmt. In einem grossen Gewölbe, welches noch die Folterkammer genannt wird, sieht man die Ringe und Haken in den Mauern, woran die schrecklichen Folterwerkzeuge befestigt oder die Verbrecher gefesselt wurden. Aus dieser Kammer tritt man in einen kleinen Gang mit unterhöhltem hölzernem Boden. Hier befand sich einst eine Fallthür, und dies war der vielberufene Jungfernkuss. Unter dieser Thür war, der Volkssage nach, in der Tiefe ein hölzernes Frauenbild, an dessen Leib und Armen Stacheln, Messer, Dolche und andere Mordinstrumente angebracht waren, und durch einen künstlichen Mechanismus konnte das Bild seine Arme schliessen und gegen die Brust drücken, wenn es berührt ward. Betrat nun der Verurtheilte die verhängnissvolle Thür, so sank er plötzlich hinab in die Tiefe und in die schaudervolle Umarmung der Jungfrau, die ihn mächtig an ihr Herz presste, bis er sich unter qualvoller Marter verblutet hatte. Vor etwa vierzig Jahren fiel ein vorwitziges Schosshündchen einer Dame, die das Gewölbe besah, in dieses Verliess. Das Thierchen wurde wieder heraufgeholt, und bei dieser Gelegenheit entdeckte man noch Reste von Gewändern, Messern und einem Rade. Die Oeffnung wurde hierauf zugeworfen.

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