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13. Hohenbaden.

. Als gegen das Ende des fünfzehnten Jahrhunderts die Pest Verderben verbreitend über Deutschland hereinbrach und verheerend von Gau zu Gau zog, sank auch Markgraf Karl I. von Baden als Opfer dieser Seuche in der Stadt Pforzheim, wo er sich gerade in Regierungsgeschäften aufhielt. Seine hinterlassene Gemahlin Katharina von Oesterreich, eine Schwester Kaiser Friedrich's III., flüchtete mit ihren beiden jüngsten Kindern Friedrich und Margaretha, die beide noch im zartesten Alter standen, auf das Stammschloss Hohenbaden, wo sie, in tiefer Trauer um den hingeschiedenen Gatten und in steter Furcht vor der noch immer fortwüthenden Seuche die trübsten, sorgenvollsten Tage verlebte. Aber die Krankheit rückte auch der Hauptstadt des Landes immer naher, und jeder Tag brachte neue Unglücksbotschaften, worüber sich die mütterliche Angst der Markgräfin auf eine Höhe steigerte, dass sie sich keines Rathes mehr wusste. Da kam es ihr wie ein Gedanke von oben, und sie bezog das oberste Gemach im höchsten Thurm der Burg, das sie sich hatte einrichten und mit Mundvorrath auf lange Zeit und mit allem Nöthigen versehen lassen. Hierher hatte kein menschliches Wesen Zutritt und nur ein alter Diener erschien jeden Morgen am Fuss der Treppe, brachte frisches Brot und frisches Wasser und was die Fürstin sonst bedurfte, theilte ihr das Neueste mit, was sich zugetragen, und nahm ihre Befehle in Empfang.

In dieser selbstgewählten Gefangenschaft glaubte die Markgräfin, bei der Reinheit der Luft in dieser Höhe, und bei der Absperrung gegen jede Berührung von aussen, sich und die Kinder hinlänglich geschützt gegen jede Gefahr der Pest. Das milde Sommerwetter erlaubte ihr, sich manche Stunde des Tages auf der höchsten freien Zinne des Thurmes aufzuhalten, wo sich die Kinder am Beschauen der tausenderlei Gegenstände um sie her, oder an anderm Zeitvertreib vergnügen konnten. Eines Abends waren sie beide, durch kindische Spiele ermüdet, auf einem Teppich in einer Ecke oben eingeschlafen. Die feierliche Stille umher und der tiefe Friede, den alles ringsum athmete, stimmten das Gemüth der fürstlichen Witwe zu inniger Andacht, die sich theils in ein Dankgebet ergoss für den Schutz, den ihr der Himmel bisher hatte angedeihen lassen, theils in die brünstige Bitte, ihr die theuern Kinder zu erhalten, ihnen die Mutter zu lassen, die ja schon in frühester Jugend vaterlos geworden wären. Während so die Fürstin in frommem Gebet am Boden kniete und ihre Seele sich emporhob auf den Schwingen der Andacht, da bot sich plötzlich ihren Augen eine wundervolle Erscheinung dar. Von strahlender Himmelsglorie umflossen, schwebte die jungfräuliche Himmelskönigin herab, und die schimmernden Wolken zu ihren Seiten gestalteten sich deutlich zu Bildern, von denen das eine das Kloster Lichtenthal, das andere die warmen Brunnen in der Stadt Baden darstellte. Mit himmlischer Milde neigte die Gottesmutter das holdselige Haupt, zeigte mit der Rechten zuerst auf die schlafenden Kinder, die engumschlungen im Schlafe lächelten, und dann auf die Klosterkirche an ihrer Seite, mit der Linken aber auf die warmen Brunnen, die jetzt plötzlich hoch aufsprudelten und dampfend ihre nächste Umgebung zu überfluten schienen; dann schwand die hehre Erscheinung, welche die gläubige Fürstin in ihrem frommen Sinn also deuten zu können glaubte: die beiden Kinder solle sie dem Dienste des Herrn zu widmen geloben, wenn die Seuche sie verschone, und die heissen Quellen der Stadt böten zur Vertreibung der letztern das Mittel.

Am andern Morgen liess die Markgräfin alle heissen Quellen der Stadt öffnen, dass sie dampfend durch die Strassen flossen und ein dichter Qualm die ganze Umgegend umhüllte. Von Stund an liess die Gewalt der Krankheit nach, sie forderte weniger und weniger Opfer, wich weiter und weiter von der Stadt zurück, bis sie ganz verschwand, und man endlich nichts mehr von ihr wahrnahm als die Trauer und die Thränen derer, denen sie vor der göttlichen Hülfe theure Angehörige geraubt.

Die Prinzessin Magaretha nahm später den Schleier im Kloster Lichtenthal, dessen Vorsteherin sie wurde und Prinz Friedrich trat in den geistlichen Stand und starb als Bischof von Utrecht. Sein Grabmal steht in der Stiftskirche, rechts vom Hochaltar, und sein ehernes Bild stellt ihn dar, wie er auf dem Paradebett liegt im bischöflichen Ornate.

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