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48. Ruchtraud von Allmandshofen.

. In alten Zeiten haben in dem Dorfe Allmandshofen bei Donaueschingen reiche Ritter gewohnt, denen fast die ganze Gegend gehörte.

Einer von ihnen hatte eine Tochter, Ruchtraud mit Namen, welche an frommer Gesinnung die Ihrigen weit übertraf.

So weit ging ihre Frömmigkeit, dass sie mit der Andacht in ihrer Schlosskapelle sich nicht begnügte, sondern mitten in der Nacht vom Lager sich erhob und ihrer zarten Füsse nicht schonte, um vor Tagesanbruch dem Frühgottesdienste anzuwohnen, welchen in der drei Stunden entfernten Kirche von Mistelbrunn ein frommer Priester hielt. Damals aber deckte die ganze Gegend düsterer Wald, wovon die wenigen Tannen des Hasenwäldchens bei der Allmandshofer Ziegelhütte die letzten Zeugen sind. Doch wie die Jungfrau ohne Vorwissen der Eltern ihre Andacht verrichtete, so musste sie auch ohne Begleitung den unheimlichen Weg antreten. Sowie sie aber zum ersten Male den Wald betrat, ward es plötzlich helle vor ihren Augen, denn siehe, ein Hirsch von siebzehn Enden stund vor ihr, auf jeder Zacke seines Geweihes flammte ein Licht, und er geleitete sie durch das Waldesdickicht den geradesten Weg, bis von der heiligen Stätte die erleuchteten Kirchenfenster ihr entgegenglänzten. Und oftmals machte sie den Weg in lauen Sommernächten und oft über den knisternden Schnee der winterlichen Gegend; aber immer ging leuchtend und begleitend der Hirsch vor ihr her. Endlich kam die Zeit, da sie nicht mehr in der Kirche von Mistelbrunn, sondern vor dem Throne der Herrlichkeit selbst Gott anschauen sollte. Da liess sie die Ihrigen an ihr Todbett kommen und nahm ihnen das Versprechen ab, sie nicht in der Familiengruft, sondern dort zu begraben, wo es Gottes Wille sei. Da legten sie nach ihrem Hinscheiden den Todtenbaum auf einen Wagen und spannten diesem zwei des Joches ungewohnte Stiere vor und überliessen ihnen, zu gehen, wohin sie wollten. Die Leidtragenden aber und ganz Allmandshofen, denn Alle hatten das fromme Fräulein lieb gehabt, folgten von ferne.

Und siehe, die Thiere zogen durch Dick und Dünn den geraden Weg durch den Wald, und als sie vor der Kirche zu Mistelbrunn angelangt waren, legten sie sich vor dem Kirchhof nieder. Die Ihrigen aber begruben sie in derselben Kirche, und als die Herren von Allmandshofen schon lange ausgestorben waren, gedachten die armen Leute des Dorfes immer noch der frommen Ruchtraud und ehrten ihr Gedächtniss durch ein Votivbild. Vergl. Schnetzler, Bad. S. B. I.

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